Göteborg – Kattegattleden – Trelleborg
Mittwoch morgen, wir frühstücken noch mit Christian bevor wir unser Pino beladen und uns voneinander verabschieden. Es war ein toller Abend gestern, das Picknick über den Dächern von Göteborg wird ganz sicher eines unserer Reisehighlights bleiben.
Christian geht arbeiten, wir haben selbiges bis Dezember noch nicht vor und können uns deshalb noch einen leckeren Cappuchino und einen Chocolate Cookie in der Morgensonne gönnen. Und noch einen. So dauert es eine ganze Weile bis wir allmählich in Gang kommen: Zuerst im Bummeltempo durch die Innenstadt von Göteborg, dann in die Tourist-Info einen Führer für den Kattegattleden kaufen, dann ganz gemütlich losgerollt.
Der Kattegattleden ist ein Radweg, der Helsingborg mit Göteborg verbindet. Dieser Radweg hat seinen Namen von der Nordseeregion zwischen Dänemark und Südwestschweden (Kattegatt = Niederländisch Katzenloch, was von der Enge und den Untiefen dieses Meeresteils berichtet) und folgt an dessen Küste auf weiten Strecken auch einer alten Eisenbahntrasse. Er ist wirklich weitgehend autoverkehrfrei, die wenigen Mischstrecken (Auto und Fahrrad) sind in dem Radführer Kattegattleden explizit ausgewiesen. Ok, autofrei kann also auch heißen, dass der Radweg die Straße nutzt, aber der Radstreifen durch einen Randstein getrennt ist… perfekt in Ordnung für uns.
Auf den ersten Radkilometern geht es zuerst am alten Hafen von Göteborg und schicken Restaurants entlang, dann durch ruhige Vorstadtsiedlungen, an mondänen Vorstadtvillen vorbei bevor man Stück-für-Stück aus der Großstadt entlassen wird und in grüne Abschnitte fährt. Es geht auch hier schon häufig auf früheren Bahntrassenabschnitten voran, was sich an der sehr flachen Streckenführung oder Felseinschnitten sehr gut erkennen lässt. So macht es uns Spaß zu radeln!!!
Obwohl: Ein Nörgelpunkt fällt uns schon ein: Der Wind ist nicht unser Freund, wir kämpfen uns wie auch schon in den ganzen vergangenen Schwedenabschnitten gegen den Südwind zäh vorwärts. Ganz allmählich beginnt diese Windrichtung schon an unseren Nerven zu zehren, aber auch die Wettervorhersage bringt auch kaum Änderung. Außer halt, dass der Gegenwind in den nächsten Tagen noch deutlich zunehmen wird.
Kleiner Einschub für Nichtreiseradler, Begriffsklärung Gegenwind:
Als Gegenwind bezeichnet man die bewegte Luftmasse, die im aktuellen Augenblick exakt dahin will, wo man selbst herkommt.
Gegenwind existiert in verschiedenen Güteklassen, beginnend bei lauem Lüftchen bei heißem Wetter (sehr willkommen) bis hin zur Sturmklasse und wird von Petrus mal mit, mal ohne Wasserbeigabe geliefert. Jedenfalls ist radeln bei Gegenwind in Sturmklasse extrem nervig und jeder erfahrene Radfahrer wird die härtesten Bergfahrten und Passüberquerungen diesem Wind gerne vorziehen. Berg hoch radeln bedeutet nämlich immer, dass man sich etwas verdient: Das RUNTERFAHREN, was höchstens in der Bremshand anstrengend wird.
Beim Gegenwind verdient man sich dagegen einfach gar nix. Man kämpft, kämpft, kämpft. Gibt vielleicht mal noch etwas mehr Gummi, weil der Wind nervt.
Bringt aber nichts, der Wind hat meist den längeren Atem. Der ist immer noch da, wenn man selbst schon vollkommen platt und alle ist, macht pffff und einem eine lange Nase.
Jedenfalls haben wir heute etwa 20km/h trockenen Gegenwind bis etwa Kilometer 40, der sich danach in Gegenwind mit Nieselregen, Gegenwind mit Regen und ganz zu Schluss in Gegenwind mit Gewitter und Wolkenbruch wandelt. Nach 77 Kilometern ist am Campingplatz Åsa wirklich Schluss für uns und wir halten an.
Was jetzt passiert ist wieder mal ein genialer Moment unseres Trips: Die Betreiberin des Campingplatzes zieht uns klatschnasse Hühner zwei anderen Campinggästen an der Rezeption vor, erklärt uns kurz, wohin wir unser Zelt stellen können. Außerdem macht Sie für uns ihren Heizraum des Sanitärgebäudes auf, damit wir unsere nassen Sachen dort ausziehen und aufhängen dürfen… und wir sollen zum Anmelden wiederkommen, wenn wir trocken, warm geduscht und aufgewärmt sind. Superstark!!!
Wir bauen im immer noch strömenden Regen zitternd unser Zelt auf, nehmen unsere Duschsachen und unsere trockenen Klamotten und verschwinden in der Dusche und dem Heizraum, kochen uns in der Gemeinschaftsküche unser Abenddinner und gehen danach wieder zur Rezeption um uns zu bedanken und anzumelden.
Die Nacht war windig, der nächste Morgen ist windig, immerhin hat der Wetterbericht für heute überwiegend trockenen Gegenwind im Programm. Wir haben heute unser 30-jähriges Jubiläum, vor genau 30 Jahren haben wir uns in Frankreich kennengelernt, feiern das kurz mit einem Kaffee im Freien vor dem Zelt bevor wir uns wieder aufs Pino schwingen.
Der Kattegattleden zeigt sich in den nächsten Tagen als wirklich lohnenswerter Radweg in Schweden.
Er ist sehr abwechslungsreich, beginnt mit Großstadtflair, führt durch grüne Landschaften und auch häufig am Meer entlang. Dabei passiert er Touristenhochburgen und sehr mondäne Siedlungen an Golfplätzen genauso wie ewig lange Sandstrände und Felsküsten. Streckenteile führen durch Getreidefelder und Wiesen, an Landwirtschaften und kleinen Ortschaften vorbei, es geht durch Kiefernwälder und über sanfte Hügel mit Meerblick.
Dabei ist die Beschilderung absolut vorbildlich, an wirklich jeder Kreuzung steht ein Wegweiser mit dem zugehörigen Abbiegehinweis, sodass ein Verfahren fast nicht möglich ist.
Wichtig für potentielle Reiseradler mit Zeltambitionen: Es macht Sinn, die Zielcampingplätze frühzeitig VORHER bezüglich des Preises abzuklären, auf der Strecke gibt es Campingplätze für ~200 Kronen (20€), die wir als sehr sauber und empfehlenswert empfunden haben (s.o.), ein Campingplatz in Golfplatznähe wollte von uns gerne 405 Kronen abrufen. Ob die Sanitären dort hübsch und sauber sind wollten wir danach nicht mehr in Erfahrung bringen, wir sind mit offenem Mund weitergeradelt.
Einziger Kritikpunkt am Kattegattleden für uns ist das fast vollständige Fehlen von Rastplätzen auf der Strecke. Es gibt sehr viele schöne Stellen, aber praktisch nie mit der Picknick-Minimalausrüstung von Bank, Tisch oder Toilettenangebot versehen.
Als Folge vom immer stärker werdendem Südwind und der fehlenden Rastmöglichkeiten mit Windschutz radeln wir den Kattegattleden dann auch eher im Jetzt-aber-Durch-Modus ab und nehmen uns wieder viel zu wenig Zeit für das Anschauen der stürmischen Landschaft.
Wir geben es zu: Dieser Blogbericht hätte fast den Titel „Flucht aus Schweden“ bekommen. Der sehr ausgeklügelte Fluchtversuch bestand aus dem Abkürzen der Schwedenetappe um 130 Kilometer und einen Reisetag per Zugetappe Helsingborg-Trelleborg, wir hatten dem Wind auf dem Weg zum Bahnhof Helsingborg schon den Effenberg gezeigt.
Eine sehr kurze Freude, die Zugauskunft im Bahnhof Trelleborg erklärt Udo Hintensitzer ganz kurz und trocken, dass der Zug zwar Fahrräder mitnehmen kann, dass wir eine Zugfahrt nach Trelleborg mit einem Tandem aber vergessen können.
In der Zwischenzeit hat Tina Vornesitzer den Wetterbericht für die verbleibenden zwei Tage bis Trelleborg bemüht und wenig ermutigende 45km/h, in Böen auf 69km/h Südwind in Erfahrung gebracht… und dagegen anzuradeln bleibt mangels Tandemtransport im Zug alternativlos.
Wir geben es offen zu: Schweden und 2RadReise werden diesen Sommer keine ganz großen Freunde mehr. Das Land hatsicher seine ganz großen Momente, von denen wir ja nur einen winzigen Ausschnitt gesehen haben. Auch die Schweden haben wir (bis auf ganz wenige Überholmanöver) als ganz freundliche Gastgeber und als sehr hilfsbereite und offene Menschen kennengelernt.
Leider hat uns das Wetter förmlich verjagt, nach 11 Tagen Radfahren im Gegenwind hat es einfach gereicht. Dazu waren die Temperaturen und der beigemischte Regen einfach nicht der Sommer, den wir uns im Süden Schweden Anfang August erhofft hatten.
Wir sehnen uns nach Sommertemperaturen und lassen Skandinavien heute nach 4083 Radkilometern und 42.902 Höhenmetern per Fähre Trelleborg – Swinemünde hinter uns.
Deutschland, wir kommen!
Weiter mit „Usedom – Oder-Neisse Radweg bis Frankfurt/Oder“
Hi Ihr, wir verfolgen weiterhin Euren Blog, auch wenn wir selbst gerade im Urlaub sind und fast nie online sind. Wir stellen gerade fest, dass Ihr wahrscheinlich ganz in der Nähe seid oder wart. Wir sind gerade auf einem Campingplatz bei Greifswald (Loissin). Falls Ihr noch in der Nähe seid, würden wir Euch gerne auf einen Kaffee einladen. Tel. 0177 3229708. Wir sind mit dem VW Bus unterwegs und mobil. Ansonsten gute Fahrt durch Deutschland. Liebe Grüße, Jörg und Anja
Hallo ihr beiden,
leider hatten wir euren Kommentar etwas zu spät gesehen und waren schon ein Stück weiter. Vielen Dank für eure Einladung die wir zu gerne angenommen hätten 🙂
Es freut uns dass ihr unsere Reise weiter verfolgt. Wir sind mittlerweile schon ein Stück hinter Leipzig angekommen und werden von hier Richtung Bodensee weiter fahren und wohl keine Gelegenheit haben bei euch vorbei zu kommen.
Von da aus werden wir Anfang September nach Frankreisch queren und weiter nach Spanien. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja im Herbst noch im Süden 🙂
Euch noch schöne Sommertage, bis bald,
Tina & Udo
Hallo Martina und Udo,
ab heute kann ich Eure Reise wieder mit verfolgen, bin nach 2 Wochen Urlaub in der Schweiz ( Bussle, Camping, Bergtouren, kleine Radtouren, relaxen an schönen Bergseen) wieder zuhause – leider – der Alltag holt mich ab Montag wieder ein.
Natürlich sehr schade, dass Ihr durch Schweden kein so Glück mit dem Wetter hattet, was die Radwege angeht kann ich nicht mitreden, da ich voriges Jahr mit dem Bus unterwegs war. Aber den Campingplatz „Skarham“ auf der Insel Tjörn an den Schären hab ich auch in sehr guter Erinnerung! War dort 3 Tage zum Radeln und wandern.
Willkommen nun in Deutschland, ich wünsche Euch hier ein bißchen mehr Sonnenschein und weniger Wind und Regen, bin schon sehr gespannt, wo Eure Route entlang geht und wann Ihr hier am Bodensee entlang radelt…. würde Euch ja mal gerne mal begegnen,
vielleicht passt es ja mal, dass mein „Cali“ Eurem „Pino“ begegnet…
Liebe Grüße aus Ittenddorf,
Heidi
liebe Grüße Heidi
Liebe Heidi,
es freut uns sehr dass du unsere Reise auch weiterhin mit verfolgst. Wir sind nun seit knapp 2 Wochen wieder in Deutschland und hatten bisher wirklich riesiges Glück mit Wetter und Radwegen und schon wirklich sehr schöne Gegenden gesehen.
Am Bodensee werden wir nur ganz ganz kurz vorbei kommen und dann nach Frankreich weiterfahren. Vielleicht sehen wir uns in dieser Zeit ja wirklich mal an der Strecke 🙂
Liebe Grüße,
Tina & Udo