Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

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Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

Die Etappen des Camino Francés von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Burgos (hier bei Kilometer 280) führen über die Pyrenäen, danach durch die bergige spanische Provinz Navarra, Rioja und Kastillien/Leon. Der Camino nimmt die Berge alle mit und fordert von den Pilgerern hier wirklich deftige Höhenmeter auf den Kies- und Steinwegen.

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

 

Für uns -auf dem Camino seit Pamplona- heißt das, dass die Längen unserer Tagesetappen wieder ziemlich eingeschmolzen sind: Zum Einen haben wir doch einiges an Gewicht am Rad und fluchen -ääh… stöhnen- bei jedem steilen Stich ganz unheilig.
Zum Anderen müssen wir auf fast allen abfallenden Strecken wegen dem holprigen Weg auf fast Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen wenn wir keinen Materialbruch riskieren wollen. Falls wir uns in einer späteren Radreise wieder auf den Camino verirren sollten sollten wir mindestens breitere MTB-Reifen aufs Pino aufziehen… am liebsten aber gefedert fahren.

 

Mit diesen verkürzten Etappen steht unser Reiseplan aber ein wenig auf der Kippe: Wenn wir wirklich noch bis Santiago de Compostela fahren wollen bevor wir in Richtung Gibraltar abbiegen müssen wir dafür mindestens 14 Tage an Reisezeit extra einplanen. Dazu kommen die bis zu 1500m hohen Berge in Galizien im Nordwesten Spaniens, die sich uns in den Weg stellen werden und das regnerisch-kühle Klima dieser Landschaft im Herbst.

Unseren Ruhetag in Burgos verbringen wir deshalb vornehmlich im Straßencafé über der Spanien/Portugalkarte und planen die verschiedenen Möglichkeiten in gpsies.com um Strecken und Höhenmeter vergleichen zu können.
Zur Abstimmung steht:
Die verbleibenden 5 Reisewochen entweder mit guten 1800 Kilometern zu füllen und dabei sowohl Galizien als auch das Eintauschen des Pilgerausweises gegen offiziellen Heiligenschein in Santiago mitzunehmen.
Oder stattdessen schon in Fromista, 70 Kilometer nach Burgos, nach Süden auf den Camino de la Plata abzubiegen und runde 600 Kilometer in der Restreiseplanung einzusparen.
Der zweite Planfall bringt uns früher in den Süden Spaniens -beim heutigen kühlen und wolkigen Wetter in Burgos ein besonderes Argument- und nimmt uns jeden Leistungsdruck, was die Tages- und Wochenetappen betrifft. Und er bringt uns damit mehr Ruhetage, entspanntes Ausrollen für die letzten Tage unserer 2RadReise und die Möglichkeit, die Feinroutenplanung an interessanten Strecken in Südspanien noch anpassen zu können.

Gebongt, Argumente genug, abgestimmt: Wir nehmen Planfall 2 und werden in den nächsten Tagen auf den Camino de la Plata umsteuern, der in einer kurzen Spange ab Fromista erreichbar ist.

Vorher müssen wir nochmal eine Lanze für den Camino de Francés brechen: Nicht nur, dass seine Infrastruktur sehr gut ist, dass die Etappen, die wir bisher kennengelernt haben durch sehr schöne Gegenden führen.
Nein, dazu kommt auch noch eine tolle Atmosphäre auf dem Camino, die Anwohner hier scheinen vom Trubel mit den vielen Muschelträgern kaum genervt zu sein. Hier sagt man nicht guten Tag, hier muss man sich ziemlich fix an ein freundlich aufmunterndes „Buen Camino!“ gewöhnen. Und ein bisschen Magie hat er wirklich auch. Vielleicht kommen wir wirklich -auf dem Rad oder in Wanderstiefeln- mal wieder hierher.

 

Das Höhenprofil des Camino zeigt ab Burgos ein Hochplateau um die 800 Höhenmeter, für uns der schönste Teil des Camino, den wir gesehen haben. Es ist eine sehr karge Landschaft, jetzt im Oktober dominieren graue bis hellbraune Farbtöne der trockenen Felder.
Zum Teil sind es weite Ebenen, über die die Pilger ziehen müssen, zum Teil geht es noch über steile, aber jetzt weniger lange Anstiege. Karge Landschaften sind nicht jedermanns Sache, für uns bieten diese Tage ähnlich wie Nordnorwegen ganz besondere Ausblicke und wir haben deutlich mehr Fotostopps als an normalen Tagen, der Blick in die Bildergallerie lohnt sich heute besonders 🙂

 

Nur… Campingplätze sind ebenso wie versteckte Winkelchen für wildes Übernachten echte Mangelware, dabei würden wir zu gerne mal wieder an einer schönen Stelle übernachten: Abends noch -ganz alleine- unter dem Sternenhimmel ein Glas Rotwein trinken, erst ins Zelt flüchten wenn es richtig kalt wird und der kuschelige Schlafsack die besseren Argumente hat und morgens schon vor der Dämmerung das Zelt abzubauen damit wir beim Sonnenaufgang unseren Kaffee kochen können. Und dann, in der Morgendämmerung die klammen Finger an der dampfenden Kaffeetasse wärmen bis wir uns zum Weiterfahren aufraffen.

So radeln wir am Abend dieser Etappe alle Seitenwege ab um ein wildes Plätzchen zu finden. Das ist heute ganz besonders schwierig, weil die Landwirte im Moment am herbstlichen Pflügen ihrer Felder sind und bis spät in den Abend einen Überblick über die weiten Täler haben.
Erst kurz vor Itero del Castillo finden wir dann einen hübschen Rastplatz direkt am Camino.
Mit Betontischen für Abendessen.
Mit Quelle.
Mit Ausblick.
Zur Not könnte man sogar das Zelt innerhalb des ummauerten Rastplätzchens aufbauen, oder eben 200 Meter den Pilgerweg zurück am Rand eines Feldes.

 

Genial… wir sind euphorisch und wollen es perfekt einfädeln: Zuerst mal ein Süppchen kochen, ist ja noch viel zu hell um das Zelt hinzustellen. Und dann haben wir ja noch eine halbe Flasche Rotwein, die könnten wir uns hier gönnen bis der letzte Bauer das Feld geräumt hat. Das Zelt hinterher im Dunkeln aufbauen ist inzwischen eine Standardübung, kriegen wir auch nach dem Glas Rotwein noch ganz easy hin.

Ausgeträumt: Wir haben unser Süppchen noch gar nicht gekocht, als ein Bauer auftaucht und uns den Platz ganz trocken vermiest. Er wirkt zwar einigermaßen freundlich und offen, interessiert sich dafür, wo wir herkommen. Auf der anderen Seite steigt er kein bisschen in die spanischen Brocken ein, die wir zu Erzählen versuchen oder die wir per google-translate aus dem Handy holen. Dafür verstehen wir sein Spanisch in Fetzen: Ob wir wild campieren wollten? Ob wir noch weit fahren? Dass es in zwei Kilometer Entfernung vier Herbergen gäbe… sagt er mindestens drei Mal.

Jedenfalls wird uns unsere neue Bekanntschaft jetzt dubios und wir werden unsicher: Wollte der nur wissen, was wir machen oder wollte der uns durch die Trockenblume sagen, dass wir gefälligst hier verschwinden sollten?

Wir befürchten Zweiteres und packen unser Pino nach dem Süppchen zähneknirschend wieder auf und radeln in das Hostal Puente Fitero in Itero de la Vega. War es halt doch wieder nix mit Zelt auspacken.

Plan B mit der Herberge entwickelt sich dann aber auch richtig gut: Auf dem Camino sind immer spannende Leute unterwegs, gerade weil jeder so sein Geschichtchen mit sich auf den Pilgerweg bringt entwickeln sich immer interessante Gespräche. Diesen Abend verbringen wir caminotypisch international: Mit Libby und Peter, die aus Australien kommen, per Housesharing in Europa unterwegs sind, mit Jessica, einer Schwedin mit deutschem Namen, die in Madrid wohnt, mit zwei Amerikanern, einer Französin, einer Belgierin und einer Kanadierin (sorry, Namen vergessen).Der Camino empfiehlt sich nochmals… WAHRSCHEINLICH kommen wir wirklich mal wieder.

Am Morgen sind wir die letzten Aufsteher, die meisten Wanderer von gestern abend sind schon längst in den Stiefeln unterwegs. Bis wir dann den zweiten Café con Leche mit Libby und Peter getrunken und das dritte Tostada con Mantequillo y Mermelada gegessen haben sind sie wortwörtlich schon über alle Berge.

 

Diese letzte Etappe auf dem Camino Francés macht uns den Abschied schwer. Nicht nur, dass schon uns das hausfüllende Graffity am Ortsausgang den rechten Weg weisen will, auch die Landschaft bleibt genial und am Ende stellt sich uns sogar noch eine Herde Schafe in den Weg. ZIEMLICH SICHER… kommen wir mal wieder.

 

In Fromista -hier steht eine historische Schleusentreppe, die inzwischen leider komplett außer Betrieb und zugemauert ist- biegen wir dann wirklich von ‚unserem‘ Camino ab und nehmen den sehr schönen Kiesweg, der am Canal de Castillo entlang bis nach Medina de Rioseco führt.

Auch wenn wir vor ihm flüchten wollten ist der Herbst hier doch schon angekommen und gibt dem Weg eine ganz besondere Ausstrahlung mit den Blättern auf dem Weg und mit den leuchtenden Herbstfarben in den Bäumen.

Gleichzeitig ist der Umstieg vom Jakobsweg hierher aber ziemlich krass: Wo man auf dem Camino Francés immer mindestens ein Wanderer in Sichtweite war ist hier plötzlich komplette Stille und wir sehen über Kilometer keinen Menschen. Dafür hören wir den Anhänger mehr und mehr rumpeln, der Weg hat sich auch so verschlechtert, dass wir nach 20 Kilometern -es wird auch schon Abend- wieder auf die Straße ausweichen.

Übernachtung wie gehabt, wir finden keinen wilden Zeltplatz und müssen nach Herbergen suchen, was sich abseits von großen Pilgerwegen auch als schwierig erweist: Erst mit Hilfe von einer Polizeistreife und Polizeistation lässt sich ein Casa Rural, 12 Kilometer weiter, ausfindig machen und wir übernachten wieder mal… nicht im Zelt.

 

Weiter mit „Wild übernachten…“

Die Fotogallerie dieser Reisetage:

Kongsvinger – Vekterveien – Halden, Abschied aus Norwegen

Kongsvinger – Vekterveien – Halden, Abschied aus Norwegen

Ausgeruht -wir haben ja einen kompletten Ruhetag auf dem Campingplatz bei Kongsvinger verbracht- geht es am Mittwoch vormittag wieder auf die Straße. Neben der vielbefahrenen E2 führt die alte Bezirksstraße komplett ohne Autoverkehr parallel durch eine waldige und sumpfige Gegend bis wir in der Ortschaft Matrand unsicher werden wie die Straße weiterführt.

Es sind nur rund 5 Kilometer nach Skotterud und unser Navi zeigt uns zwei Straßenmöglichkeiten, diese nächste Ortschaft anzufahren. Und zwischen diesen beiden Straßen führt noch ein Waldweg, der mit dem Schild „Vekterveien“ bezeichnet ist: Wir sind elektrisiert von dem Weg und fühlen uns spontan an Bahntrassen erinnert, auf denen wir schon halbe Urlaube verbracht haben und entscheiden uns dafür, diesen Weg einzuschlagen.

 

Kennt ihr das Gefühl, einen unsicheren oder falschen Weg weiter zu verfolgen, nur weil Umdrehen unbequem erscheint? Sich immer tiefer in den Matsch zu reiten, weil man denkt, es könne eh nicht schlimmer kommen? Ok, diese Lektion kommt für uns jetzt… aus der wir aber bisher noch nie gelernt haben:

„Unser“ Weg beginnt wirklich toll, wir fahren auf gutem, festem Belag mitten durch den Wald. Ganz alleine, gemütlich, viel Zeit, nach rechts und links in den Wald und zum Bach zu schauen. Das erste Hindernis ist dann eine Wegschranke, bei der die Erbauer die übliche fahrradbreite Lücke vergessen haben. Geht aber ganz gut, einige Spuren gehen an der Schranke vorbei und wir schaffen es auch mit etwas Mühe, das Pino an der Schranke vorbeizuwuchten.

Der Belag ist weiterhin prima und die Strecke fast eben, das muss früher wirklich eine Bahnlinie gewesen sein. Bis zur zweiten Prüfung: Die Streckenführung biegt jetzt von der ebenen Linie ab, der Weg wird zum einspurigen Single-Trail und es geht kurz später auf einer 15%er Steigung nach oben. Hatten wir was von tiefer reinreiten gesagt? Jepp, machen wir: Ohne zu wissen, wie es wohl später weitergeht entscheiden wir uns für „Weitermachen“ statt umzukehren und quälen uns den 15%er schiebend nach oben.

Ein bisschen ausschnaufen, dem Single Trail weiterfolgen, nächste Prüfung: Der Single Trail führt jetzt per Holzplanken über sumpfige Flächen weiter.

Klar ist diese Prüfung easy zu meistern, klar können wir uns ganz einfach noch ein bisschen tiefer reinreiten. Auf zur nächsten Prüfung… Immerhin hat der Singletrail jetzt rechts und links leckere, reife Himbeeren und beschert uns eine angenehme Pause.

Dafür kommen direkt danach zwei Wellen mit 20% hoch und 20% runter, was uns glatt an die Grenzen unserer Schub-/Schleppmöglichkeiten bringt. Hätten wir umdrehen sollen? Eh schon viel zu spät oder?

Nächste Prüfung, man kann sich ja steigern: Jetzt, drei Kilometer nachdem wir zum ersten Mal hätten umdrehen können (Schranke), hört der Single-Trail auf und mündet in eine Holztreppe, die in zwei Serpentinenknicks 80 Stufen nach unten führt. Klasse gemacht, damit dürfte der Tiefpunkt im Matsch erreicht sein.

Eigentlich hat die Treppe sogar eine Planke, um ein Rad zu schieben, aber unser Pino ist halt kein Rad sondern ein Lastengespann mit guten einhundert Kilogramm… und die Kehrtwenden in der Treppe sind für unsere Lastzuglänge von 3,5 Metern etwas eng geraten.

Diese Aktion -Umkehren wäre natürlich doof gewesen- kostet und dann fast eine Stunde, in der wir das Pino zentimeterweise nach unten bremsen und in den Serpentinen stückchenweise ums Eck wuchten. Tina Vornesitzer darf abwechslend vorne an den Pedalen und hinten am Hänger anheben… aber irgendwann sind wir unten. Und haben uns ein Vesper verdient. Denn der Weg geht jetzt -zum Glück- bahntrassenartig weiter.

Vermutlich fallen wir auf solche Wege wieder mal rein, aber für heute sind wir bezüglich erlebter Abenteuer eigentlich bedient und nehmen ab jetzt lieber die Straßen, die auch auf unserer Karte eingezeichnet sind. So folgen wir für 10 Kilometer der RV21 nach Westen bevor wir wieder auf eine kleine Straße, FV322, abbiegen um in einem großen Schnörkel nach Bjørkelangen zu fahren und dort einkaufen.

 

Ein wilder Übernachtungsplatz wäre heute richtig, wir sind jetzt mit Frischwasser und Proviant für zwei Tage ausgerüstet, die Suche kann beginnen. Und weitergehen. Und nervig lange weitergehen.

Rund 20 Kilometer geht das so: Die meisten Waldwege haben Briefkasten und Mülleimer stehen und scheiden als Übernachtungsplatz aus, die anderen Wege geben keine ebene Fläche für einen Zeltplatz her. Ziemlich genervt sind wir kurz davor, 15 Meter neben der Straße in einem feuchten Wald unser Zelt einzupinnen, entscheiden uns aber doch für weiterfahren und weitersuchen.

Unser Glücksfall: Nicht viel später sehen wir ein Paar, wie sie ihren Schuppen direkt neben der Straße streichen und fragen sie in unserer Verzeiflung, ob sie einen möglichen Zeltplatz auf den nächsten Kilometern wüssten. Die beiden unterhalten sich kurz auf norwegisch miteinander und… bieten uns ihre Hütte am See für die Übernachtung an!!!

Wir freuen uns riesig über diesen Zeltplatz neben der Hütte, die beiden sind aber wirklich extrem gastfreundlich: Nicht nur, dass sie uns Schlafzimmer, Toilette in ihrer Hütte aufschließen, sie schalten uns das Wifi ein und stellen uns noch zwei Dosen kaltes Bier auf die Terasse. Genial!!! Wir unterhalten uns noch den halben Abend mit Hilde und Halvor über die Natur und Tiere der Gegend, bis uns der Regen zum Zelt vertreibt und wir eine ganz tolle Nacht direkt am See verbringen.

THANK YOU VERY MUCH, Hilde and Halvor, your hospitality was a really great experience for us and we did enjoy the evening with you as well as the camping site close to your cabin quite a lot!!!

Ein genialer Ausklang für den Norwegenabschnitt unserer Reise, ab jetzt kommen viele „zum letzten Mal“ Sachen auf uns zu.

Zum letzten Mal fahren wir die norwegen-typisch welligen Straßen über Ørje und Fossby nach Halden, gehen zum letzten Mal in Halden in eine Statoil-Tankstelle um unseren letzten Gratiskaffee abzuholen.

Wirklich wehmütig fahren wir von Halden aus zur Svinesundbrua über den Svinesund-Fjord, der hier die Grenze zu Schweden darstellt und machen hier noch einen ausgiebigen Stopp.

Unser Tacho zeigt jetzt 3331 Kilometer mit 37.990 Höhenmetern, die wir in einem wunderschönen Land zurückgelegt haben -vermutlich ein Drittel unserer gesamten Reisestrecke haben wir damit in Norwegen erstrampelt. Norwegen wird uns in bester Erinnerung bleiben: Vor allem der Norden Norwegens mit den Inseln von Tromsö bis zu den Lofoten bietet unglaublich schöne Landschaften und Eindrücke, die auf Bildern fast nicht festzuhalten sind. Die Menschen in Norwegen haben wir als extrem entgegenkommend, offen, hilfsbereit und freundlich kennengelernt. Vermissen werden wir auch den Respekt, den Autofahrer uns hier entgegengebracht haben. Wie oft haben uns wildfremde Menschen aus den Autos entgegengewunken, uns freundlichst Vorfahrt gewährt, wo wir gar keine gehabt hätten. Und den Abstand, mit dem uns Auto- und LKW-Fahrer typischerweise überholt haben -typischerweise weit über einen Meter… diese Gelassenheit würden wir uns für den Rest unserer Europareise auch gerne wünschen.

Norwegen: Wir werden wiederkommen, ob mit Rad oder mit vier Rädern. Hauptsache NORD-Norwegen 🙂

Weiter mit „Halden – Göteborg: Nordseeküstenradweg in Schweden“

Die Fotogallerie dieser Tage:

Rena – Elverum – Kongsvinger

Rena – Elverum – Kongsvinger

Die Übernachtung auf dem Campingplatz am Storsjøen-See war günstig, der Betreiber wollte nur faire 100 Kronen für den Zeltstellplatz. Die Aussicht über den See ist toll und auf unserem Plätzchen hätten wir es leicht auch eine weitere Nacht ausgehalten.

Der See glänzt im Morgenlicht, leichte Nebelschwaden ziehen auf der anderen Seeseite hoch als wir auf einer Holzterasse am Campingplatz frühstücken und den Hummeln bei ihrer Arbeit an den Blumen zuschauen. Die Sonne hat um 10 Uhr schon richtig Kraft, brennt uns auf den Kittel und macht richtig Lust auf den Tag an der frischen Luft.

Lässig könnten wir hier den ganzen Tag hier verbummeln aber wir sind in unserem Zeitplan nach Gibraltar etwas im Rückstand, deshalb bauen wir das Zelt trotzdem ab und packen unsere Sachen zusammen.


 

Vom Zeltplatz zurück auf die Straße warten dann aber zuallererst 60 Höhenmeter auf einem Kiesweg mit 10% Steigung auf uns, weit jenseits von dem was unsere halbwachen Beine als erstes nach dem Frühstück treten wollen. Also gehen wir diese Prüfung in unserem bewährten Schlepp-/Schubverband an: Tina Vornesitzer legt sich ins Geschirr und zieht mit der Leine, Udo Hintensitzer stemmt am Lenker.


 

Die Straße FV607 geht dann in sanften Hügelwellen parallel zum Ostufer des Storsjøen, der See ist aber ganz selten zu sehen. Stattdessen führt die Straße kontinuierlich durch einen lichten Wald aus hohen Kiefern und die Straßenböschungen sind kunterbunt von Unmengen wilder Blumen.

Radeltechnisch ist heute aber irgendwie nicht so richtig unser Tag: Schon nach gut 20 Kilometern machen wir an der Staumauer des Sees zum ersten Mal eine Pause und vespern trotz beginnendem Nieselregen ausgiebig, auch nach der Pause schleppen wir uns eher gemütlich vorwärts.

Nächster Halt an einer Hängebrücke über den Fluss Rena, über die wir natürlich drüberschwanken müssen um Forellen zu gucken (natürlich keine zu sehen), übernächster Halt bei Rena, wo wir auf die Fahrer von drei Oldtimern treffen. Klar, Pino Hase will ein Selfie mit Straßenkreuzer haben, das Auto ist aber auch wirklich zu schön.


Weiter als bis zum Campingplatz Rena kommen wir dann heute auch nicht mehr, nach gerade mal 48 Kilometern machen wir Schluss für heute, morgen ist ja auch noch ein Tag. Immerhin bekommen wir abends beim Bier (65 Kronen = knapp 7€ pro Glas) noch eine Blogseite fertig.

Bemerkenswert: Dieser Campingplatz ist der erste auf unserer Norwegenreise mit einer Gaststätte inklusive Gartenterasse, so etwas hatten wir auf unserer ganzen Reise noch nicht gehabt. Die Norweger pflegen wohl eine andere Art Geselligkeit im Urlaub, in eine Kneipe sitzen gehört offensichtlich nicht dazu. Vermutlich treffen sich die Norweger eher im Womo/Wohnwagen oder Gartenlaube und verbringen die Abende da. Bei den Bier-/Wein-/Fantapreisen in Norwegen fast verständlich dass sich keiner einen Biergartenabend für 40€+ gönnen will.

Am nächsten Morgen gehen wir noch ins Freibad in Rena und baden (Tina Vordersitzer) beziehungsweise schwimmen (Udo Hintensitzer) eine Runde. Nur Lasse hat keine Lust auf Wasser und passt so lange auf unser Pino auf.

Heute wird ein sehr heißer Tag, auf der Straße FV535 nach Süden erwarten wir bis zu 30°C im Schatten. Parallel zur Straße verläuft die Glåma (Glomma), die sich aber auch die allermeiste Zeit im lichten Wald versteckt und eher selten zu sehen ist.

 

Es gibt heute wenige optischen Reize auf der Strecke, zumindest wiederholt sich die „Etappe mit lichtem Wald und Wildblumen rechts und links“. Dafür fallen uns bei dem heißen Wetter die Geruchseindrücke ganz intensiv auf.
Ein ganz wichtiges Argument für das Reisen per Fahrrad oder per Fuß: Während man mit dem Auto durch Landschaften gewissermaßen abgeschirmt reist ist man mit dem Fahrrad mittendrin und nimmt Temperaturen, Gerüche und auch das Wetter viel intensiver wahr.
Der Wald riecht noch vom Regen gestern noch nach feuchtem Boden, an einigen Stellen kommen wir an gerodeten Flächen vorbei. Kennt ihr den Geruch von frisch gefällten Tannen und Fichten, deren Rinde schon abgeschält wurde? Wir können jedenfalls fast nicht tief genug einatmen, um das aufzunehmen.

Später sind es Getreidefelder, an deren Rändern Kamille blüht und Erinnerungen an die Sommer unserer Kindheit weckt. Oder der Hof auf der linken Seite, wo gerade der Rasen gemäht wird und sich der Geruch vom Zweitakter-Rasenmäher mit dem Geruch frisch geschnittener Wiese mischt? Außerdem haben die den Grill wohl schon angezündet: Vermutlich sollten wir da mal schnell vorbeischauen, fragen, was es heute Leckeres gibt und bis wann das Essen fertig ist 🙂

Tun wir natürlich nicht… wir genießen diesen Radeltag auch ohne Grill, passieren auf der angenehm ruhigen FV535 das Dorf Elverum (mit Statoil-Kaffee-Pause) und bauen unser Zelt abends auf einem Campingplatz auf einer Wiese direkt am Ufer der Glåma. Wunderschöner Sonnenuntergang am Fluss, Gitarre, ein Bier… das Leben ist schön 🙂


Am nächsten Morgen nutzt Udo Hintensitzer noch das WLAN des Campinplatzes aus: Punkt 10:00 öffnet heute die Anmeldeseite für den Langdistanz-Triathlon in Roth. Die Startplätze dort sind in der Regel innerhalb von gut 10 Sekunden ausgebucht, da muss man fix sein… Bingo: Udo Hintensitzer darf nächstes Jahr wieder dort starten.
Der Anmeldevorgang macht immer ein ganz intensives Kribbeln im Bauch, zur Spannung, ob man einen Startplatz bekommt kommt noch die Gänsehaut beim Gedanken an dieses Event und an einen ganzen Tag Sport all inclusive. Und der Gedanke an die vielen Trainingsstunden im nächsten Frühjahr.

Wir rollen weiter durch das hier recht flache (endlich mal nicht wellig) Glomma-Tal wobei es trotzdem recht anstrengend bleibt da wir seit heute recht kräftigen Gegenwind haben. Bei einer Pause kommt sehen wir einen Radler mit recht seltsamen Fahrverhalten auf uns zukommen …… und dann wird klar warum, es ist ein Einrad!! Der Einradler -sagt man das s- biegt zu uns ab und es entwickelt sich eine sehr interessante Unterhaltung. Thomas kommt aus Tschechien und ist auch schon 4500 Kilometer unterwegs, hat Polen, Norddeutschland, Dänemark und sogar ein Stück von Island schon gesehen. Es wird wegen der zwei außergewöhnlichen Räder fleißig gefachsimpelt und einige Erfahrungen ausgetauscht bis wir uns in entgegengesetzte Richtungen wieder auf den Weg machen.

Trotz dicker Gewitterwolken kommen wir abends in Kongsvinger trocken an, finden nach ein paar stressigen Kilometern an der viel befahrenen E2 die alte, zum Teil geschotterte, Bezirksstrasse zum Campingplatz. Obwohl wir die Schnellstraße in Hör-/Sicht-weite haben, genießen wir hier einen Ruhetag mit Wäsche waschen in der Sonne bevor es weiter in Richtung Süden geht.

Weiter mit „Kongsvinger – Vekterveien – Halden, Abschied aus Norwegen“

Die Fotogallerie des Tages:

 

Femundsee – Rena, spannende Begegnungen

Femundsee – Rena, spannende Begegnungen

Gestern abend war Blutspendetag am Femundsee. Wunderschöne Aussicht auf die Anlegestelle und den See, angenehm lauer Abend aber weder das Insektenspray noch die Räucherspiralen helfen wirklich nachhaltig gegen die Schnakenplage hier am See. Trotzdem war es nach zwölf als wir nachgegeben haben und ins Zelt geflüchtet sind.

Heute steht zuerst das Schiff über den Femundsee auf dem Plan, mit dem wir bis Elgå fahren wollen. Danach nehmen wir die Fv221 weiter an den Südzipfel des Sees, wo wir die nächste Nacht zelten wollen. Dafür müssen wir früh aufstehen, das Schiff legt schon um 9:00 zur einzigen Fahrt des Tages ab. Der Nationalpark Femundsmarka ist ein beliebtes Erholungsgebiet zwischen Sør-Trondelag und Hedmark, nahe der Grenze zu Schweden. So stehen schon sehr viele Ausflügler und Wanderer an der Anlegestelle, die zum Teil nur mit dem Schiff fahren wollen, zum größten Teil aber ein- und mehrtägige Wanderungen um den See planen.

Weil es nichts ähnlich Sperriges wie unser Pino, unseren Anhänger plus unsere Packtaschen in der Warteschlange gibt dürfen wir als erstes boarden: Der Schiffsbetreiber macht sich höchstpersönlich die Finger an unserem Tandem schmutzig als er Udo Hintensitzer beim Wuchten über die Reling hilft. Er bleibt trotzdem riesig freundlich und fragt uns noch ausgiebig über unsere Reisepläne und bisherigen Erlebnisse aus.

Pünktlich legen wir ab, setzen uns bei herrlichem Wetter eine Stunde lang aufs Außendeck und schauen auf die schöne, aber karge Landschaft, bevor wir nach innen gehen und uns einen Kaffee und eine Waffel mit Creme Fraiche und Erdbeermarmelade gönnen… Das ist eines der norwegischen Nationalgerichte, die man überall -von Fähre über Tankstelle bis zu fast jedem Kiosk- angeboten bekommmt. Es ist nicht mehr weit bis Schweden und Deutschland, da werden wir auf diesen Snack wohl verzichten müssen.
Auf dem Schiff treffen wir Stine Marie, Susanne und Margareta, drei junge Norwegerinnen, die eine Viertage-Wanderung von Elgå zurück nach Synnervika planen. Sie sind mit Rucksack, Zelt und Schlafsack unterwegs und haben eine einsame Wanderstrecke von gut 60 Kilometern vor sich. Wenn wir nicht selbst schon wochenlang auf einem solchen naturnahen Trip unterwegs wären würde uns das auf jeden Fall mehr als neidisch machen.

Vermutlich sind aber eher die Drei neidisch, als wir über 2RadReise und sieben Monate Sabattical erzählen. Genau auf solche Begegnungen mit interessanten Menschen hatten wir uns im Vorfeld unserer Reise schon gefreut, wir hoffen dass die Drei tolle Tage verbringen und dass sie uns das versprochene Foto von ihrer Winterwanderung im Fjell mit Zelt, Ski und Gepäckschlitten schicken. So ein Abenteuer fehlt Udo Hintensitzer noch in seiner Sammlung.

Nach drei Stunden Schifffahrt wuchten wir das Pino und den Hänger in Elgå von der „Fæmund II„, machen noch ein Abschiedsfoto mit den drei Mädels… und rollen los. Die Führerin im Bergbaumuseum Olavsgrua hatte uns die Route auf der Ostseite des Sees ab Elgå empfohlen, dieser Tipp war gut: Wir folgen zuerst der Fv221 und später der Fv654, die auf weite Strecken auf planiertem Kies führt. In diesem Naturschutzgebiet soll es auch Bären, Wölfe und viele Elche geben, aber jetzt, in der Mittagshitze, lässt sich keines dieser Tiere sehen. Immerhin sehen wir auf dieser Strecke sehr viel mehr Rentiere auf der Straße als Autos.

Etwa auf der Streckenhälfte nutzen wir einen „Rasteplass“ für unser Picknick mit Blick über den See.

Zum ersten Mal auf unserer Tour lehnen wir dann abends einen Campingplatz ab: Der Femundtunet Hotell und Camping will 250 Kronen (~26€) für uns mit Zelt und Rad abzocken, das ist uns dann doch deutlich zu viel. Zum Glück ist der nächste Campingplatz in Udo Hintensitzers Datenbank nur 8 Kilometer weiter. Hier nimmt man uns auf dem familiären Campingplatz Isterfossen für 100 Kronen auf, der günstigste Zeltplatz bisher. Als Zusatzservice bringen uns die Campingplatz-Betreiber abends einen geräucherten Fisch mit Kartoffeln von ihrem Familienessen am Zelt vorbei. Schade nur, dass sie sehr wenig Englisch reden, sonst hätten wir den Abend bestimmt gemeinsam ausklingen lassen.

„It’s raining again…“

Am Freitag Morgen haben wir schönstes Wetter als wir aus dem Zelt kriechen. Perfekt, um eine zweite Kanne Kaffee zu trinken, den Blog auf neuen Stand zu bringen und die Packtaschen neu zu sortieren. Wir verbummeln mal wieder den halben Vormittag bis wir wieder auf dem Rad sitzen und haben damit auch die wettertechnisch schönste Zeit des Tages hinter uns.
Der erste leichte Regen erwischt uns nach 5 Kilometern (Regenjacke an), dauert nur 5 Minuten (Regenjacke aus). In diesem sonnigen Streckenabschnitt treffen wir eine Wandererin, Friederike, mit der wir uns eine halbe Stunde angeregt unterhalten: Sie ist zu Fuß von Lindesnes, Südnorwegen, zum Nordkapp unterwegs und hat die ersten 2 Monate Wanderung auf diesem Wanderweg schon hinter sich. Sie erzählt uns von ihrer Streckenplanung, von ihrem Zeitplan und davon, wie sich eine lange Wanderung anfühlt, bei der man manchmal für mehrere Tage keinen Menschen sieht. Das ist für uns auf dem Tandem jedenfalls leichter.

Wir tauschen Visitenkarten aus und radeln weiter…direkt in den nächsten Regenschauer (Regenjacke an). Dieses Mal erwischt es uns mit einem echten Landregen, in dem wir es verpassen, rechtzeitig die Regenüberhose anzuziehen. Zwei Minuten zu spät entspricht in diesem Guss bereits klatschnass und ab da lohnt sich eh nicht mehr, das Ölzeug zu bemühen. Der Regen ist zwar für eine halbe Stunde richtig heftig, dafür überhaupt nicht kalt. Wie so ein Sommerregen halt sein soll.

Ziemlich nass...

Ziemlich nass…

Kurz nach „Regenjack aus“ kommt spannende Reisebegegnung Nummer drei: Als wir wieder halbwegs trocken sind und eine längere Steigung hochhecheln steht ein Auto oben auf der Kuppe und der Fahrer steht schon neben dem Auto um unser Gefährt mit dem Fotoapparat abzupassen.

Wir machen das Foto zurück, weil wir diese Situation „Passant fotografiert 2RadReise“ jetzt schon so oft hatten und auch mit festhalten wollen und halten für ein Schwätzchen an:
„I’ve seen you yesterday already and wanted to take a picture of you, but this was downhill and I didn’t manage to take that photo. As I passed you some minutes ago, I’ve been more clever than last time… and awaited you uphill :)“ Bjørn Michael ist begeistert von unserem Lastenrad und fragt uns aus, im Gegenzug erzählt er uns über diese Gegend, in der er aufgewachsen ist. Ob wir Lust haben, ihn auf einen Kaffee zu besuchen, sein 400 Jahre altes Anwesen liegt genau auf unserer Strecke?
Ja, natürlich, haben wir!

Die Straße hinunter nach Åkrestrømmen hat es noch in sich, es geht auf gutem Asphalt mit 10%, stückweise sogar mit 12% nach unten, unsere Doppelscheibenbremse (Pino-Spezialumbau von Steiner) ist zum wiederholten Mal kein nice-to-have sondern elementar wichtig um unser Lastenrad sicher herunterbremsen zu können. So können wir auf diesem Gefällstück den offiziellen 2RadReise-Geschwindigkeitsrekord aufstellen ohne uns Sorgen wegen Anhalten zu machen.

Bjørns Beschreibung ist gut, wir finden sein Haus in Rønningen problemlos. Es liegt oberhalb der Straße mit Blick über den halben See und hat den Charme eines gepflegten alten Anwesens. Er führt uns durch sein Gästehaus, das er liebevoll mit Holz aus dem eigenen Wald renoviert hat und dabei auf alte Zimmermannstechniken zurückgegriffen hat. Sogar den Dielenboden hat er mit Holzdübeln genagelt. 264 Stück, sagt er…. vermutlich war das eine so langwierige Arbeit dass er sich an jeden Nagel einzeln erinnern kann 🙂

Beim Kaffee trinken -Bjørn ist extra noch in die Stadt gerauscht um Kuchen zu kaufen- erzählt er uns über seine Zeit als Architekt in Schweden und wie er vor 16 Jahren, nach seiner Pensionierung, wieder dieses Anwesen seiner Eltern und Großeltern bezogen hat. Seine Erzählungen über Wolfsbeobachtungen direkt vor seinem Haus, über wilde Luchse in seinem Garten und über ein Hermelin, das in seinem Steingarten gewohnt hat und das er über den Winter gefüttert hatte sind sehr lebhaft für uns.

Gerne hätte er uns in seinem Gästehaus für die Übernachtung eingeladen, aber wir wollen gerne noch ein paar Kilometer hinter uns bringen. So fahren wir noch gute 20 Kilometer in der Abendstimmung am See entlang und übernachten auf dem Campingplatz Sjøli und braten uns noch einen leckeren Hamburger bevor wir ins Zelt schlüpfen.

Thank you again, Bjørn for your kind hospitality, for the beer and the handmade berry-juice! We did enjoy your stories about your environment quite a lot!

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Die Bildergallerie dieser Etappe:

Trondheim (Øysand) – Melhus – Gaula-Tal

Trondheim (Øysand) – Melhus – Gaula-Tal

Es ist Samstag morgen auf dem teuren Lachsfischer-Campingplatz mit den übersichtlichen Sanitär-/Küchenanlagen. Unser Zeltproblemchen werden wir erst am Montag bei Helsport vorstellen können, so bleibt ein ganzes Wochenende für etwa 50 Kilometer Fahrt. Die Entscheidung fällt 2:0 Stimmen (bei einer Enthaltung von Lasse Isbjørn) für den Øysand-Campingplatz am Trondheimfjord, da wir am Montagmorgen von dort aus nur 8 Kilometer zum Zelthersteller Helsport fahren müssen, was recht gut zu unseren Aufsteh- und Packzeiten passt.

Unsere erste echte Panne nach 2770 Kilometern: Eine Glasscherbe im hinteren Reifen.

Der Platz in Øysand liegt direkt am Trondheimfjord auf sandigen Wiesen und beherbergt außerdem eine Kayakschule. Dort verbringen wir einen wirklich entspannten Samstagnachmittag und Sonntag, beobachten Austernfischer am Ufer (diese Vögel mit ihrem lustig watschelnden Gang werden wir ab jetzt vermutlich nicht mehr sehen und werden sie bestimmt vermissen) und schauen den Kayakschülern bei den Eskimorollen-Versuchen zu.

Interessant: Solche Fjordkayaks kann man nach einem Ausstieg beim Kentern offensichtlich schwimmenderweise leeren und auch vom Wasser aus wieder einsteigen. Coole Technik, kenne ich aus meiner (kurzen) Wildwasserkarriere so nicht.

 

Samstag abend zeigt sich dann noch ein echter Gewittersturm zuerst über dem Fjord, dann über unserem Zelt. Das Zelt ist gut abgespannt, da es aber genau quer zum Wind steht biegen sich die Stangen schon bedenklich im Sturm und Platzregen.

Vermutlich fühlt sich das von innen aber viel dramatischer an, als es wirklich ist: Neben uns standen vor dem Sturm zwei nicht-abgespannte, lasch aufgebaute Zelt… und die standen nach dem Sturm immer noch als wäre nichts gewesen. Vermutlich kann unser Zelt doch viel mehr ab als wir denken.

Kundenservice bei Helsport

Montag früh klingelt unser Wecker schon um sieben Uhr. Wir wollen möglichst früh bei Helsport aufschlagen damit wir -auch wenn wir mehrere Stunden für eine Imprägnierung warten müssten- noch eine sinnvolle Etappe radeln können. Zum Glück hat es den Morgen über noch nicht geregnet, mit etwas Glück bekommen wir das Zelt einigermaßen getrocknet in den Packsack.
Also: Kaffee kochen, Zähne putzen, Schlafsäcke/Luftmatrazen einpacken, Innenzelt aushängen… und es beginnt so exakt rechtzeitig zu regnen dass wir doch wieder einen nassen Lumpen Zelt eintüten müssen. Wirklich blöde, so bei Helsport anzukommen.

8 Kilometer und drei PANT!-Stopps später finden wir die Firma Helsport, erzählen von unserem kleinen Problem und entschuldigen uns, dass wir so ein nasses Stück Zelt dabei haben.
Frau Bente Lund von Helsport hört uns freundlich zu, schaut sich das nasse Zelt und die betreffenden Nahtstellen ganz kurz an und sagt, sie kenne das Problem dass Nähte in seltenen Fällen undicht werden können. Dass es Helsport sehr wichtig ist, dass ihre Kunden mit den Helsport Artikeln zufrieden sind (was wir mit unserem Zelt ja ohnehin sind) und sie verschwindet nach hinten… um kurz später mit einem nagelneuen 2016er Zelt zurückzukommen!!! Eigentlich hatten wir mit einer Neuimprägnierung unseres Zelts gerechnet, eine neue Aussenhülle für das Zelt wäre schon ein ganz tolles Ding gewesen.

Aber, um sicher zu gehen dass wir keine Passprobleme mit Innenzelt/Stangen unseres 2012er Zeltes zum aktuellen Zelt haben, bekommen wir von Helsport sogar ein komplett neues Zelt für unseren weiteren Trip nach Gibraltar. Unglaublicher Service, wir sind uns nicht sicher ob es viele Firmen gibt, die so reagiert hätten. VIELEN DANK, HELSPORT!

Wir tauschen dann noch Visitenkarten aus, erzählen von unserem Weg seit dem Nordkap, von der weiteren Reiseplanung in Richtung Süden und fahren überglücklich mit nagelneuem, eingepacktem (trockenen 🙂  ) Zelt ab.

Die weitere Etappe wird jetzt hart: Am liebsten würden wir das neue 2016er Fjellheimen Camp 3 so bald wie möglich aufbauen und sehen, was sich seit unserer Generation geändert hat. Allerdings hinken wir hinter unserem Zeitplan schon ein ganzes Stück hinterher und sollten halt doch noch eine nennenswerte Etappe hinter uns bringen.

Die Route von Melhus nach Røros -unserem nächsten größeren Ziel- führt zuerst an der norwegischen Hauptverkehrsader E6 entlang nach Süden und folgt damit dem Gaulatal. Der zugehörige Radweg ist aber gut ausgebaut, so dass man zu keinem Zeitpunkt auf der vielbefahrenen Straße fahren muss. Auf weiten Strecken führt er dann sogar auf kleinen, zum Teil planierten Kies-Sträßchen abseits der E6 und ist -Novum auf unserer Radtour in Norwegen- auch richtig gut beschildert. Diese Strecken sind richtig beschaulich und weit vom hektischen Verkehr der E6 entfernt.

In Støren biegen wir auf die RV30 in Richtung Osten ab und folgen damit dem Gaula-Tal weiter nach oben. Die Gaula ist ein wichtiger Lachsfluss in Norwegen und praktisch jede zugängliche Stelle des Flusses ist mit mindestens einem parkenden Auto besetzt. Obwohl die Landschaft wirklich schön ist, machen wir leider nur sehr wenige Fotos: Liegt mal wieder am Wetter, das uns mit einem zweistündigen Regen nicht zum fotografieren einlädt.

Eine Pause legen wir trotzdem ein: Lasse möchte sich den Lachsfluss aus der Nähe ansehen und wir wollen gerne noch eine Vesperpause einlegen. Leider steht hier ein „Camping verboten“-Schild, sonst wäre das vielleicht sogar unser Platz für die Nacht geworden.

Den finden wir dann etwas später, wo ein Kiesweg direkt bei einem Bergbach von der RV30 abzweigt. Kaum 100 Meter von der Straße weg ist ein großer Kiesparkplatz mit Zugang zum Bach. Sicherheitshalber kochen wir zuerst noch unser Süppchen hier um zu sehen wie hoch der Durchgangsverkehr am Kiesweg ist. Ein Auto, ein Spaziergänger mit Hund innerhalb einer Stunde lässt uns auf eine ruhige Nacht hochrechnen. Vielleicht gibt es ja abends noch ein Highlight: Im umliegenden Wald haben wir beim Holzsammeln zwei Stellen mit Elchkot gefunden.

Also bauen wir unser nagelneues Helsport Fjellheimen Camp 3 Zelt an der ebensten Stelle des Kiesplatzes auf, flüchten kurz nach Sonnenuntergang vor den Schnaken in unser Refugium und verbringen eine herrlich ruhige Nacht.

Weiter mit „Røros und Femundsee“

Die Bildergallerie des Tages:

Kirche Melhus

Pässe im Regen

Pässe im Regen

Planung für unsere weitere Route in Skandinavien

Unsere 2RadReise hat uns in Nord-Norwegen bleibende Eindrücke der Landschaft und der Natur beschert. Dazu gehört die karge Landschaft der Finnmark mit der spärlichen Vegetation, die hier in den wenigen Sommermonaten um ihr Dasein kämpft. Oder die Moorlandschaften der Inseln im Landkreis Troms und der Vesteralen mit ganz besonderen Tierbeobachtungen. Dazu die krassen Gegensätze der Lofoten und später, südlich von Bodø, der Übergang zu Landschaften, die denen in Mitteleuropa schon sehr ähnlich werden. Dabei waren wir -einem Rat von vielen Norwegern folgend- fast immer der Route gefolgt, die am weitesten westlich, also meernah verläuft.

So hätten wir auf unserem zweiten Reiseabschnitt ab Trondheim auch den Touristenrouten am Meer entlang folgen können und als nächstes die Highlights von Südnorwegen wie Kristiansund, Geirangerfjord, Bergen, Stavanger besuchen. Wir beschließen aber, diesen Teil zugunsten einem Reiseabschnitt im Landesinneren von Norwegen auszulassen. Vermutlich würden andernfalls viele Eindrücke anfangen sich zu wiederholen und -noch schlimmer- wir würden uns in großen Besucher- und Touristenströmen an den Sehenswürdigkeiten einreihen müssen… was uns beiden sehr wenig Spaß macht.

Lange Rede, kurze Folgerung: Unsere Etappen der nächsten Tage werden uns in Richtung Osten führen bevor wir vermutlich auf der Höhe von Røros nach Süden abzweigen werden.

Alesund – Trollstigen – Andalsnes

Der letze Blogeintrag stammt noch aus Ålesund, wo wir spät abends eingetrudelt waren. Eine angenehm ruhige Nacht liegt hinter uns, wir haben beide tief geschlafen als uns der Abreisetrubel auf dem Platz allmählich aufweckt. Passt prima, wir wollen ohnehin nicht mehr lange bleiben sondern uns bald auf den Weg machen.

Oben geschrieben: Uns treibt es in Richtung Osten und das einzige Highlight, das wir auf diesem Weg einschleifen wollen bleibt der Trollstigen, den wir jetzt anpeilen. In Ålesund beginnt die E136 als vollausgebaute Schnellstraße, für Fahrräder und Pinos gesperrt, so dass wir auf parallelen Straßen zur RV60 und zum Fähranleger Magerholm fahren müssen. In Nordnorwegen war die Navigation immer recht einfach, da es immer nur wenige Optionen gab, das hat sich seit Trondheim geändert. Folgerichtig verfransen wir uns auch heute wieder ein halbes dutzend Mal bis wir die Fähre wirklich finden. Natürlich fährt sie uns gerade vor der Nase weg… dafür verwickelt uns der Antiquitätenhändler am Fähranleger in ein freundliches Gespräch und zeigt uns seine Schätzchen im Laden. Draußen hat es angefangen zu regnen und wir schauen uns NATÜRLICH lieber antike norwegische Kaffeemühlen an als draußen nass zu werden.

Die nächste Fähre auf die andere Seite nach Sykkylven ist dann unsere. Die RV60 führt von hier aus über die weite Landzunge und über einen ~540m hohen Pass nach Stranda, wir haben uns aber einen Umweg über kleine Straßen (Dalevegen, Fasteindalen, Nysaetervegen) herausgesucht um dem Verkehr der RV60 zu entgehen.

Dieser Umweg macht nur knappe 10 Kilometer aus und das Höhenprofil ist laut Naviki auch ganz angenehm: ~4% gleichmäßige Steigung auf eine maximale Höhe von 400 Metern scheint machbar, zudem wir die RV60 dann auf halber Höhe wieder erreichen werden.

Eigentlich hätten wir diesen Braten schon riechen müssen, Naviki neigt manchmal zu schmerzhaften Vereinfachungen. Im Fall unserer Nebenstraße heißt das, dass Naviki für seine Darstellung die Steigung hübsch gemittelt hat und uns arglistig verschwiegen hat dass wir hier einen hügeligen Kiesweg fahren dürfen, der permanent zwischen eben und 8-12% Steigung wechselt.

Für unser Lastengespann ein echter Muskelkiller und wir verbrauchen neben einigen Heiligen auch 4 Energieriegel um uns bis zum allerletzten Hügel dieser Nebenstrecke hochzukämpfen. Petrus hat Mitleid mit uns und sorgt jetzt auch für kräftige Wasserkühlung unserer Beine, was wir aber so lange zu verdrängen versuchen bis wir richtig nass sind…. und unsere Regenklamotten erst viel zu spät anziehen.

Eigentlich sind solche Strecken zwar schon anstrengend aber doch gut machbar. Nur schade, dass die Landschaftseindrücke spätestens mit dem Regen viel zu kurz kommen und wir recht wenige Fotos machen.

Nach der Nebenstrecke kommt noch der eigentliche „Pass“ der RV60 auf 540m. Was lässt sich über einen Pass per Tandem -jetzt im Wolkenbruch- noch erzählen? Dass die konstanten 7% unsere schon müden Beine ganz schön quälen? Dass Regentropfen ganz schön im Gesicht pieken können wenn man mit 70 Sachen runterdonnert? Keine Ahnung.

Jedenfalls bleibt Petrus seiner (Regen-)Linie auch noch treu als wir in Stranda unser Zelt aufbauen und wir haben unser Zelt zum ersten Mal schon von innen nass BEVOR wir selbst einsteigen.

Der Abend klingt dann aber noch richtig gut aus: Die Küche auf dem Feriesenter in Stranda ist sehr schön eingerichtet und wir verbringen einen lustigen Abend mit einer Gruppe Schweden, die mit 3 Wohnmobilen hier sind und uns ein schwedisches Bier spendieren. Mit zwei Franzosen und Kindern, die heute in Oslo bzw. Paris leben. Und mit den drei Chinesen, die jetzt in Südschweden leben und mit einem Gast aus New York eine Skandinavienreise machen. Es wird spät, lustig, laut… wie ein gelungener Abend halt so sein muss.

Dem entsprechend schlafen wir etwas länger, genießen beim Aufstehen das jetzt wieder schöne Wetter und legen die ganzen nassen Sachen von gestern nacheinander in die Sonne zum trocknen. Erst gegen 16:00 eisen wir uns allmählich vom Campingplatz los um wenigstens noch ein paar Kilometer näher an den Trollstigen zu kommen und schlagen unser Zelt wenige Kilometer nach Valldal auf dem Campingplatz Valldal auf. Hier dürfen die Zelte direkt am Fluß aufgebaut werden, wunderschönes Plätzchen.

Die Wettervorhersage steht jetzt auf fast 30mm Regen für den nächsten Tag, definitiv kein Wetter um auf einen 850m Berg in Norwegen hoch zu radeln. So verbummeln wir den ganzen verregneten Tag im Zelt und in der Gemeinschaftsküche des Platzes und warten noch die Pino-Bremsen und wechseln die Beläge: Udo Hintensitzer hat schon ein bisschen Respekt vor 800 Höhenmetern Abfahrt bei 10% und unserem Gespanngewicht von 250kg. Abends trinken wir noch ein Bier im Zelt, packen die Gitarre aus und singen dazu. Zugegeben: Wir gleichen mangelnde Tonsicherheit durch Lautstärke aus. Immerhin beenden wir dieses Drama noch vor 22:00 und entgehen so wohl einem Rüffel der Platzleitung.

Trollstigen:

Die Wolken hängen morgens noch tief im Tal, auch der Wetterbericht ist nur bedingt optimistisch. Trotzdem bleibt uns eigentlich nicht viel Anderes übrig: Wir packen das Zelt wieder mal klatschnass in seine Packtasche, satteln unser Pino und radeln los.
Valldal ist touristisch sehr lebhaft. Man kann von hier aus den Geiranger Fjord und den Trollstigen besuchen. Außerdem ist diese Gegend auch dank ihrem warmen Mikroklima ein berühmtes Anbaugebiet für norwegische Erdbeeren. Zum Glück hat Tina Vornesitzer keinen Zugriff auf die Pinobremsen, sonst wären wir sicherlich nicht ohne zwei/drei Stopps an den Erdbeerfeldern vorbeigekommen.
Wir fahren die RV63 von der Südseite auf den Trollstigen, hier sind seine 860 Höhenmeter auf gute 30 Kilometer verteilt und damit weit weniger giftig als die berühmte Trollstigen Nordseite.

Die RV63 führt uns durch das Tal des Flusses Valldøla, der über weite Strecken ein reißender Gebirgsbach ist. Türkisfarbenes und klares Wasser, vermutlich aber eiskalt, das über unzählige Stufen herabrauscht und auch durch eine spektakuläre Klamm –Gudbrandsjuvet- schießt.

Auf beiden Seiten des Tals stürzen dazu einige Wasserfälle, zum Teil mehrere hundert Meter herab. Kein Wunder, dass viele der Besucher des Trollstigen auch diese Südseite abfahren und dass uns jede Menge Ausflugsbusse entgegenkommen. Die Steigung bleibt wirklich sehr moderat und hat auf weite Strecken wirklich nur 3-4% und wenige Spitzen auf 5-6%. Erst die letzten 150 Höhenmeter ziehen dann mit 7-9% an und fordern nochmal alles von uns. Leider tauchen wir hier auch in die Wolkendecke ein und fahren ab jetzt im Nieselregen und mit wenig Sicht auf die Passhöhe bei 850 Metern.

Troll Lasse Isbjørn fühlt sich hier, im Reich seiner Artgenossen, sichtlich wohl und hat richtig rote Backen vor Freude als wir oben sind. Mangels Aussicht und dank Nebel fotografieren wir hier oben auf der Passhöhe halt Steintürmchen statt atemberaubender Bergsicht.

Runde 100 Höhenmeter tiefer kommen wir an den Aussichtpunkt des Trollstigen wo zu dem Zeitpunkt schon gefühlte 50 Ausflugsbusse und mindestens ebensoviele Wohnwagengespanne, Wohnmobile und Motorräder im dichten Nebel stehen. Wir parken das Pino direkt an der Toilette und am Souvenirgeschäft, wo uns die anwesenden Bustouristen sofort dankbar als Attraktion anstelle des -heute im Nebel versteckten- Trollstigen annehmen.
Ruckzuck bildet sich eine Traube von gut 40 Leuten aus Deutschland, Österreich, Frankreich und China und bombardieren mit Fragen uns über unser lustiges Gespann und über unsere 2RadReise. Lassen wir über uns ergehen, wir haben ja auch noch keine besondere Eile mit Weiterfahren im Nebel.

 

Eine halbe Stunde später haben wir den Souvenirshop auch von innen angeschaut und haben keine Hoffnung mehr, dass das Wetter aufklaren könnte. Also geben wir den Touristen hier noch dass Fotomotiv „Pino fährt an, Radfahrer winken“ und machen uns auf den Weg nach unten.


Dieser Blick vom Trollstigen wurde uns wegen Nebel leider verwehrt. Vielleicht müssen wir ja mal wieder hierher kommen.
(Quelle: www.trollstigen.no)

Die Doppelscheibenbremse am Pino leistet bei der Abfahrt dann richtig gute Arbeit, auf der engen, nassen Serpentinenstrecke mit Gegenverkehr ist Rollen lassen keine Option. Mit einer Standardbremse und unserer Beladung hätten wir hier bestenfalls Schritttempo mit vielen Pausen für die Bremse fahren können. Wir halten auf dieser Abfahrt noch zwei/drei Mal, als wir unterhalb der Wolken wieder Sicht bekommen und fahren danach an Andalsnes vorbei weiter zum Campingplatz Saltkjelsnes, packen unseren nassen Lumpen „Zelt“ wieder aus. Zum Abendessen gibt es heute Burgerfleisch mit Kartoffeln 🙂 und hinterher ein leckeres IPA im Zelt.

Weiter mit „Andalsnes – Surnadal, PANT!!!“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Trondheim – Insel Runde – Ålesund

Trondheim – Insel „Runde“ – Ålesund

Wir sind unterwegs zurück nach Trondheim… aber stehen wir hier am richtigen Abflug-Gate?

Das Pino steht noch brav und ordentlich abgeschlossen im Vikhammer Motell (&Camping) als wir nach unseren zwei Wochen Heimurlaub zurück nach Trondheim kommen. Es ist Dienstag nachmittag und wir buchen uns für die eine Nacht wieder ein Zimmer im Hotel damit wir ausreichend Platz haben um die Fahrradpacktaschen ordentlich zu packen. Morgen früh müssen wir rechtzeitig wegkommen damit wir das Hurtigruten-Schiff auf der Südroute erwischen. Wir wollen mit diesem Schiff zur Insel Runde fahren und dort einen Tag Pause machen: Runde ist ein wichiger Brutort für viele Vogelarten und wir wollen auf unserer Tour unbedingt noch Papageientaucher sehen.

Wir buchen die Überfahrt als Deckpassage und ohne Kabine, da wir Runde planmäßig um 2:00 nachts erreichen und von der Fahrt im Mai zum Nordkapp wissen dass man auf den Sofas des Aussichtsdecks prima schlafen kann weil da abends und nachts eh nichts los ist. Man kann sich täuschen: Juli ist nicht Mai und Trondheim-Alesund ist nicht Nordkapp. Außerdem ist heute das Europameisterschafts-Halbfinale zwischen Portugal und Wales. So ist das Aussichtsdeck heute nacht voll mit tratschenden Familien, trinkenden Fußballfans und euphorisierten Rentnern, die ihr Hurtigruten-Erlebnis gemeinsam Revue passieren lassen. Also müssen wir unser Sofa mit anderen Reisegästen teilen und können hinliegen und schlafen vergessen. Schade.

Mit ein wenig Verspätung erreicht die Polarlys Torvik um halb 3 nachts, spuckt uns aus und dampft nur 15 Minuten später wieder ab.

Die Anlegestelle der Hurtigruten in Torvik hat tagsüber den langweiligen Charme einer Lagerhalle für Hurtigrutenbedarf und wirkt nachts noch etwas eingeschlafener. Kein Grund, sich noch lange hier aufzuhalten.
Der Plan war, auf der 20 Kilometer langen Strecke über die Inseln Leinøya, Remøya und Runde ein ruhiges Plätzchen für ein Nickerchen zu finden und dann morgens auf dem Campingplatz Runde einzulaufen. Es ist ja schließlich ein No-Go, nachts um halb vier ein Zelt aufzuschlagen und damit anderen Campern den Schlaf zu rauben. Wir können es kurz machen: Wir radeln hochgemütlich über die Inseln bewundern den Blick auf- und von den hohen Brücken zwischen den Inseln, finden unterwegs KEIN Schlummerplätzchen und bauen unser Zelt nachts um vier auf. So leise wie irgend möglich, unsere Nachbarn beteuern am nächsten Morgen dass sie uns nicht gehört hätten. Sehr freundlich und zurückhaltend, diese Norweger 🙂

Runde ist ein Brutparadies für viele Vögel. Neben der Hauptattraktion, den Papageientauchern, brüten hier Basstölpel, Trottellummen, Raubmöven, Dreizehenmöven, Seeadler, Kormorane und viele andere Seevögel. Der Campingplatzbetreiber Knut gibt einem gleich bei der Anmeldung Informationen über die Insel, die Wanderwege und über die Brutfelsen der verschiedenen Tiere. Toller Service, er erzählt auch, um welche Uhrzeit die Papageientaucher aus ihren Höhlen kommen und man sie am besten sehen kann: ab 21:00.

So machen wir uns am frühen Abend auf den etwa dreistündigen Rundwanderweg auf dem Hochplateau der Insel. Die Ausblicke sind großartig und der Blick von 250 Meter hohen schroffen Felsklippen hinunter aufs Meer nehmen einem den Atem.

Wir lassen uns Zeit bei den Brutfelsen der Basstölpel, schauen den Raubmöven beim Vorbeisegeln zu und heben uns die Papageientaucher auf den Schluss auf. Die sind einfach zu finden: Da wo die meisten Wanderer stehen und wo die Hobby- und Profifotographen mit ihren Mega-Teleobjektiven stehen. Wir setzen uns dazu und brauchen weit über eine Stunde bis wir uns wieder lösen können. Diese Tiere sind nicht nur beeindruckend hübsch, sie erkennen Menschen auch kein bisschen als Feinde an. Auch wenn ihre Bruthöhlen zum Teil nur einen Meter von den Vogelfreunden weg sind lassen sie sich davon nicht stören. Wahrscheinlich ignorieren sie uns einfach, auch weil  wir deutlich weniger hübsch sind und unser Schnabel mit ihnen auch nicht mithalten kann. Eine geniale Stunde an den Felsen. Neben den Walbeobachtungen ist das wohl der intensivste Naturmoment, auch weil die Tiere einem jede Zeit der Welt geben um sie aus der Nähe zu sehen.

Es wird 21:30 bis wir wieder am Campingplatz ankommen, Antoine Griezmann schießt das 1:0 im EM-Halbfinale gegen Deutschland und beendet eine Stunde später mit dem 2:0 unser Interesse an Fußball. Europameister werden im allgemeinen doch eher überbewertet, Weltmeisterschaften zählen.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag schon wieder früh von Runde abfahren, haben uns aber bei der Inselwanderung von mehreren Leuten die Schifffahrt zu den Brutfelsen empfehlen lassen und melden uns stattdessen für die erste Fahrt mit der Aquila um 11:00 an.

Johan, Kapitän der Aquila, ist pensionierter Lehrer und verbringt die beiden Papageientaucherbrutmonate damit, Hobbyornitologen um die Insel Runde zu fahren. Er erzählt seinen Gästen viele Dinge über die Vögel hier, wie sich nicht zuletzt durch den Klimawandel und die veränderten Futterbedingungen einige Populationen reduzieren und andere hinzukommen und er kennt die Brutfelsen sehr genau. So erfahren wir, dass Raubmöven eigentlich Mundraubmöven heißen müssten und können es sogar direkt beobachten. Die Raubmöven attackieren Basstölpel im Flug bis die ihre Jagdbeute fallen lassen und sogar bereits geschluckte Fische wieder hochwürgen. Dann brauchen sie sich nur noch auf Wasser hinunterstürzen und den Mundraub vor den Dreizehenmöven abfischen.
Johan zeigt uns auch den Horst des Adlers, fährt mit dem Schiff in eine Grotte in der Trottellummen und Basstölpel ihre flauschigen Kleinen aufziehen und liefert uns nach zwei spannenden Stunden auf dem Meer wieder im Hafen ab.

So wird es drei Uhr nachmittags, bis wir unser Zelt und unsere Sachen eingepackt haben und uns wieder auf den Weg machen.
Lasse Isbjørn hatte gestern auf der Fahrt vom Hotel zum Schiff schon dauernd genörgelt, dass er immer nur in Tina Vornesitzers Handtasche sitzen darf und bekommt jetzt seinen Logenplatz mit Aussicht am Pino. Hoffentlich fängt das Genörgel nicht wieder an, wenn es mal regnet.

Die Fahrt von Runde nach Ålesund führt zuerst wieder zurück über die Inseln bevor es auf die Hauptstraße 61 geht. Auf den Inselstraßen, auf denen nur ganz wenige Autos unterwegs sind können wir uns die meiste Zeit sogar entspannt auf Radwegen bewegen, die ab der Hauptstraße dann leider fehlen. Also weniger entspanntes Radeln bis Hareid. Hier starten wir das Experiment norwegisches Schnellboot mit Pino um die Strecke nach Ålesund abzukürzen. Super: Die Besatzung des Schnellbootes ist hilfsbereit, sogar der Kapitän beteiligt sich höchstpersönlich daran, unser schwerbeladenes Pino um die engen Winkel herumzuwuchten und wir sind um 21:00 auf dem Meer in Richtung Ålesund. Das Tempo des Schnellbootes ist der Hammer, die Zeit zwischen Hareid und Ålesund reicht uns grade mal so um eine kleine Ecke zu essen und die Gischt hinter den Turbinen des Schiffs zu bestaunen.

Zum Glück ist der Campingplatz in Ålesund nur 2 Kilometer von der Anlegestelle weg. Wir wollen nach der kurzen Nacht auf Runde und nach den 70 Kilometern radeln nur noch duschen und schlafen. Ok: noch ein Feierabend-Bier trinken nachdem wir unser Zelt auf dem letzten verbleibenden Wiesenfleckchen einzentrieren.

Weiter mit „Pässe im Regen“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Umwege lohnen sich

Umwege lohnen sich

Es ist Dienstag morgen, wir hören beim Aufwachen den Regen auf dem Zelt. Wobei man sich nicht täuschen lassen darf, das Geräusch des Regens dramatisiert immer ein bisschen: Niesel hört sich an wie Regen, Regen hört sich an wie Wolkenbruch, Wolkenbruch hört sich an wie… naja, vielleicht Weltuntergang? Gleichzeitig wirkt das Geräusch auch einschläfernd und wir pennen glatt nochmal ein. Allerdings nur, um eine Stunde später wieder bei Niesel aufzuwachen.

Es hilft nichts: Der Übernachtungsplatz am Ende eines Waldweges lädt uns kaum dazu ein, den Tag hier zu verbringen und so vereinbaren wir Arbeitsteilung für die Startvorbereitungen: Udo Hintensitzer darf draußen trockenes Holz für den Frühstückskaffee suchen und den Hobo anwerfen, Tina Vornesitzer darf im Zelt bleiben und muss dafür die Luftmatratzen und Schlafsäcke einpacken bis der Kaffee kocht und das Müsli bereit steht. Die Sitzordnung behalten wir bei, Vornesitzer darf im Vorzelt frühstücken während Hintensitzer im jetzt wirklich nicht mehr nennenswerten Nieselregen seinen Kaffee schlürft. Ziemlich fix sind wir dann mit den restlichen Packaktivitäten fertig (unter 2,5 Stunden zwischen Aufstehen und Losfahren, neuer Rekord!!!), schieben das Pino über den Waldweg zurück zur Straße und radeln los.

Heute wollen wir über die 710 nach Brekstad zur Fähre fahren. Diese Fähre geht über den Trondheimsfjorden und wird unsere letzte Fähre auf dem Weg nach Trondheim sein. Auf der Landkarte ist südlich dieser 710 noch die alte Straße FV231 eingezeichnet, die über die Weiler Stallvik und Høybakken führt und mit Sicherheit weniger Verkehr hat. Dafür sind wir uns nicht sicher, wie der Straßenbelag zu erwarten ist, unser Tandem ist wegen dem hohen Gewicht auf dem 20-Zoll Vorderrad sehr empfindlich auf tiefen Kies… aber wir wollen es auf jeden Fall riskieren um näher an Natur und weiter vom Verkehr fahren zu können.

Die ersten Kilometer nach unserem Übernachtungsplatz geht es gemütlich sanft abwärts und wir nutzen die Gelegenheit, unser Wasser an einem Bach wieder aufzufüllen.

Außerdem gehen wir in Årnes sicherheitshalber gleich einkaufen, da die nächsten Einkaufsmöglichkeiten auf unserer Karte erst 60 Kilometer später in Brekstad verzeichnet sind. Als wir aus dem Supermarkt kommen sehen wir wie eine Frau ihren Wagen laufen lässt während sie zum Einkaufen in den Markt verschwindet…

Einschub „Günstige Fahrgelegenheiten und Luftverschmutzung“:

Wer mit dem Fahrrad in Urlaub fahren möchte und mit einem schönen neuen Auto zurückkommen will sollte Norwegen in Erwägung ziehen. Man sieht dort sehr häufig, wie jemand an der Tankstelle oder beim Einkaufen den Motor des Wagens mit steckendem Schlüssel einfach laufen lässt während er seine Besorgungen macht… was bei uns aus Umweltschutzgründen und potentiellen Autodieben keiner machen würde.
Wir sind uns nicht ganz sicher, warum Norweger das so machen, vermutlich hat es mit Gewohnheiten aus strengen Wintern zu tun: Bei -10°C und kälter beginnt diese Angewohnheit schon Sinn zu machen. Mangels Großstadterfahrung zählen die Menschen in Nord-Norwegen das Wort Luftverschmutzung auch gar nicht zu ihrem Wortschatz. Nebenbei gibt uns das aber auch ein gutes Gefühl, die Kriminalitätsrate scheint in Norwegen sehr niedrig zu sein, auch das Grundvertrauen anderen und fremden Menschen gegenüber scheint sehr viel höher als bei uns zuhause zu sein. Jedenfalls hätten wir in sieben Wochen Norwegen dutzende Male die Möglichkeit gehabt, unser Pino gegen einen guten Gebrauchten einzutauschen.

Als wir eine Stunde später die Abzweigung zur FV231 erreichen sind wir zuerst nicht sicher: Die abzweigende Straße ist unscheinbar, was den Straßenbelag -festgefahrener, glatter Kies- betrifft aber auf der anderen Seite sehr beängstigend weil sie direkt mit 200 Metern Steigung der 10%-Klasse aufwartet. Und was nach der Kurve da oben kommt können wir noch gar nicht mal ausmachen. Die Entscheidung, hier trotzdem abzubiegen ist dann doch ganz einfach, als ein Convoy von guten 10 Autos und 2 LKWs an uns vorbeifährt. Lieber naturnah wegen Steigungen schwitzen als sich konstant überholen und den Spaß am Radfahren nehmen zu lassen.

Jedenfalls lohnt sich diese alte Straßenführung in dreierlei Hinsicht: Zum einen sehen wir auf den nächsten 20 Kilometern kaum mehr als zwei Autos auf unserer Straße, zum anderen bleibt der komprimierte Kies (später Asphalt) durchgehend schlaglochfrei und zum dritten hält sie uns warm: Außer der anfänglichen heftigen Steigung lässt uns die wellige Strecke mit ihren bösen Zwischensteigungen gleichmäßig schwitzen.

Die wohlverdiente Nachtruhe halten wir deshalb nach etwas verkürzter Etappe schon auf dem Campingplatz Austratt wo wir auch am nächsten Morgen noch lange faulenzen, Gitarre spielen, stricken und extra Kaffee trinken bevor wir zur 14Uhr-Fähre nach Brekstad radeln.

Das Wetter ist heute prima, einzig das Höhenprofil macht den müden Beinen etwas Angst. Direkt nach der Fähranlegestelle Agdenes steigt die Straße auf gut 100 Höhenmeter an, bleibt danach für einige Kilometer sanft wellig um vor Orkanger nochmals auf 170 Meter anzusteigen. Wir versuchen es kurz mit Jammern und Selbstmitleid, aber das Höhenprofil lässt sich so wenig beeindrucken wie ein guter Schiedsrichter bei einer Arjen Robben Schwalbe im Strafraum. Also packen wir’s einfach an.

Bei der ersten Steigung werden wir dann von einer Ausflugsgruppe Fliegen in Mannschaftsstärke begleitet, die unser Schwerlasttempo bergauf lässig mithalten können. Auch wenn sie nicht stechen sind sie doch super lästige Viecher und wollen einem am liebsten in die Augen sitzen oder -noch schlimmer- eingeatmet werden. Zum Glück können wir bergab den Turbo zünden und die Tierchen müssen sich neue Opfer suchen.
Überhaupt sind wir heute überraschenderweise richtig gut drauf und brennen auch dank konstantem Rückenwind einen Rekordschnitt auf den Asphalt. Knapp 19km/h Tagesschnitt ist für uns auf einer welligen Strecke schon eine echte Hausnummer.

Highlight für Highlight: Gegen Ende des zweiten längeren Anstiegs des Tages sieht Tina Vornesitzer eine Kuh… nein, ein Pferd…. NEIN: einen Elch am Waldrand. Wir halten an, packen das Fernglas und die Kamera aus und fotographieren das Tier ausgiebig bis es -vermutlich genervt von uns- im Wald verschwindet. Auf den Fotos sieht man, dass es ein männlicher Elch ist, der gerade sein Winterfell abwirft und sein Geweih schon irgendwo verlegt haben muss. Da sind nämlich schon die Geweihstümpfe des 2016er Jahrgangs zu sehen. Ausgehend von seiner Statur und Größe dürfte es vermutlich ein junger Elchbulle mit 3-4 Jahren sein.
Jedenfalls haben wir wieder ein spannendes Gesprächsthema für die restlichen Kilometer bis zum Campingplatz in Orkanger und freuen uns darauf, unsere Fotos am Notebook durchzuschauen.

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Zur Bildergallerie dieser Tage:

Etwas andere Übernachtungsplätze

Etwas andere Übernachtungsplätze

Es ist halb drei nachmittags, als wir uns in Kolvereid endlich vom Campingplatz loseisen: Die Abstimmung 4. Kanne Kaffee gegen Losfahren ging knapp mit 2:0 für Losfahren aus. Das Zwischenziel Rørvik haben wir schon gestrichen weil wir heute kein weites Stück mehr schaffen werden und auch, weil wir endlich mal richtig kleine Straßen fahren wollen: Bisher war uns immer das Risiko zu hoch, irgendwo in -für uns- unfahrbaren matschigen Feldwegen zu enden. Also nehmen wir kurz nach Kolvereid die FV530 nach Süden, die uns fast bis zur nächsten Fähre in Hofles bringen wird. Die Landschaft ist wieder mal toll: Grüne Wiesen, ein ganz ruhiger See, Landwirtschaft, man könnte sich wirklich leicht im Allgäu fühlen.

Das weckt in uns die Diskussion, wie es uns wohl in Deutschland gefallen wird wenn wir Skandinavien hinter uns gelassen haben. Ist noch nicht zu Ende diskutiert, wir warten es einfach ab. Zum Glück kommt ab und zu ein felsiger Hügel mit Gletscherschleifspuren oder ein Haus mit Elchgeweih dazwischen und wir wissen wieder wo wir sind.

An dem Tag fängt die Suche nach einem Übernachtungsplatz dann auch schon nach 35 Kilometern an, aber wir sind bei der Suche heute nicht so richtig glücklich… oder anfangs zu wählerisch?
Ein paar Stellen am Meer, die aber entweder zu abschüssig oder zu steinig zum Zelten sind, ein paar Wege in den Wald, wo es schnell viel zu sumpfig wird. Einer Bucht folgen wir sogar noch 200 Meter zu Fuß… auch ohne Erfolg. So kommen wir zu unserem ersten zweifelhaften Übernachtungsvergnügen auf unserem Trip: Direkt nach einer Brücke ist ein großer Kiesparkplatz, der ganz hinten ein ebenes Fleckchen für ein Zelt anbietet. Außerdem steht hier noch ein Schiffscontainer geparkt und akkustisch wird die Stelle von einer Straßenfuge der nahen Brücke untermalt: Immer, wenn ein Auto vorbeifährt hören wir ein lautes Donnern an dieser Dehnfuge. Trotzdem ist jetzt, halb neun abends, die Uhrzeit gekommen, zu der man immer weniger wählerisch mit dem Schlafplatz wird.

Also braten wir uns noch den Lachs an, den wir mittags eingekauft hatten und schließen den Reißverschluss zu unserer werten Schlafstätte – und schlafen erstaunlich gut. Die Nacht über sind praktisch keine Autos gefahren, morgens um halb sieben werden wir sanft von den Glocken der hier freilaufenden Schafe geweckt. War doch gar nicht so schlimm, bleibt aber in unserer Wahl zum „denkwürdigsten Übernachtungsplatz der Tour“ vorerst auf Platz eins.

Den Morgen nutzen wir noch, um die Tierspuren um unseren Zeltplatz ausgiebig zu studieren: Jetzt, wo wir wissen dass es wirklich Elche gibt, können wir auch aus zwei Metern Entfernung Elchkot und Elchfußspuren eindeutig erkennen. Vor uns waren hier jedenfalls auch schon mal Elche zur Übernachtung.

Wie es jeder halbwegs erfahrene Pessimist schon vorausgesehen hätte sehen wir keine 3 Kilometer nach unserem Notübernachtungsplatz schon *DEN* Übernachtungsplatz überhaupt. Platz am Fjord, Wiese, Grillstelle, weit genug weg von der Straße! Wir hätten gestern einfach noch ein bisschen durchhalten müssen. Egal. Dieser Tag ist dann schnell erzählt: Auf dem Weg nach Namsos halten wir noch ein Picknick auf einer Seitenstraße, wo wir uns einfach in der Sonne auf den Asphalt setzen und unser Vesper auspacken. Man mag uns für verrückt erklären, aber das sind für uns echte Highlights. Anhalten wo man gerade Lust dazu hat, die frische Luft in der Nase und sich etwas Leckeres gönnen… traumhaft.

Namsos scheint eine der norwegischen Städte mit wirklichem Leben zu sein, die norwegische Rock-Szene ist hier fest verankert. Wir radeln trotzdem weiter und finden den nächsten speziellen Übernachtungsplatz 10 Kilometer später in der Nähe von Bangsund, wo ein „Friluftsområde“ angeschrieben ist. Wir sind neugierig, was ein Område wohl sein könnte und finden eine Halbinsel im See mit Grillstelle, zusammen mit einer wunderschönen ebenen Wiese, einem Wald und einer öffentlichen Toilette inklusive fließend Wasser. Perfekt für unseren Einweg-Grill und unsere Würstchen, die wir uns heute im Supermarkt geschossen hatten.

Wir packen die Gitarre aus, genießen den Platz, bauen das Zelt ein bisschen verschämt und extra spät auf falls jemand kommen könnte und haben wieder eine tolle Nacht -wenn man von Tinas Kopfkissen mal absieht, das diese Nacht inkontinent wird und Luft verliert. Falls jemand diesen Übernachtungsplatz sucht kann er unter unserem Track südlich von Namsos nach den Koordinaten suchen. Platz zwei in der vorläufigen Liste der besonderen Übernachtungsplätze.

Seit Namsos waren wir wieder auf der FV17 nach Süden unterwegs und könnten in 180 Kilometern schon in Trondheim sein wenn wir auf dieser Straße bleiben. Wir haben aber noch genügend Zeit und große Lust auf Umwege, auf kleine, verkehrsarme Straßen und biegen kurz nach Sjøåsen auf die 715 ab, die uns in einem riesigen Bogen zuerst ans Meer und dann über eine weitere Fährverbindung von Westen her nach Trondheim führen wird. Diese Straße ist empfehlenswert, sie führt zuerst an Wasserfällen entlang auf eine Hochebene mit riesigen Waldseen und später einer Moorebene mit geringer Bewaldung und flachen Moorseen. Auf dieser Strecke müssen wir zwei Mal für eine Pause anhalten weil es einfach zu schön ist, über die Landschaft zu schauen und einfach hinauszuträumen.

Später führt die Straße wieder auf Meereshöhe herunter und wir sind wieder in den grünen Wiesen bei Rinderviehzucht angekommen. Der Campingplatz Osen wird zur unspektakulären Übernachtungsstelle mit dem gewissen Etwas: Abends können wir hier in ein Grillhäuschen sitzen und auf dem Notebook per Live-Stream und norwegischem Kommentator das EM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Ukraine (2:0 🙂  ) anschauen. Am nächsten Morgen holen wir uns dann noch Streckentipps für die nächsten 150 Kilometer vom Campinplatzbetreiber ab, lassen unser spezielles Gefährt für Facebook fotographieren und rauschen weiter. Er hatte uns auch vor den wenigen Einkaufsmöglichkeiten auf dieser Straße gewarnt, sicherheitshalber erledigen wir den Einkauf für die nächsten beiden Tage deshalb gleich hier.

An diesem Tag schaffen wir nur gute 50 Kilometer, was vielleicht auch an den bissigen Wellen liegen könnte: Nach diesen 50 Kilometern haben wir heute fast 1000 Höhenmeter auf der Uhr. Auch hier suchen wir wieder lange bis wir ein Plätzchen für die Nacht gefunden haben: Der eine Waldweg sieht zu bewohnt aus, der nächste hat enorm viele Elchspuren (auf einer Elchparty wollte Tina Vornesitzer nachts dann doch nicht aufwachen), der Dritte gibt keine ebene Stelle her, der übernächste ist zu nahe an der Straße. Wie immer gibt es ein spezielles Verhältnis zwischen der Dauer der Suche und unseren Ansprüchen: Je länger wir suchen, desto niedriger werden die Ansprüche und so wird ein Waldweg das Objekt der Wahl.

Nachdem wir diesen Waldweg 300 Meter hineingefahren sind haben wir beide keine Lust mehr zurückzufahren, das Ende dieses Waldweges ist auch eben genug. Bingo, hier stellen wir das Zelt auf. Sogar, wenn die 500 Stechmücken hier noch ihre Kumpels auf einen Drink einladen sollten.

Mit dem Abendessen haben wir heute wieder etwas für die Ernährungsvielfalt getan und es gibt Hamburger (aus einer Gefrierpackung) mit Partytomaten, Käse und Senf. Und zum Nachtisch noch einen 500g-Eimer „Kirsebaer“-Joghurt. Wir sitzen noch lange vor unserem Solo Lagerfeuer, das offensichtlich die Stechmücken auf Distanz halten kann und schlafen prima – mitten im Wald. Platz drei in den speziellen Übernachtungsplätzen.

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Die Diashow dieser Etappen:

Aprilwetter in Norwegen

Aprilwetter in Norwegen

Es ist Freitag nachmittag, 13:30, und wir sitzen auf der Terrasse des Campingplatzes in Kolvereid in der Sonne. Die dritte Kanne Kaffee zieht gerade und die leckeren Haferkekse liegen auch schon auf dem Tisch. Normalerweise sind wir um diese Uhrzeit schon seit zwei Stunden auf der Straße damit wir ein paar Kilometer vorwärts kommen und nicht immer erst spät abends das Zelt aufschlagen müssen.
Aber heute ist alles ein bisschen anders, wir haben uns den faulen Tag irgendwie verdient: Die letzte Woche war in Summe trotz eines Ruhetages schon relativ hart mit stürmischen Tagen/Nächten, norwegischem Aprilwetter, viel Regen und etwas Bedenken mit unserem Zelt. Außerdem hatten wir ja die Zwangspause in Brønnøysund um uns beim Sportladen neue Stangen für unser Zelt abzuholen: Die vorhergehenden hatten sich Stück-für-Stück mit Haarrissen und zwei Komplettbrüchen verabschiedet.

Zeitsprung zurück… der letzte Blogeintrag stammt von der stürmischen Nacht am Berg mit Loch, Torghatten. Der Wind ist auch am Morgen noch stürmisch und bringt immer wieder auch heftigen Regen mit sich, so dass wir das Frühstück in die winzige Gemeinschaftsküche des Campingplatzes verlegen müssen. Zusammen mit zwei Paaren aus Leipzig, die ihre Campingstühle und Tisch mit hereingebracht haben und die halbe Küche schon zustellen. Wir motzen jetzt zu sechst ein bisschen über das Wetter, das sich davon aber nur mäßig beeindruckt zeigt.

So packen wir den nassen Lappen namens Zelt in seinen Sack, stellen das Pino, das vom nächtlichen Sturm umgeworfen wurde wieder auf die Beine und ziehen Regenhose / Regenjacke an. Eigentlich ist das -zumindest für Vielschwitzer wie Udo Hintensitzer- reine Augenwischerei: Da gibt es nur die Wahl zwischen Nass vom Regen und nassgeschwitzt in den luftdichten Klamotten. Da der Regen wirklich heftig ist entscheide ich mich für Zweiteres weil es immerhin die wärmere Nass-Alternative ist.

Von Torghatten zurück auf die FV17 geht es zuerst knapp 20 Kilometer gegen den Wind, dafür gibt es schon nach einer knappen Stunde die erste Statoil-Tankstelle wo wir unsere Kaffee/Schoki-Flatrate ausgiebig auskosten. Kurz danach biegen wir auf die FV17 mit Südkurs ab und haben ab hier abwechselnd Regen von oben, Regen von hinten, Regen als Niesel, Regen als Starkregen, Graupel und auch mal blauen Himmel. Solches Wetter haben wir in Norwegen öfters erlebt: Mehrmaliger Wechsel von blauem Himmel hin zu kompletter Bewölkung und wieder zurück innerhalb kurzer Zeit. Wir schalten bei diesen Bedingungen in einen Augen-zu-und-durch-Modus, machen nur sehr wenige Fotos, wenn die Sonne die Beleuchtung übernimmt. Der Ankerpunkt für den ersten Abend ist der Campingplatz am Fährableger Vennessund, den Tina Vornesitzer sehr gerne nehmen würde. Er sieht sehr gepflegt aus, hat eine heimelige Gemeinschaftsküche aber ein erhebliches Manko: Er steht genau in der Düsenwirkung des Fjords und damit wirklich mächtig im Wind. Udo Hintensitzer setzt sich durch, lockt mit dem Campingplatz in Holm auf der anderen Seite und wir beeilen uns auf die Fähre.

Den Campingplatz in Holm können wir nicht so richtig beschreiben: Der hat nämlich inzwischen geschlossen, der Wegweiser dorthin ist mit weißer Farbe übersprüht und es gibt den ersten Dissens innerhalb des Tandemteams… immerhin ist Udo Hintensitzer schuld, dass wir diese Nacht eben nicht bei heimeliger Gemeinschaftsküche sondern in einem Wäldchen ein paar Kilometer später verbringen. Als der nächste Morgen dann auch noch mit Regen anfängt und wir im Zelt frühstücken müssen hat Tina Vornesitzer ihr erstes Tief und pflegt einen tiefen Frust weil wir jetzt doch schon seit ein paar Tagen mit nassem Wetter kämpfen und allmächlich nichts von unseren Siebensachen mehr wirklich trocken ist.

Wir sind inzwischen -ungewollt- recht gut darin, ein nasses Zelt einzupacken und nehmen uns vor, diesen Regentag einfach nochmal auf dem Rad durchzuziehen und uns auf den Weg zu machen. Der Verkehr auf der FV17 nervt uns schon wieder ein bisschen, deshalb wollen wir bei der nächsten Gelegenheit abbiegen und über die 802 und die 771 / 770 in Richtung Rørvik fahren. Offensichtlich haben einige Wohnmobilfahrer denselben Plan wie wir, der Verkehr wird zwar weniger aber nicht so ruhig wie wir uns das erhofft hatten. Dafür sind die Steigungen umso mächtiger und diese Etappe wird, auch dank Gegenwind und Regen, zu einer echten mentalen und körperlichen Prüfung für uns. Nach 45 Kilometern kommen wir schon ziemlich auf dem Zahnfleisch daher, die Motivation ist seit heute morgen auch nicht wirklich gestiegen… vermutlich hat die Natur uns hier genau deshalb ein Highlight eingebaut: Auf einer Wiese, gut 150 Meter neben der Straße sind zwei große braungraue Steine. Obwohl: Steine bewegen sich normalerweise eher wenig, aber da auf der Wiese tut sich wirklich was. Elche???

Mit einer gewissen Reaktionszeit halten wir an, parken das Pino und wollen ein Stückchen zurück gehen um wieder Blick auf die Wiese zu bekommen. Brauchen wir gar nicht: In dem Birkenwäldchen direkt an der Straße liegt eine Elchkuh im Gras und schaut aus gerade mal 10 Metern Entfernung zu uns herüber. Wow, ist so ein Elchkopf mächtig groß!!! Offensichtlich sind wir der Elchdame nicht ganz geheuer und sie beschließt sich zu verabschieden. Langsam, ganz ohne Hektik steht sie auf und läuft ganz langsam von uns weg in den Wald. Erst jetzt sehen wir, dass ein Elchkalb bei ihr ist und ihr hinterhertrottet. Wirklich cool. Dumm nur, dass wir jetzt unseren Blog umschreiben müssen, nachdem wir erst vor einer Woche hieb- und stichfest nachgewiesen hatten dass es in Norwegen gar keine freilebenden Elche geben kann. Egal, das machen wir später. Jetzt freuen wir uns erst mal wie kleine Kinder, hetzen zum Pino zurück um den Foto zu holen und suchen uns eine Blickmöglichkeit zur anderen Seite des Waldes. Kurz sehen wir die beiden Elche noch in den nächsten Wald laufen, können ein (schlechtes) Foto zur Dokumentation schießen und haben plötzlich wieder Motivation und ein tolles Gesprächsthema für die restliche Etappe.

Ziemlich platt kürzen wir die Tagesetappe trotzdem bei Kolvereid ab. Nach 65km im Regen und 1100 zum Teil sehr steilen Höhenmetern sehen wir diesen Campingplatz und wollen einfach nicht mehr weiterfahren. Zum Glück macht das Wetter am nächsten Morgen auf… wir breiten unseren kompletten Hausrat zum Trocknen aus und setzen uns zum doppelten Frühstück auf die Terrasse, siehe oben.

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Die Bildergalerie des Tages… fällt mangels fototauglichem Wetter leider kurz aus.