Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

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Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

 

Gestern sind wir also auf dem Jakobsweg angekommen. Eigentlich gibt es viele Megabyte Information, viele Bücher, viele persönliche Erfahrungsberichte über den Jakobsweg, auch Hollywood hat sich schon ausgiebig um den Camino gekümmert, was sollen wir darüber noch ausführlich schreiben?

Versuchen wir’s mit unserer persönlichen Sicht auf diesen Weg nachdem wir einige Stunden darauf verbracht haben:

Der Jakobsweg ist ja in erster Linie ein unendliches Netz an Pilgerwegen, die sich aus ganz Europa kommend mehr und mehr zusammenfädeln um ganz final an der Kathedrale in Santiago de Compostela zu enden. Unendlich viele kleine Wege, fast jeder wird von sich sagen können, dass er doch „ganz in der Nähe“ eines Jakobswegs wohnt und die Schilder mit der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund schon gesehen hat.

Netz der Jakobswege in Westeuropa. Quelle: www.pilgern.ch

Der wohl berühmteste -und meistgegangene- Weg ist der Camino Francés, der von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen nach Pamplona und dann in Ost-West Richtung bis nach Santiago de Compostela in Galizien führt. Leute, die die Bremse dort nicht auf Anhieb treffen gehen auch gerne bis zum Atlantik nach Kap Finisterre („Ende der Erde“) weiter, wo man wirklich aufhören muss wenn man keine nassen Füße bekommen will.
Knapp 800 Kilometer über weitgehend sehr anspruchvolle, bergige Etappen, staubige und steinige Wege mit wenig Schatten. Aber auch unzählige Dörfer mit mindestens ebensovielen Kirchen, Eremitagen, die am liebsten alle auch den Camino im Beinamen tragen wollen.

Extrem spannend sind die Menschen, die hier wandernd unterwegs sind, hier müssen wir unser früheres Vorurteil grundlegend revidieren: Hatten wir doch hauptsächlich mit ganz besonders spirituellen Wanderern gerechnet, dazu noch mit Pilgerern, deren religiöse Vorstellungen für Ottonormalbeter nicht immer ganz nachvollziehbar sind, treffen wir ganz andere Leute als erwartet.
Obwohl wir mit dem Oktober vermutlich eine Pilgernebensaison sehen, treffen wir doch innerhalb eines Tages ganz locker Menschen aus allen Kontinenten. Den einzelnen Wanderer aus Mexiko in der Herberge, ein Paar aus Australien, dessen gute Laune kaum zu bremsen ist, mehrere Amerikaner, die von Hollywoods „The Way“ inspiriert waren, Paolo aus Singapur oder sehr viele Wanderer aus Südkorea und China -deren Wandermotive wir mangels Chinesischkenntnisse bei uns und Englischkenntnissen bei denen nicht erfahren konnten.

Und dann noch ganz besondere Geschichten wie die von Julian und Laura aus der Schweiz, die sich hier auf dem Jakobsweg kennengelernt haben. Nachdem sie in der Schweiz vielleicht gerade mal 100 Kilometer auseinanderwohnen gehen beide ZUFÄLLIG denselben Weg durch Frankreich und Spanien. Julian ab Zürich, Laura ab Le Puy/Ostfrankreich, treffen sich zufällig auf dem Jakobsweg mit demselben Ziel und…. sehen fast aus würden sie bis Santiago zu einem besonderen Paar werden. Ist das Vorsehung?

Laura und Julian aus der Schweiz mit dem 2RadReise-Team

 

Vermutlich zieht der Camino Francés seine Popularität nur zu einem Teil aus dem religiösen Pilgergedanken. Was diesen Weg für jede Art von Wanderern aber so genial macht, ist seine perfekte Infrastruktur: Jedes Dorf auf dem Weg bietet neben einer Pilgerherberge mit Massenschlafsälen mindestens noch ein halbes Dutzend günstiger Pensionen. Dazu Einkaufsmöglichkeiten, Wasser, Cafés, günstige Restaurants und sogar einen Rucksackservice. Richtig: Rucksackservice. Der geschundene Rücken des Pilgerers kann für günstige 5 Euro einen Tag lang entlastet werden, dann fährt ein Dienstleister den schweren Sack zur gewünschten nächsten Ortschaft.

Zur Infrastruktur kommt dann die Anzahl der Wanderer. Je nach eigener mentaler Situation kann man ganz leicht einen Tag lang in eigenen Gedanken vor sich hinwandern (man muss nur schauen, die wegweisenden Muscheln nicht zu verbummeln) ohne einen Ton kommunizieren zu müssen.
Genauso kann man sich aber auch jederzeit an einen oder mehrere andere Pilgerer anklammern und denen Geschichten in die Ohren schrauben bis die nicht mehr wollen. Manche scheinen auch den Partner fürs Leben dort zu finden… eine gemeinsame Ader zu Wandern hat man ja schonmal.

Viele der Pilgerer scheinen das auch zu genießen. Wir haben mehrere Leute gefunden, in deren Leben ein harter Bruch der Initiator für die Wanderung war und die diese Mischung aus In-sich-gehen aber auch gleichzeitig ausreichend Kommunikation mit interessanten anderen Menschen zu finden als Zündfunke für ihr weiteres Leben suchen.

Und… sind wir ganz ehrlich: Ein wenig Magie dieses Weges fühlen wir plötzlich auch in uns.

Soviel zur Philosophiestunde, zurück zur 2RadReise:

Wir haben gut geschlafen. Mag an den Matratzen der Herberge liegen, an der ruhigen Umgebung im Ort oder vielleicht auch an dem wirklich sehr anstrengenden Vortag mit den vielen Höhenmetern.
So eine Gemeinschaftdusche ist dann doch noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dafür ist das Frühstück mit anderen Pilgern und deren Geschichten ganz gesellig. Der Kaffee stand zwar schon gestern kalt in der Kaffeekanne, tut dem schwäbisch/schottischen Grundgedanken des Herbergsvaters aber keinen Abbruch. Den kann man ja in der Mikrowelle nochmal warm machen bevor man ihn mit „con leche“ serviert.
Wir wollen nicht nörgeln, bei einer Übernachtung im Doppelzimmer für 35 Euro inklusive Frühstück für zwei Personen ist halt Kaviar und Champagner nicht immer dabei.

Dafür bekommen wir -standesgemäß- beim Bezahlen noch eine Jakobsmuschel geschenkt. Der Herbergsvater hat sicher gleich erkannt, dass wir ganz besondere Musterpilgerer sind.

Wir folgen in den nächsten Tagen weitgehend dem Jakobsweg, der meist ein staubiger und steiniger Feldweg in Traktorbreite ist. Abhängig von der Steingröße und Holprigkeit ist das manchmal ganz gut zu fahren, selten höppeln wir aber mit dem Pino so von Stein zu Stein dass wir uns fast Sorgen um Materialermüdung und Gepäck machen müssen.
An vielen Stellen nehmen wir aber auch die Straße als Umfahrung, wenn die Steigungen auf dem Jakobsweg zu fies oder die Wegbeschaffenheit zu grob aussieht.

In Puente la Reina trinken wir in der Hauptgasse einen zweiten Kaffee und lassen die vorbeiziehenden Pilgerer auf uns wirken. Fühlt sich wirklich magisch an, hier zu sein, erst nach dem dritten Kaffee machen wir uns weiter auf den Weg.

ganz so hart ist das Pilgerleben gar nicht…

 

Maroni kochen steht noch fest auf unserem Plan, wir trauen uns in der trockenen Landschaft und wegen der vielen „Feuer verboten“ Schilder aber nicht, unseren Holzkocher auszupacken. Erst gegen Abend finden wir einen Rastplatz mit Grillstelle wo wir den Hobo aufbauen können.

Toll: Es ist Oktober und wir vespern Maroni im Freien. Fast wie Weihnachtsmarkt. Nur, dass die Maroni selbstgesammelt sind und der Wein ohne Glüh ist.

 

Die Route führt uns in den nächsten Tagen über Irache, Navarrete und Grañon über die besagten Wanderwege. Udo Hintensitzers neuer Sattel aus dem Irun-Ruhetag harmoniert seit Anfang an recht wenig mit des Hintensitzers Hintern. Das, in Verbindung mit den wirklich holprigen Wanderwegen trägt nur mäßig zur guten Laune bei, in Navarrete hat der neue Sattel verloren und muss seinen Platz wieder gegen den alten -jetzt geflickten- Sattel tauschen. Wirkt sofort, radeln macht gleich wieder viel mehr Spaß.

 

Insgesamt erleben wir vier ganz besondere Tage mit herrlicher Landschaft auf diesem Teil des Camino Francés bevor wir in Burgos unseren nächsten Ruhetag machen. Den wir auch verdient haben: Nicht nur, dass die Strecke enorm hügelig ist, wir haben hier auch den höchsten Punkt unserer 2RadReise vom Nordkap nach Gibraltar erreicht: Der Espinosa-Pass mit 1150 Metern Höhe.

 

Ein neues Hobby haben wir auch für uns entdeckt: Stempel sammeln. Wir haben schon gemerkt, dass wir den Pilgerausweis wohl gar nicht brauchen werden, weil Tina Vornesitzer sich standhaft weigert, das Erlebnis Massenschlafsaal in einer örtlichen Pilgerherberge für günstige 5-8€ pro Nacht zu buchen. Schade eigentlich.
Trotzdem macht es uns riesig Spaß, Stempel in jeder möglichen Ortschaft -sei es in der Pilgerherberge, in der Bar oder in der Kirche- abzuholen. Sind halt doch Musterpilgerer,

Buen Camino!

Weiter mit der nächsten Etappe

Die Bildergallerie der Reisetage:

 

Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

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Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

Einer der längsten Radwege in Frankreich folgt der Loire bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire. Sie nennen diesen Radweg liebevoll „Loire à velo“, was soviel wie „die Loire per Fahrrad“ heißt, auch wenn es ein bisschen untertreibt weil es die ersten paar hundert Kilometer der Loire ab der Quelle glatt unterschlägt.
Jedenfalls startet der Loire à velo kurz nach der Mündung des Allier in die Loire mit dem Kilometer Null.

Wir hatten ja einen Ruhetag in Nevers und freuen uns frisch ausgeruht auf ein neues Kapitel des Reisetagebuches an der Loire.
Das Wetter ist heute etwas durchwachsen, die wirklich heißen Tage des Jahres sind wohl vorbei. Einerseits schade, weil der Hochsommer damit auch für uns auf der Südroute zu Ende ist, andererseits waren die letzten Tage schon eine echte Hitzeprüfung gewesen.

 

Vom Campingplatz in Nevers geht es etwa 10 Kilometer entlang des Canal-Lateral-à-la-Loire, dann kommen wir an die Kanalbrücke über die Allier an die eine 10 Meter hohe Doppelschleuse direkt angeschlossen ist.

Der Schleusenwärter hat während eines Schleusenganges, der immerhin 30 Minuten dauert, ausreichend Zeit, um uns über unsere Reise auszufragen.
Im Gegenzug löchern wir ihn mit unseren Fragen, die sich auf mehreren hundert Kilometern Kanalradweg halt so anstauen. Ja, die Schleusenwärter sind staatlich angestellt (lässiger Job, sollte man sich fürs nächste Leben vormerken). Ja, die Schiffe zahlen eine Jahresgebühr für die Kanalbenutzung, die sie mit einer Vignette am Schiff dokumentieren müssen. Und ja, ein Schiff, das irgendwo anliegt und vor sich hinrottet muss auch eine Kanalgebühr bezahlen. Und nein, wenn wir im Winter mit Schiff kommen würden wäre nix mit schleusen, da werden Kanäle instandgehalten und sind großenteils geschlossen.

Eine Viertelstunde nach diesem Gespräch mit dem Schleusenwärter startet dann unser Abenteuer Loire à Velo am offiziellen Kilometer Null des Radwegs.

Leider führt der Loire-à-Velo kurz nach dem Kilometer Null auf den Damm der Loire und zeigt den Fluss anfangs eher selten, was der Schönheit der Strecke keinen Abbruch tut: Der Radweg führt durch wenig besiedeltes Land, der Asphalt des Radwegs ist perfekt und wir sehen nur ganz wenige Autos an diesem Reisetag. Wenn die Loire zu sehen ist, ist das meist im Bereich von kleinen, verschlafenen Dörfchen direkt am Fluss oder wenn man einem Anglerweg folgt, der vom Radweg in Richtung Fluss abgeht.
Wir sind hartnäckig genug und der dritte Anglerwaldweg bringt uns direkt auf eine Kiesbank an der Loire für unser Picknick.

Für die Übernachtung fahren wir zum Zeltplatz in Cosne-Cours-sur-Loire, stellen unser Zelt auf der Wiese unter den hohen Bäumen auf… und bekommen eine neue Lektion des Kurses Camping für Fortgeschrittene: Gelernt hatten wir schon die Lektion mit den Mulden auf Campingplätzen (laufen bei Starkregen gerne mit Wasser voll und setzen das Zelt unter Wasser), die Lektion mit der Windrichtung (man schläft besser, wenn das Zelt längs zum Wind aufgebaut ist und gut verspannt wurde) und die Lektion „wo ist Osten“ (damit man die Morgensonne auf das Zelt bekommt).
Ganz neu ist jetzt die Lektion „Zelte nicht unter hohen Bäumen“, die Vorlesung halten heute Nacht eine Gruppe Tauben, unter deren Toilettenast unser Zelt offensichtlich gerade steht. Nicht appetitlich. Nicht einfach wegzuputzen, nicht lustig. Wenigstens hat der Regen dafür gesorgt, dass die gut 30 Flecken nicht angetrocknet sind, 4 Liter Wasser und 20 Tempos später ist der Ärger weggeputzt.


Die Tagesetappe
soll uns über Belleville-sur-Loire, Briare, Sully-sur-Loire nach Chateauneuf-sur-Loire führen.
Nachdem es nachts noch geregnet hatte ist es morgens immer noch recht dicht bewölkt, auch das Atomkraftwerk in Belleville-sur-Loire gibt sich Mühe, den Eindruck noch etwas düsterer zu gestalten.

Immerhin führt der Radweg heute über sehr weite Strecken direkt entlang der Loire und gönnt uns schöne Aussichten auf die alten Dörfchen, vereinzelte Weinberge und kleine Schlösschen auf der anderen Flussseite.

Unsere Mittagspause machen wir direkt an der Loire, wo wir neben Baguette, Käse und Salami einem großen Greifvogel beim Jagen über der Loire zusehen. Immer wieder schraubt er sich auf eine Höhe von 20-30 Metern hoch um danach ins Wasser herabzustürzen. Leider können wir ihn nicht genau genug sehen um sicher zuzuordnen, ob es ein Schwarzmilan oder vielleicht sogar ein Fischadler ist. Unser Vogelkundebuch behauptet jedenfalls, dass einzelne Milanarten auf Fischjagd gehen würden, die Flügelform deutet aber sehr auf eine Adlerart.

 

Nachmittags geht der Radweg dann wieder an den parallelen Kanal zur Loire, wo wir wieder eine Kanalbrücke erreichen: Die Kanalbrücke bei Briare führt den „Canal-lateral-à-Loire“ in einer gut 600 Meter langen Stahlbrücke über die Loire.

Als Tourist kann man diese Kanalbrücke in einem Ausflugsschiff überqueren und Fotos schießen, was heute aber anscheinend nicht so spannend ist: Jedenfalls sind die Fahrgäste so von unserem Pino fasziniert, das sie auf dem Radweg der Kanalbrücke überholt, dass sie praktisch nichts anderes fotografieren. Hat sich die Fahrt mit dem Ausflugsboot schon mal gelohnt!

 

Der Campingplatz in Chateauneuf-sur-Loire ist heute, Mitte September schon recht leer. Trotzdem hat sich ein mobiler Pizzabäcker auf den Platz verirrt, was wir gnadenlos ausnutzen. Heute abend gibt es französische Pizza, warme Dusche… und abends noch einen Film vom Notebook im Zelt. Und Nüsschen. Und Rotwein. Das Leben ist schön!

Weiter mit „Loire-a-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn“http://www.2radreise.de/loire-a-velo-2-loireschloesser-cheaumont/

Die Bildergalerie dieser Etappe:

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

Heute morgen sorgt nicht nur unser Holzkocher beim Kaffeekochen für Qualm auf dem Campingplatz, kurz danach bereiten sich die Mitglieder der Lanzfreunde Odenwald auf die Abfahrt vor.
Das Vorglühen des Zylinderkopfes per Heizbrenner geht noch relativ harmlos vor sich, das Anwerfen des Lanz- und Ursustraktors von Hand ist jedenfalls ein Schauspiel für sich.
Die Dieselwolke aus dem Auspuff, die jeder einzelnen Zündung folgt hat es schon in sich und wir finden hinterher den einen oder anderen Dieselrußkrümel auf unserer Zelthülle.

Weniger spektakulär ist eine Stunde später das Anrollen unseres Gespanns, zum Glück schaffen wir den Absprung heute etwas früher am Vormittag: Der Wetterbericht verspricht uns heute wieder über 30° im Schatten.

Der EV6 folgt in diesem Abschnitt abwechselnd dem Fluss Doubs und dem Canal Lateral du Doubs in weiten Schleifen.

Teilweise fahren wir auf der Nordseite (=Sonnenseite) des Flusses / Kanals, andere Strecken führen auf der angenehm schattigen Südseite.
Das sind die wirklich schönen Teile der heutigen Etappe, endlich kann man auch mal wieder ohne Sonnenbrille fahren.

 

Zum gleichen Zeitpunkt auf einem Ast einer der hohen Eichen verabschiedet sich Bruno Düsenflieger von seinen Enkeln (er hat sich nicht explizit vorgestellt, wir geben ihm einfach mal diesen Namen), seines Zeichens fliegende Ameise, zieht die Fliegerbrille auf und startet in seinen letzten Flug. Im Sturzflug donnert er auf uns ahnungslose Reiseradler zu, nimmt Udo Hintensitzer ins Visier und knallt mir mit Höchstgeschwindigkeit direkt ins linke Auge. Sonnenbrille im Schatten wäre doch gut gewesen.

Mannmannmann, tut das Ding weh! Ich kann zwar die Hälfte von Bruno Düsenflieger per Reflex-Augenwischen aus meinem Auge reiben, der Rest bleibt aber erst mal drin und brennt so höllisch, dass wir eine knappe Stunde Pause machen müssen und fast einen Liter unseres kostbaren Trinkwassers für das Ausspülen des Auges verbrauchen.
Dummes Ding, Bruno, hättest auch einfach auf unseren Scheinwerfer donnern können.

Um das Auge auf den weiteren Kilometern etwas zu schonen klebt Krankenschwester Tina Vornesitzer mir eine Augenkompresse auf das lädierte Auge und wir fahren mit etwas reduzierter Geschwindigkeit weiter.

Zum Glück guckt Tina mit und passt auf, ich wäre über den Ast am Rand der asphaltierten Strecke fast drübergefahren… Tina kreischt ein bisschen und wir halten kurz nach dem Ast an, der sich inzwischen als ganz schön große Natter -vermutlich eine große Ringelnatter- entpuppt hat.

Dummerweise sind wir halt wieder zu tüddelig, das Tier zu fotografieren bevor sie sich ins hohe Gras verkrümelt… ähhh verschlängelt.

 

Am Nachmittag führt uns der Radweg entlang dem hier schon recht breiten Doubs auf Besancon mit Blick auf die Zitadelle auf dem Berg zu. Der Doubs macht hier eine große Schleife durch Besancon, die Kanalbauer haben sich eine Abkürzung dazu einfallen lassen: Der Kanal hat einen Tunnel mitten unter der Stadt hindurch bekommen und als Radfahrer kann man wahlweise durch die Stadt radeln oder durch den etwa 500m langen Tunnel abkürzen. Wir wollen gerne noch ein Stückchen vorwärtskommen und nehmen deshalb die kürzere Variante durch den Tunnel. Es fühlt sich schon seltsam an, zu wissen dass die riesige Zitadelle während dieser Durchfahrt über unseren Köpfen steht.

Ein gutes Stück nach Besancon folgt dann bei Thoraise eine weitere Kanalabkürzung per Tunnel. Inklusive tollem Blick durch den Tunnel auf die andere Bergseite und die Schleusen auf der anderen Seite. Nur der Radweg hat in diesen Tunnel nicht mit reingepasst, wir müssen unser Lastenrad über den kurzen aber steilen Berg radeln.

 

Nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel heute:
Unsere Datenbank kennt einen Campingplatz in Osselle, die Karte zeigt dort ein Freibad direkt angeschlossen. Hochwillkommen bei der heutigen Hitze. Als wir dort ankommen entpuppt sich die Sache dann aber als privates Freibad am See mit angeschlossener Campingwiese.
Soweit gut, aber die Betreiberin erzählt uns am Eingang von „… douches froides …“ – es gibt nur KALTE DUSCHEN.

Es ist jetzt schon abend, vermutlich müssen wir da jetzt einfach durch. Der Platz ist auch wirklich richtig schön, der See lädt zum Baden ein und wir haben von unserem Zeltplatz einen schönen Blick über den See.
Man kümmert sich auch liebevoll um uns (die fast einzigen Camper an diesem Tag) und zeigt uns den Platz mit der schönsten Aussicht und nahe zu den Steckdosen.
Eine Französin, die in ihrer aktiven Arbeitszeit als Redakteurin gearbeitet hat fragt uns noch lange über unsere Reise aus und lobt den See und das Seewasser in den höchsten, frischen Tönen -verglichen zum „toten“ Wasser der Loire. Wir bleiben gerne einen extra Ruhetag auf diesem Platz, auch wenn die Duschen extrem erfrischend sind, baden ausgiebig und gönnen uns Abendessen mit Rotwein in der Freibadgaststätte.

Das frische Wasser im See und den Vergleich mit der Loire müssen wir wenige Tage später etwas relativieren: Die Loire sehen wir später mit tollem klarem Wasser mit vielen riesigen Fischen, deren Wasser kann so tot nicht sein. Dafür haben sich alle Vorder- und Hintensitzer dieses Blogs Zerkarienpusteln im See geholt… die sich noch ein paar Tage juckend in Erinnerung halten werden.

 

Beim Abendessen im Freibadrestaurant treffen wir auf Franzi und Josh, die gerade ihre Bachelorarbeit in Politik- und Islamwissenschaften bzw. in Politik und Pädagogik abgeliefert haben.
Daraus entwickelt sich eine sehr spannende Unterhaltung über Berufswünsche, soziales Engagement und über den Umgang mit Populismus. War sehr schön, mit euch zu reden, wir wünschen euch einen guten Berufsanfang wenn ihr wieder zurück seid!

Am Tag nach unserem Ruhetag in Osselle kommt schon recht früh Leben auf das Freibadgelände. Schwimmer mit Neoprenanzügen kommen zum trainieren, viele Sportler mit Rennrad und Sporttaschen laufen ein und fangen an, das Freibadgelände für ihren lokalen Triathlonwettbewerb vorzubereiten.
Einen Moment denken wir drüber nach, wie so ein Triathlon mit Pino auf der Radstrecke wohl aussehen würde, entscheiden uns aber dann doch, weiterzufahren.

Nach Osselle geht es wieder weitestgehend am Rhein-Rhone-Kanal entlang. Diese Strecken rollen immer sehr gut, da der Radweg immer das ebene Niveau des Kanals hält und nur alle paar Kilometer einen Höhensprung einer Schleuse aufweist… um danach wieder für Kilometer eben zu bleiben. Highlight des Morgens ist eine Ringelnatter, die quer über den Kanal schwimmt. Dummerweise WIEDER zu schnell für uns.
Versprochen: Wir liefern noch ein Schlangenfoto!

 

Auf diesem Kanal ist jetzt, Anfang September nicht sehr viel Verkehr. Pro Tag sind es fünf bis zehn Miethausboote, die mehr oder weniger Probleme beim Rangieren in den Schleusen haben.
Dazu kommen ein paar frühere Frachter, die liebevoll zu langen Hausbooten umgebaut worden sind und häufig ganz liebevoll mit Blumenkästen geschmückt sind.
Die liegen dann meist an Anlegestellen mit hübschen Restaurants und die Besitzer üben sich im französischen Savoir-Vivre. Wäre für einen Sommer bestimmt mal schön um die Beine richtig baumeln zu lassen, auf mehrere Jahre verteilt aber vielleicht doch langweilig, oder?

Auf so einen Wohnfrachter würde unser Pino eigentlich ganz gut passen und wir überlegen ernsthaft wie es wäre, uns bei so einem kanalfahrenden Pensionärspaar auf eine Tagesetappe einladen zu lassen. Würde eigentlich ganz gut zu 2RadReise passen.
Leider finden wir über die ganzen Tage kein einziges fahrendes Hausboot, das in unsere Richtung fährt und genügend Platz für ein Pino auf Deck gehabt hätte. Schade.
Das einzige Schiff, das infrage käme ist ein Holzfrachter, dessen Kapitän wir auch prompt ansprechen. Allerdings sehen wir den an einer Stelle, an der ein Aufladen des Pino wirklich nicht möglich ist. Wird leider nichts mit Schifffahrt.

 

Die Etappe endet an diesem Abend dann auf einem winzigen 0-Sterne-Campingplatz an der Saone bei Pagny. Die Betreiberin nimmt uns extrem freundlich in Empfang, bietet uns gleich eine kalte Flasche Wasser aus dem Kühlschrank plus zwei kalte Bier an und empfiehlt uns den Sonnenuntergang am Saone-Ufer.

Die zwei Flaschen Bier trinken wir dann auch dort am Ufer bevor wir müde ins Zelt kriechen. War ein langer, heißer Reisetag.

 

Weiter mit „Pagny – Chagny – Digoin – Nevers“

Die Fotogalerie dieser Reisetage:

 

Göteborg – Kattegattleden – Trelleborg

Göteborg – Kattegattleden – Trelleborg

Mittwoch morgen, wir frühstücken noch mit Christian bevor wir unser Pino beladen und uns voneinander verabschieden. Es war ein toller Abend gestern, das Picknick über den Dächern von Göteborg wird ganz sicher eines unserer Reisehighlights bleiben.

Christian geht arbeiten, wir haben selbiges bis Dezember noch nicht vor und können uns deshalb noch einen leckeren Cappuchino und einen Chocolate Cookie in der Morgensonne gönnen. Und noch einen. So dauert es eine ganze Weile bis wir allmählich in Gang kommen: Zuerst im Bummeltempo durch die Innenstadt von Göteborg, dann in die Tourist-Info einen Führer für den Kattegattleden kaufen, dann ganz gemütlich losgerollt.

Der Kattegattleden ist ein Radweg, der Helsingborg mit Göteborg verbindet. Dieser Radweg hat seinen Namen von der Nordseeregion zwischen Dänemark und Südwestschweden (Kattegatt = Niederländisch Katzenloch, was von der Enge und den Untiefen dieses Meeresteils berichtet) und folgt an dessen Küste  auf weiten Strecken auch einer alten Eisenbahntrasse. Er ist wirklich weitgehend autoverkehrfrei, die wenigen Mischstrecken (Auto und Fahrrad) sind in dem Radführer Kattegattleden explizit ausgewiesen. Ok, autofrei kann also auch heißen, dass der Radweg die Straße nutzt, aber der Radstreifen durch einen Randstein getrennt ist… perfekt in Ordnung für uns.

Auf den ersten Radkilometern geht es zuerst am alten Hafen von Göteborg und schicken Restaurants entlang, dann durch ruhige Vorstadtsiedlungen, an mondänen Vorstadtvillen vorbei bevor man Stück-für-Stück aus der Großstadt entlassen wird und in grüne Abschnitte fährt. Es geht auch hier schon häufig auf früheren Bahntrassenabschnitten voran, was sich an der sehr flachen Streckenführung oder Felseinschnitten sehr gut erkennen lässt. So macht es uns Spaß zu radeln!!!

Obwohl: Ein Nörgelpunkt fällt uns schon ein: Der Wind ist nicht unser Freund, wir kämpfen uns wie auch schon in den ganzen vergangenen Schwedenabschnitten gegen den Südwind zäh vorwärts. Ganz allmählich beginnt diese Windrichtung schon an unseren Nerven zu zehren, aber auch die Wettervorhersage bringt auch kaum Änderung. Außer halt, dass der Gegenwind in den nächsten Tagen noch deutlich zunehmen wird.

 

Kleiner Einschub für Nichtreiseradler, Begriffsklärung Gegenwind:

Als Gegenwind bezeichnet man die bewegte Luftmasse, die im aktuellen Augenblick exakt dahin will, wo man selbst herkommt.
Gegenwind existiert in verschiedenen Güteklassen, beginnend bei lauem Lüftchen bei heißem Wetter (sehr willkommen) bis hin zur Sturmklasse und wird von Petrus mal mit, mal ohne Wasserbeigabe geliefert. Jedenfalls ist radeln bei Gegenwind in Sturmklasse extrem nervig und jeder erfahrene Radfahrer wird die härtesten Bergfahrten und Passüberquerungen diesem Wind gerne vorziehen. Berg hoch radeln bedeutet nämlich immer, dass man sich etwas verdient: Das RUNTERFAHREN, was höchstens in der Bremshand anstrengend wird.
Beim Gegenwind verdient man sich dagegen einfach gar nix. Man kämpft, kämpft, kämpft. Gibt vielleicht mal noch etwas mehr Gummi, weil der Wind nervt.
Bringt aber nichts, der Wind hat meist den längeren Atem. Der ist immer noch da, wenn man selbst schon vollkommen platt und alle ist, macht pffff und einem eine lange Nase.

Gegenwind in Helsingborg, Güteklasse Starkwind, Nass

Jedenfalls haben wir heute etwa 20km/h trockenen Gegenwind bis etwa Kilometer 40, der sich danach in Gegenwind mit Nieselregen, Gegenwind mit Regen und ganz zu Schluss in Gegenwind mit Gewitter und Wolkenbruch wandelt. Nach 77 Kilometern ist am Campingplatz Åsa wirklich Schluss für uns und wir halten an.
Was jetzt passiert ist wieder mal ein genialer Moment unseres Trips: Die Betreiberin des Campingplatzes zieht uns klatschnasse Hühner zwei anderen Campinggästen an der Rezeption vor, erklärt uns kurz, wohin wir unser Zelt stellen können. Außerdem macht Sie für uns ihren Heizraum des Sanitärgebäudes auf, damit wir unsere nassen Sachen dort ausziehen und aufhängen dürfen… und wir sollen zum Anmelden wiederkommen, wenn wir trocken, warm geduscht und aufgewärmt sind. Superstark!!!

Wir bauen im immer noch strömenden Regen zitternd unser Zelt auf, nehmen unsere Duschsachen und unsere trockenen Klamotten und verschwinden in der Dusche und dem Heizraum, kochen uns in der Gemeinschaftsküche unser Abenddinner und gehen danach wieder zur Rezeption um uns zu bedanken und anzumelden.

Die Nacht war windig, der nächste Morgen ist windig, immerhin hat der Wetterbericht für heute überwiegend trockenen Gegenwind im Programm. Wir haben heute unser 30-jähriges Jubiläum, vor genau 30 Jahren haben wir uns in Frankreich kennengelernt, feiern das kurz mit einem Kaffee im Freien vor dem Zelt bevor wir uns wieder aufs Pino schwingen.

Der Kattegattleden zeigt sich in den nächsten Tagen als wirklich lohnenswerter Radweg in Schweden.
Er ist sehr abwechslungsreich, beginnt mit Großstadtflair, führt durch grüne Landschaften und auch häufig am Meer entlang. Dabei passiert er Touristenhochburgen und sehr mondäne Siedlungen an Golfplätzen genauso wie ewig lange Sandstrände und Felsküsten. Streckenteile führen durch Getreidefelder und Wiesen, an Landwirtschaften und kleinen Ortschaften vorbei, es geht durch Kiefernwälder und über sanfte Hügel mit Meerblick.
Dabei ist die Beschilderung absolut vorbildlich, an wirklich jeder Kreuzung steht ein Wegweiser mit dem zugehörigen Abbiegehinweis, sodass ein Verfahren fast nicht möglich ist.

Wichtig für potentielle Reiseradler mit Zeltambitionen: Es macht Sinn, die Zielcampingplätze frühzeitig VORHER bezüglich des Preises abzuklären, auf der Strecke gibt es Campingplätze für ~200 Kronen (20€), die wir als sehr sauber und empfehlenswert empfunden haben (s.o.), ein Campingplatz in Golfplatznähe wollte von uns gerne 405 Kronen abrufen. Ob die Sanitären dort hübsch und sauber sind wollten wir danach nicht mehr in Erfahrung bringen, wir sind mit offenem Mund weitergeradelt.

Einziger Kritikpunkt am Kattegattleden für uns ist das fast vollständige Fehlen von Rastplätzen auf der Strecke. Es gibt sehr viele schöne Stellen, aber praktisch nie mit der Picknick-Minimalausrüstung von Bank, Tisch oder Toilettenangebot versehen.

Als Folge vom immer stärker werdendem Südwind und der fehlenden Rastmöglichkeiten mit Windschutz radeln wir den Kattegattleden dann auch eher im Jetzt-aber-Durch-Modus ab und nehmen uns wieder viel zu wenig Zeit für das Anschauen der stürmischen Landschaft.

Wir geben es zu: Dieser Blogbericht hätte fast den Titel „Flucht aus Schweden“ bekommen. Der sehr ausgeklügelte Fluchtversuch bestand aus dem Abkürzen der Schwedenetappe um 130 Kilometer und einen Reisetag per Zugetappe Helsingborg-Trelleborg, wir hatten dem Wind auf dem Weg zum Bahnhof Helsingborg schon den Effenberg gezeigt.
Eine sehr kurze Freude, die Zugauskunft im Bahnhof Trelleborg erklärt Udo Hintensitzer ganz kurz und trocken, dass der Zug zwar Fahrräder mitnehmen kann, dass wir eine Zugfahrt nach Trelleborg mit einem Tandem aber vergessen können.

In der Zwischenzeit hat Tina Vornesitzer den Wetterbericht für die verbleibenden zwei Tage bis Trelleborg bemüht und wenig ermutigende 45km/h, in Böen auf 69km/h Südwind in Erfahrung gebracht… und dagegen anzuradeln bleibt mangels Tandemtransport im Zug alternativlos.

Wir geben es offen zu: Schweden und 2RadReise werden diesen Sommer keine ganz großen Freunde mehr. Das Land hatsicher seine ganz großen Momente, von denen wir ja nur einen winzigen Ausschnitt gesehen haben. Auch die Schweden haben wir (bis auf ganz wenige Überholmanöver) als ganz freundliche Gastgeber und als sehr hilfsbereite und offene Menschen kennengelernt.

Leider hat uns das Wetter förmlich verjagt, nach 11 Tagen Radfahren im Gegenwind hat es einfach gereicht. Dazu waren die Temperaturen und der beigemischte Regen einfach nicht der Sommer, den wir uns im Süden Schweden Anfang August erhofft hatten.
Wir sehnen uns nach Sommertemperaturen und lassen Skandinavien heute nach 4083 Radkilometern und 42.902 Höhenmetern per Fähre Trelleborg – Swinemünde hinter uns.

Deutschland, wir kommen!

Weiter mit „Usedom – Oder-Neisse Radweg bis Frankfurt/Oder“

Die Fotogallerie dieser Reisetage:

Halden – Göteborg: Nordseeküstenradweg in Schweden

Halden – Göteborg: Nordseeküstenradweg in Schweden

Jetzt also Schweden: Norwegen hat in uns wirklich wehmütige Gedanken hinterlassen, als wir die Grenze nach Schweden überquerten. Ein Abschied ist immer auch ein Neubeginn, neben der Wehmut wächst auch ein ganzes Stück Neugier auf dieses Land, auf die Bewohner, auf die etwa 800 Kilometer in diesem Land.

Die Reiseroute durch Schweden hatten wir beide sehr lange in Diskussion: Es hätte die Möglichkeit gegeben, schon auf der Höhe von Røros oder nach dem Femundsee nach Schweden zu queren. Alternativ eine Route am Meer entlang, die ab Halden an der Westküste entlang führt. Den Ausschlag gab dann, dass wir seit guten zwei Wochen in Norwegen übers Land und durch Wälder geradelt waren und beide wieder Lust auf Meerblick hatten.

Entlang der schwedischen Westküste führen jetzt zwei Radrouten: Von Norden kommend zuerst der schwedische Anteil des Nordseeküstenradwegs zwischen Halden und Göteborg, danach der Kattegattleden von Göteborg bis Helsingborg, wo die meisten Radreisenden die Schnittstelle nach Dänemark nutzen. Von hier aus müssen wir nur noch etwa 100 Kilometer auf kleinen Straßen suchen um unseren Sprung nach Deutschland -per Fähre ab Trelleborg- zu machen.

Die ersten Kilometer in Schweden beginnen auf einer Hauptstraße, die über den Svinesund führt. Noch nicht wirklich eine Nebenstraße, das hohe Verkehrsaufkommen erinnert uns daran, dass die E6-Schnellstraße kostenpfichtig ist und vermutlich sehr viele Norweger zum Einkaufen ins (billigere) Nachbarland Schweden fahren. Zum Glück führt unsere Strecke aber recht fix für die nächsten 15 Kilometer auf eine kleine Nebenstraße. Bevor ich’s vergesse: Der Wind kommt aus Süden und bläst Tina Vornesitzer ins Gesicht, die ersten Regentropfen mischen sich auch schon dazu, anscheinend ist der Zeitpunkt für uns gekommen, den ersten Campingplatz in Schweden zu testen.

Der Platz für unser Zelt ist ganz ok, aber die sanitären Einrichtungen können nicht verbergen dass die Renovierungen schon seit 10 Jahren überfällig sind. Dafür ist der Übernachtungspreis der höchste seit unserem Start am Nordkapp: Für ein Zelt mit 2 Personen und Rad werden uns hier knapp 30 Euro abgezogen. Die Dusche für 2€ pro 5 Minuten lehnen wir in Anbetracht der unappetitlichen dunklen Flecken in den Duschkabinen dann ab. Immerhin liegt der Platz sehr verkehrsgünstig, die Schnellstraße E6 ist die ganze Nacht gut zu hören.

Morgens lassen wir uns deshalb nicht ganz so viel Zeit, satteln unser Pino, klipsen Lasse Isbjørn an seinen Platz am Lenker und radeln los. Der Südwind von gestern ist nicht eingeschlafen und bremst unseren Elan deutlich aus. Immerhin ist der Verkehr für die ersten Kilometer noch erträglich, bis wir in die Nähe des ersten Touristen-Hotspot, Strömstad, kommen. Interessant, wie der Verkehr hier deutlich zunimmt und den Stresspegel der Meschen analog mit nach oben zieht. Ab hier haben wir für einige Kilometer keinen Spaß auf der Straße, werden häufig unnötig eng überholt und werden selbst auch mehr und mehr genervt. Wo bleibt der NordseeküstenRADweg?

Radroute: Nordseeküstenradweg in Schnellstraßenform

Nehmen wir es vorweg: Der Nordseeküstenradweg ist eine knapp 6000 Kilometer lange Radroute, die die Nordsee umrundet und dabei in den sieben Ländern Dänemark, Schweden, Norwegen, Schottland, England, Niederlande und Deutschland immer in Nordseenähe führt. Wir kennen jetzt die 396 schwedischen Kilometer dieser Route und denken, dass dieser Nordseeküstenradweg auch mit sechs Ländern auskommen würde ohne an Reiz zu verlieren. Unser Rat für Radler dieser Nordseerunde wäre die Fähre von Dänemark direkt nach Norwegen, spart euch Schweden. Mag ein hartes Urteil sein, aber dieser Radweg glänzt mindestens zwischen Halden und Göteborg durch die ganzheitliche Abwesenheit von Markierungen und Richtungsschildern. Dazu führt er über weite Strecken entlang von Hauptstraßen ohne jeden Radweg, die mindestens jetzt -zur Haupturlaubszeit- voll von genervten Autofahrern sind, die alles andere besser brauchen können als 15 km/h langsame Straßenblockaden.

Einzelne Straßenanteile mit Radweg führen an der Schnellstraße entlang, was sie zwar sicherer macht, aber für uns jeglichen Reiz, dort radfahren zu wollen, im Keim ersticken. Realsatire ist, dass wir wirklich mehrfach von dieser „Radroute“ auf kleinere Straßen ausweichen um dem schlimmsten Verkehr auszuweichen… und dass wir das Meer nur ganz selten in Sichtweite haben.

Liebe Schweden: Lasst euch das mit dem Nordseeküstenradweg doch nochmal durch den Kopf gehen. Bestimmt lässt sich da an der einen oder anderen Straße eine Umgehung finden, oder -noch besser- ein ansprechender Radweg, abseits der Straße für die schlimmsten Ecken anlegen?

 

Für die zweite Nacht finden wir ein ruhiges Übernachtungsplätzchen am Waldrand.

Ein Windrad ist gerade so in Hörweite (und erinnert uns die ganze Nacht daran, dass der Wind noch aus Süden bläst), die Straße ist gerade so in Sichtweite aber praktisch nicht zu hören. So verbringen wir eine wunderbar entspannte Nacht in der Natur, kochen uns unseren Frühstückskaffee mit Blick auf eine Lichtung bevor wir uns in die nächste Schlacht werfen… sprich den zweiten Tag Nordseeküstenradweg.

Wir ersparen uns die Aufzählung der Straßen, die wir hier gefahren sind, es macht wenig Sinn, Nachahmer hierfür zu animieren. Immerhin kämpfen wir uns an diesem Tag 112 Kilometer im Gegenwind bis zu einer Campingplatzempfehlung, Camping Skärhamn. Der zugewiesene Platz für Zelte liegt hier zwar genau im Wind, dafür sind die sanitären Anlagen, die Gemeinschaftsküche und der Aufenthaltsraum supersauber und gepflegt… genau richtig für einen Ruhetag mit Blogupdate.

Sonnenuntergang am Zeltplatz Skärhamn

Sonnenuntergang am Zeltplatz Skärhamn

Die Landschaft, die wir in diesen Tagen gesehen haben ist sehr ansprechend. Sie ist zwar bei weitem nicht so spektakulär, wie wir die ersten Etappen in Nordnorwegen erlebt haben, aber die Mischung aus Wäldern, Getreidefeldern, Wiesen und -ab und an- Sandstränden ist sehr ansprechend. Immer wieder unterbrochen von Felsen mit ganz weichen Konturen, wie sie von der letzten Eiszeit zurückgelassen wurden und wie sie heute aus Feldern und Vorgärten ragen. Leider sind wir auf diesen Etappen etwas vorgespannt: Bei dem vielen Verkehr und bei dem zermürbenden, konstanten Gegenwind haben wir den Fotoapparat eher selten ausgepackt. Wir geloben Besserung.

In Göteborg erwartet uns ein Gastgeber, den wir über warmshowers.org gefunden haben. Christian lebt seit 8 Jahren mitten in Göteborg und nimmt uns für eine Nacht und eine warme Dusche bei sich auf. Klasse: Wir finden gleich einige Gemeinsamkeiten, wir arbeiten beide in der Raumfahrtbranche, spielen beide Gitarre, haben beide ein Faible für ferne Ziele. Genaugenommen hätten wir uns schon in Immenstaad, in Tokyo, in Shanghai, in Peking, in Seoul oder in Taejon über den Weg laufen können.

Für den Abend hat Christian ein Picknick mit uns geplant: Wir radeln auf einen Hügel im Stadtgebiet von Göteborg, sitzen vollkommen alleine auf den vielbeschriebenen runden Felsen praktisch über den Dächern von Göteborg, trinken ein Bier, singen und spielen Gitarre in den malerischen schwedischen Sonnenuntergang.

Christian: Vielen Dank nochmal für Deine Gastfreundschaft und für die gute Idee mit dem Picknick. Wir würden uns sehr freuen, Dich wieder zu treffen. Vielleicht auf einer Deiner Dienstreisen nach Deutschland? Wir hätten auch einen Berg inklusive Turm zum Gitarre spielen… vielleicht habe ich bis dahin ein bisschen von meinem Gitarrenrückstand aufgeholt 🙂

Weiter mit „Göteborg – Kattegattleden – Trelleborg

Die Bildergallerie dieser Etappe:

Aprilwetter in Norwegen

Aprilwetter in Norwegen

Es ist Freitag nachmittag, 13:30, und wir sitzen auf der Terrasse des Campingplatzes in Kolvereid in der Sonne. Die dritte Kanne Kaffee zieht gerade und die leckeren Haferkekse liegen auch schon auf dem Tisch. Normalerweise sind wir um diese Uhrzeit schon seit zwei Stunden auf der Straße damit wir ein paar Kilometer vorwärts kommen und nicht immer erst spät abends das Zelt aufschlagen müssen.
Aber heute ist alles ein bisschen anders, wir haben uns den faulen Tag irgendwie verdient: Die letzte Woche war in Summe trotz eines Ruhetages schon relativ hart mit stürmischen Tagen/Nächten, norwegischem Aprilwetter, viel Regen und etwas Bedenken mit unserem Zelt. Außerdem hatten wir ja die Zwangspause in Brønnøysund um uns beim Sportladen neue Stangen für unser Zelt abzuholen: Die vorhergehenden hatten sich Stück-für-Stück mit Haarrissen und zwei Komplettbrüchen verabschiedet.

Zeitsprung zurück… der letzte Blogeintrag stammt von der stürmischen Nacht am Berg mit Loch, Torghatten. Der Wind ist auch am Morgen noch stürmisch und bringt immer wieder auch heftigen Regen mit sich, so dass wir das Frühstück in die winzige Gemeinschaftsküche des Campingplatzes verlegen müssen. Zusammen mit zwei Paaren aus Leipzig, die ihre Campingstühle und Tisch mit hereingebracht haben und die halbe Küche schon zustellen. Wir motzen jetzt zu sechst ein bisschen über das Wetter, das sich davon aber nur mäßig beeindruckt zeigt.

So packen wir den nassen Lappen namens Zelt in seinen Sack, stellen das Pino, das vom nächtlichen Sturm umgeworfen wurde wieder auf die Beine und ziehen Regenhose / Regenjacke an. Eigentlich ist das -zumindest für Vielschwitzer wie Udo Hintensitzer- reine Augenwischerei: Da gibt es nur die Wahl zwischen Nass vom Regen und nassgeschwitzt in den luftdichten Klamotten. Da der Regen wirklich heftig ist entscheide ich mich für Zweiteres weil es immerhin die wärmere Nass-Alternative ist.

Von Torghatten zurück auf die FV17 geht es zuerst knapp 20 Kilometer gegen den Wind, dafür gibt es schon nach einer knappen Stunde die erste Statoil-Tankstelle wo wir unsere Kaffee/Schoki-Flatrate ausgiebig auskosten. Kurz danach biegen wir auf die FV17 mit Südkurs ab und haben ab hier abwechselnd Regen von oben, Regen von hinten, Regen als Niesel, Regen als Starkregen, Graupel und auch mal blauen Himmel. Solches Wetter haben wir in Norwegen öfters erlebt: Mehrmaliger Wechsel von blauem Himmel hin zu kompletter Bewölkung und wieder zurück innerhalb kurzer Zeit. Wir schalten bei diesen Bedingungen in einen Augen-zu-und-durch-Modus, machen nur sehr wenige Fotos, wenn die Sonne die Beleuchtung übernimmt. Der Ankerpunkt für den ersten Abend ist der Campingplatz am Fährableger Vennessund, den Tina Vornesitzer sehr gerne nehmen würde. Er sieht sehr gepflegt aus, hat eine heimelige Gemeinschaftsküche aber ein erhebliches Manko: Er steht genau in der Düsenwirkung des Fjords und damit wirklich mächtig im Wind. Udo Hintensitzer setzt sich durch, lockt mit dem Campingplatz in Holm auf der anderen Seite und wir beeilen uns auf die Fähre.

Den Campingplatz in Holm können wir nicht so richtig beschreiben: Der hat nämlich inzwischen geschlossen, der Wegweiser dorthin ist mit weißer Farbe übersprüht und es gibt den ersten Dissens innerhalb des Tandemteams… immerhin ist Udo Hintensitzer schuld, dass wir diese Nacht eben nicht bei heimeliger Gemeinschaftsküche sondern in einem Wäldchen ein paar Kilometer später verbringen. Als der nächste Morgen dann auch noch mit Regen anfängt und wir im Zelt frühstücken müssen hat Tina Vornesitzer ihr erstes Tief und pflegt einen tiefen Frust weil wir jetzt doch schon seit ein paar Tagen mit nassem Wetter kämpfen und allmächlich nichts von unseren Siebensachen mehr wirklich trocken ist.

Wir sind inzwischen -ungewollt- recht gut darin, ein nasses Zelt einzupacken und nehmen uns vor, diesen Regentag einfach nochmal auf dem Rad durchzuziehen und uns auf den Weg zu machen. Der Verkehr auf der FV17 nervt uns schon wieder ein bisschen, deshalb wollen wir bei der nächsten Gelegenheit abbiegen und über die 802 und die 771 / 770 in Richtung Rørvik fahren. Offensichtlich haben einige Wohnmobilfahrer denselben Plan wie wir, der Verkehr wird zwar weniger aber nicht so ruhig wie wir uns das erhofft hatten. Dafür sind die Steigungen umso mächtiger und diese Etappe wird, auch dank Gegenwind und Regen, zu einer echten mentalen und körperlichen Prüfung für uns. Nach 45 Kilometern kommen wir schon ziemlich auf dem Zahnfleisch daher, die Motivation ist seit heute morgen auch nicht wirklich gestiegen… vermutlich hat die Natur uns hier genau deshalb ein Highlight eingebaut: Auf einer Wiese, gut 150 Meter neben der Straße sind zwei große braungraue Steine. Obwohl: Steine bewegen sich normalerweise eher wenig, aber da auf der Wiese tut sich wirklich was. Elche???

Mit einer gewissen Reaktionszeit halten wir an, parken das Pino und wollen ein Stückchen zurück gehen um wieder Blick auf die Wiese zu bekommen. Brauchen wir gar nicht: In dem Birkenwäldchen direkt an der Straße liegt eine Elchkuh im Gras und schaut aus gerade mal 10 Metern Entfernung zu uns herüber. Wow, ist so ein Elchkopf mächtig groß!!! Offensichtlich sind wir der Elchdame nicht ganz geheuer und sie beschließt sich zu verabschieden. Langsam, ganz ohne Hektik steht sie auf und läuft ganz langsam von uns weg in den Wald. Erst jetzt sehen wir, dass ein Elchkalb bei ihr ist und ihr hinterhertrottet. Wirklich cool. Dumm nur, dass wir jetzt unseren Blog umschreiben müssen, nachdem wir erst vor einer Woche hieb- und stichfest nachgewiesen hatten dass es in Norwegen gar keine freilebenden Elche geben kann. Egal, das machen wir später. Jetzt freuen wir uns erst mal wie kleine Kinder, hetzen zum Pino zurück um den Foto zu holen und suchen uns eine Blickmöglichkeit zur anderen Seite des Waldes. Kurz sehen wir die beiden Elche noch in den nächsten Wald laufen, können ein (schlechtes) Foto zur Dokumentation schießen und haben plötzlich wieder Motivation und ein tolles Gesprächsthema für die restliche Etappe.

Ziemlich platt kürzen wir die Tagesetappe trotzdem bei Kolvereid ab. Nach 65km im Regen und 1100 zum Teil sehr steilen Höhenmetern sehen wir diesen Campingplatz und wollen einfach nicht mehr weiterfahren. Zum Glück macht das Wetter am nächsten Morgen auf… wir breiten unseren kompletten Hausrat zum Trocknen aus und setzen uns zum doppelten Frühstück auf die Terrasse, siehe oben.

Weiter zu „Etwas andere Übernachtungsplätze“

Die Bildergalerie des Tages… fällt mangels fototauglichem Wetter leider kurz aus.

 

Sprint zur Fähre und Berg mit Loch

Sprint zur Fähre und Berg mit Loch

Unser Zeltplatz liegt am Rand eines kleinen Wäldchens und an einer Bucht, die sehr flach ins Meer geht. Das heißt, dass man bei Flut direkt am Wasser wohnt, bei Ebbe ist das Meer fast außer Sichtweite.

Es ist Ebbe, als wir gegen 8 Uhr morgens aufwachen, unseren Solo Stove Holzkocher anwerfen und unseren Kaffee am Picknick-Tisch kochen. Überhaupt gibt es in Norwegen an vielen Stellen Picknickbänke und Grillstellen, gerne auch mal ein paar hundert Meter von der Straße weg. Finden wir prima, so können wir bequem sitzen und unser Frühstück am Tisch essen.

Es ist Montag morgen, unser Ersatzgestänge für das Zelt könnte mit etwas Glück heute in Brønnøysund ankommen, spätestens aber morgen. Der Plan ist also, heute bis zu diesem Sportladen zu kommen… denn der Wetterbericht sagt kühler, Regen und viel Wind -in Böen bis zu 60km/h- voraus. Je schneller unser Zelt neue Stangen bekommt desto besser. Zwischen uns und dem Sportgeschäft liegen heute zwei Fähren, einmal Tjøtta-Forvik, danach Andelsvag-Horn. Die erste fährt eine Stunde, die zweite gute 20 Minuten…. halt mal: Wenn wir zu Ladenöffnungszeiten noch beim Sportgeschäft ankommen wollen sollten wir die Fähre um 10:40 noch erreichen. Kurz gerechnet: eine Stunde um unsere Siebensachen zusammenzupacken, ungefähr 10 Kilometer radeln -nochmal 40 Minuten- und wir kommen das erste Mal auf unserer Tour in echten Stress. Es gibt also keine weiteren Fotos von der Bucht, das Zelt wird hektisch und nass eingepackt, das Gepäck tragen wir fast im Sprint zum Pino, das seit gestern abend auf dem Parkplatz auf uns wartet. Die deutschen Urlauber, die hier ganz entspannt ihr Frühstück genießen müssen uns für verrückt halten, weil wir 7 Monate Zeit für ein Abenteuer haben und dann für eine Fähre früher echten Stress machen.
So wird die Strecke zur Fähre zur echten Tempo-Trainingseinheit (und bringt Udo Hintensitzer nebenbei auf den Gedanken, ob eine Triathlon Langdistanz in diesem Jahr vielleicht doch Spaß machen könnte) und unser Pino rast in Rekordschnitt in Richtung Fähre. 40 Minuten, 10 Kilometer sollte lässig passen. Ok: nach 30 Minuten sehen wir keine Ortschaft, keine Fähre, keine Entfernungsschilder. 35 Minuten…. nichts. Nach 40 Minuten und guten 14 Kilometern endet die Tempoeinheit zwecks Zwecklosigkeit und Plan B -langsam ausradeln, wieder zu Atem kommen und nächste Fähre nehmen- tritt automatisch in Kraft. Wenigstens gibt es an dem Fähranleger Tjøtta einen Supermarkt mit Bänken, die Sonne scheint noch und wir belohnen uns mit einem Eis.


Die Fähre trägt uns mit dem Pino in einer Stunde nach Forvik, wo uns prompt ein Tandem mit ähnlichem Problem entgegenkommt: Die beiden sind mit einem Rennradtandem im Trainingsmodus unterwegs und verpassen ihre Fähre in der Gegenrichtung auch. Dafür haben wir Zeit, uns eine viertel Stunde zu unterhalten… wir sprechen immerhin dieselbe Sprache: schwäbisch. Beeindruckend: Die beiden sind in ihrer letzten Vorbereitungsphase für ein Radrennen und wollen in einer Woche noch nach Bodø und zurück nach Trondheim radeln. Tagesetappen zwischen 100km und 200km (!!!), die zum Teil bis morgens um 4:00 gehen. Passt aber zum Radrennen Trondheim-Oslo mit 542km Non-Stop, bei dem sie mit dem Tandem nächsten Freitag starten wollen. Viel Erfolg, wir drücken euch die Daumen!

17 Kilometer später geht es über die nächste Fähre nach Horn und die Straße führt ziemlich gerade in Richtung Süden nach Brønnøysund. Durch die Wälder ist der Wind noch recht lau und der Geruch des Waldes und der Felder rechts und links macht die Etappe zu einer sehr schönen Strecke. Als kleine Anmerkung an die norwegische Elchgemeinde: Am Waldrand sehen wir ein Reh mit kleinem Kitz, das uns zwei/drei Fotos machen lässt bevor sie vor uns in den Wald flüchtet. Elche werden eh überbewertet.

Die Wetteränderung kündigt sich dann kurz von Brønnøysund an: Der Wind frischt auf und bringt schon die ersten leichten Schauer mit sich. Die Beine sind wegen der morgendlichen Sprintetappe auch nicht mehr besonders leistungswillig und die Öffnungszeit des Sportladens ist nicht mehr zu schaffen, so radeln wir mit wenig Motivation zur Statoil-Tankstelle, trinken einen Kaffee und beraten: Ein recht liebevoller Campingplatz, Mosheim, lag ein paar Kilometer vorher an der Strecke, mit Rückenwind ganz flach anzufahren, ein zweiter Campingplatz liegt beim Torghatten, einer Sehenswürdigkeit in Form eines Berges mit Loch. Wir wissen genau: Wenn wir heute nicht dorthin fahren werden wir es morgen im schlechteren Wetter sicher auch nicht machen. Das Problem ist nur, dass zwischen uns und diesem Campingplatz noch eine echte Hurtigruten-Fjordbrücke plus sehr wellige 14 Kilometer mit Gegenwind liegen. Wir entscheiden uns pro Bergbesichtigung und contra müde Beine und kämpfen uns wirklich mit letzter Energie zum Campingplatz Torghatten, klatschen das Zelt auf die Wiese und können vor dem nächsten Regenschauer immerhin noch im Freien essen bevor wir eine etwas regnerische Nacht verbringen.

Am nächsten Morgen wandern -nö, spazieren wir- die wenigen hundert Meter zum Torghatten. Dieser Berg, südlichwestlich von Brønnøysund ist ein Felshügel mit 260m Höhe auf einer Landzunge. Was ihn speziell macht, ist eine Höhle, die auf etwa halber Höhe durch den kompletten Berg geht, siehe link.

Udo Hintensitzers Knie zwickt ein bisschen und so reicht uns die Wanderung zur Höhle, wir schießen ein paar Fotos und machen uns auf den Weg zum Sportgeschäft in Brønnøysund um unsere Zeltstangen abzuholen. Gut gemacht und gerade rechtzeitig: Die nächste eckige Stelle am Zelt zeigt den nächsten Gestängebruch so dass wir uns noch im strömenden Regen daran abkämpfen müssen, die Stange am aufgebauten Zelt auszutauschen. Vielleicht hätten wir besser alle drei ausgetauscht denn die Nacht wird stürmisch, Tina verbringt die halbe Nacht damit ihre (dem Wind zugewandte) Seite des Zelts mit der Hand zu unterstützen während Udo Hintensitzer entspannt durchschläft 🙂

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Die Bildergalerie dieser Tage:

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Kommt man von den einsamen Lofoteninseln Vaerøy oder Røst nach Bodo erfährt man ein Kontrastprogramm: Man verlässt eine beschauliche Insel mit wenigen Touristen und viel Ruhe und Beschaulichkeit und betritt eine -für norwegische Verhältnisse- Großstadt. Bodø ist offensichtlich für viele Hurtigrutenpassagiere ein Start- oder Endpunkt ihrer Reise, was man unschwer an den vielen Menschen mit Ziehkoffer an der Hand im Hafen erkennen kann.
Hier umrunden wir auch den nördlichsten Bahnhof Norwegens, vermutlich ist Bodø auch deshalb ein beliebter Anschlussknoten zu den Hurtigruten oder zu den Lofoten.
Ab Bodø verläuft die Hauptroute für Radfahrer entlang der Küstenstraße FV17 in Richtung Salstraumen und später Brønnøysund nach Süden.

Abhängig vom Zeitbudget lässt sich diese Route über einzelne Inseln verlängern und die Anzahl der Fährstrecken etwas nach oben oder unten justieren. Da diese FV17 auch die Standardroute für Touristen ist und auch in weiten Strecken als Ausweichstrecke zur Hauptverkehrsader E6 herhält ist es mit der gewohnten Beschaulichkeit der Straßen für uns erstmal vorbei: Im Stadtgebiet von Bodø können wir noch auf Radwegen parallel zur vielbefahrenen Straße fahren, die aber schon wenige Kilometer nach der Ortsgrenze von Bodø enden. Viel Verkehr heißt für uns automatisch weniger Spaß am Radfahren -man ist sich ja nie sicher, wieviel Respekt und „Luft“ zum Leben die Autofahrer einem beim Überholen lassen- und wir haben weniger Blick für Landschaft und… weniger Nerven um für Fotos anzuhalten. Die Korrelation lautet daher leider: Viel Verkehr oder viel Regen -> weniger Blick für Landschaft und weniger Fotos.

Zurück zu unserer Route: Nach Bodø folgen wir der FV17 zuerst an den Salstraumen. Laut Wikipedia ist das der mächtigste Gezeitenstrom der Welt, der durch diesen Engpass unter der FV17-Brücke eine riesige Fjordfläche bei Flut füllt und bei Ebbe leert. Ok, wir wollten es gesehen haben, investieren die Höhenmeter von Brückenniveau hinunter auf Meereshöhe und gönnen uns ein leckeres Vesper.
Zugegeben: Mehr ist an der Stelle für den Salstraumen nach unserem Gefühl nicht nennenswert. Da fließt eine Menge Wasser unter der Brücke durch, hat auch eine echte Fließgeschwindigkeit aber ist das nicht bei jeder Rheinbrücke auch so? Ok, der Salstraumen fließt im 6-Stundentakt mal rechts- und mal linksrum, das macht der Rhein nach unserer Erfahrung wirklich nicht. Aber dafür hätten wir 6 Stunden lang vespern müssen und das war uns doch zu lange. Direkt am Salstraumen gibt es dann noch zwei Campingplätze für die Leute, die rechts- und linksrum sehen wollen, aber wir fahren weiter.
Stattdessen stellen wir unser Zelt 20 Kilometer später an einem Bergsee, dem Valnesvatnet auf. Hier stehen auf dem Waldparkplatz zwar ein paar Autos -vermutlich von Anglern- aber im letzten Winkel des Parkplatzes ist unser Zelt und unser Kocher für das Abendessen kaum zu sehen.
Nebenan rauscht ein mächtiger Wasserfall, der aus diesem Bergsee gespeist wird: Den schauen wir uns morgen mal genauer an.

Die Nacht ist ruhig und entspannt, wie immer brauchen wir für den ausgiebigen Frühstückskaffee ziemlich lange bevor wir das Zelt zusammengepackt bekommen und wieder auf die Straße kommen.

Ein Wanderweg zum Wasserfall ist nicht beschildert und wir laufen zuerst erfolglos kreuz und quer durch den Wald. Ein Bauer an einem einsamen Hof erklärt uns dann den Weg: Zuerst muss man einen guten Kilometer ins Tal weg vom Wasserfall laufen, bevor man den Fluß queren kann und wieder 3 Kilometer gegen den Strom wandern muss.

Wir nehmen viele Fotos mit, der Fluß bietet tolle Motive und der Wasserfall Valnesforsen, mit 60 Metern freier Fallhöhe der höchste im Landkreis Bodø, ist auch wirklich beeindruckend. Als wir alles gesehen haben sind wir natürlich klüger als der Rest und suchen die Abkürzung: Der Weg zurück zum Fahrrad muss doch auch kürzer gehen. Am Ende sind wir jedenfalls gute 3 Kilometer und 100 Höhenmeter extra gelaufen, kommen ein zweites Mal am Wasserfall vorbei… und nehmen doch den Weg, wie wir gekommen waren. Was man nicht im Kopf hat, hat  man… lassen wir das, immerhin haben wir uns nicht auch noch verlaufen.


Erst am späten Nachmittag sind wir wieder auf dem Rad, der Wetterbericht hat wieder mal bewiesen dass angekündigte Sonne in Norwegen sich durchaus auch mal in Kälte und Regen manifestieren kann und wir radeln nur eine kurze 40km-Etappe bis zu einem -naja- einfachen Campingplatz.
Der nächste Tag ist zweigeteilt: Wir packen ein klatschnasses Zelt ein (eklig!!!), radeln in Regenklamotten bei Gegenwind los und haben eine immer noch vielbefahrene FV17 zu radeln. Der zweite Teil des Tages beginnt nach dem zweiten längeren Tunnel, in den wir bei Nieselregen einfahren und auf der anderen Seite von warmen Sonnenstrahlen empfangen werden. Bis Ørnes wird es dann sogar so warm, dass wir uns am Supermarkt ein Eis gönnen.

Kurzer Einschub: Auf dieser Strecke machen wir die Bekanntschaft mit dem anerkannten automobilen Depp Norwegens. Vorweg: Wir haben in Nord-Norwegen hervorragende Erfahrungen mit Auto-, LKW- und Bus-Fahrern gemacht. Der Respekt, der einem als Radfahrer im Allgemeinen entgegengebracht wird ist absolut bemerkenswert und es scheint ganz normal zu sein, dass man hier viel eher auf Radgeschwindigkeit abbremst und mit respektvollen 2 Metern Seitenabstand überholt als knapp an uns vorbeizufahren. Ich würde mir dieses Miteinander in Deutschland auch wünschen 🙂
Dieser Depp Norwegens schafft es, uns aus diesem Traum aufzuwecken und überholt uns mit 20cm Abstand. An einer Stelle, an der wir perfekt rechts fahren, die Straße 7m breit ist und kein Auto weit und breit entgegenkommt. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben und der anerkannte Depp Norwegens hält 5 Kilometer später an einem Cafe an, ich stelle ihn in aller Freundlichkeit zur Rede und frage ihn warum er das macht. Er flüchtet in sein Auto und ich frage -jetzt für alle Umstehenden gut hörbar- nochmals, warum er mit seiner Fahrweise bewusst unser Leben aufs Spiel setzt. War ihm wohl ziemlich peinlich…. zumal wir ihn in Ørnes an der Tankstelle nochmals treffen und nochmals freundlich und lautstark frage. Ich hoffe, das ist ihm peinlich genug um künftig MIT Hirn zu fahren.

Svartisen-Gletscher:

In der Serie von Tunnels auf der FV17 -mal mehr, mal weniger gut beleuchtet- ist der 7,6km lange Svartisen-Tunnel einer der wenigen, die für Radfahrer gesperrt sind. Vermutlich, weil er besonders eng und deshalb gefährlich ist, jedenfalls beschert er uns eine zusätzliche Fähre von Ørnes nach Vassdalsvik und -was viel angenehmer ist- eine praktisch autofreie und sehenswerte Straße für die nächsten 30 Kilometer. Der Wetterbericht für morgen ist gigantisch mit 15°C und wolkenfrei und so beschließen wir, auf dem Campingplatz Furøy einen Ruhetag einzulegen und die Gletscherzunge Engabren des Svartisengletschers  (übersetzt „Schwarzeis-Gletscher) zu besuchen. Um diese Gletscherzunge zu besuchen muss man mit dem Passagierboot über den Holandsfjord fahren und von dort aus etwa drei Kilometer einem flachen Kiesweg folgen.

Hier gibt es einen gigantischen Blick über den türkisblauen Gletschersee und über die Gletscherzunge, die jetzt in 2016 etwa 80m über dem Gletschersee endet. Die Felsen, die der Gletscher jetzt wieder freigegeben hat sind von der jahrtausendelangen Bearbeitung durch das Gletschereis komplett glatt- und rundgeschliffen. Wir setzen die Wanderung zum Gletscher fort, gehen weite Teile an Klettersteigen mit Ketten gesichert weiter nach oben und gönnen uns zur Belohnung ein Vesper auf den warmen Felsen, 200 Höhenmeter über dem See. Blick über das blaue Eis des Gletschers, die schwarzen und roten Felsen, über den Gletschersee und den Holandsfjord.
Früher oder später kommt es eh raus: Udo Hintensitzer hat ein kindisches Vergnügen daran, in jeden Bach zu hüpfen, der mindestens einen passenden Gumpen anbietet und frisches, fließendes Wasser verspricht. Kann man nicht verheimlichen und wird auf unserem Radtrip bestimmt noch öfters passieren. Hier ist es der Gletscherbach, der aus vermutlich hunderte Jahre altem Gletschereis gespeist wird und die glattgeschliffenen Felsen als natürliche Rutschbahn nutzt. Es sind keine Touristen mehr um uns und ich genieße das eiskalte sprudelnde Wasser für fünf Minuten. Die Felsen fühlen sich unter den nackten Füßen klasse an, die Wasserbecken des Eiswassers sind tief genug um in der Hocke einzutauchen und die Rinne des Bachs so rutschig, dass ich mich nur einmal wirklich zu rutschen traue. Klasse.

Abends lernen wir auf dem Campingplatz noch einige Wohnmobilfahrer kennen und bekommen von Brigitte und Jörg -NOCHMALS VIELEN DANK- ein Filet vom frisch gefangenen Dorsch. Eingefroren und fertig eingepackt dass es den nächsten Radtag bis zum Abendessen überstehen wird.
Über den nächsten beiden Tage lässt sich leider wieder recht wenig erzählen: Gegenwind, öftere Regenschauer, etwas mehr Verkehr, mehrere Fähren vor Nesna noch einige giftige Höhenmeter bis auf 350müM.
Auf dem Campingplatz Sjøbakken in Levang erwartet uns dann eine tolle Überraschung: Brigitte und Jörg, die uns vor rund 50km überholt haben, sehen uns schon mit dem Fernglas das Tandem von der Fähre schieben. Ausdrückliche Belohnung für die harten Höhenmeter ist feines Gulasch -endlich mal wieder Fleisch- und ein deutsches Bier für jeden!!!! Wir verbringen einen unterhaltsamen Abend und bekommen zum Abschied am nächsten Morgen sogar nochmal ein Filet des Fanges der Nacht: ein Seelachs, komplett ausgenommen und entgrätet.

Brigitte, Jörg, DAS WAR KLASSE!

Zweiter Einschub: Elche, naturwissenschaftliche Studie und eine Einschätzung der Realsituation:

Wir haben jetzt doch schon gute 1500 Kilometer und über 100 Stunden radfahrend in Norwegens Landschaft hinter uns und können damit statistisch stichhaltig belegen, dass dort exakt Null Elche pro 100 Straßenkilometern zu sehen sind.
Wenn man diese Quote mit den hunderttausenden Straßenkilometern in Norwegen multipliziert kommt man zum stolzen Ergebnis von 0 Elchen in Norwegen und wir sind -gelinde gesagt- etwas enttäuscht von dieser Tatsache. Wir sind jetzt der festen Überzeugung, dass freilebende Elche sogar eine Erfindung der norwegischen Tourismusindustrie sind, die Anzahl von Elch-Aufklebern auf Wohnmobilen scheint auch auf einen wohlflorierenden Markt hinzudeuten.
Zusätzlich wird das Ganze angekurbelt von den Elch-Straßenwarnschildern, die uns regelmäßig vor Elch-Wildwechseln warnen… wohlgemerkt ohne irgendeine Elchsichtung auf diesen Streckenteilen. Nach unserer Studie ist die Schneehasendichte auf Strecken mit angekündigten Elch-Wildwechseln sogar nachgewiesenermaßen höher als die Elchdichte. Jedenfalls haben wir auf nach gut 5 Wochen konzentriertem Blick ins Unterholz rechts und links der Straße, nach vielen riskanten Fahrsituationen nahe der rechten Böschung genug davon und wir rechnen ab jetzt nicht mehr mit Elchen. Punkt!

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Sollen uns doch gestohlen bleiben! Heute haben wir eine Hirschkuh mit Kitz gesehen. Das ist doch was. Für den Fall, dass wir irgendwann Lust auf einen Elch haben sollten kaufen wir uns einen Aufkleber. Jedenfalls schauen wir ab jetzt wieder auf Vögel, Rehe, Hirsche und Natur. Wenn uns jetzt ein Elch im Weg stehen wird werden wir ihn kalt ignorieren.
Wir haben euch jedenfalls ausreichend gewarnt: Falls irgendjemand nach Norwegen fahren will um Elche zu sehen möge er das gerne auf eigene Gefahr machen.

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Die Diashow dieser Reiseetappen:

Doppelscheibenbremse am Pino

Aus Bremslein mach Bremse

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An unserem HASE Pino war serienmäßig die Bremse „Louise“ von Magura verbaut, eine Bremse, mit der wir nie so richtig glücklich waren: Zum Einen scheinen diese Bremsgriffe die Überkopfmontage nicht so richtig zu mögen, so dass trotz regelmäßigem Entlüften nie ein klar definierter Bremspunkt zu erreichen war. Zum Zweiten war die Bremsleistung eher bescheiden. Das Hinterrad konnte man gerade mal so zum Blockieren bringen, die vordere Bremse war weit von diesem Punkt entfernt.

Das Pino in unserer Reiseausrüstung mit Anhänger, Gepäck und uns beiden wird vermutlich ein Gesamtgewicht von 240-250kg auf die Waage bringen. Für mich Grund genug, sich Gedanken über die Sicherheit beim Bremsen zu machen.

Naheliegend ist natürlich zuerst einmal die maximal erreichbare Verzögerungsleistung, klar. Wir wollen in Gefahrensituationen ja  schließlich keinen Meter Bremsweg verschenken.

Für Nicht-Radfahrer vielleicht nicht ganz so naheliegend ist aber auch die Dauerbremsleistung eines solchen Lastentransports. Nämlich dann, wenn man das vollbeladene Gefährt auf einer Passabfahrt oder kurvigen Bergabpassagen sicher bremsen will und die Bremsleistung über mehrere Minuten oder Kilometer konstant benötigt. Da fallen gut und gerne mal 1000 Watt konstant an… was eine normale Bremse schon um Faktoren überfordert. Es gibt genügend Berichte von Bremsausfall mit kochender Bremsflüssigkeit, von verzogenen, ausgeglühten Bremsscheiben, von geplatzten Reifen (bei Felgenbremsen) und sogar von angeschmolzenen Bremsscheiben.

Das Problem hat sich für uns wohl erledigt: Wir haben unser Pino mit Hilfe von Jürgen Steiner (SteinerDesign) umgebaut:

Unsere Monsterbremsen-Konfiguration ist jetzt

  • MacAir Doppelbrückengabel, Tandemversion, mit speziellem Achsschaft für das Pino in fetzigem Rot… man darf den Umbau ja auch sehen
    MacAir Gabel, TandemversionIMG_20160306_160626_small
  • Zwei Shimano XT8000 Scheibenbremsen. Eine rechts, eine links „überkopf“ montiert, jeweils an einer 180mm Bremsscheibe
  • über ein T-Stück von Magura werden diese beiden Bremsen mit einem Trecking-Bremsgriff angesteuert.
  • Ein Nabendynamo von SON mit beidseitiger Bremsscheibenaufnahme

Und das Ergebnis ist frappierend: Wenn wir jetzt einen langen Berg runterfahren habe ich von Anfang bis Ende eine sehr gute Bremswirkung und keinerlei Druckpunktverschiebung. Heiße Bremsen sind Vergangenheit… vor allem wenn man auch sinnvolles Intervallbremsen nutzt.

Und die Verzögerung auf Null ist der Hammer. Obwohl wir mit über 200kg unterwegs sind muss sich Tina Vornesitzer beim Bremsen jetzt richtig festhalten 🙂 🙂

Hase Pino

Unser HASE Pino

Unser Reiserad ist ein Stufentandem „Pino“ (hier auch mal liebevoll mit „Häschen“ abgekürzt) stammt aus der Manufaktur HASE BIKES in Waltrop. Hase baut seit über zwanzig Jahren Spezialräder und hat sich in dieser Nische mit sehr durchdachten und kreativen Lösungen fest etabliert.
Einige dieser Produkte haben Menschen mit Einschränkungen als Zielgruppe und bieten spezielles Zubehör dafür an. Auch das Stufentandem HASE Pino trifft genau in dieser Zielgruppe einige Kunden, die mit Handicaps wie Sehbehinderung, Mobilitäts- oder Koordinierungseinschränkungen leben müssen. Es gibt wohl keine andere, so entspannte Art der Mobilität des gemeinsamen Reisens und Entdeckens als die, hintereinander auf einem solchen Tandem zu sitzen. Auf welchem anderen Tandem kann man miteinander reden ohne laut zu werden, die spannenden Dinge am Wegrand zeigen, die Nase gemeinsam in den Wind halten?

Und spätestens nach einer kurzen Eingewöhnphase für den hintensitzenden Captain ist das HASE Pino auch viel einfacher als ein klassisches Tandem zu fahren. Denn das gemeinsame Koordinieren des Tritts und des Gleichgewichts ist hier nicht nötig.

Und… nicht zuletzt das Angebot von Nabenmotor-Ausrüstungen machen dieses Rad auch für etwas weniger sportliche Paare überaus interessant. Das gilt ganz besonders für das Radfahren mit einem vornesitzenden Partner, der eventuell nur sehr wenig zum Pedalieren beitragen kann.

Aber auch neben dem Stufentandem Pino sind bei HASE auch einige spannende Lösungen vom Kindernachläufer über Fun-Trikes, stadtverkehr- und alltagstaugliche Trikes für Pendler bis zu Rad-Lastentransporter zu finden.

Aber zu unserem Häschen:

Unser Pino ist aus Baujahr 2010, hat seine ersten zwei Jahre im Londoner Stadtverkehr verbracht. Dort war es eingeteilt um Junior zum Kindergarten und Papa weiter zur Arbeit zu bringen. Linksverkehr gewöhnt. Dort haben wir es gebraucht gekauft, minimal zerlegt und per Flugzeug nach Süddeutschland geholt und genießen seitdem das Radfahren/-reisen zu zweit…. die erste mehrtägige Tour mit Pino, Zelt und Hundeanhänger findet ihr hier.