Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Wale in Andenes, Regen auf den Vesteralen

Wale in Andenes, Regen auf den Vesterålen

Die Fähre hatte uns in einer knapp zweistündigen Überfahrt von Gryllefjord auf Senja nach Andenes auf Andøya gebracht. Obwohl das Wetter schon auf der Überfahrt anfängt aufzuklaren haben wir doch noch guten Seegang -zumindest was wir in Süddeutschland für Seegang halten-. Wir fühlen uns beide gut damit und haken die „Seekrankheits“-Angst für die Whale-Watching-Tour damit als unbegründet ab. So kommen wir um kurz vor 21:00 in Andenes an und haben noch genügend Zeit für einen Einkauf bevor wir unsere kleine Pension direkt am Hafen beziehen. Wir brauchen noch Kirsebaer-Yoghurt (Kirsche 🙂 ), Milch für Frühstück, etwas Wurst und Bier. Diesen Sixpack von Letzterem bringen wir allerdings nur bis zur Kasse. Der freundliche Kassierer klärt uns auf, das man in Norwegen Samstags nur bis 18:00 Bier einkaufen kann… er versteht die Logik der Gesetze auch nicht und kann uns (und sich selber) auch nicht erklären, wie das den Alkoholmissbrauch reduzieren könnte. Wir vermuten, dass alkoholanfällige Menschen in Norwegen deshalb immerhin ein besseres Zeitmanagement pflegen und legen den Sixpack seufzend zurück ins Kühlregal.

Wir schlafen also wieder mal in einem richtigen Bett (das eine viel zu weiche Matraze hat) und reihen uns am späten Sonntag vormittag bei Whale-Safari Andenes ein um zuerst eine Führung durch deren Walmuseum zu bekommen und danach auf dem Schiff REINE mit einer kleinen Gruppe Touristen aufs Meer zu fahren. Wider aller Wetterprognosen dürfen wir das wieder einmal bei strahlend blauem Himmel und sehr wenig Wind machen. Unsere nächste Lektion in Nordnorwegen: Den Wetterbericht darf man für die nächsten paar Stunden ernst nehmen. Danach macht das Wetter eh, was es will und ignoriert die Wettervorhersage von gestern.

Auf den Walsafaris in Nordnorwegen kann man um diese Jahreszeit vor allem Pottwale sehen. Das hat zum Einen damit zu tun, dass die hier jetzt gerne jagen, zum Anderen liegt das daran, dass diese Tiere zum Jagen in der lichtlosen Tiefsee eine Sonartechnik einsetzen um Beute zu orten. Eben diese Geräusche fangen die Walbeobachter auch auf, um die Tiere sicher verfolgen zu können um sie den Besuchern beim Auftauchen und -wichtiger- beim Abtauchen mit der imposanten Flosse zeigen zu können. Wir dürfen auf dieser 3-stündigen Ausfahrt insgesamt 5 Wale sehen und sind begeistert, wie groß sie sind, wie sie minutenlang ruhig an der Wasseroberfläche treiben um sich für den nächsten Tauchgang zu erholen, wie sie im 8-10 Sekundenrythmus eine Atemfontaine ausstoßen und wie sie danach wieder -ganz geräuschlos- beim Abtauchen ihre bis zu vier Meter breite Schwanzflosse aus dem Wasser heben. Wir sind wirklich sehr beeindruckt und haken ein „must-do“ auf unserer Liste der „must-have-seen“ ab.

Noch eine Nacht in der Pension, der Wetterbericht sagt für die kommenden Tage hartnäckig starken Südwind und wechselnd viel und wenig Regen an, aber wir haben eigentlich keine Wahl: Es wäre auf Dauer zu teuer, wenn wir versuchen würden, schlechtes Wetter immer in gemütlichen Pensionen auszusitzen. Zweitens würde uns die Zeit nach Gibraltar knapp werden und Drittens, noch wichtiger, wollen wir ja ein Abenteuer von Nord nach Süd erleben. Dass wir dafür auch mal aus unserer Komfort-Zone heraus müssen war uns immer klar… und das wollten wir ja auch durchstehen.

Damit sind die nächsten beiden Tage auch schon weitgehend erzählt: Gegen den Wind radeln ist vor allem eine Disziplinsache. Auch wenn es nahe liegt, kann man den Wind nicht klein radeln oder niederkämpfen. Nach spätestens einer halben Stunde ist man sonst platt… und der Wind immer noch da. So nehmen wir uns vor, unabhängig von Regen und Windstärke einfach mit wenig Kraft in den Beinen durchzuradeln und schaffen zwei Tagesetappen mit jeweils ~70 Kilometern durch Andøya, einen Teil von Hinnøya und Langøya bis nach Stokmarknes zu radeln. Auf der Strecke bleiben dabei halt leider tiefere Einblicke und Fotos von der Strecke. Von Andoya sind uns die unendlichen Moor- und Heidelandschaften entlang der Meeresküste in Erinnerung, zusammen mit den vielen Vogelstimmen. Außerdem die Landwirtschaft mit vielen Schafen und Lämmlein und dem Highlight des Tages: den Seeadlern, von denen wir mehrere auf Felsen am Meer und beim Fliegen beobachten konnten.

Zwischendrin verbringen wir eine schöne Nacht direkt am Fjord auf einem wilden Zeltplatz bevor wir -bei noch mehr Regen- über Hinnøya und Langøya radeln und dementsprechend noch weniger sehen und fotografieren.

Weiter mit Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Die Diashow der Tage:

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Tromsø liegt auf einer Insel im Fjord und hat ein bisschen etwas von den Straßen von San Francisco: Steile Straßen in Hangrichtung mit den ebenen Abschnitten der kreuzenden Straßen. Die Generation, die diese Straßen, die springenden Autos und die speziellen Straßenbahnen nicht kennen mögen bei Youtube nachblättern 🙂

Bjørn und Hilde wohnen jedenfalls auf halber Höhe des Berges auf der Tromsø-Insel, was Udo Hintensitzer gestern glatt ausgenutzt hat, um sich an einer der 15%-Steigungen eine Zerrung im Oberschenkel einzufangen. Die begleitet uns die nächsten Tage und lässt uns in einem anderen Modus radeln: Tina Vornesitzer verausgabt sich vorne mehr, während Udo Hintensitzer versucht, nur mit einem gesunden Oberschenkel aktiv zu treten. Macht uns nicht schneller… nur schneller müde.

Eine neue Erfahrung aus den letzten Reisetagen für uns ist, dass wir bei allen Kontakten zu Einheimischen -die sind hier enorm entgegenkommend und freundlich- ganz aktiv nach Tipps und Hinweisen für unsere Weiterreise nachfragen. Bjørn und Hilde mit ihrer sehr tiefgreifenden Radreise-Erfahrung und mit ihrer Ortskenntnis haben uns für die kommenden Inseln vorgeimpft: Zum Einen sind wir vorgewarnt, dass wir am Anfang der Insel Kvaløya mit einer längeren steilen Steigung rechnen dürfen. Zum Anderen haben uns die beiden schon die Strände und potentiellen Zeltplätze für die nächsten Etappen schmackhaft gemacht.

Unser Start auf die Inselgruppen Kvaløya – Senja – Vesteralen – Lofoten beginnt früh, denn leider müssen Bjørn und Hilde heute arbeiten und werfen uns um 8:00 in den Reisetag. Schade eigentlich, bei dem nach wie vor windigen Wetter und Graupelschauern hätten wir sonst bestimmt noch einen Faulenzertag eingebaut. So radeln wir um die Südspitze der Tromsø-Insel um weitere San-Francisco-Straßen zu vermeiden und verlassen die Insel in westlicher Richtung -gleich entgegen dem Wind- auf die nächste Insel: Kvaløya.

Kvaløya ist eine der großen Inseln Nordnorwegens, gehört zum Regierungsbezirk Tromsø und schirmt die Stadt Tromsø nach Norden und Westen gegen das Nordmeer ab. Die Insel hat in Nordost-Südwest-Ausrichtung etwa 35km Länge, von denen wir insgesamt 25 Kilometer Luftlinie zum Fährhafen Brensholmen durchqueren müssen um unseren Fähresprung zur Insel Senja zu erreichen. Wie gesagt Luftlinie. In Norwegen fährt man allerdings nie Luftlinie, ein Norweger hat uns erzählt, dass die Straßen dort mit der Natur angelegt sind, nicht durch die Natur. Und so haben wir eine Strecke von guten 50 Kilometern bis Brensholmen vor uns.

Wir radeln also um die Südspitze der Insel Tromsø von unseren Gastgebern aus los um Höhenmeter zu sparen und klettern über die Fjordbrücke in Richtung Osten auf die Insel Kvaloya, plündern den Supermarkt um unsere Nahrungsmittelvorräte wieder für ein zwei wilde Campingübernachtungen fit zu haben und biegen ab nach Südwesten: Kvaloya lässt uns noch wenige Kilometer am dicht bewohnten Kaldfjord flach gegen den Wind rollen bevor uns die lange Steigung in die Hochebene aus dem Sattel zwingt und wir unsere Beine und gezerrten Oberschenkel im Ackergaulmodus zu schonen versuchen (Tina Vornesitzer zieht mit Seil, Udo Hintensitzer schiebt, müssen wir unbedingt noch fotografieren). Danach führt die Strecke durch eine Ebene auf ~200m über Meer knapp unterhalb der Baumgrenze. So haben wir Nordnorwegen bereits in den ersten Tagen in der Finnmark kennengelernt: Niedrige Birken, die niemals geradeaus wachsen sondern immer ganz verknorzelt versuchen den Weg nach oben zu finden, niedriges Gestrüpp, das an Moor- und Heideland erinnert. Die Schneegrenze ist wenige Meter über uns, viele Schneefelder reichen bis zur Straße, die vielen Seen und Tümpel sind größtenteils noch zugefroren und das Wetter wechselt innerhalb von Minuten von blauem Himmel zu Regen, Graupel, böigem Wind… und wieder zurück. Heute bleibt das Wetter allerdings etwas beständiger: Der Wind von vorne und die Regenschauer behalten eindeutig die Oberhand, auch wenn wir wenigstens für ein Foto mit kurzer Belichtungszeit etwas blauen Himmel erwischen.

Ein bisschen zermürbt uns das regnerische Wetter und die knappe Kraft in unserem Sparmodus, dafür belohnt uns die Übernachtungsempfehlung von Bjørn 5 Kilometer vor Brensholmen: Ein Sandstrand mit rund einem Kilometer Länge zieht sich in den Fjord, kaum 100 Meter von der Straße weg. Wir sind hin und weg und sind uns einig, dass wir hier übernachten wollen. Was einen hier in der Natur konstant begleitet sind die unzähligen Vogelstimmen, wir hören die halbe Nacht den Möwen, Austernfischern, Moorschneehühnern, einen großen Brachvogel und Seeschwalben zu. Wirklich schön… auch deshalb lassen wir uns am nächsten Morgen noch bis nach 12 Uhr Zeit bevor wir endgültig zusammenpacken und die verbleibenden 5 Kilometer auf die Fähre Brensholmen – Botnhamn auf die Insel Senja rollen.

Ein Reisebericht im Spiegel nannte die Insel Senja „Karibik im Nordmeer“. Recht hat er, wenn man sich an den weißen Sandstränden orientiert und das türkisblaue Meer an den Küsten anschaut. Allerdings bietet Senja sehr viel mehr und wir halten Senja inzwischen für die schönste und vielseitigste Insel in Nordnorwegen: Von Nordosten kommend fahren wir zuerst am ruhigen Fjord entlang, an dem malerische norwegische Dörfer mit ihren Bootshütten stehen. Die Berge rechts und links vom Fjord sind noch recht weich und teilweise auch landwirtschaftlich bewirtschaftet. Senja ändert sein Aussehen dann sehr schnell, als wir durch die Insel am Mefjord vorbei zum Ersfjord fahren: Die Berge sind jetzt sehr schroff und die Felsen bestehen aus schwarzem Schiefer. Auf der einen Seite haben wir noch weiße Berge vom Schnee neben uns, auf der anderen Seite bildet das Moos auf den mehrere hundert Meter hohen Steilhängen atemberaubende Kontraste. Ein paar kleine Tunnel erleichtern die Straßenführung an den Fjorden entlang und versperren nur kurzzeitig den Blick auf das besagte türkisblaue Wasser und die Steilhänge, die hier bis ins Meer reichen.

Mit dem Wetter haben wir heute wieder echtes Glück und so brauchen wir viele Stopps zum schauen und zum Fotos machen bevor wir in Ersfjord am nächsten karibischen Strand anhalten, unser Zelt aufbauen und unser Süppchen am zugehörigen Rastplatz kochen.

Super: Wir treffen hier eine Gruppe von jungen Norwegern, die seit einigen Monaten auf Senja arbeiten und uns viele Tipps für die nächsten Etappen geben können. Sie zelten heute Nacht auch hier und feiern die erste Mitternachtssonne. Sie sind passend ausgestattet um unser Getränkedefizit zu kompensieren -unser Pino ist als Biertransporter nicht wirklich geeignet- und laden uns zu ihrem Lagerfeuer ein… es ist weit nach 1 Uhr nachts und lange nach der Mitternachtssonne, als wir uns in unser Zelt verkrümeln und ziemlich schnell und zufrieden einschlafen.

Thank you very much for the good advices, the warm fire and the cold beer, we enjoyed this evening with you quite a lot!!!

Für die Reststrecke über die Insel zum Fährhafen Gryllefjord folgen wir der Landschaftsroute Senja, die jeden Fjord komplett entlangfährt und uns dabei einige wellige Höhenmeter und Gegenwind beschert. Highlight des Tages ist nach wenigen Kilometern eine „Passhöhe“ mit über 200 Höhenmetern und 8% Steigung, die für uns mit brennenden Oberschenkeln gerade noch so zu fahren ist. Der Wind bläst garstig von vorne und wir sind froh, als wir ganz oben den Tunneleingang erreichen. Wir füllen unsere Wasserflaschen an einem Schmelzwasserbach und hoffen auf einen kurzen Tunnel und Bergabfahrt auf der anderen Seite. Der Tunnel hat allerdings anderes mit uns vor: Auf 2 Kilometern Länge mit weiter 6% konstanter Steigung hebt er uns noch auf weit über 300 Meter Höhe bevor wir auf der anderen Seite ausgespuckt werden. Das ist eine ziemlich unangenehme Erfahrung: Schmaler Tunnel, direkt in Fels geschlagen, eiskalt und konstant steil bergauf. Schnell durchfahren ist da leider nicht. Trotzdem gut: Häufig haben die Tunnel hier am Tunneleingang einen Knopf, den Radfahrer drücken können. Dann blinkt für ein paar Minuten ein Warnlicht an der Tunneleinfahrt um Autofahrer auf die Radfahrer im Tunnel aufmerksam zu machen. Allerdings ist hier heute kein Verkehr und wir begegnen nur einem einzigen Auto im Tunnel.

Es bleiben noch einige Kilometer und zig Höhenmeter bis Gryllefjord… konstanter Gegenwind und einige böse Wellen kosten uns die wirklich allerletzten Körner und wir haben leider viel zu wenig Blick (und Fotos) auf diesen Teil der Insel. Zum Dank empfängt uns Gryllefjord jetzt mit geschlossenen Läden… und wir müssen die verbleibenden 2 Stunden draußen auf die Fähre warten. Schmerzfrei „leihen“ wir uns bei einem freundlichen Wohnmobilfahrer einen halben Liter Wasser, werfen unseren Solo Stove Ofen mit Spiritus direkt an der Fähranlegestelle an und kochen uns eine Kanne Kaffee… schon alleine die warmen Hände von der Kaffeetasse sind jetzt Gold wert 🙂

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Die Bilder des Tages (Klick für Diashow):