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VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye
Der Ruhetag in La Rochelle war hoch willkommen, alle vier Beine im Team 2RadReise hatten einstimmig dafür gestimmt. Ein Stadtbummel der einfacheren Art war der kleinste gemeinsame Nenner für die Gestaltung des Ruhetages und so finden wir uns im Verlauf des Vormittags nach einer Turmbesichtigung auf dem Place de Verdun vor der Kathedrale in La Rochelle wieder.
Obwohl wir beide ganz und gar nicht religiös sind geht eine Kirchenbesichtigung eigentlich immer und wir bewundern abwechselnd die beeindruckende Architektur früherer Baumeister, mächtige Orgeln oder schöne Bleiglasfenster.
Diese Kathedrale in La Rochelle fesselt uns für eine gute Stunde, bevor wir uns um die Kohlehydrat- und die Eiweißzufuhr zu den Muskeln und um den Koffeinmangel mit zwei Café-au-lait, grand s’il vous plaît, kümmern.
Viel mehr Stadtbummel muss dann gar nicht mehr sein, in einem Supermarkt auf dem Rückweg füllen wir den 2RadReise-Proviant wieder in den grünen Bereich, schreiben ein bisschen Blog, trinken einen Rotwein in der JuHe-Bar und gehen früh schlafen.
Heute ist der erste Oktober. Die Wolken hängen recht dicht über uns und beim Frühstück in der JuHe fallen noch einige Tropfen Regen an die Scheiben. Der Wind weht recht stramm aus Westen und nimmt uns ein bisschen die Lust loszuradeln, aber wir ringen uns trotzdem recht früh -gegen 10 Uhr- zum Start durch.
Es ist dann doch eine schöne Radstrecke, die bis nach Rochefort fast durchgehend Sichtkontakt zum Atlantik bietet. Naja, zumindest dorthin, wo normalerweise der Atlantik ist, wenn nicht gerade tiefste Ebbe herrscht: Heute sehen wir vor allem Boote auf glänzendem Schlick liegen, ganze Häfen sind heute wasserfrei.
Ab Rochefort geht es dann für einige Kilometer ins Land, wo der VélOdysée eine frühere Bahntrasse und später auch einen Kanalweg als Radweg nutzt. Auf der Teilstrecke nach Osten schubst der Westwind uns noch recht kräftig, ab der Wende der großen Schleife sind wir aber um jeden Windschatten von Baumreihen froh.
Richtig knallhart wird es aber dann 10 Kilometer vor Marennes, wo uns eine Radwegsbaustelle auf einen Umweg über das Marschland zwingt. Schlechter Asphalt, gepaart mit dem Gegenwind schlägt immer gleichzeitig auf die Nerven und auf den Stundenkilometerschnitt: Für die 10 Kilometer brauchen wir über eine Stunde und erst das McDonalds-Schild am Ortseingang von Marennes kann unsere Laune wieder glattbügeln. Jetzt noch einen Kaffee und ein Eis als Belohnung für diese letzten Kilometer klingt wie ein perfekter Deal.
Genau in dem Moment kommt eine SMS von Jonas (i-bike-europe.com, ihr kennt ihn aus den letzten beiden Posts). Er sei heute noch nicht weit gekommen, noch vor der Brücke in Marennes… wo wir denn wohl stecken würden und ob wir gemeinsam einen Platz für eine wilde Übernachtung suchen wollten. Klar wollen wir: NACH unserem Eis und unserem Kaffee, den haben uns schließlich verdient. Also rollen wir zum McDonalds und sehen da -Zufall- Jonas schon auf der Terasse beim Blog tippen.
An der französischen Atlantikküste ist wildes Zelten bei den Behörden recht unbeliebt und wird angeblich mit 135€ geahndet. Die Wälder sind sehr trocken und der Respekt vor Waldbränden ist in diesen Regionen enorm hoch, vielleicht ist das -neben dem Sichern des Grundeinkommens für Campingplatzbetreiber- eine der Triebfedern dafür.
Haben wir aber wohl gerade vergessen: Der Radweg nach Marennes führt für gute 10 Kilometer durch ein herrliches Waldstück. Hohe Pinienwälder, die in Richtung Strand zuerst in niedrigere Büsche und Bäume übergehen, bevor es über eine Hauptdüne zum ewig weiten Strand geht. Es muss hier auch Massen von Wildschweinen geben, der sandig-weiche Waldboden ist fast überall von ihnen aufgebrochen.
So suchen wir mit Jonas gemeinsam die Wege ab, die vom Radweg in Richtung Meer gehen und werden schon beim Dritten fündig. Er endet bei einem Fahrradparkplatz unterhalb der Düne. Heute, am bewölkten ersten Oktober liegt die Anzahl der Dünenbesucher exakt bei Null und wir sind in der Dämmerung komplett alleine. Und ganz sicher, dass hier heute Nacht auch niemand mehr zum Baden vorbeikommen wird, richten wir unser Abendessen, trinken mit Jonas noch ein Glas Wein bevor wir unsere Zelte aufbauen und uns für den Matratzenhorchdienst anmelden.
Eine schöne, ruhige Nacht, auch wenn sie noch etwas früher vorbei ist als sonst. Nicht, dass uns ein Wildschwein oder ein Förster geweckt hätte. Nö, der Wecker klingelt heute schon um halb sieben damit wir unsere Zelte schon vor der Morgendämmerung sicher abbauen können bevor die ersten Frühschwimmer (oder Jäger) hier auftauchen könnten.
2RadReise zählt bekanntermaßen zu den Langsamzusammenpackern, in Kombination mit unserem Kaffeetrinktempo bringt uns das morgens erhebliche Zeitnachteile gegenüber Jonas. Er radelt schon lange vor uns wieder los, da wir aber beide dieselbe Fähre über die Girondemündung bei Royan nehmen wollen werden wir uns eh am frühen Nachmittag wieder treffen.
Nicht viel später radeln wir auch los, erwarten flache Radwege für diese Etappe, es geht ja immer auf ungefähr Meereshöhe nach Süden. Pfeifendeckel! Der Radweg ignoriert unsere Vorstellung komplett und klettert über jede Dünen, die er auch nur finden kann. Auch in Royan geht es noch recht sportlich hoch und runter, wir schaffen es nur gerade so auf die Fähre.
Der Nachmittag auf der Südseite der Girondemündung wird dann unser persönliches Atlanikhighlight in diesem Jahr: Die Strände sind jetzt wirklich menschenleer, die Sonne hat sich wieder durchgesetzt und das Meer ist noch herrlich warm. Fast drei Stunden brutzeln wir uns ohne Radklamotten in der Sonne, baden in den Brechern, Vespern in den Dünen und dösen in den Nachmittag. Auch Ole tollt die ganze Zeit im Meer: wir brauchen ewig, um ihm hinterher den Sand aus den Trollhaaren zu bürsten.
Abends treffen wir dann wieder…. richtig: Jonas. Wir verdanken ihm auf dieser Strecke ein paar schöne Übernachtungsplätze: Immer wenn wir zu zögerlich und zu wählerisch sind, um endlich einen ‚wilden‘ Zeltplatz in der Dämmerung zu kapern brauchen wir einen kleinen Extratritt. In dem Fall von Jonas.
Wieder ist es ein schöner Platz ganz knapp hinter der Düne zum Atlantik, zu dem wir unser Tandem zwar durch den Sand tragen müssen, dafür aber ein tolles Abendessen mit Couscous, Gemüse und Rotwein beim Sonnenuntergang genießen können.
Wir bauen unser Zelt nahe am Wald auf, Jonas lässt sich den Übernachtungsplatz auf der Düne mit direktem Blick auf Mond und Meer nicht nehmen und stellt sein Zelt ganz oben auf die Dünenkante.
Jetzt im Oktober sind die Nächte schon recht kühl und der morgendliche Wind schon ziemlich frisch mit gerade mal 6-8°C. Wie jeden Morgen beim wilden Zelten muss das Zelt schon vor dem Sonnenaufgang in seinen Packsack und wir warten beim Frühstück sehnsüchtig darauf, dass die Sonne über die Waldkante blinzelt und anfängt, uns zu wärmen bevor wir ein/zwei Stunden später auf das Rad sitzen und langsam anradeln.
Auf die Spitze treiben wir es aber am nächsten Tag: Es gibt keinen offenen Zeltplatz für uns, Pensionen sind auch Fehlanzeige, der einzige Übernachtungsplatz ist wirklich mitten im Wald, wo morgendliches Bummeln oder frühstücken absolut nicht infrage käme. Hier radlen wir wirklich schon vor 8 Uhr morgens im Vorsatz los, am nächsten Platz in der Sonne das Frühstück nachzuholen.
Wir radeln nicht nur im Vorsatz, sondern auch barfuß in den Sandalen und schlotternd bei gerade mal 7°C für die ersten 15 Kilometer bis wir wenigstens einen Weg in die Dünen finden wo wir gefahrfrei einen Kaffee kochen können. So gefroren haben wir auf der ganzen Reise noch nicht, der warme Kaffeebecher schafft es kaum, unsere Finger aufzuwärmen.
Dafür sehen wir auf den nächsten Kilometern einige geschälte Bäume in den Wäldern rechts und links. Ole Isbjørn nennt sich einfach mal frech Naturistenfichten, weil sie ohne Rinde so nackig daherkommen. Wir schauen sie aber genauer an: Das sind Korkeichen, deren zentimeterdicke Rinde sorgsam abgeschält, abgeerntet wurde. Ab hier und durch ganz Spanien werden wir diese Korkeichen immer wieder an der Strecke finden. Hoffentlich frieren die nicht, jetzt wo es morgens so kalt ist!
So fahren wir insgesamt fünf Tage von La Rochelle in Richtung Spanien, die meiste Zeit durch Kiefernwälder, oft am Atlantik, manchmal aber auch an den kleinen Seen im Hinterland in Richtung Süden. Die Radwegführung des VélOdysée ist sehr ansprechend und der Asphalt meistens angenehm gut. Hatten wir diesen Fernradweg schon gelobt? Haben wir 🙂
Genug gelobt, die letzte Etappe des VélOdysée vor der spanischen Grenze kann sich der werte Nachradler leicht sparen. Auf der Internetseite des Radfernweges wird diese Etappe mit „anspruchsvoll“ markiert, was wir nach ausführlicher Inaugenscheinnahme (ja, das Wort gibt’s) voll und ganz bestätigen können.
Den Anfang macht Biarritz, wo die Radwegplaner keine Umfahrung der mondänen Stadt am Atlantik gefunden haben und einem wunderschöne Blicke über die Klippen der Stadt gönnen.
Dafür darf man sich halt über unzählige Kletterpassagen hoch und runter im hektischen Verkehr einreihen.
Aber auch die Kilometer danach sind kein Spaß: Entweder ist der Radweg direkter Teil der Bundesstraße -und Ausscheren scheint in Frankreich nicht Teil des Überholvorganges an Fahrrädern zu sein- oder der Radweg nutzt Fußwege nahe der Bundesstraße.
Unser persönliches Highlight des Tages ist dann eine Steigung mit guten 20% auf einem solchen Fußweg. Ein klitzekleines Prozentchen mehr hätte hier ausgereicht, um uns zum kompletten Abladen unseres Gepäckes zu zwingen und wir hätten alles einzeln hochtragen und hochschieben müssen.
Ein gebührender Abschied von Frankreich, nassgeschwitzt und leicht von Moschusduft behaftet fahren wir nach Spanien, fünftes und letztes Land auf unserer 2RadReise.