Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

Pässe im Regen

Planung für unsere weitere Route in Skandinavien

Unsere 2RadReise hat uns in Nord-Norwegen bleibende Eindrücke der Landschaft und der Natur beschert. Dazu gehört die karge Landschaft der Finnmark mit der spärlichen Vegetation, die hier in den wenigen Sommermonaten um ihr Dasein kämpft. Oder die Moorlandschaften der Inseln im Landkreis Troms und der Vesteralen mit ganz besonderen Tierbeobachtungen. Dazu die krassen Gegensätze der Lofoten und später, südlich von Bodø, der Übergang zu Landschaften, die denen in Mitteleuropa schon sehr ähnlich werden. Dabei waren wir -einem Rat von vielen Norwegern folgend- fast immer der Route gefolgt, die am weitesten westlich, also meernah verläuft.

So hätten wir auf unserem zweiten Reiseabschnitt ab Trondheim auch den Touristenrouten am Meer entlang folgen können und als nächstes die Highlights von Südnorwegen wie Kristiansund, Geirangerfjord, Bergen, Stavanger besuchen. Wir beschließen aber, diesen Teil zugunsten einem Reiseabschnitt im Landesinneren von Norwegen auszulassen. Vermutlich würden andernfalls viele Eindrücke anfangen sich zu wiederholen und -noch schlimmer- wir würden uns in großen Besucher- und Touristenströmen an den Sehenswürdigkeiten einreihen müssen… was uns beiden sehr wenig Spaß macht.

Lange Rede, kurze Folgerung: Unsere Etappen der nächsten Tage werden uns in Richtung Osten führen bevor wir vermutlich auf der Höhe von Røros nach Süden abzweigen werden.

Alesund – Trollstigen – Andalsnes

Der letze Blogeintrag stammt noch aus Ålesund, wo wir spät abends eingetrudelt waren. Eine angenehm ruhige Nacht liegt hinter uns, wir haben beide tief geschlafen als uns der Abreisetrubel auf dem Platz allmählich aufweckt. Passt prima, wir wollen ohnehin nicht mehr lange bleiben sondern uns bald auf den Weg machen.

Oben geschrieben: Uns treibt es in Richtung Osten und das einzige Highlight, das wir auf diesem Weg einschleifen wollen bleibt der Trollstigen, den wir jetzt anpeilen. In Ålesund beginnt die E136 als vollausgebaute Schnellstraße, für Fahrräder und Pinos gesperrt, so dass wir auf parallelen Straßen zur RV60 und zum Fähranleger Magerholm fahren müssen. In Nordnorwegen war die Navigation immer recht einfach, da es immer nur wenige Optionen gab, das hat sich seit Trondheim geändert. Folgerichtig verfransen wir uns auch heute wieder ein halbes dutzend Mal bis wir die Fähre wirklich finden. Natürlich fährt sie uns gerade vor der Nase weg… dafür verwickelt uns der Antiquitätenhändler am Fähranleger in ein freundliches Gespräch und zeigt uns seine Schätzchen im Laden. Draußen hat es angefangen zu regnen und wir schauen uns NATÜRLICH lieber antike norwegische Kaffeemühlen an als draußen nass zu werden.

Die nächste Fähre auf die andere Seite nach Sykkylven ist dann unsere. Die RV60 führt von hier aus über die weite Landzunge und über einen ~540m hohen Pass nach Stranda, wir haben uns aber einen Umweg über kleine Straßen (Dalevegen, Fasteindalen, Nysaetervegen) herausgesucht um dem Verkehr der RV60 zu entgehen.

Dieser Umweg macht nur knappe 10 Kilometer aus und das Höhenprofil ist laut Naviki auch ganz angenehm: ~4% gleichmäßige Steigung auf eine maximale Höhe von 400 Metern scheint machbar, zudem wir die RV60 dann auf halber Höhe wieder erreichen werden.

Eigentlich hätten wir diesen Braten schon riechen müssen, Naviki neigt manchmal zu schmerzhaften Vereinfachungen. Im Fall unserer Nebenstraße heißt das, dass Naviki für seine Darstellung die Steigung hübsch gemittelt hat und uns arglistig verschwiegen hat dass wir hier einen hügeligen Kiesweg fahren dürfen, der permanent zwischen eben und 8-12% Steigung wechselt.

Für unser Lastengespann ein echter Muskelkiller und wir verbrauchen neben einigen Heiligen auch 4 Energieriegel um uns bis zum allerletzten Hügel dieser Nebenstrecke hochzukämpfen. Petrus hat Mitleid mit uns und sorgt jetzt auch für kräftige Wasserkühlung unserer Beine, was wir aber so lange zu verdrängen versuchen bis wir richtig nass sind…. und unsere Regenklamotten erst viel zu spät anziehen.

Eigentlich sind solche Strecken zwar schon anstrengend aber doch gut machbar. Nur schade, dass die Landschaftseindrücke spätestens mit dem Regen viel zu kurz kommen und wir recht wenige Fotos machen.

Nach der Nebenstrecke kommt noch der eigentliche „Pass“ der RV60 auf 540m. Was lässt sich über einen Pass per Tandem -jetzt im Wolkenbruch- noch erzählen? Dass die konstanten 7% unsere schon müden Beine ganz schön quälen? Dass Regentropfen ganz schön im Gesicht pieken können wenn man mit 70 Sachen runterdonnert? Keine Ahnung.

Jedenfalls bleibt Petrus seiner (Regen-)Linie auch noch treu als wir in Stranda unser Zelt aufbauen und wir haben unser Zelt zum ersten Mal schon von innen nass BEVOR wir selbst einsteigen.

Der Abend klingt dann aber noch richtig gut aus: Die Küche auf dem Feriesenter in Stranda ist sehr schön eingerichtet und wir verbringen einen lustigen Abend mit einer Gruppe Schweden, die mit 3 Wohnmobilen hier sind und uns ein schwedisches Bier spendieren. Mit zwei Franzosen und Kindern, die heute in Oslo bzw. Paris leben. Und mit den drei Chinesen, die jetzt in Südschweden leben und mit einem Gast aus New York eine Skandinavienreise machen. Es wird spät, lustig, laut… wie ein gelungener Abend halt so sein muss.

Dem entsprechend schlafen wir etwas länger, genießen beim Aufstehen das jetzt wieder schöne Wetter und legen die ganzen nassen Sachen von gestern nacheinander in die Sonne zum trocknen. Erst gegen 16:00 eisen wir uns allmählich vom Campingplatz los um wenigstens noch ein paar Kilometer näher an den Trollstigen zu kommen und schlagen unser Zelt wenige Kilometer nach Valldal auf dem Campingplatz Valldal auf. Hier dürfen die Zelte direkt am Fluß aufgebaut werden, wunderschönes Plätzchen.

Die Wettervorhersage steht jetzt auf fast 30mm Regen für den nächsten Tag, definitiv kein Wetter um auf einen 850m Berg in Norwegen hoch zu radeln. So verbummeln wir den ganzen verregneten Tag im Zelt und in der Gemeinschaftsküche des Platzes und warten noch die Pino-Bremsen und wechseln die Beläge: Udo Hintensitzer hat schon ein bisschen Respekt vor 800 Höhenmetern Abfahrt bei 10% und unserem Gespanngewicht von 250kg. Abends trinken wir noch ein Bier im Zelt, packen die Gitarre aus und singen dazu. Zugegeben: Wir gleichen mangelnde Tonsicherheit durch Lautstärke aus. Immerhin beenden wir dieses Drama noch vor 22:00 und entgehen so wohl einem Rüffel der Platzleitung.

Trollstigen:

Die Wolken hängen morgens noch tief im Tal, auch der Wetterbericht ist nur bedingt optimistisch. Trotzdem bleibt uns eigentlich nicht viel Anderes übrig: Wir packen das Zelt wieder mal klatschnass in seine Packtasche, satteln unser Pino und radeln los.
Valldal ist touristisch sehr lebhaft. Man kann von hier aus den Geiranger Fjord und den Trollstigen besuchen. Außerdem ist diese Gegend auch dank ihrem warmen Mikroklima ein berühmtes Anbaugebiet für norwegische Erdbeeren. Zum Glück hat Tina Vornesitzer keinen Zugriff auf die Pinobremsen, sonst wären wir sicherlich nicht ohne zwei/drei Stopps an den Erdbeerfeldern vorbeigekommen.
Wir fahren die RV63 von der Südseite auf den Trollstigen, hier sind seine 860 Höhenmeter auf gute 30 Kilometer verteilt und damit weit weniger giftig als die berühmte Trollstigen Nordseite.

Die RV63 führt uns durch das Tal des Flusses Valldøla, der über weite Strecken ein reißender Gebirgsbach ist. Türkisfarbenes und klares Wasser, vermutlich aber eiskalt, das über unzählige Stufen herabrauscht und auch durch eine spektakuläre Klamm –Gudbrandsjuvet- schießt.

Auf beiden Seiten des Tals stürzen dazu einige Wasserfälle, zum Teil mehrere hundert Meter herab. Kein Wunder, dass viele der Besucher des Trollstigen auch diese Südseite abfahren und dass uns jede Menge Ausflugsbusse entgegenkommen. Die Steigung bleibt wirklich sehr moderat und hat auf weite Strecken wirklich nur 3-4% und wenige Spitzen auf 5-6%. Erst die letzten 150 Höhenmeter ziehen dann mit 7-9% an und fordern nochmal alles von uns. Leider tauchen wir hier auch in die Wolkendecke ein und fahren ab jetzt im Nieselregen und mit wenig Sicht auf die Passhöhe bei 850 Metern.

Troll Lasse Isbjørn fühlt sich hier, im Reich seiner Artgenossen, sichtlich wohl und hat richtig rote Backen vor Freude als wir oben sind. Mangels Aussicht und dank Nebel fotografieren wir hier oben auf der Passhöhe halt Steintürmchen statt atemberaubender Bergsicht.

Runde 100 Höhenmeter tiefer kommen wir an den Aussichtpunkt des Trollstigen wo zu dem Zeitpunkt schon gefühlte 50 Ausflugsbusse und mindestens ebensoviele Wohnwagengespanne, Wohnmobile und Motorräder im dichten Nebel stehen. Wir parken das Pino direkt an der Toilette und am Souvenirgeschäft, wo uns die anwesenden Bustouristen sofort dankbar als Attraktion anstelle des -heute im Nebel versteckten- Trollstigen annehmen.
Ruckzuck bildet sich eine Traube von gut 40 Leuten aus Deutschland, Österreich, Frankreich und China und bombardieren mit Fragen uns über unser lustiges Gespann und über unsere 2RadReise. Lassen wir über uns ergehen, wir haben ja auch noch keine besondere Eile mit Weiterfahren im Nebel.

 

Eine halbe Stunde später haben wir den Souvenirshop auch von innen angeschaut und haben keine Hoffnung mehr, dass das Wetter aufklaren könnte. Also geben wir den Touristen hier noch dass Fotomotiv „Pino fährt an, Radfahrer winken“ und machen uns auf den Weg nach unten.


Dieser Blick vom Trollstigen wurde uns wegen Nebel leider verwehrt. Vielleicht müssen wir ja mal wieder hierher kommen.
(Quelle: www.trollstigen.no)

Die Doppelscheibenbremse am Pino leistet bei der Abfahrt dann richtig gute Arbeit, auf der engen, nassen Serpentinenstrecke mit Gegenverkehr ist Rollen lassen keine Option. Mit einer Standardbremse und unserer Beladung hätten wir hier bestenfalls Schritttempo mit vielen Pausen für die Bremse fahren können. Wir halten auf dieser Abfahrt noch zwei/drei Mal, als wir unterhalb der Wolken wieder Sicht bekommen und fahren danach an Andalsnes vorbei weiter zum Campingplatz Saltkjelsnes, packen unseren nassen Lumpen „Zelt“ wieder aus. Zum Abendessen gibt es heute Burgerfleisch mit Kartoffeln 🙂 und hinterher ein leckeres IPA im Zelt.

Weiter mit „Andalsnes – Surnadal, PANT!!!“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Unsere Etappen in der Übersicht

Die Hinreise zum Nordkapp

Vom Nordkapp nach Tromsø

Troms - Vesteralen - Lofoten

Bodø - Trondheim

Trondheim - Südnorwegen / Halden

Schwedische Westküste

Deutschland Nordost-Südwest: Usedom bis Bodensee

Frankreich Ost-West: Mulhouse - Nantes - Eurovelo 6

Frankreich Atlantikküste: St. Nazaire - Biarritz - Eurovelo 1

Spanien: Atlantik und Jakobsweg

 

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