Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Wild übernachten…

Wild übernachten…

oder auch „wir sind zu kompliziert dafür“

Als wir die Tür zum Casa Rural in Fuentes de Nava morgens hinter uns ins Schloss ziehen mahnt Tina Vornesitzer zum dritten Mal an, dass sie heute endlich mal wieder wild übernachten wolle, egal wie lange -oder kurz- die Tagesetappe dann wird. Geht mir ja genauso: Wenn man die Wahl hat, morgens in einer Pension von der Toilettenspülung des Zimmers nebenan oder lieber vom Ruf eines Kauz‘ geweckt zu werden fällt zumindest mir die Entscheidung recht einfach.
Auf der 2RadReise hatten wir einige Übernachtungen an schönen Plätzchen, seit Frankreich und Spanien aber eher weniger, wir stellen uns einfach zu kompliziert bei der Suche und bei der Entscheidung an.

Trotzdem, der Vorsatz steht: Den ersten halbwegs brauchbaren Platz, der uns heute vor die Flinte läuft werden wir entern, ganz egal ob da Bauern oder Spaziergänger rumhängen. Und egal, ob man uns da eventuell aus irgendeiner Ferne sehen könnte.
Zu oft haben wir uns davon abschrecken lassen, heute abend steht das 2RadReise-Zelt gefälligst wieder an einer schönen Stelle ohne Nachbarn!

 

Die Vorzeichen stehen gut: Nur wenige Kilometer nach Fuentes de Nava können wir wieder auf den Treidelweg am Canal de Castilla abbiegen, an diesem Treidelweg sind bis nach Medina del Rioseco mindestens zwei Schleusen auf unserer Karte eingetragen. Außerdem hat so ein Kanal immer mindestens eine oder zwei Baumreihen Wald in beide Richtungen, die einen optisch ein bisschen von Landwirtschaft und Straßen abschotten. Und drittens sind Kanal und Schleusen nie Privatbesitz, so dass wir schon mal niemandem auf die privaten Füße treten können. Höchstens so ein Dorfpolizist oder eine Guardia Civil… aber die kommen ja nachts eher nicht an Kanälen entlanggefahren.
Klingt als wären wir kompliziert? Kommt noch schlimmer 🙂

Das Reisetempo an diesem Vormittag ist dann auch eher bummeln als Pino fahren bis wir an einer ersten Schleuse, direkt an der Straße, vorbeikommen. Den könnte man schon mal in die Klasse „Notübernachtungsplatz“ hieven, aber direkt an der befahrenen Straße und aus beiden Richtungen einsehbar ist’s dann doch nicht.
Wir machen stattdessen Mittagspause, spazieren ein bisschen den Kanal auf der Suche nach „DEM“ Platz flussaufwärts, werden aber nicht fündig.

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Aber jetzt fängt der Treidelweg ja erst richtig an, eine halbe Stunde später kommen wir schon an die nächste Schleuse.
Ok: Pluspunkt ausreichend flache Wiese, dafür -Minuspunkt- sehr einsehbar, wenn auch nur von einem Feldweg, der hier den Kanal quert. Der wird gleich mal unser Platz zweiter Wahl, vorher wollen wir aber sicherheitshalber noch die nächste (und letzte) Schleuse auf dem Weg nach Medina del Rioseco anschauen.
Wir kommen hin und … sind verliebt in den Platz. Nicht nur, dass der Herbst hier ganz besondere Fotomotive zeigt, es gibt sogar ein Wieslein ein bisschen abseits vom Feldweg. Mit Bank!!!
Perfekt für unsere Übernachtung, dumm nur dass es gerade mal kurz nach zwei Uhr nachmittags ist und wir die Karten jetzt beim besten Willen noch nicht offenlegen wollen. Jetzt können wir das Zelt jedenfalls noch nicht aufstellen.

Alternativprogramm: Kaffee kochen, Madeleines im Kaffee tunken, Blog tippen, Fotos machen… vier Uhr.

 

Bis dahin sind gerade mal zwei/drei Radfahrer und zwei Bauern vorbeigefahren und eine kleine Gruppe Angler hergekommen. Alles im grünen Bereich, die sind nach Dämmerung mit Sicherheit wieder weg, das ist noch vollkommen kompatibel mit einem 2RadReise Traumplätzchen.

Ok, mit der Gruppe Fotografen, die jetzt herparken wird’s doch ein bisschen viel… aber wir sind immer noch wild entschlossen. Was macht ein Fotograf, wenn die Sonne weg ist? Richtig: Dem geht das Licht aus und er fährt wieder heim um Bilder auszusortieren.
Damit wir nicht zu offensichtlich den ganzen Abend hier herumhängen und den Anglern, Radlern und Fotografen zu sehr auffallen beschließen wir, für eine Stunde wegzuradeln und nach Sonnenuntergang zurückzukommen. Nämlich dann, wenn hier alles ruhig ist und außer Fuchs und Hase keiner mehr da ist.

 

Eine Stunde später, die Sonne ist untergegangen, 2RadReise kommt zurück zur Schleuse und hört schon aus der Entfernung ein „Un, dos, tres“… die Fotografen hatten offensichtlich auch Pläne für nach Sonnenuntergang: Vollmond mit Langzeitbelichtung.

Kaum zu fassen, jetzt stehen wir im Dunkeln auf dem Kanalweg und haben plötzlich keinen Platz mehr für die Übernachtung.
Plan B: Wir telefonieren mit den Hotels in Medina um ein freies Zimmer für die Nacht zu bekommen. Spanischlektion für Hintensitzer: Zimmer heißt auf spanisch habitacion, nicht camisa. Vielleicht liegt’s daran, dass sie wirklich ausgebucht sind, vielleicht winken sie aber auch ab, weil Udo Hintensitzer mit seinem ‚Spanisch‘ versucht anzufragen, ob dort ein Hemd (camisa) für zwei Personen frei hätten. Haben sie verneint 🙂
F***, jetzt geht es gegen 20 Uhr, es ist stockdunkel, es wird kalt und wir stehen mitten in der Prärie und müssen einen Plan C aus der Tasche zaubern. Bleibt nur die Schleuse weiter oben, die wir schon mal als Notplatz definiert hatten.
Komplett ohne Licht radeln wir jetzt das Pino über den dunklen Treidelpfad, schaffen es dabei nur mit Mühe, nicht ins Wasser zu fallen und bauen unser Zelt direkt neben dem Feldweg auf. Trinken eine nur mäßig gemütliche Flasche Wein -Tina Vornesitzer ist von dem Platz und der Abendhektik nur bedingt begeistert- und versuchen zu schlafen…
Gelingt uns doch überraschend gut bis 6:30 am nächsten Morgen, wir bauen das Zelt ab, packen das Pino und fahren zum gestrigen Platz für das Frühstück. Hier sollte die Sonne schon recht früh über den Horizont blinzeln und uns hoffentlich ein bisschen wärmen.
Der Holzkocher brennt gerade richtig schön hoch unter dem Wassertopf… fährt ein Traktor vorbei. Udo Hintensitzer hatte das Kaffeekochen extra mitten auf einen großen Kiesparkplatz verlegt damit wirklich nichts anbrennen kann.
Trotzdem ist der Traktorfahrer anscheinend nicht sehr amused unsere Flamme zu sehen, jedenfalls kommt -wir sitzen kaum mit dem Kaffee auf dem Bänkchen- ein Auto mit offiziellem Aufdruck auf den Parkplatz. Dreht eine quälend langsame Runde über den Parkplatz… hey, der wird doch nicht über den noch heißen Kocher fahren!!! Macht er nicht, hält aber direkt neben dem Hobo an und schaut ihn sich an, fühlt, ob er heiß ist. Klar, ist er!
Wir rechnen uns schon mal den Anschiss und die Gebühr für die Ordnungswidrigkeit wild zelten plus Feuer machen aus, während der Kollege aussteigt -er ist dunkelblau angezogen und hat einen offiziellen Aufnäher auf dem Pulli- und zu uns kommt.
2RadReise zaubert ein nervös freundliches Lächeln ins Gesicht und versucht seine Fragen möglichst zitterfrei zu beantworten: Wo wir herkommen, ob wir auf dem Camino seien. Ah, wir haben Kaffee gekocht? Jepp, haben wir.

Der Spuk dauert dann keine zwei Minuten und -„Buen Camino“- der Offizielle geht wieder. Naja, entweder ist er vollkommen zufrieden damit, dass unser Feuer keine Gefährdung für irgendjemanden war und lässt uns weiterziehen. Oder er macht es wie es der Traktorfahrer von heute morgen auch gemacht hat: Die nächste Instanz anrufen und herschicken.

Der Kaffee schmeckt trotzdem lecker im Sonnenaufgang, wir lachen noch ewig über unseren Schiss bei dieser Begegnung… und schrecken trotzdem bei jedem näherkommenden Auto auf: Kommt jetzt doch noch ein Auto mit „Guardia Civil“ vorbei um uns die Hammelbeine langzuziehen?

Kommt zum Glück nicht… weiter mit der nächsten Etappe

Die Fotogallerie des „Reisetages“:

Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

<<quicklink zur Bildergallerie>>

Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

Die Etappen des Camino Francés von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Burgos (hier bei Kilometer 280) führen über die Pyrenäen, danach durch die bergige spanische Provinz Navarra, Rioja und Kastillien/Leon. Der Camino nimmt die Berge alle mit und fordert von den Pilgerern hier wirklich deftige Höhenmeter auf den Kies- und Steinwegen.

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

 

Für uns -auf dem Camino seit Pamplona- heißt das, dass die Längen unserer Tagesetappen wieder ziemlich eingeschmolzen sind: Zum Einen haben wir doch einiges an Gewicht am Rad und fluchen -ääh… stöhnen- bei jedem steilen Stich ganz unheilig.
Zum Anderen müssen wir auf fast allen abfallenden Strecken wegen dem holprigen Weg auf fast Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen wenn wir keinen Materialbruch riskieren wollen. Falls wir uns in einer späteren Radreise wieder auf den Camino verirren sollten sollten wir mindestens breitere MTB-Reifen aufs Pino aufziehen… am liebsten aber gefedert fahren.

 

Mit diesen verkürzten Etappen steht unser Reiseplan aber ein wenig auf der Kippe: Wenn wir wirklich noch bis Santiago de Compostela fahren wollen bevor wir in Richtung Gibraltar abbiegen müssen wir dafür mindestens 14 Tage an Reisezeit extra einplanen. Dazu kommen die bis zu 1500m hohen Berge in Galizien im Nordwesten Spaniens, die sich uns in den Weg stellen werden und das regnerisch-kühle Klima dieser Landschaft im Herbst.

Unseren Ruhetag in Burgos verbringen wir deshalb vornehmlich im Straßencafé über der Spanien/Portugalkarte und planen die verschiedenen Möglichkeiten in gpsies.com um Strecken und Höhenmeter vergleichen zu können.
Zur Abstimmung steht:
Die verbleibenden 5 Reisewochen entweder mit guten 1800 Kilometern zu füllen und dabei sowohl Galizien als auch das Eintauschen des Pilgerausweises gegen offiziellen Heiligenschein in Santiago mitzunehmen.
Oder stattdessen schon in Fromista, 70 Kilometer nach Burgos, nach Süden auf den Camino de la Plata abzubiegen und runde 600 Kilometer in der Restreiseplanung einzusparen.
Der zweite Planfall bringt uns früher in den Süden Spaniens -beim heutigen kühlen und wolkigen Wetter in Burgos ein besonderes Argument- und nimmt uns jeden Leistungsdruck, was die Tages- und Wochenetappen betrifft. Und er bringt uns damit mehr Ruhetage, entspanntes Ausrollen für die letzten Tage unserer 2RadReise und die Möglichkeit, die Feinroutenplanung an interessanten Strecken in Südspanien noch anpassen zu können.

Gebongt, Argumente genug, abgestimmt: Wir nehmen Planfall 2 und werden in den nächsten Tagen auf den Camino de la Plata umsteuern, der in einer kurzen Spange ab Fromista erreichbar ist.

Vorher müssen wir nochmal eine Lanze für den Camino de Francés brechen: Nicht nur, dass seine Infrastruktur sehr gut ist, dass die Etappen, die wir bisher kennengelernt haben durch sehr schöne Gegenden führen.
Nein, dazu kommt auch noch eine tolle Atmosphäre auf dem Camino, die Anwohner hier scheinen vom Trubel mit den vielen Muschelträgern kaum genervt zu sein. Hier sagt man nicht guten Tag, hier muss man sich ziemlich fix an ein freundlich aufmunterndes „Buen Camino!“ gewöhnen. Und ein bisschen Magie hat er wirklich auch. Vielleicht kommen wir wirklich -auf dem Rad oder in Wanderstiefeln- mal wieder hierher.

 

Das Höhenprofil des Camino zeigt ab Burgos ein Hochplateau um die 800 Höhenmeter, für uns der schönste Teil des Camino, den wir gesehen haben. Es ist eine sehr karge Landschaft, jetzt im Oktober dominieren graue bis hellbraune Farbtöne der trockenen Felder.
Zum Teil sind es weite Ebenen, über die die Pilger ziehen müssen, zum Teil geht es noch über steile, aber jetzt weniger lange Anstiege. Karge Landschaften sind nicht jedermanns Sache, für uns bieten diese Tage ähnlich wie Nordnorwegen ganz besondere Ausblicke und wir haben deutlich mehr Fotostopps als an normalen Tagen, der Blick in die Bildergallerie lohnt sich heute besonders 🙂

 

Nur… Campingplätze sind ebenso wie versteckte Winkelchen für wildes Übernachten echte Mangelware, dabei würden wir zu gerne mal wieder an einer schönen Stelle übernachten: Abends noch -ganz alleine- unter dem Sternenhimmel ein Glas Rotwein trinken, erst ins Zelt flüchten wenn es richtig kalt wird und der kuschelige Schlafsack die besseren Argumente hat und morgens schon vor der Dämmerung das Zelt abzubauen damit wir beim Sonnenaufgang unseren Kaffee kochen können. Und dann, in der Morgendämmerung die klammen Finger an der dampfenden Kaffeetasse wärmen bis wir uns zum Weiterfahren aufraffen.

So radeln wir am Abend dieser Etappe alle Seitenwege ab um ein wildes Plätzchen zu finden. Das ist heute ganz besonders schwierig, weil die Landwirte im Moment am herbstlichen Pflügen ihrer Felder sind und bis spät in den Abend einen Überblick über die weiten Täler haben.
Erst kurz vor Itero del Castillo finden wir dann einen hübschen Rastplatz direkt am Camino.
Mit Betontischen für Abendessen.
Mit Quelle.
Mit Ausblick.
Zur Not könnte man sogar das Zelt innerhalb des ummauerten Rastplätzchens aufbauen, oder eben 200 Meter den Pilgerweg zurück am Rand eines Feldes.

 

Genial… wir sind euphorisch und wollen es perfekt einfädeln: Zuerst mal ein Süppchen kochen, ist ja noch viel zu hell um das Zelt hinzustellen. Und dann haben wir ja noch eine halbe Flasche Rotwein, die könnten wir uns hier gönnen bis der letzte Bauer das Feld geräumt hat. Das Zelt hinterher im Dunkeln aufbauen ist inzwischen eine Standardübung, kriegen wir auch nach dem Glas Rotwein noch ganz easy hin.

Ausgeträumt: Wir haben unser Süppchen noch gar nicht gekocht, als ein Bauer auftaucht und uns den Platz ganz trocken vermiest. Er wirkt zwar einigermaßen freundlich und offen, interessiert sich dafür, wo wir herkommen. Auf der anderen Seite steigt er kein bisschen in die spanischen Brocken ein, die wir zu Erzählen versuchen oder die wir per google-translate aus dem Handy holen. Dafür verstehen wir sein Spanisch in Fetzen: Ob wir wild campieren wollten? Ob wir noch weit fahren? Dass es in zwei Kilometer Entfernung vier Herbergen gäbe… sagt er mindestens drei Mal.

Jedenfalls wird uns unsere neue Bekanntschaft jetzt dubios und wir werden unsicher: Wollte der nur wissen, was wir machen oder wollte der uns durch die Trockenblume sagen, dass wir gefälligst hier verschwinden sollten?

Wir befürchten Zweiteres und packen unser Pino nach dem Süppchen zähneknirschend wieder auf und radeln in das Hostal Puente Fitero in Itero de la Vega. War es halt doch wieder nix mit Zelt auspacken.

Plan B mit der Herberge entwickelt sich dann aber auch richtig gut: Auf dem Camino sind immer spannende Leute unterwegs, gerade weil jeder so sein Geschichtchen mit sich auf den Pilgerweg bringt entwickeln sich immer interessante Gespräche. Diesen Abend verbringen wir caminotypisch international: Mit Libby und Peter, die aus Australien kommen, per Housesharing in Europa unterwegs sind, mit Jessica, einer Schwedin mit deutschem Namen, die in Madrid wohnt, mit zwei Amerikanern, einer Französin, einer Belgierin und einer Kanadierin (sorry, Namen vergessen).Der Camino empfiehlt sich nochmals… WAHRSCHEINLICH kommen wir wirklich mal wieder.

Am Morgen sind wir die letzten Aufsteher, die meisten Wanderer von gestern abend sind schon längst in den Stiefeln unterwegs. Bis wir dann den zweiten Café con Leche mit Libby und Peter getrunken und das dritte Tostada con Mantequillo y Mermelada gegessen haben sind sie wortwörtlich schon über alle Berge.

 

Diese letzte Etappe auf dem Camino Francés macht uns den Abschied schwer. Nicht nur, dass schon uns das hausfüllende Graffity am Ortsausgang den rechten Weg weisen will, auch die Landschaft bleibt genial und am Ende stellt sich uns sogar noch eine Herde Schafe in den Weg. ZIEMLICH SICHER… kommen wir mal wieder.

 

In Fromista -hier steht eine historische Schleusentreppe, die inzwischen leider komplett außer Betrieb und zugemauert ist- biegen wir dann wirklich von ‚unserem‘ Camino ab und nehmen den sehr schönen Kiesweg, der am Canal de Castillo entlang bis nach Medina de Rioseco führt.

Auch wenn wir vor ihm flüchten wollten ist der Herbst hier doch schon angekommen und gibt dem Weg eine ganz besondere Ausstrahlung mit den Blättern auf dem Weg und mit den leuchtenden Herbstfarben in den Bäumen.

Gleichzeitig ist der Umstieg vom Jakobsweg hierher aber ziemlich krass: Wo man auf dem Camino Francés immer mindestens ein Wanderer in Sichtweite war ist hier plötzlich komplette Stille und wir sehen über Kilometer keinen Menschen. Dafür hören wir den Anhänger mehr und mehr rumpeln, der Weg hat sich auch so verschlechtert, dass wir nach 20 Kilometern -es wird auch schon Abend- wieder auf die Straße ausweichen.

Übernachtung wie gehabt, wir finden keinen wilden Zeltplatz und müssen nach Herbergen suchen, was sich abseits von großen Pilgerwegen auch als schwierig erweist: Erst mit Hilfe von einer Polizeistreife und Polizeistation lässt sich ein Casa Rural, 12 Kilometer weiter, ausfindig machen und wir übernachten wieder mal… nicht im Zelt.

 

Weiter mit „Wild übernachten…“

Die Fotogallerie dieser Reisetage:

Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

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Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

 

Gestern sind wir also auf dem Jakobsweg angekommen. Eigentlich gibt es viele Megabyte Information, viele Bücher, viele persönliche Erfahrungsberichte über den Jakobsweg, auch Hollywood hat sich schon ausgiebig um den Camino gekümmert, was sollen wir darüber noch ausführlich schreiben?

Versuchen wir’s mit unserer persönlichen Sicht auf diesen Weg nachdem wir einige Stunden darauf verbracht haben:

Der Jakobsweg ist ja in erster Linie ein unendliches Netz an Pilgerwegen, die sich aus ganz Europa kommend mehr und mehr zusammenfädeln um ganz final an der Kathedrale in Santiago de Compostela zu enden. Unendlich viele kleine Wege, fast jeder wird von sich sagen können, dass er doch „ganz in der Nähe“ eines Jakobswegs wohnt und die Schilder mit der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund schon gesehen hat.

Netz der Jakobswege in Westeuropa. Quelle: www.pilgern.ch

Der wohl berühmteste -und meistgegangene- Weg ist der Camino Francés, der von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen nach Pamplona und dann in Ost-West Richtung bis nach Santiago de Compostela in Galizien führt. Leute, die die Bremse dort nicht auf Anhieb treffen gehen auch gerne bis zum Atlantik nach Kap Finisterre („Ende der Erde“) weiter, wo man wirklich aufhören muss wenn man keine nassen Füße bekommen will.
Knapp 800 Kilometer über weitgehend sehr anspruchvolle, bergige Etappen, staubige und steinige Wege mit wenig Schatten. Aber auch unzählige Dörfer mit mindestens ebensovielen Kirchen, Eremitagen, die am liebsten alle auch den Camino im Beinamen tragen wollen.

Extrem spannend sind die Menschen, die hier wandernd unterwegs sind, hier müssen wir unser früheres Vorurteil grundlegend revidieren: Hatten wir doch hauptsächlich mit ganz besonders spirituellen Wanderern gerechnet, dazu noch mit Pilgerern, deren religiöse Vorstellungen für Ottonormalbeter nicht immer ganz nachvollziehbar sind, treffen wir ganz andere Leute als erwartet.
Obwohl wir mit dem Oktober vermutlich eine Pilgernebensaison sehen, treffen wir doch innerhalb eines Tages ganz locker Menschen aus allen Kontinenten. Den einzelnen Wanderer aus Mexiko in der Herberge, ein Paar aus Australien, dessen gute Laune kaum zu bremsen ist, mehrere Amerikaner, die von Hollywoods „The Way“ inspiriert waren, Paolo aus Singapur oder sehr viele Wanderer aus Südkorea und China -deren Wandermotive wir mangels Chinesischkenntnisse bei uns und Englischkenntnissen bei denen nicht erfahren konnten.

Und dann noch ganz besondere Geschichten wie die von Julian und Laura aus der Schweiz, die sich hier auf dem Jakobsweg kennengelernt haben. Nachdem sie in der Schweiz vielleicht gerade mal 100 Kilometer auseinanderwohnen gehen beide ZUFÄLLIG denselben Weg durch Frankreich und Spanien. Julian ab Zürich, Laura ab Le Puy/Ostfrankreich, treffen sich zufällig auf dem Jakobsweg mit demselben Ziel und…. sehen fast aus würden sie bis Santiago zu einem besonderen Paar werden. Ist das Vorsehung?

Laura und Julian aus der Schweiz mit dem 2RadReise-Team

 

Vermutlich zieht der Camino Francés seine Popularität nur zu einem Teil aus dem religiösen Pilgergedanken. Was diesen Weg für jede Art von Wanderern aber so genial macht, ist seine perfekte Infrastruktur: Jedes Dorf auf dem Weg bietet neben einer Pilgerherberge mit Massenschlafsälen mindestens noch ein halbes Dutzend günstiger Pensionen. Dazu Einkaufsmöglichkeiten, Wasser, Cafés, günstige Restaurants und sogar einen Rucksackservice. Richtig: Rucksackservice. Der geschundene Rücken des Pilgerers kann für günstige 5 Euro einen Tag lang entlastet werden, dann fährt ein Dienstleister den schweren Sack zur gewünschten nächsten Ortschaft.

Zur Infrastruktur kommt dann die Anzahl der Wanderer. Je nach eigener mentaler Situation kann man ganz leicht einen Tag lang in eigenen Gedanken vor sich hinwandern (man muss nur schauen, die wegweisenden Muscheln nicht zu verbummeln) ohne einen Ton kommunizieren zu müssen.
Genauso kann man sich aber auch jederzeit an einen oder mehrere andere Pilgerer anklammern und denen Geschichten in die Ohren schrauben bis die nicht mehr wollen. Manche scheinen auch den Partner fürs Leben dort zu finden… eine gemeinsame Ader zu Wandern hat man ja schonmal.

Viele der Pilgerer scheinen das auch zu genießen. Wir haben mehrere Leute gefunden, in deren Leben ein harter Bruch der Initiator für die Wanderung war und die diese Mischung aus In-sich-gehen aber auch gleichzeitig ausreichend Kommunikation mit interessanten anderen Menschen zu finden als Zündfunke für ihr weiteres Leben suchen.

Und… sind wir ganz ehrlich: Ein wenig Magie dieses Weges fühlen wir plötzlich auch in uns.

Soviel zur Philosophiestunde, zurück zur 2RadReise:

Wir haben gut geschlafen. Mag an den Matratzen der Herberge liegen, an der ruhigen Umgebung im Ort oder vielleicht auch an dem wirklich sehr anstrengenden Vortag mit den vielen Höhenmetern.
So eine Gemeinschaftdusche ist dann doch noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dafür ist das Frühstück mit anderen Pilgern und deren Geschichten ganz gesellig. Der Kaffee stand zwar schon gestern kalt in der Kaffeekanne, tut dem schwäbisch/schottischen Grundgedanken des Herbergsvaters aber keinen Abbruch. Den kann man ja in der Mikrowelle nochmal warm machen bevor man ihn mit „con leche“ serviert.
Wir wollen nicht nörgeln, bei einer Übernachtung im Doppelzimmer für 35 Euro inklusive Frühstück für zwei Personen ist halt Kaviar und Champagner nicht immer dabei.

Dafür bekommen wir -standesgemäß- beim Bezahlen noch eine Jakobsmuschel geschenkt. Der Herbergsvater hat sicher gleich erkannt, dass wir ganz besondere Musterpilgerer sind.

Wir folgen in den nächsten Tagen weitgehend dem Jakobsweg, der meist ein staubiger und steiniger Feldweg in Traktorbreite ist. Abhängig von der Steingröße und Holprigkeit ist das manchmal ganz gut zu fahren, selten höppeln wir aber mit dem Pino so von Stein zu Stein dass wir uns fast Sorgen um Materialermüdung und Gepäck machen müssen.
An vielen Stellen nehmen wir aber auch die Straße als Umfahrung, wenn die Steigungen auf dem Jakobsweg zu fies oder die Wegbeschaffenheit zu grob aussieht.

In Puente la Reina trinken wir in der Hauptgasse einen zweiten Kaffee und lassen die vorbeiziehenden Pilgerer auf uns wirken. Fühlt sich wirklich magisch an, hier zu sein, erst nach dem dritten Kaffee machen wir uns weiter auf den Weg.

ganz so hart ist das Pilgerleben gar nicht…

 

Maroni kochen steht noch fest auf unserem Plan, wir trauen uns in der trockenen Landschaft und wegen der vielen „Feuer verboten“ Schilder aber nicht, unseren Holzkocher auszupacken. Erst gegen Abend finden wir einen Rastplatz mit Grillstelle wo wir den Hobo aufbauen können.

Toll: Es ist Oktober und wir vespern Maroni im Freien. Fast wie Weihnachtsmarkt. Nur, dass die Maroni selbstgesammelt sind und der Wein ohne Glüh ist.

 

Die Route führt uns in den nächsten Tagen über Irache, Navarrete und Grañon über die besagten Wanderwege. Udo Hintensitzers neuer Sattel aus dem Irun-Ruhetag harmoniert seit Anfang an recht wenig mit des Hintensitzers Hintern. Das, in Verbindung mit den wirklich holprigen Wanderwegen trägt nur mäßig zur guten Laune bei, in Navarrete hat der neue Sattel verloren und muss seinen Platz wieder gegen den alten -jetzt geflickten- Sattel tauschen. Wirkt sofort, radeln macht gleich wieder viel mehr Spaß.

 

Insgesamt erleben wir vier ganz besondere Tage mit herrlicher Landschaft auf diesem Teil des Camino Francés bevor wir in Burgos unseren nächsten Ruhetag machen. Den wir auch verdient haben: Nicht nur, dass die Strecke enorm hügelig ist, wir haben hier auch den höchsten Punkt unserer 2RadReise vom Nordkap nach Gibraltar erreicht: Der Espinosa-Pass mit 1150 Metern Höhe.

 

Ein neues Hobby haben wir auch für uns entdeckt: Stempel sammeln. Wir haben schon gemerkt, dass wir den Pilgerausweis wohl gar nicht brauchen werden, weil Tina Vornesitzer sich standhaft weigert, das Erlebnis Massenschlafsaal in einer örtlichen Pilgerherberge für günstige 5-8€ pro Nacht zu buchen. Schade eigentlich.
Trotzdem macht es uns riesig Spaß, Stempel in jeder möglichen Ortschaft -sei es in der Pilgerherberge, in der Bar oder in der Kirche- abzuholen. Sind halt doch Musterpilgerer,

Buen Camino!

Weiter mit der nächsten Etappe

Die Bildergallerie der Reisetage:

 

Auf nach Spanien

<<<direkt zur Bildergallerie>>

Auf nach Spanien

Spanien… letztes Land in unserer 2RadReise von Nord nach Süd.
Die grobe Routenplanung durch Spanien macht einen Schlenker durch Spanien: Von der französischen Atlantikküste kommend wollen wir zuerst dem (in Spanien nur angedachten) Eurovelo 1 folgen und zuallererst von der Küste hoch nach Pamplona fahren.
Ab hier soll die Route dann dem Jakobsweg -Camino de Francés- nach Westen folgen, im Idealfall bis nach Santiago de Compostela. Danach dann ein Stück zurück nach Osten und mit dem Camino de la Plata eine weitgehend senkrecht südliche Route über die Extremadura und Andalusien nach Gibraltar und Tarifa. Damit liegen historisch sehr spannende Städte immer auf unserer Linie: Caceres, Merida, Salamanca und Sevilla.

 

Die letzte Etappe in Frankreich hatte dem 2RadReise-Team vor der spanischen Grenze eine Menge Körner abverlangt, zur Belohnung gehen wir den ersten Abend in Spanien essen. Es ist ein lauer Abend, das Stadtzentrum ist voller Menschen, Live-Musik auf dem Stadtplatz und es geht gegen Mitternacht bis wir in unserer Pension einlaufen. Pension? 2RadReise in einer Pension, nicht auf dem Zeltplatz, kein wildes Camping?

Nö, kein Camping, Spanien zieht uns diesen Zahn gleich am ersten Abend: Der einzige Zeltplatz bei Irun liegt an der Küste -weit abseits von unserer Fahrtroute-, die Jugendherberge hat schon seit über einem Jahr geschlossen.

Trotzdem legen wir in Irun einen kompletten Ruhetag ein und kümmern uns noch um die Dinge, die man als Reiseradler an normalen Tourentagen nicht schafft: Wäsche waschen, Handy-SIM-Karte für Spanien besorgen, Ersatzteile fürs Rad kaufen, Blog schreiben, nächste Radetappen planen und -ganz wichtig- in der warmen spanischen Oktobersonne faulenzen.

 

Auf zur ersten spanischen Etappe: Von der Atlantikküste in Irun führt uns der Eurovelo 1 entlang dem Fluß Bidasoa einer früheren Bahntrasse mit erträglicher Steigung in Richtung Pamplona.
Diese Bahntrasse ist in Spanien auch eines der ganz exklusiven Stücke, auf denen der Eurovelo 1 auch wirklich ausgeführt und beschildert ist. Sehr schade, wenn man sieht dass dieser Europaradweg über 1200 Kilometer quer durch Spanien führt, aber nur auf wenigen 10 Kilometern wirklich ausgeführt oder wenigstens offiziell geplant ist.


Wir lieben Bahntrassen
und lassen uns auf dieser sehenswerten Strecke richtig viel Zeit. Außerdem hat es hier reife Esskastanien: Wir fühlen uns in der warmen spanischen Oktobersonne gar nicht nach Weihnachtsmarkt, können der Versuchung aber nicht wiederstehen und sammeln uns eine Stofftasche voll davon für ein späteres Picknick.

Auch danach kommen wir nur zäh weiter, schon nach 10 Kilometern nutzen wir den ersten Rastplatz für unsere Campingküche mit Couscous und Ratatouille. Dieses Mal kocht Tina Vornesitzer während Udo Hintensitzer neue Bremsbeläge und den neuen Sattel am Pino montiert.

So wird aus dem Gebummel keine nennenswerte Tagesetappe und wir buchen uns nach runden 40 Kilometern in einer Herberge in Oronoz ein. Schon wieder Herberge? Jepp, kein Campingplatz, keine Stelle für eine wilde Übernachtung. Alles eingezäunt in Spanien. Sollte das ein Omen sein?

 

Morgens frühstücken wir noch unser Müsli im Hotelzimmer und nehmen uns vor, den Kaffee auf dem Weg in die Berge zu kochen. Die Etappe wird heute eine sehr harte Tour, es stehen knapp 1000 Höhenmeter auf dem Weg nach Pamplona an, außerdem anscheinend eine recht kalte Einheit. Zumindest hängt jetzt, um 10:00 morgens noch der Nebel im Tal und es hat wirklich nur gerade so 5°C auf dem Thermometer.

Wir kennen diese Straße vom Atlantik nach Pamplona schon aus früheren Wohnmobilurlauben. Hier führt die Schnellstraße in satten Steigungen nach oben und -was in vielen anderen europäischen Ländern unvorstellbar wäre- lässt Radfahrer explizit zu. Zumindest auf den Streckenteilen, die keine Straßenalternative bieten.

Nicht ganz schön zu fahren, aber der Seitenstreifen ist gut, die Schnellstraße zweispurig und der spanische Verkehr weitestgehend rücksichtsvoll im Seitenabstand.
Zum Glück führt ja auch die frühere Passstraße in Zwischenstücken immer wieder abseits der Schnellstraße in Serpentinen hoch.
Naja, Glück ist ein temporäres und flüchtiges Gut: Die Schnellstraße befindet sich just am steilsten Serpentinenstück in Renovierung und ist gesperrt, sodass nicht nur wir, sondern auch sämtliche LKWs sich auf die Ausweichstraße quälen müssen. Wer sich Radreise auf die ganz harte Tour geben möchte sollte sich eine solche Strecke raussuchen: Ausreichend Steigung von wenigstens 7-9% plus erheblichen Verkehr und unübersichtliche Kurven, die es den Überholern so schwer wie möglich machen nach Vorne zu kommen.

Wir geben unser Bestes, ausreichend Tempo zu halten um nicht zu sehr hin- und her zu schwanken und nehmen uns eine verdiente kleine Pause als dieses Streckenstück durch ist. Besser (und ehrlicher): Wir sind beide knapp an der Kotzgrenze, stellen das Pino auf den Ständer und keuchen uns die Anstrengung aus der Lunge.

Später bekommen wir dann unsere Ausweichstraße wieder für uns alleine und machen die erste geplante Rast wenige zehn Höhenmeter unterhalb der Passhöhe und packen in Gedanken schon mal den Kocher aus um uns endlich unseren Frühstückskaffee zu kochen.
Gleich zuende gedacht, drei Schüsse holen uns aus unseren Träumen zurück und es folgt die nächste skurille Szene mit Jägern: Am Rande des Parkplatz entdecken wir jetzt etwas, was wie ein großer Reisighaufen aussieht und aus dem es herausqualmt. Nicht zu fassen, hier sitzen wirklich drei Jäger im selbstgebauten „Versteck“ und warten rauchend auf fette Beute. Beziehungsweise auf die paar einzelnen Tauben und Wachteln, die sich hier im Viertelstundentakt über den Berg wagen. Mir wär’s peinlich, aber die drei scheinen ausreichend Zigaretten und Spaß zu haben. Bei der nächsten Ballerphase (wieder nix getroffen!) hören wir die Schrotstückchen ganz in unserer Nähe herunterfallen und entscheiden uns dafür, den Kaffee auf einen besseren Ort zu verschieben. Haben ja Zeit.

 

Zwei Kilometer später sind wir an der echten Passhöhe, kochen unseren Kaffee direkt unter dem „Feuer verboten“-Schild (nein, wir sind ganz sicher, dass da überhaupt nichts brennbares in Reichweite des Kochers war), setzen uns in die Sonne und tunken unsere Madeleines in den Kaffee. Tolles zweites Frühstück!

Der höchste Punkt der Fahrt nach Pamplona liegt damit hinter uns, jetzt wäre eine längere Abfahrt auf der Schnellstraße auf dem Plan. Bei dem schönen Wetter und in Erinnerung des lästigen Verkehrs vom Vormittag kommen wir aber auf dumme Gedanken und lassen uns eine Alternativroute planen. Bringt uns halt einen zweiten kleinen Pass plus kleine Straßen im Austausch gegen die Schnellstraße.
Die Abstimmung fällt mit 3:0 zugunsten des Umweges (Ole kann leicht dafür stimmen, der muss ja keine Pässe treteln) und wir fahren über so klingende Dörfer wie „Arraitz-Orkin“, „Alkotz“, „Iraizotz“ oder „Zenotz“.
Ok, zugegeben, für baskische Ohren mag sich Meckenbeuren, Zwickau oder Hummelsbrunn ähnlich doof anhören.

Das 2RadReise-Team ist sehr vogelbegeistert und wir genießen den Lebenstraum von Nord nach Süd schon ein ganzes Stück weit mit jeder Art von Vogelbeobachtungen. Aber was jetzt kommt ist schon eine unglaublich tiefe Begegnung: Auf einer sanften Abfahrt nach Alkotz begleitet uns ein großer Milan in gerade mal 10 bis 15 Metern Höhe, wir können jede Kopfbewegung, jede Feder von ihm sehen. Er schwebt über mehrere hundert Meter der Strecke direkt über uns, schaut uns an, fliegt manchmal ein Stückchen rechts über uns, dann wieder ein Stückchen links. Zwei/drei Kurven durch die Ortschaft, wir verlieren ihn aus den Augen, fahren den Berg weiter in Richtung Iraizotz… und er ist wieder da und folgt uns weitere 500 Meter bevor er das Interesse an uns endgültig verliert und abdreht.

Schade, dass wir diese Begegnung nicht fotografieren oder filmen können, für uns bleiben diese drei Minuten aber ein ganz großes und unvergessliches Erlebnis der 2RadReise.

Pamplona erreichen wir am frühen Abend, treffen zum ersten Mal auf den Camino de Francés.
Gruppen, die sich sehr auf religiöse Identität fixieren sind uns eigentlich eher suspekt, trotzdem machen wir in Pamplona einen Umweg zur Kathedrale und zur dortigen Pilgerherberge: Wir wollen uns einen Pilgerausweis holen. Das Papier, in dem man per Etappenstempel dokumentieren und nachweisen kann, dass man den Jakobsweg wirklich gepilgert ist. Quasi eine kleine Heiligenscheinvorlage, die man sich komplettstempeln lassen kann.

Wenn man jetzt unseren bisherigen Lebenswandel in Betracht zieht -inklusive Kaffee kochen unter dem „Feuer verboten“-Schild- wäre das mit dem Heiligenschein ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen, trotzdem wollen wir uns dieses Papier gerne sichern. Denn dieser Ausweis dient als Eintrittsberechtigung in Pilgerherbergen und gibt uns die Chance solche Pilgermassenschlafräume im Notfall nutzen zu können. Ohne diesen Ausweis bekommt man in örtlichen Pilgerunterkünften nämlich keinen Schlafplatz.

Der Pilgerausweis wirkt sofort: Nicht nur, dass wir die Beschilderung des Jakobsweges sofort erkennen (unübersehbare Jakobsmuscheln in der Fußgängerzone, die den Weg weisen), wir identifizieren sogar auf Anhieb die Beschilderung für Radfahrpilgerer, die vom Fußweg an einigen unfahrbaren Stücken abweicht.

So finden wir unseren Weg an den nächsten drei Kreuzungen problemlos, an der vierten erfolgreichen Kreuzung erklärt sich Udo Hintensitzer schon zum Vorzeigepilgerer erster Klasse und erwägt einen Berufswechsel zum Pilgerführer… nur um an der fünften Kreuzung so fehl zu fahren dass wir erst Kilometer später wieder auf den richtigen Weg finden.
Am Ortsausgang von Pamplona dämmert es dann schon, im Nachhinein wissen wir gar nicht so genau, warum wir nicht schon in dieser Stadt nach einer Unterkunft gesucht hatten. Zur nächsten Ortschaft mit Herberge sind es noch glatte 15 Kilometer inklusive einer weiteren Steigung über gute 150 Höhenmeter. Diese Steigung meistern wir auch gerade so noch, es ist inzwischen dunkel und wir sind beide ziemlich nah an der Erschöpfungs- und Nörgelgrenze. Zum Glück ist das Zimmer in der Herberge trotz des niedrigen Preises von gerade mal 29€ ganz passabel für uns. Nach dieser persönlichen Königsetappe mit 80 Kilometern und 1500 Höhenmetern hätten wir aber auch jeden Schweinestall dankend angenommen.

 

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Die Bildergallerie dieser Etappe:

 

VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye

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VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye

Der Ruhetag in La Rochelle war hoch willkommen, alle vier Beine im Team 2RadReise hatten einstimmig dafür gestimmt. Ein Stadtbummel der einfacheren Art war der kleinste gemeinsame Nenner für die Gestaltung des Ruhetages und so finden wir uns im Verlauf des Vormittags nach einer Turmbesichtigung auf dem Place de Verdun vor der Kathedrale in La Rochelle wieder.
Obwohl wir beide ganz und gar nicht religiös sind geht eine Kirchenbesichtigung eigentlich immer und wir bewundern abwechselnd die beeindruckende Architektur früherer Baumeister, mächtige Orgeln oder schöne Bleiglasfenster.
Diese Kathedrale in La Rochelle fesselt uns für eine gute Stunde, bevor wir uns um die Kohlehydrat- und die Eiweißzufuhr zu den Muskeln und um den Koffeinmangel mit zwei Café-au-lait, grand s’il vous plaît, kümmern.

Viel mehr Stadtbummel muss dann gar nicht mehr sein, in einem Supermarkt auf dem Rückweg füllen wir den 2RadReise-Proviant wieder in den grünen Bereich, schreiben ein bisschen Blog, trinken einen Rotwein in der JuHe-Bar und gehen früh schlafen.

 

Heute ist der erste Oktober. Die Wolken hängen recht dicht über uns und beim Frühstück in der JuHe fallen noch einige Tropfen Regen an die Scheiben. Der Wind weht recht stramm aus Westen und nimmt uns ein bisschen die Lust loszuradeln, aber wir ringen uns trotzdem recht früh -gegen 10 Uhr- zum Start durch.

Es ist dann doch eine schöne Radstrecke, die bis nach Rochefort fast durchgehend Sichtkontakt zum Atlantik bietet. Naja, zumindest dorthin, wo normalerweise der Atlantik ist, wenn nicht gerade tiefste Ebbe herrscht: Heute sehen wir vor allem Boote auf glänzendem Schlick liegen, ganze Häfen sind heute wasserfrei.

Ab Rochefort geht es dann für einige Kilometer ins Land, wo der VélOdysée eine frühere Bahntrasse und später auch einen Kanalweg als Radweg nutzt. Auf der Teilstrecke nach Osten schubst der Westwind uns noch recht kräftig, ab der Wende der großen Schleife sind wir aber um jeden Windschatten von Baumreihen froh.
Richtig knallhart wird es aber dann 10 Kilometer vor Marennes, wo uns eine Radwegsbaustelle auf einen Umweg über das Marschland zwingt. Schlechter Asphalt, gepaart mit dem Gegenwind schlägt immer gleichzeitig auf die Nerven und auf den Stundenkilometerschnitt: Für die 10 Kilometer brauchen wir über eine Stunde und erst das McDonalds-Schild am Ortseingang von Marennes kann unsere Laune wieder glattbügeln. Jetzt noch einen Kaffee und ein Eis als Belohnung für diese letzten Kilometer klingt wie ein perfekter Deal.

 

Genau in dem Moment kommt eine SMS von Jonas (i-bike-europe.com, ihr kennt ihn aus den letzten beiden Posts). Er sei heute noch nicht weit gekommen, noch vor der Brücke in Marennes… wo wir denn wohl stecken würden und ob wir gemeinsam einen Platz für eine wilde Übernachtung suchen wollten. Klar wollen wir: NACH unserem Eis und unserem Kaffee, den haben uns schließlich verdient. Also rollen wir zum McDonalds und sehen da -Zufall- Jonas schon auf der Terasse beim Blog tippen.

 

An der französischen Atlantikküste ist wildes Zelten bei den Behörden recht unbeliebt und wird angeblich mit 135€ geahndet. Die Wälder sind sehr trocken und der Respekt vor Waldbränden ist in diesen Regionen enorm hoch, vielleicht ist das -neben dem Sichern des Grundeinkommens für Campingplatzbetreiber- eine der Triebfedern dafür.

Haben wir aber wohl gerade vergessen: Der Radweg nach Marennes führt für gute 10 Kilometer durch ein herrliches Waldstück. Hohe Pinienwälder, die in Richtung Strand zuerst in niedrigere Büsche und Bäume übergehen, bevor es über eine Hauptdüne zum ewig weiten Strand geht. Es muss hier auch Massen von Wildschweinen geben, der sandig-weiche Waldboden ist fast überall von ihnen aufgebrochen.

So suchen wir mit Jonas gemeinsam die Wege ab, die vom Radweg in Richtung Meer gehen und werden schon beim Dritten fündig. Er endet bei einem Fahrradparkplatz unterhalb der Düne. Heute, am bewölkten ersten Oktober liegt die Anzahl der Dünenbesucher exakt bei Null und wir sind in der Dämmerung komplett alleine. Und ganz sicher, dass hier heute Nacht auch niemand mehr zum Baden vorbeikommen wird, richten wir unser Abendessen, trinken mit Jonas noch ein Glas Wein bevor wir unsere Zelte aufbauen und uns für den Matratzenhorchdienst anmelden.

Eine schöne, ruhige Nacht, auch wenn sie noch etwas früher vorbei ist als sonst. Nicht, dass uns ein Wildschwein oder ein Förster geweckt hätte. Nö, der Wecker klingelt heute schon um halb sieben damit wir unsere Zelte schon vor der Morgendämmerung sicher abbauen können bevor die ersten Frühschwimmer (oder Jäger) hier auftauchen könnten.

2RadReise zählt bekanntermaßen zu den Langsamzusammenpackern, in Kombination mit unserem Kaffeetrinktempo bringt uns das morgens erhebliche Zeitnachteile gegenüber Jonas. Er radelt schon lange vor uns wieder los, da wir aber beide dieselbe Fähre über die Girondemündung bei Royan nehmen wollen werden wir uns eh am frühen Nachmittag wieder treffen.

Nicht viel später radeln wir auch los, erwarten flache Radwege für diese Etappe, es geht ja immer auf ungefähr Meereshöhe nach Süden. Pfeifendeckel! Der Radweg ignoriert unsere Vorstellung komplett und klettert über jede Dünen, die er auch nur finden kann. Auch in Royan geht es noch recht sportlich hoch und runter, wir schaffen es nur gerade so auf die Fähre.

Der Nachmittag auf der Südseite der Girondemündung wird dann unser persönliches Atlanikhighlight in diesem Jahr: Die Strände sind jetzt wirklich menschenleer, die Sonne hat sich wieder durchgesetzt und das Meer ist noch herrlich warm. Fast drei Stunden brutzeln wir uns ohne Radklamotten in der Sonne, baden in den Brechern, Vespern in den Dünen und dösen in den Nachmittag. Auch Ole tollt die ganze Zeit im Meer: wir brauchen ewig, um ihm hinterher den Sand aus den Trollhaaren zu bürsten.

Abends treffen wir dann wieder…. richtig: Jonas. Wir verdanken ihm auf dieser Strecke ein paar schöne Übernachtungsplätze: Immer wenn wir zu zögerlich und zu wählerisch sind, um endlich einen ‚wilden‘ Zeltplatz in der Dämmerung zu kapern brauchen wir einen kleinen Extratritt. In dem Fall von Jonas.

Wieder ist es ein schöner Platz ganz knapp hinter der Düne zum Atlantik, zu dem wir unser Tandem zwar durch den Sand tragen müssen, dafür aber ein tolles Abendessen mit Couscous, Gemüse und Rotwein beim Sonnenuntergang genießen können.
Wir bauen unser Zelt nahe am Wald auf, Jonas lässt sich den Übernachtungsplatz auf der Düne mit direktem Blick auf Mond und Meer nicht nehmen und stellt sein Zelt ganz oben auf die Dünenkante.

Jetzt im Oktober sind die Nächte schon recht kühl und der morgendliche Wind schon ziemlich frisch mit gerade mal 6-8°C. Wie jeden Morgen beim wilden Zelten muss das Zelt schon vor dem Sonnenaufgang in seinen Packsack und wir warten beim Frühstück sehnsüchtig darauf, dass die Sonne über die Waldkante blinzelt und anfängt, uns zu wärmen bevor wir ein/zwei Stunden später auf das Rad sitzen und langsam anradeln.

Auf die Spitze treiben wir es aber am nächsten Tag: Es gibt keinen offenen Zeltplatz für uns, Pensionen sind auch Fehlanzeige, der einzige Übernachtungsplatz ist wirklich mitten im Wald, wo morgendliches Bummeln oder frühstücken absolut nicht infrage käme. Hier radlen wir wirklich schon vor 8 Uhr morgens im Vorsatz los, am nächsten Platz in der Sonne das Frühstück nachzuholen.

Wir radeln nicht nur im Vorsatz, sondern auch barfuß in den Sandalen und schlotternd bei gerade mal 7°C für die ersten 15 Kilometer bis wir wenigstens einen Weg in die Dünen finden wo wir gefahrfrei einen Kaffee kochen können. So gefroren haben wir auf der ganzen Reise noch nicht, der warme Kaffeebecher schafft es kaum, unsere Finger aufzuwärmen.

Dafür sehen wir auf den nächsten Kilometern einige geschälte Bäume in den Wäldern rechts und links. Ole Isbjørn nennt sich einfach mal frech Naturistenfichten, weil sie ohne Rinde so nackig daherkommen. Wir schauen sie aber genauer an: Das sind Korkeichen, deren zentimeterdicke Rinde sorgsam abgeschält, abgeerntet wurde. Ab hier und durch ganz Spanien werden wir diese Korkeichen immer wieder an der Strecke finden. Hoffentlich frieren die nicht, jetzt wo es morgens so kalt ist!

 

So fahren wir insgesamt fünf Tage von La Rochelle in Richtung Spanien, die meiste Zeit durch Kiefernwälder, oft am Atlantik, manchmal aber auch an den kleinen Seen im Hinterland in Richtung Süden. Die Radwegführung des VélOdysée ist sehr ansprechend und der Asphalt meistens angenehm gut. Hatten wir diesen Fernradweg schon gelobt? Haben wir 🙂

Genug gelobt, die letzte Etappe des VélOdysée vor der spanischen Grenze kann sich der werte Nachradler leicht sparen. Auf der Internetseite des Radfernweges wird diese Etappe mit „anspruchsvoll“ markiert, was wir nach ausführlicher Inaugenscheinnahme (ja, das Wort gibt’s) voll und ganz bestätigen können.

Den Anfang macht Biarritz, wo die Radwegplaner keine Umfahrung der mondänen Stadt am Atlantik gefunden haben und einem wunderschöne Blicke über die Klippen der Stadt gönnen.

Dafür darf man sich halt über unzählige Kletterpassagen hoch und runter im hektischen Verkehr einreihen.
Aber auch die Kilometer danach sind kein Spaß: Entweder ist der Radweg direkter Teil der Bundesstraße -und Ausscheren scheint in Frankreich nicht Teil des Überholvorganges an Fahrrädern zu sein- oder der Radweg nutzt Fußwege nahe der Bundesstraße.

Unser persönliches Highlight des Tages ist dann eine Steigung mit guten 20% auf einem solchen Fußweg. Ein klitzekleines Prozentchen mehr hätte hier ausgereicht, um uns zum kompletten Abladen unseres Gepäckes zu zwingen und wir hätten alles einzeln hochtragen und hochschieben müssen.

Ein gebührender Abschied von Frankreich, nassgeschwitzt und leicht von Moschusduft behaftet fahren wir nach Spanien, fünftes und letztes Land auf unserer 2RadReise.

 

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Die Bildergallerie dieser Reiseetappe:

VélOdyssée 1: St. Nazaire – La Rochelle

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VélOdyssée 1: St. Nazaire – La Rochelle

Seit gestern abend sind wir also wieder am Atlantik. Die Sonne scheint, der Wind bläst moderat aus West, am Strand tummeln sich einige zehn Kitesurfer und kämpfen mit Wind und Wellen.
Die französische Westküste ist eine Gegend Frankreichs, die wir schon oft im Urlaub besucht hatten und die uns beiden sehr gut gefällt: Die ewig weiten Sandstrände und Sanddünen, die hohen Pinienwälder die dem Land einen ganz eigenen Geruch einprägen, die mächtigen Atlantikwellen und das Wetter im Sommer, wenn die kräftige Sonne das Land trotz kontinuierlichem Wind vom Meer enorm aufheizt.

Entlang dieser Küste dürfen wir die nächsten 800 Kilometer bis zur spanischen Grenze radeln: Der französische Anteil des Eurovelo 1, der „Atlantik Route“, hat von der französischen Tourismusbehörde gleich zwei Namen bekommen: Vélodyssée und auch Vélocéan.

Wortspiele, die den Charkter dieser Route auch ganz gut treffen, die Radroute beginnt im äußersten Norwesten Frankreichs in der Bretagne und führt durchs Land bis Nantes, wo sie an der Loiremündung wieder auf den Atlantik trifft. Ab hier kämpft sich die Route kontinuierlich am Meer entlang, begleitet felsige Küstenabschnitte mit faszinierenden Blicken auf tosende Wellen die sich an den Felsformationen brechen, geht später für viele Kilometer durch sandige Pinienwälder, macht Abstecher direkt an endlose Sandstrände bevor sie sich am westlichen Fuß der Pyrenäen und hohen Felsküsten zur spanischen Grenze windet.

Wir greifen ein paar Tage vor: Die Radroute Vélodyssée hat uns ein bisschen gefangen. Frankreich hat insgesamt ein sehr schönes Radwegenetz, das für alle Abschnitte, die wir gesehen haben, auch sehr gut gepflegt ist und die Radweg-Ausschilderung ist die beste, die wir in ganz Europa gefunden haben. Schon die Kanalradwege haben einen ganz tollen Charme, aber die Vélodyssée legt da noch einen drauf.
Eine ganz klare 2RadReise-Empfehlung mit fünf Sternen: Wer sich einen abwechslungsreichen Radurlaub mit 400, 800 oder 1200 Kilometern gönnen möchte sollte sich diese VélOdyssée entweder in Etappen oder als Ganzes vornehmen.

 

Zurück zu unserem Trip: Da wir erst spät im September hier unterwegs sind wird die Campingplatzsuche schwieriger.
Die Saison endet grob um den 15. September und hier am Atlantik scheint man das Saisonende als Vorschrift zu interpretieren. Erst nach 19:30 abends haben wir einen offenen Campingplatz, Pornic, erreicht. Wir hätten jetzt ohnehin jeden Preis der Welt für ein trockenes Zeltplätzchen, eine Dusche und eine Toillette bezahlt, da empfängt uns die Frau hinter der Theke überschwänglich mit einem „special price for bike travellers“ und großem Tamtam. Sie ist keine wirklich gute Verkäuferin, wir haben sofort durchschaut, dass sie uns eigentlich übers Ohr haut und 3 Euro mehr kassiert als ihre Preisliste eigentlich hergeben würde.
Ist uns heute aber vollkommen wurscht, soll sie glücklich werden. Wir fangen keine Diskussion an und haben dafür schon eine halbe Stunde später unser Zelt auf den Platz genagelt.

Die Nacht wird dann nicht ganz ruhig, die Wohnmobilnachbarn haben nachts um 2 irgendeinen privaten Zwist auszutragen. Die Wortfetzen, die wir aufschnappen, lassen eine betrogene Ehefrau ebenso als mögliches Streitthema offen wie einen entlaufenen Hund, den einer noch suchen möchte, die andere aber am liebsten los hätte. Lustig: Am nächsten Morgen machen sie gemeinsam ihr Frühstück fertig. Manchmal geht Wiedervertragen wohl ganz schön fix.

 

Die folgende Tagesetappe soll uns nach St. Jean-de-Monts bringen, hier haben wir wieder warmshower Gastgeber für eine Nacht gefunden. Die Streckenlänge wäre für den Tag passend, allerdings liegt eine Passage auf dem Weg, die man nur zu zwei Zeiten am Tag fahren sollte.
Die Passage du Gois führt mitten durchs Meer auf die Insel Noirmoutier und ist nur während etwa zwei Stunden Ebbe befahrbar, zu den anderen Zeiten muss man entweder 4,5 Kilometer lang die Luft anhalten oder eben ein Boot nehmen, denn dann liegt die Strecke 2-4 Meter unter Wasser.

Klar könnte man in einem weiten Bogen aussen rum fahren, aber dieses Highlight gehört natürlich unbedingt in ein 2RadReise-Fahrtenbuch.
Allerdings liegt unser Passierfenster -Ebbe am Abend- erst bei 19:30, was uns jede Menge Zeit für die Anfahrt zur Passage du Gois lässt und uns die 25 Kilometer hinterher in echten Stress bringt um nicht erst mitten in der Nacht bei unseren Gastgebern, Jérome und Stéphane, anzukommen.

 

Tina Vornesitzer wollte heute schon früh einkaufen gehen um eine Ernährungskrise zu verhindern, Udo Hintensitzer wollte eher wenig Ballast mitfahren und später einkaufen. Dummerweise setzt er sich durch: Auf den letzten 30 Kilometern kommt dann wirklich KEINE Einkaufs- oder Einkehr-möglichkeit mehr und wir sitzen hungrig auf dem Trockenen.
Zum Glück steht an der Passage du Gois dann ein Kiosk… der gerade zu macht und bereits kalte Küche hat.
Wie bitte? Das Leben orientiert sich auf diesem einsamen Landzipfel doch zu 100% an der Befahrbarkeit der Straße, die Autoschlangen stehen hier immer dann, wenn sich die Ebbe ankündigt. Die Ebbe ist jetzt halt ein bisschen Anarchist, verschiebt sich von Tag zu Tag um runde 40 Minuten und hält sich ums Verrecken nicht an ordentliche Ladenöffnungszeiten.
Die sind in Frankreich wiederum heilig… und so hat dieses Kiosk immer zu denselben Zeiten auf, egal ob die Ebbe grade Kunden bringt oder ob die Flut für tote Hose sorgt.

Bringt Udo Hintensitzer ein bisschen tiefer in die Bredouille und unsere Mägen noch ein bisschen lauter zum knurren, während wir noch fast zwei Stunden auf die Befahrbarkeit der Passage warten.

Als wir dann endlich über die Passage reiten können -der Belag ist gar nicht so glitschig wie wir befürchtet hatten- treffen wir Jonas Kassigkeit in der Mitte der Passage.

Wir hatten Jonas schon an der Loire das erste Mal getroffen und freuen uns riesig über das Wiedersehen. Er ist heute nacht auch bei Jérome und Stéphane einquartiert und führt uns die restlichen 25 Kilometer zum Haus unserer Warmshower Gastgeber. Genialer Kerl: Jonas ist extra für uns nochmal zur Passage gefahren um uns abzuholen und uns den Weg zur Übernachtung zu zeigen.

Bei Jérome und Stéphane verbringen wir einen spannenden Abend. Obwohl Stéphane morgen schon um 5 Uhr aufstehen muss haben die beiden noch für unsere Ankunft um kurz vor 22 Uhr noch gekocht.
Wir quetschen die beiden noch lange über ihre Radreise-Erlebnisse aus: Die beiden sind zwei Jahre durch Südamerika geradelt und haben dabei jede Hauptstadt Südamerikas angefahren. Dagegen ist unsere 2RadReise ein Kindergeburtstag: Sie erzählen von -zum glück glimpflichen- Raubüberfällen mit Macheten und von Passüberquerungen bei weit über 4000 Höhenmetern. Von kilometerlangen staubigen Straßen ohne Wasser und von Übernachtungen in schlimmsten Gegenden. Merci pour vos histores de l’Amerique du Sud et pour votre hospitalitée!!!

Erst gegen ein Uhr hüpfen wir noch unter unsere warm shower und verziehen uns in unser Zimmer.

 

Der nächste Tag beginnt mit heftigem Regen, weder Jonas noch wir wollen uns in dem Wetter allzu früh auf den Weg machen. Nach dem Frühstück schreiben wir noch ein bisschen am Blog, Jonas sortiert seine Sachen, wir warten gemeinsam auf den versprochenen trockenen Nachmittag… der nicht kommen will.
Der Pizzaexpress hilft uns über den kleinen Hunger zur Mittagszeit, um ein Uhr geht Jérome auch zum arbeiten.
Er würde sich freuen, wenn wir heute abend immer noch hier wären, andernfalls sollen wir den Schlüssel bitte unter die ******* legen wenn wir gehen. Vielen Dank für dieses Vertrauen, Jérome!!!

Jonas trotzt dem Wetter ab zwei und schwingt sich auf sein Rad, wir verbummeln die letzten Regentropfen bis nach vier, legen den Schlüssel unter die ******* und starten unsere Tagesetappe so spät wie noch nie.

 

St. Jean-de-Monts mag teilweise eine schöne Stadt am Atlantik sein, heute sehen wir vor allem den hässlichen Teil mit bunten Touristenläden mit Plastikkram aus China, mit Ballermann-Trinkbuden, mit Disco und allen anderen Sachen, mit denen man Touristen halt so die Langeweile nehmen kann. Nicht unsere Welt, auch wenn sie hier schon halb im Winterschlaf versinkt.

Nicht sehr viel später rollen wir dann wieder auf einem Campingplatz ein, der kurze Tag hat uns gerade mal 25 Kilometer weitergebracht, aber immerhin. Es gibt noch warme Konserven, dann verkriechen wir uns vor dem Nieselregen im Zelt, nippen noch ein paar Tröpfchen von unserem Muscat de Rivesalt und schlafen ein.

Udo Hintensitzer ist morgens zum Spüldienst eingeteilt während Tina Vornesitzer traditionell das Innenzelt abbaut und die große Packtasche mit den Trockensachen einräumt.

„Uuuuudoo….. iiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhh“ zählt nicht zu der normalen Ansprache auf unserer Reise, der laute Hilferuf klingt eher nach einem Säbelzahntiger im Zelt oder mindestens einer Klapperschlange im Zelteingang, die Tina nach dem Leben trachten.

Einen 50-Meter-Spurt später rette ich Tina Vornesitzer heldenhaft -vor einer Erdkröte, die sich in unsere Packtasche verirrt hat. Und die mindestens gleich erschrocken ist aber halt nicht so laut schreien kann.
Süßes Tierchen eigentlich, zum Glück hat Tina die gesehen bevor sie Schlafsäcke und Luftmatratzen in die Tasche gepresst hat!!! Mit Stöckchen und Landkarte schubsen wir die verängstigte Kröte vorsichtig aus der Tasche und lotsen sie zurück in die Hecke, wo sie sich wahrscheinlich normalerweise versteckt.
Und wir nehmen uns vor, die Taschen im Vorzelt künftig sorgfältiger zuzumachen. Kröte ist ja unangenehm… aber Schlange? Muss ja nicht sein.

Vor uns liegen heute so klingende Ortsnamen wie Les-sables-d’Olonne, Saint-Jean-d’Orbéstiér, aber auch solche wie Mort-a-l’âne (Eselgift?), La-faute-sur-mèr (der Fehler über dem Meer?).
Wir kommen aber erst mal wieder nicht ganz so weit. Beim ersten Fotostopp an der Felsenküste, gerade mal 10 Kilometer gefahren, sieht Tina Vornesitzer einen Fischladen, der aussieht wie vor 50 Jahren.
Udo Hintensitzer versucht noch, die Situation mit „…Fisch können wir doch eh nicht kochen“ zu entschärfen, aber es ist schon passiert: Tina Vornesitzer stürmt den Laden, entdeckt die frischen Riesengarnelen zusammen mit passendem Dip, kauft eine Tüte davon ein und fragt nach dem nächsten Bäcker.

Das wird das leckerste Vesper der Frankreich-Etappe: Frische Garnelen puhlen, backwarmes Baguette auf einer Parkbank mit Blick auf Felskante zum Atlantik. Leben wie 2RadReise in Frankreich.

 

Nach Les-Sables-d’Olonne geht es lange durch eine Marschlandschaft, die von Gräben und Tümpeln durchzogen ist. Erst nach einigen Kilometern wird uns klar, dass diese Gräben für Fisch- und Krabbenzucht gedacht sind und zahlreiche Fischer hier ihre Netze füllen. Noch mehr interessiert uns der Eisvogel, der uns hier wieder zweimal durchs Bild huscht… aber halt immer viel zu schnell unterwegs ist als dass man ihn per Foto festhalten könnte.

Abends wieder das Bild wie die letzten Abende: Ein Zeltplatz am anderen, einer genauso geschlossen wie der andere. Erst mit Hilfe von einem Anwohner finden wir spät abends noch einen geöffneten Platz, der uns aufnimmt.

Morgen fahren wir die restlichen 60 Kilometer bis La Rochelle, wo wir uns für zwei Nächte in der Jugendherberge reserviert haben um einen Ruhetag mit bisschen Geschichte bummeln einzulegen.

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Die Bildergalerie des Reisetages:

 

Loire-à-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik

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Loire-à-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik

Radreise auf Langzeit, 7 Monate Sabbatical, unendlich viel Zeit für Alles. Hoffentlich keine zehrende Langeweile, wenn der Sprung aus stressreichen Arbeitswochen ins Nichts-Tun allzu heftig ausfällt. Sicherheitshalber ein paar Bücher auf dem eBook-Reader bunkern, eine Gitarre mitnehmen um endlich wieder Musik zu machen. Und, falls die Langeweile zu heftig wird, zusätzlich noch ein Fachbuch über Shopsoftware für Tinas Firma mitnehmen.
So oder so ähnlich war Udo Hintensitzers Vorstellung einer Langzeitreise auf dem Rad, die ersten Tage der Reise haben wir uns auch genau in diese Vorstellung fallen lassen.

Nun, der Zahn ist gezogen: Auf einer Langzeitreise mit Rad und Zelt gibt es keine Langeweile, der Tagesablauf orientiert sich am Tageslicht und hat mehr Struktur als wir uns je hätten vorstellen können. So hat die Gitarre auf dem Gepäckträger viel mehr Kilometer als Akkordwechsel gesehen und der eBook-Reader läuft immer noch auf der allerersten Akkufüllung. Und Tinas Strickplanung für kuschelige Wollsocken wurde auch schon nach wenigen Wochen und nach höchstens 10 gestrickten Reihen wieder beerdigt. Der Tagesrythmus tickt -zumindest bei uns- komplett anders. Wie?

Der Tag beginnt morgens mit dem Klingeln des Weckers, 7 Uhr. Richtig gelesen: Wir, im normalen Leben Langschläfer, haben 7 Monate Zeit für uns und stellen uns jeden Morgen einen Wecker.
Immerhin, mit dem späteren Sonnenaufgang jetzt Ende September, macht sieben Uhr weniger Sinn und wir gehen in Richtung 7:30.

„Soll ich Dir einen Kaffee kochen, Schatz Vornesitzer?“ heißt die zweite Konstante in unserem Reisealltag. Udo Hintensitzer schält sich aus seinem Schlafsack, schnappt den Holzkocher, Küchenkoffer und Brennholz aus dem Vorzelt und feuert den Holzbrenner an.
Alles ist jetzt perfekt durchoptimiert: Tina Vornesitzer macht die Luftmatratzen klein, stopft die Schlafsäcke in deren Taschen und packt diese ganzen ‚heiligen‘ (weil sie unter allen Umständen trocken bleiben müssen) Sachen in die große gelbe Packtasche. In derselben Zeit hat Udo Hintensitzer schon die Stühle aufgebaut, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht, das Kaffeepulver in die Thermoskanne gezählt, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht, das Frühstück auf den Tisch gestellt, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht. Und zwischendrin Holz nachgelegt, dass der Kocher nicht ausgeht.

 

Ungefähr 45 Minuten später hat der Kaffee gezogen, Tina Vornesitzer wird mit einem gesungenen „…der Kaffee ist fertig…“ <Youtube-link> aus dem Zelt gelockt und wir begehen das erste Highlight des Tages: Frühstück im Freien in der Morgendämmerung. Manchmal in kurzer Hose und optimistischem T-Shirt, manchmal in Daunenjacke, Radstiefeln und in Extremfällen auch mal mit Handschuhen.
Richtig: Wenn Udo Hintensitzer aufgepasst hat dass der Kocher nicht ausgeht kann man daran nochmal die Hände wärmen.

Das Frühstück ist dann auch die eigentliche Trödelzeit des Tages, die zwei Tassen Kaffee in Ruhe zu trinken würden wir erst als Allerletztes wegoptimieren.

 

Damit ist der Tag für uns schon beinahe zwei Stunden alt und wir haben noch keinen Kilometer der Tagesstrecke geplant oder geradelt.
Weiter geht’s: Tina Vordersitzer ist Packmeister und als Einzige in der Lage, den Küchenkoffer und die gelbe Tasche so einzuräumen dass wirklich alles reinpasst. Dafür muss Udo Hintensitzer sich um das -meist vom Kondenswasser klatschnasse- Zelt kümmern, abbauen und einpacken. Dann in Teamwork zusammen alle Taschen ans Rad anbauen, schauen dass wir nichts vergessen und…
Kommando „AUFSITZEN„.

An guten Tagen schaffen wir diesen Tagesabschnitt in zweieinhalb Stunden, im Normalfall sind aber eher drei Stunden die 2RadReise-Regel.

Losradeln… und meist nach weniger als 10 Kilometern schon wieder der zweite Stopp: Auf dem Rad kann man den Proviant nur für maximal 2 Tage einpacken, deshalb macht unser Team für frisches Brot oder leckeres Mittagessen „aus der Hand“ meist schon in der ersten Ortschaft halt. Die nächsten 4-5 Stopps gehören Fotomotiven und selten schaffen wir mehr als 25 Kilometer Fahrt vor der Mittagspause…. schon wieder anhalten.

In Summe sitzt so ein 2RadReise-Gespann am Tag dann runde 5 Stunden auf dem Tandem und macht abends Stopp um in einem -wieder durchoptimierten- Ablauf das Zelt hinzustellen, zu kochen und schlussendlich das Innenzelt vor Dunkelheit schlaffähig zu bekommen.

Kurzfassung: Morgens 3 Stunden bis zum Tourstart, 5 Stunden radeln, 1 Stunde Mittagspause, 1 Stunde Fotopausen, 3 Stunden Zelt aufbauen und fertigmachen knallt einen Tag irgendwie komplett voll und nimmt der Sorge, man könnte Langeweile schieben, alle Luft aus den Segeln. Und die Gitarre sieht immer noch aus wie neu. Leider leidet auch der Blogeintrag unter diesem Tagesplan, wir sind doch ein paar Tage hintendran.

Zurück zum Loire-à-vélo:

Wir hatten in Tours einen Ruhetag eingelegt und machen uns auf die letzten Tagesetappen in Richtung Atlantik. Dem fiebern wir Drei schon etwas entgegen: Udo Vorne- und Tina Hintensitzer hatten schon einige schöne Urlaube an den Sanddünen genossen und Ole Isbjørn freut sich darauf, endlich wieder ’sein‘ Meer zu sehen und von Norwegen zu träumen.

Wir radeln aus der Stadt heraus, es geht an einer kilometerlangen, parkähnlichen Landschaft zuerst am Chèr, später an der Loire entlang in Richtung Westen.

Die Loire ist zwar kaum in Sichtweite, dafür kommen Rastplätze in Serie, nach gerade einmal 20 Kilometern hat die Disziplin ein Loch und wir halten für die Mittagspause an.
Wir sind nicht alleine: Ein Stockentenpaar wohnt hier und fordert mit freundlich leisem Geschnatter eine Platzmiete von uns ein. Putzige Tiere, die ihre Scheu fast komplett verloren haben und uns am liebsten aus der Hand fressen würden.
Achtung ihr beiden: Hat euch schon jemand geschnattert, dass die Jagdsaison wieder angefangen hat?

Es geht auf dem Damm entlang der Loire durch ein paar Dörfchen, aber jedesmal, wenn die Loire vom Radweg aus zu sehen ist, bieten sich tolle fotogene Ausblicke an denen man einfach anhalten muss. Auch deshalb wird es wieder späte Dämmerung, als wir auf dem Campingplatz in Savigny unser Zelt aufbauen. Ein Zeltplatz übrigens, der in den Frühjahren regelmäßig vom Hochwasser der Vienne überflutet wird… da bekommen Luftmatratzen schlagartig einen zweiten Sinn.

Nach Savigny wird der Loire-Radweg etwas schwieriger: Nach langen, überwiegend flachen Streckenabschnitten im weiten Tal der Loire führt der Radweg jetzt öfters auf die Hügel neben der Loire und verlangt dem Radtouristen ohne E-Motor ein paar Körner ab.
Im Gegenzug geht es durch Weinberge, in denen die Trauben jetzt kurz vor der Ernte stehen und in Souzay durch historische Fels-Städte.

Richtig: Der Radweg führt mitten durch diese unterirdischen Straßen, die im elften Jahrhundert mitsamt den Wohnräumen hier aus dem Fels geschlagen wurden. Wir stehen hier in der Rue de Commerce, die einmal Einkaufsstraße mit Läden war und die bis ins 20. Jahrhundert noch immer als solche genutzt war. Beeindruckender Radweg, vermutlich sind die Häuser hier im Dorf alle ein kleine bisschen wie Eisberge: Man sieht nur einen gewissen Teil von ihnen,der Rest spielt sich wahrscheinlich unterirdisch ab.

Warmshower

Für heute abend haben wir einen warmshower-Gastgeber gefunden. Noch nicht erklärt?
Also: warmshower.org ist eine Internet-Community, auf der sich Radreisende gegenseitig Übernachtungen anbieten können. Wenn man bereit ist, Radreisende für eine Nacht (eine warme Dusche, Unterstützung bei Fahrradreparatur, Tipps für Radrouten, …) bei sich aufzunehmen, kann man sich dort mit (ungefährer) Adresse und mit einer kurzen Beschreibung von sich selbst eintragen. Radreisende, die durch eure Stadt kommen, können die Profile dieser Übernachtungsanbieter sehen und per freundlicher email anfragen ob eine Übernachtung möglich wäre. Ihr seht dann das Profil und Bewertungen des Anfragenden und könnt ihn entweder willkommen heißen oder eben unverbindlich freundlich ablehnen.

Ein tolles System: Der Radreisende gewinnt, weil er zum einen eine günstige Übernachtung findet und sich dazu Tipps über die Gegend abholen kann. Der Gastgeber gewinnt, weil er einen Gast aufnehmen kann, der bestimmt interessante Geschichten von seinem Radprojekt erzählen kann. Klar: ein bisschen Vertrauen gehört schon dazu, einen Fremden in sein Haus einzuladen und die Bewertungen des potentiellen Gastes sollte man auch lesen. Am Ende ist es aber praktisch immer eine Win/Win-Situation für die Beteiligten.

Unsere Übernachtungsgastgeberin heute heißt Lucy und hat laut ihrem Warmshower-Profil ein Wochenendgrundstück direkt an der Loire mit Hütte, Toilette, fließendem Frischwasser und Grillstelle.
Wir haben freundlich angefragt und ein Foto des 2RadReise-Teams mit angehängt und bekommen kurz danach eine Zusage von Lucy. Sie sei dieses Wochenende zwar nicht zuhause, wir könnten unser Zelt aber sehr gerne auf Ihrem Grundstück aufstellen. Ein Telefonat später teilt sie uns die genauen Koordinaten des Wochenendgrunstückes mit und erklärt uns haarklein, wo wir den Hauptwasserhahn öffnen können, wo wir die Toilette finden und dass wir unbedingt den Sonnenuntergang über der Loire anschauen sollen.

Bisschen kurios ist das schon: Auf einem privaten Grundstück direkt an der Loire unser Zelt aufzubauen, ohne Lucy direkt getroffen zu haben. Der Gedanke mag ja erlaubt sein, ob Lucy in Wirklichkeit nur einen Nachbarn ärgern möchte, indem sie ihm 2RadReisende auf die Wiese lockt? Gedanke verdrängt: Wir finden das Grundstück, den Hauptwasserhahn, bauen fix unser Zelt auf und kochen im Eilgang damit wir rechtzeitig mit Essen und Rotwein an die Loire zum Sonnenuntergang sitzen können. MERCI BEAUCOUP Lucy!!!

 

Wir verbringen eine herrlich ruhige Nacht, kochen morgens noch unseren Kaffee, hinterlassen eine Flasche Rotwein auf Lucies Grundstück, bauen unser Zelt ab und schieben dann unser Pino vom Grundstück.
Just in diesem Moment kommt eine Frau zögerlich auf uns zugeradelt. Sie lächelt aber freundlich -toitoitoi: hoffentlich keine geärgerte Nachbarin- und wir fragen sie gleich, ob sie Lucy sei. Nö, Lucy heißt sie nicht, aber sie hat hier auch ein Wochenendgrundstück und wollte uns fragen, wie wir auf diesen Zeltplatz gekommen sind.
Wir erklären ihr Warmshower -inzwischen ist ihr Mann und Sohn per Auto auch den Feldweg entlang gekommen- und erzählen von unserem 2RadReiseprojekt.

Die Drei sind von dieser Idee so begeistert und würden am liebsten gleich hier und jetzt ihr eigenes Warmshower-Profil anlegen um interessante Gäste einladen zu können.
Wirklich: Die drei lassen uns nicht gehen, bevor wir uns auch ihr Grundstück angeschaut haben. Ob wir noch duschen wollten: In ihrer Gartenhütte haben sie eine komfortable Dusche eingerichtet. Und ein Bett haben sie auch drin. Und wenn wir wollten, der Sohn feiert heute sein einjähriges Ehejubiläum auf dem Grundstück, könnten wir gerne noch eine Nacht bleiben!. Wir wollen zwar, aber es sind noch so viele Kilometer bis Gibraltar… wir fahren doch weiter:

Auf den Campingplatz kurz vor Nantes. Auch hier feiert jemand eine Hochzeit, einen Junggesellenabschied oder einen Geburtstag. Oder eine Scheidung. Oder ein Wochenende.

Jedenfalls feiern sie mit ziemlich viel Bier, Wein, Trinksprüchen und Kneipenliedern so ausdauernd, dass die Nacht auch für uns ein bisschen kurz wird. Die Zeltwand hält halt doch nicht so viel Lärm ab. Egal.
Bald nach dem gesungenen „… der Kaffee ist fertig…“ am frühen Morgen machen wir uns auf den Weg für die letzte Loire-Etappe zum Atlantik und erleben die nächste kuriose Szenerie:

Der Radweg nach Westen führt hier an einem schmalen Schilfgebiet entlang nach Nantes. Es ist Sonntag vormittag und der Weg ist mit Radfahrern, Joggern, Inliner-Skatern und Spaziergängern recht gut belebt.
Wir, chronisch gut gelaunte Glückskinder auf Europatraumreise, grüßen praktisch Jeden im Gegenverkehr mit einem freundlich gelächelten Bonjour. Auch die drei Jäger in Tarn mit der Flinte unter dem Arm, die so grimmig gucken.
Wie bitte? Jäger? Auf dem bevölkerten Radweg? Wirklich wahr, was wollen die denn hier? Ok, die Jagdsaison hat wohl gerade erst begonnen, da kann man schon mal zeigen, was man hat. Aber hier im Schilf jagen zu wollen, wo nur wenige Meter entfernt Spaziergänger und Radfahrer Lärm machen scheint uns doch ein bisschen optimistisch zu sein. Vermutlich sehen die Drei das aber anders und schieben die Schuld für den vermiesten Jagdausflug eher auf die Nutzer des Freizeitweges als auf ihre -naja- etwas unzureichende Jagdrevierplanung für diesen Morgen. Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir zügig aus der Schussreichweite der drei grimmigen Kollegen kommen.

 

Die letzte Etappe zum Atlantik zeigt recht wenig Loire, ist dafür sehr anspruchsvoll was die Strecke angeht. Wir wechseln unzählige Male von Flusshöhe die Siedlungen hoch und wieder runter, so dass wir nach der letzten Sichtung der Loire -Vorboten des Industriehafens St. Nazaire- eine Abkürzung an den Atlantik wählen.

Der Tacho zeigt 6842 Kilometer seit unserem Reisestart als wir unser Pino zum Sandstrand am Atlantik schieben. Uns erfüllt schon ein etwas erhebendes Gefühl, vom Nordkap hierher geradelt zu sein. Am arktischen Ozean und in eisiger Landschaft unser Tandem und Zelt gepackt zu haben um nach einer Radreise durch ganz Norwegen, Schweden, Deutschland und Frankreich jetzt an der französischen Westküste zu stehen.

Vorne- und Hintensitzer sind schon ein bisschen stolz darauf und feiern das mit leckeren Madeleines in den Dünen während Ole Isbjørn die Gunst der Stunde nutzt und sich „sein“ Meer genauer anschaut. Ihm fehlen hier zwar die Höhlen und die Fjorde, aber er ist eine gute Stunde in der Brandung unterwegs bevor wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz machen.

 

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Die Bildergalerie dieser Reisetage:


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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser, Cheaumont

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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn

Der Tag beginnt als echter Trödeltag: Zuerst ist uns das Zelt zu nass vom Kondenswasser um es auf dem sandigen Boden beim Einpacken zu versauen. Dann brauchen wir ewig für das Zusammenpacken und der Tacho schreit auch noch nach einer neuen Batterie.

So bekommen wir morgens kaum Kilometer auf der eigentlich schönen ruhigen Straße zusammen bevor wir schon frühzeitig Mittagspause am Loireufer machen.

Heute fühlt sich das Radfahren sehr unangenehm an: Zwar hat die Straße einen guten Belag und es hat nur sehr wenige Autos aber es scheinen viele Jäger unterwegs zu sein. Alle paar Minuten hören wir Schüsse aus den Feldern und Wäldern rechts und links von uns.
Nach unserer Abenteuerübernachtung an der Donau sind wir auf Schüsse noch etwas empfindlicher geworden und wir malen uns auch heute bei jedem Knall aufs Neue aus, wie auch einmal ein Tandem Pino in der verlängerten Schusslinie fahren könnte während der Jäger sich zeitgleich über seine Wildschweinsichtung freut und abdrückt.

Die nächste große Stadt auf dem Weg ist jetzt Orleans, weil wir eh schon Trödeltag haben machen wir hier eine kleine Stadtbesichtigung mit Besichtigung der Kathedrale, dem Wohnhaus von Jeanne d’Arc (bedingt durch die Besucherschlange davor nur von außen) und natürlich für einen… nein zwei Kaffees.

Es ist deshalb schon richtig nachmittag bis wir endlich wieder auf dem Weg sind und wir müssen richtig ranklotzen um den geplanten Campingplatz in Beaugency noch erreichen zu können. Auf den Kilometern westlich von Orleans führt der Radweg übersehr weite Strecken direkt an der Loire entlang, wirklich schade dass wir keine Zeit mehr für einen zweiten Stopp haben.

Schon einige Kilometer vor Beaugency wird es dann schlagartig voller. Autos parken auf dem Loireradweg, Leute schlendern darauf und wir müssen unser Schwerlasttandem immer öfter zwischen den Spaziergängern durchfädeln.
Tina Vordersitzer ist unser Klingelbediener und klingelt sich heute die Finger wund damit die Fußgänger nicht zu sehr erschrecken wenn wir von hinten ankommen.

Beaugency selbst ernüchtert uns dann: Wir hatten befürchtet, dass der Campingplatz seine Saison schon beendet haben könnte, stattdessen steht dieser Campingplatz komplett randvoll mit Transportern und Wohnwagen.
Abgesehen davon, dass wir kaum einen brauchbaren Platz für unser Zelt hätten finden können ist uns die Sache ziemlich suspekt und wir beschließen mit 2:0 Stimmen, lieber weiterzufahren. Ole Isbjørn enthält sich der Stimme, der döst schon seit der Mittagspause in Orleans auf seinem Plätzchen und kriegt von dem Ganzen gar nichts mit.

 

Die nächste Ortschaft erreichen wir mit Einbruch der Dämmerung, hier gibt es auch zwei Campingplätze in der Datenbank.
Wieder dasselbe Spiel, auch diese Plätze sind komplett überfüllt obwohl die Saison eigentlich schon vorbei sein müsste. Zum Glück sind hier in Muides-sur-Loire drei Herbergen eingezeichnet, Plan B heißt: Herbergsübernachtung.

Die erste Herberge? Hatte über den Sommer für Renovierungen geschlossen und macht erst nächste Woche wieder auf.
Die Zweite? Ist Teil des dritten lokalen Campingplatzes… geschlossen.
Die Dritte? Erreichen wir telefonisch, hat keine Zimmer mehr frei.

Das Ganze riecht schon ein bisschen nach Katastrophe, es ist schon fast dunkel, es wird in Kürze regnen, wir haben Hunger und es ist viel zu spät um noch einen wilden Übernachtungsplatz zu suchen… Plan C: Wir fragen bei dem lokalen Pizza- und Burgerbäcker nach Möglichkeiten, da stehen gerade recht viele Leute davor. Einer von denen wird uns doch wohl seinen Garten für das Zelt anbieten können!?!

Können sie nicht, aber sie sind sehr hilfsbereit. Suchen mit uns zusammen nach den Herbergs- und Hotelangeboten in der Umgebung und googeln die Telefonnummern für uns heraus. Der dritte Anruf ist dann endlich erfolgreich, wir haben ein Zimmer!!! Zwar für 90 Euro die Nacht ohne Frühstück, was Tina Vordersitzer aber -angesichts der Alternative „Übernachtung im Freien bei Regen“- gerne aus ihrer Kaffeekasse zahlen will.

Mit Vollgas schaffen wir die drei Kilometer bis zu diesem Hotel dann gerade so bevor der Regen anfängt. Diese Punktlandungen vor Regenbeginn werden uns allmählich unheimlich.

Das Hotel ist super, ein altes Herrenhaus mit Blick über die Loire, ein warmes Zimmer, ein angenehmes Bett, ein eigenes Bad. Purer Luxus für heute, die Nacht bekommt drei Kreuzchen in den Kalender. Wir packen im Hotelzimmer unsere Nüsschen und unseren Rotwein aus, verbringen den restlichen Abend lümmeln auf dem Bett und saugen den Hotelluxus in uns auf.

Am nächsten Morgen haben wir einen schönen Blick aus unserem Fenster zur Loire, es steht Nebel über der Landschaft. Es war auch die letzten Nächte immer schon sehr herbstlich feucht, daran müssen wir uns entlang der Loire vermutlich gewöhnen, der Sommer geht halt doch zur Neige. Hoffentlich bekommen wir am Atlantik und in Spanien dann wieder trockenere Abschnitte.

 

 

Unser Frühstück wollen wir heute auf den ersten Kilometern einnehmen weil das Petit Dejeuner im edlen Hotel in Tina Vordersitzers Kaffeekasse nicht mehr drin war und weil der nächste Bäcker eh nur 500 Meter von uns weg ist. Und den Kaffee kochen wir uns sowieso am liebsten selber, das passt dann schon.

Obwohl: Montag ist in Frankreich anscheinend der Ruhetag für Bäcker, außer einer Packung Madeleines und einem abgepackten Marmorkuchen bei der Tante-Emma gegenüber ist nichts zu kriegen.
So radeln wir mit knurrendem Magen die 7 Kilometer zur ersten Loireschloss-Besichtigung unserer Tour: Schloss Chambord, das malerisch in einem sehr großen Waldareal liegt und mit seinen unzähligen Türmen ziemlich verspielt wirkt. Von außen ist dieses Schloß beeindruckend groß -das größte Schloss der Loire-Region- und auch die Parkanlage darum herum ist sehr weitläufig.

Die Besucher werden hier mit vielen Bussen hergefahren, schon alleine das „Dorf“ mit dem kommerziellen Angebot von Plastiksouvenirs bis Pizza und Fahrradverleih hat eine Fußgängerzone von gut 100 Metern Länge.

Für uns reicht der Blick von außen, wieder einmal verzichten wir gerne auf das Anstehen in der Schlange, dafür gönnen wir uns zwei Café Crème im Schlosspark und tunken unseren Marmorkuchen zum Frühstück während wir erfolglos versuchen, zwei gleich aussehende Türme am Schloss zu finden.

Der Zweck des Waldareals um das Schloss wird uns beim Hinausfahren bewusst: Dieses riesige Schloss wurde als Jagdschloss gebaut und der Wald darum ist umzäunt um die gemästeten Wildschweine in der Nähe zu halten. Vermutlich sind es wohlhabende Gäste, die hier für edles Entgelt eine Wildsau vor die Flinte geschubst bekommen.

Klar wird damit auch, warum an diesem Wochenende alle Zeltplätze in der Region überlastet sind: In dieser Loireregion begann gestern die Jagdsaison, das darf man sich in etwa vorstellen wie Beginn der Bundesliga nach der Winterpause. Die ganzen Jäger dürften jetzt ganz schön wild darauf sein, etwas Wildes vor die Flinte zu bekommen und den Finger recht locker am Abzug haben.
Für uns 2RadReisende heißt das, dass wir für den Moment NICHT wild zelten werden. Weder brauchen wir einen Jäger, der uns in der Morgendämmerung zur Sau macht, noch brauchen wir Schrotlöcher in Zelt und Schlafsack, wenn wir ungeschickt in einer Schusslinie übernachten sollten.

Die Wildschweine, die wir hier im Park sehen sind noch relativ entspannt und lassen uns recht nahe kommen bevor sie weglaufen. Bestimmt hat denen noch niemand gesagt, dass die Schonzeit vorüber ist… werden sie schon noch merken.

Auf dem Weg raus kommt uns noch ein Reiseradler entgegen und winkt uns freundlich zu… den sehen wir später wieder !!!

Zurück auf dem Loire-Radweg wird es schon bald Zeit für einen Platz fürs Mittagessen, wir fahren einen der größeren Anglerwege bis zum Fluss hinunter, finden eine kleine sandige Bucht für unser Picknick und brutzeln uns Couscous mit Ratatouille auf unserem Holzkocher.

 

Die Loire unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Flüssen, an denen wir bisher entlanggeradelt sind. Während die meisten anderen Flüsse ab einer gewissen Wassermenge schon historisch zu Wasserstraßen umfunktioniert wurden, hat die Loire ihr Gesicht als natürlicher Fluss behalten: Bedingt durch die enormen Mengen an Sand, den sie mit sich führt war sie vermutlich nie als Transportgewässer brauchbar und wurde auch deshalb baulich nicht gefasst. Tina Vordersitzers Bild der Loire: Die Loire ist ein Fluss, der noch wirklich Fluss sein darf.

 

Dementsprechend bilden sich hier Sandbänke, kleine Sandinseln und lösen sich wieder auf, der Fluss sucht sich sein Bett immer wieder aufs Neue. Es macht Spaß, diesen Fluss zu begleiten, der Loire-Radweg bleibt ein Highlight auf unserer Europatour. Er ist einfach zu fahren, weil er gut beschildert ist, er ist auf den allermeisten Etappen sehr flach zu radeln und es gibt eine recht gute Infrastruktur von Zeltplätzen, Herbergen, Rastplätzen nah an der Strecke.

Baignade strictement interdit

Schon seit unserer ersten Begegnung mit der Loire in Nevers sind uns die vielen Schilder mit „Baignade interdit“ oder „Baignade strictement interdit“ aufgefallen. Hatten wir das zuerst noch für Naturschutzthemen gehalten und hätten es zu gerne das eine oder andere Mal ignoriert, werden wir später aufgeklärt: Das hat auch mit den Sandmengen zu tun, die die Loire zum Atlantik transportiert. In der Loire bilden sich Sandbänke, die wie Treibsand auch instabil werden können und manchmal auf großer Breite abreißen können, böse Wirbel und Wellen erzeugen können. Nach einem Unglücksfall mit mehreren toten Schulkindern vor etwa 30 Jahren wurde das Badeverbot dann behördlich erlassen. Überzeugt uns, manche Verbotsschilder machen wohl doch Sinn.

Auf dem Campingplatz in Chaumont stehen heute drei Zelte mit Rad- und Motorradreisenden neben unserem und wir lernen Jonas Kassigkeit, zwei radelnde Spanier -Alvaro und Mirentzu- und einen Spanier -Alfonso- mit Motorrad kennen. Wir öffnen unseren Weinkeller, bestückt mit immerhin einer Flasche Muskat für die Runde und verbringen einen langen Abend zusammen.

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf's Foto kommen :)

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf’s Foto kommen 🙂

Jonas werden wir auf unserer weiteren Etappe noch öfters treffen, er beeindruckt uns mit seiner lockeren Art und mit seiner Radreiseerfahrung. Trotz seinem zarten Alter von gerade mal 22 Jahren hat er schon einige tausend Kilometer in Europa abgeradelt und ist dabei auch viel alleine unterwegs. Wo wir bei wilden Übernachtungen schon zu zweit oft sehr unsicher sind muss er das ganz alleine meistern. Respekt!

Morgen wollen wir uns dann noch ein zweites Loireschloss, dieses Mal auch von innen, anschauen: Chenonceaux, das ein paar Kilometer abseits der Strecke liegt. Das Schloss wurde zuerst am Fluss Cher gebaut, später wurde dann die zugehörige Brücke elegant mit zwei Stockwerken überbaut. Ein wunderschönes Schloss mit großer Parkanlage.

Als wir hier auf dem Fahrradparkplatz einlaufen, dürfen wir uns für einen Moment richtig prominent fühlen als uns zwei junge Radreisende direkt mit „Hey, ihr müsst Tina und Udo sein“ ansprechen. Sind wir leider nicht, sie hatten nur am Vortag Michaela und Hubert getroffen, mit denen wir vor ein paar Tagen einen Camperabend verbracht hatten 🙂

Weiter mit „Loire-a-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik“

Zur Bildergalerie des Reisetages:

Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

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Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

Einer der längsten Radwege in Frankreich folgt der Loire bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire. Sie nennen diesen Radweg liebevoll „Loire à velo“, was soviel wie „die Loire per Fahrrad“ heißt, auch wenn es ein bisschen untertreibt weil es die ersten paar hundert Kilometer der Loire ab der Quelle glatt unterschlägt.
Jedenfalls startet der Loire à velo kurz nach der Mündung des Allier in die Loire mit dem Kilometer Null.

Wir hatten ja einen Ruhetag in Nevers und freuen uns frisch ausgeruht auf ein neues Kapitel des Reisetagebuches an der Loire.
Das Wetter ist heute etwas durchwachsen, die wirklich heißen Tage des Jahres sind wohl vorbei. Einerseits schade, weil der Hochsommer damit auch für uns auf der Südroute zu Ende ist, andererseits waren die letzten Tage schon eine echte Hitzeprüfung gewesen.

 

Vom Campingplatz in Nevers geht es etwa 10 Kilometer entlang des Canal-Lateral-à-la-Loire, dann kommen wir an die Kanalbrücke über die Allier an die eine 10 Meter hohe Doppelschleuse direkt angeschlossen ist.

Der Schleusenwärter hat während eines Schleusenganges, der immerhin 30 Minuten dauert, ausreichend Zeit, um uns über unsere Reise auszufragen.
Im Gegenzug löchern wir ihn mit unseren Fragen, die sich auf mehreren hundert Kilometern Kanalradweg halt so anstauen. Ja, die Schleusenwärter sind staatlich angestellt (lässiger Job, sollte man sich fürs nächste Leben vormerken). Ja, die Schiffe zahlen eine Jahresgebühr für die Kanalbenutzung, die sie mit einer Vignette am Schiff dokumentieren müssen. Und ja, ein Schiff, das irgendwo anliegt und vor sich hinrottet muss auch eine Kanalgebühr bezahlen. Und nein, wenn wir im Winter mit Schiff kommen würden wäre nix mit schleusen, da werden Kanäle instandgehalten und sind großenteils geschlossen.

Eine Viertelstunde nach diesem Gespräch mit dem Schleusenwärter startet dann unser Abenteuer Loire à Velo am offiziellen Kilometer Null des Radwegs.

Leider führt der Loire-à-Velo kurz nach dem Kilometer Null auf den Damm der Loire und zeigt den Fluss anfangs eher selten, was der Schönheit der Strecke keinen Abbruch tut: Der Radweg führt durch wenig besiedeltes Land, der Asphalt des Radwegs ist perfekt und wir sehen nur ganz wenige Autos an diesem Reisetag. Wenn die Loire zu sehen ist, ist das meist im Bereich von kleinen, verschlafenen Dörfchen direkt am Fluss oder wenn man einem Anglerweg folgt, der vom Radweg in Richtung Fluss abgeht.
Wir sind hartnäckig genug und der dritte Anglerwaldweg bringt uns direkt auf eine Kiesbank an der Loire für unser Picknick.

Für die Übernachtung fahren wir zum Zeltplatz in Cosne-Cours-sur-Loire, stellen unser Zelt auf der Wiese unter den hohen Bäumen auf… und bekommen eine neue Lektion des Kurses Camping für Fortgeschrittene: Gelernt hatten wir schon die Lektion mit den Mulden auf Campingplätzen (laufen bei Starkregen gerne mit Wasser voll und setzen das Zelt unter Wasser), die Lektion mit der Windrichtung (man schläft besser, wenn das Zelt längs zum Wind aufgebaut ist und gut verspannt wurde) und die Lektion „wo ist Osten“ (damit man die Morgensonne auf das Zelt bekommt).
Ganz neu ist jetzt die Lektion „Zelte nicht unter hohen Bäumen“, die Vorlesung halten heute Nacht eine Gruppe Tauben, unter deren Toilettenast unser Zelt offensichtlich gerade steht. Nicht appetitlich. Nicht einfach wegzuputzen, nicht lustig. Wenigstens hat der Regen dafür gesorgt, dass die gut 30 Flecken nicht angetrocknet sind, 4 Liter Wasser und 20 Tempos später ist der Ärger weggeputzt.


Die Tagesetappe
soll uns über Belleville-sur-Loire, Briare, Sully-sur-Loire nach Chateauneuf-sur-Loire führen.
Nachdem es nachts noch geregnet hatte ist es morgens immer noch recht dicht bewölkt, auch das Atomkraftwerk in Belleville-sur-Loire gibt sich Mühe, den Eindruck noch etwas düsterer zu gestalten.

Immerhin führt der Radweg heute über sehr weite Strecken direkt entlang der Loire und gönnt uns schöne Aussichten auf die alten Dörfchen, vereinzelte Weinberge und kleine Schlösschen auf der anderen Flussseite.

Unsere Mittagspause machen wir direkt an der Loire, wo wir neben Baguette, Käse und Salami einem großen Greifvogel beim Jagen über der Loire zusehen. Immer wieder schraubt er sich auf eine Höhe von 20-30 Metern hoch um danach ins Wasser herabzustürzen. Leider können wir ihn nicht genau genug sehen um sicher zuzuordnen, ob es ein Schwarzmilan oder vielleicht sogar ein Fischadler ist. Unser Vogelkundebuch behauptet jedenfalls, dass einzelne Milanarten auf Fischjagd gehen würden, die Flügelform deutet aber sehr auf eine Adlerart.

 

Nachmittags geht der Radweg dann wieder an den parallelen Kanal zur Loire, wo wir wieder eine Kanalbrücke erreichen: Die Kanalbrücke bei Briare führt den „Canal-lateral-à-Loire“ in einer gut 600 Meter langen Stahlbrücke über die Loire.

Als Tourist kann man diese Kanalbrücke in einem Ausflugsschiff überqueren und Fotos schießen, was heute aber anscheinend nicht so spannend ist: Jedenfalls sind die Fahrgäste so von unserem Pino fasziniert, das sie auf dem Radweg der Kanalbrücke überholt, dass sie praktisch nichts anderes fotografieren. Hat sich die Fahrt mit dem Ausflugsboot schon mal gelohnt!

 

Der Campingplatz in Chateauneuf-sur-Loire ist heute, Mitte September schon recht leer. Trotzdem hat sich ein mobiler Pizzabäcker auf den Platz verirrt, was wir gnadenlos ausnutzen. Heute abend gibt es französische Pizza, warme Dusche… und abends noch einen Film vom Notebook im Zelt. Und Nüsschen. Und Rotwein. Das Leben ist schön!

Weiter mit „Loire-a-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn“http://www.2radreise.de/loire-a-velo-2-loireschloesser-cheaumont/

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Der Campingplatz -man sollte ihn wahrscheinlich eher Campingplätzchen nennen- liegt heute morgen noch schön im Schatten der hohen Bäume. Das ist auch gut so: Wir hatten in den letzten Tagen schon wirklich heißes Reisewetter, aber heute und morgen stehen die heißesten Tage des Jahres vor uns, der Wetterbericht kündigt uns 35°C an.

Unser Mitleid des Tages gehört auch deshalb schon nach ein paar Kilometern einem französischem Ehepaar, das hier auf der Straße läuft und einen üppig ausgebauten Kinderwagen schiebt.
Neugierig halten wir an: Schon häufig haben wir so ausgestattete Angler auf dem Weg zu ihrem Revier gesehen, aber an diesem Wagen hängen Reservereifen. Das riecht eher nach spannender Geschichte denn nach Anglerlatein.

 

Stellt sich dann auch so heraus. Die beiden sind erfahrene Wanderer und haben diesen Wagen schon durch so manche Ecken von Frankreich geschoben.
Aktuell sind sie auf unserer Strecke, dem Loire-Radweg unterwegs, ganz am Ende ihrer 800-Kilometer-Reiseplanung wollen sie ihren Wagen in Saint Nazaire parken.

Da wo auch wir auf den Atlantik treffen und auf den Eurovelo 1 nach Süden abbiegen wollen. Wir unterhalten uns über die Reisepläne und Erlebnisse, aber hier in der Sonne wird es uns Vieren bald zu heiß. Wir radeln, die beiden schieben weiter.

 

Nach wie vor folgen wir noch auf weiten Teilen der Strecke französischen Kanälen. An Schleusen wundern wir uns manchmal, wie die großen Schiffe hier so zentimetergenau reinpassen, aber auch den Skippern scheint die Mittagshitze heute nicht zu gefallen.

Insgesamt sind recht wenige Hausboote unterwegs, unsere Suche nach potentiellen Mitfahrgelegenheiten erledigt sich damit praktisch von selbst, an Schleusen auf Schiffe zu warten bietet sich absolut nicht an.

 

Die 2RadReise-Mittagspause fällt dann geschickt auf ein Seefreibad mit schönem Baumschatten. Interessanterweise sind wir hier allerdings komplett alleine und der Badesee ist mit „Baignade interdit“ -Baden verboten- komplett abgesperrt.
Bleibt zu klären, ob das die französische Art ist, die Verantwortung für das Ableben potentiell Ertrinkungswilliger auf selbige zu übertragen weil der Strand nicht überwacht ist? Oder dass gefährliche Tiere im See sind? Oder dass der See eben doch auch schon umgekippt ist und das Wasser nicht mehr badetauglich ist?

Bleibt ein Geheimnis der Gemeinde, allzu einladend ist der etwas vermüllte Badestrand eh nicht, wir fahren nach dem Mittagessen ungebadet weiter.

 

Dafür sehen wir nicht viel später eine Nutria beim Baden im Kanal, die sich von uns kaum stören lässt. Ole Isbjørn ist jedenfalls fasziniert von dem Tier und seinen orangefarbenen, erschreckend scharfen Zähnen, diese Tiere kennt er von Norwegen nicht.

 

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir bei der französischen Stadt Digoin die Kanalbrücke, wo der Canal du Centre über die Loire führt und Schiffe auch mal über Brücken fahren dürfen.
Solche Stellen sind schon beeindruckend, diese Brücke wurde schon 1834 gebaut und wird immer noch genutzt und gebraucht.

Die Nacht verbringen wir dann auf dem Campingplatz in Digoin… umgeben von einem hohen Zaun. Entweder wollen die uns wegsperren oder uns vor irgendwas schützen, wieder ein ungelöstes Geheimnis auf unserer Strecke.

 

Am nächsten Morgen sitzen wir auf diesem Campingplatz und schauen uns vor dem Etappenstart die Landkarte genauer an: Wir wollen die Mittagshitze unbedingt mit einer Pause überbrücken und nicht ganztägig in der Sonnenhitze radeln. Das gelingt uns dann auch ganz gut, in Pierrefitte-sur-Loire können wir schon nach 18 Tageskilometern wieder in ein gespenstisch menschenleeres Freibad.

Udo Hintensitzers Französischlehrer hatten schon vor über 30 Jahren von der Urlaubszeit in Frankreich erzählt, wir kennen das auch aus früheren Frankreichurlauben. Im Juli und August fahren praktisch ALLE Franzosen in Urlaub, alle Strände und Urlaubsgebiete sind überfüllt. Macht aber nichts, im September löst sich diese Überfüllung schlagartig, weil alle Franzosen auch gleichzeitig heim fahren und die Urlaubsgebiete wieder freigeben.

So ist es auch hier am See, wir sind komplett alleine in der Mittagshitze, können uns den schönsten Baumschatten aussuchen und überlegen ausgiebig, ob wir uns von den hiesigen „baignade interdit“ Schildern abschrecken lassen.
Lassen wir nicht, wir gehen in der dreistündigen Mittagspause zweimal im erfrischenden -aber schon etwas erdig riechenden- See zum Baden bevor wir die letzten Kilometer nach Bourbon-Lancy auf einer früheren Bahntrasse radeln.

 

Heute abend gibt es wieder unser Lieblingsessen in Frankreich: Dickes Rumpsteak, angebraten in unserem Mini-Pfännchen. Dieses Abendessen macht uns so richtig Spaß. Zwar dauert es wieder fast zwei Stunden bis alle vier Steaks gebraten sind, dafür kann man neben so einer Bratorgie auch toll Rotwein schlürfen und ganz gemütlich in Gängen essen. Nur dass es zu jedem Gang dasselbe gibt: Pro Person ein halbes Rumpsteak mit Steaksoße und Brot.

Bei diesen Gelegenheiten spielt auch unser Holzkocher Solo Stove seine großen Stärken aus: Sein Brennstoff Holz ist für Camper unerschöpflich und es ist dem Kocher vollkommen egal, ob er 10 Minuten oder 2 Stunden lang heizen soll. Mit Gas würde man so etwas nie so ausgiebig kochen, da müsste man im Supermarkt zusätzlich zum Rumpsteak auch die Gasdosen auf Vorrat kaufen.

 

Unsere Weinflasche ist heute noch randvoll, und so fragen wir die radfahrenden Campingplatznachbarn -heute ein deutsches Paar aus dem Allgäu und zwei französische Alleinradler- ob sie noch mit uns auf ein Glas Wein zusammen sitzen wollen. Die beiden Einzelradler zeigen leicht autistische Züge und wollen lieber ihre Ruhe haben, mit dem Paar aus Sonthofen, Michaela und Hubert, entwickelt sich ein richtig toller Abend.

Wir reden über Nordkap-Radtouren (Hubert war vor zwei Jahren per Rad dort oben), über die Reiseziele, über Freizeiten und darüber, dass es Zeitpunkte im Leben gibt, in denen man sich neu orientieren möchte.
Wir haben es recht lustig, bis die Flasche sich zu Ende neigt und bis sich einer der französischen Zeltnachbarn kurz nach 10 Uhr in aller Freundlichkeit nach etwas mehr Nachtruhe erkundigt. Zumindest deuten wir sein schwer verständliches Gebrüll aus seinem Zelt als freundliche Bitte, die nur bedingt durch reduzierte soziale Kontaktaufnahmemöglichkeiten etwas rustikal bei uns ankam.

Jedenfalls trinken wir den letzten Tropfen Wein aus und gehen ins Zelt, belästigen wollen wir ja auch niemanden.

 

Die nächste Tagesetappe soll uns dann über 90 hügelige Kilometer nach Nevers führen, wo wir endlich wieder einmal einen echten Ruhetag einlegen wollen. Es soll nicht mehr ganz so heiß werden, sogar Wolken und etwas Regen ist für den Abend angesagt.

 

An diesem Tag lernen wir wieder ein anderes Stück Frankreich kennen: Die hügelige Landschaftsform erinnert an das Allgäu, allerdings sind die Wiesen nicht durch Elektrozäune sondern häufig durch kleine Mäuerchen oder Hecken begrenzt.
Es gibt wenig Landwirtschaft mit intensivem Mais- oder Getreideanbau, dafür werden die Wiesen für die berühmten Rinder genutzt. Milchvieh ist das nicht, von diesen Wiesen kommt unser leckeres Rumpsteak von gestern abend. Vielleicht sollten wir doch nochmal über das mit dem Vegetarier werden nachdenken.

Die Beschilderung des Eurovelo 6 ist auf diesem Streckenteil nicht ganz so toll, was darin gipfelt, dass wir an ein und derselben Stelle zweimal vorbeikommen… nur mit 10 Kilometern und 40 Minuten Unterschied. Während die Anwohner sich über das zweite Auftauchen unseres lustigen Gefährts wundern ärgern wir uns über 10 Kilometer Umwege. Dumm gelaufen… ähhh gefahren.

Pünktlich zur Mittagspause verabschiedet sich der hintere Schaltzug des Pino zum zweiten Mal und beschert uns Arbeitsteilung während die Wolkendecke schon allmählich dichter wird: Udo Hintensitzer darf sich beim Schaltzugtausch ölige Finger holen, Tina Vornesitzer deckt den Tisch an dem Flussrastplatz direkt an der Loire.

 

Wieder zur Dämmerung erreichen wir das Etappenziel Nevers, wo wir auf einem Campingplatz gegenüber der Altstadt Nevers bei jetzt ziemlich dunklen Wolken einchecken. Den Platz für unser Zelt suchen wir heute auch nach der Geländeform aus, der Himmel wird immer düsterer und wir wollen bei Regen ja nicht in der tiefsten Wanne des Geländes stehen.

Überhaupt wird das heute eine Punktlandung ersten Grades: Wir haben das Zelt aufgebaut, die ersten, vereinzelten Tropfen fallen. Udo Hintensitzer spannt das Zelt fertig ab, Tina Hintensitzer hängt das trockene Innenzelt ein, wir hören den ersten Donner. Jetzt nur noch die Taschen ins Vorzelt und die Schlafsäcke ins Innenzelt und ZACK: Exakt pünktlich mit dem Schließen des Zeltreissverschlusses zeigt uns das Wetter, wie so ein richtiges Gewitter mit Wolkenbruch abgeht.
Lachend über diesen Dusel packen wir unser Vesper heute im Innenzelt aus und wagen uns erst wieder beim Nachlassen des Regens für einen Spaziergang in die Stadt nach draußen.

Am Ruhetag in Nevers schauen wir uns die Altstadt und die Kathedrale ausgiebig an, schreiben ein/zwei Postkarten und eine Blogseite. Die Sonne traut sich schon wieder raus und macht Lust auf den nächsten Reisetag.

 

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Die Fotogalerie der Reiseetappe: