Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

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Jakobsweg 2: Burgos – Fromista

Die Etappen des Camino Francés von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Burgos (hier bei Kilometer 280) führen über die Pyrenäen, danach durch die bergige spanische Provinz Navarra, Rioja und Kastillien/Leon. Der Camino nimmt die Berge alle mit und fordert von den Pilgerern hier wirklich deftige Höhenmeter auf den Kies- und Steinwegen.

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

Höhenprofil Camino Francés, Quelle www.camino-frances.com

 

Für uns -auf dem Camino seit Pamplona- heißt das, dass die Längen unserer Tagesetappen wieder ziemlich eingeschmolzen sind: Zum Einen haben wir doch einiges an Gewicht am Rad und fluchen -ääh… stöhnen- bei jedem steilen Stich ganz unheilig.
Zum Anderen müssen wir auf fast allen abfallenden Strecken wegen dem holprigen Weg auf fast Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen wenn wir keinen Materialbruch riskieren wollen. Falls wir uns in einer späteren Radreise wieder auf den Camino verirren sollten sollten wir mindestens breitere MTB-Reifen aufs Pino aufziehen… am liebsten aber gefedert fahren.

 

Mit diesen verkürzten Etappen steht unser Reiseplan aber ein wenig auf der Kippe: Wenn wir wirklich noch bis Santiago de Compostela fahren wollen bevor wir in Richtung Gibraltar abbiegen müssen wir dafür mindestens 14 Tage an Reisezeit extra einplanen. Dazu kommen die bis zu 1500m hohen Berge in Galizien im Nordwesten Spaniens, die sich uns in den Weg stellen werden und das regnerisch-kühle Klima dieser Landschaft im Herbst.

Unseren Ruhetag in Burgos verbringen wir deshalb vornehmlich im Straßencafé über der Spanien/Portugalkarte und planen die verschiedenen Möglichkeiten in gpsies.com um Strecken und Höhenmeter vergleichen zu können.
Zur Abstimmung steht:
Die verbleibenden 5 Reisewochen entweder mit guten 1800 Kilometern zu füllen und dabei sowohl Galizien als auch das Eintauschen des Pilgerausweises gegen offiziellen Heiligenschein in Santiago mitzunehmen.
Oder stattdessen schon in Fromista, 70 Kilometer nach Burgos, nach Süden auf den Camino de la Plata abzubiegen und runde 600 Kilometer in der Restreiseplanung einzusparen.
Der zweite Planfall bringt uns früher in den Süden Spaniens -beim heutigen kühlen und wolkigen Wetter in Burgos ein besonderes Argument- und nimmt uns jeden Leistungsdruck, was die Tages- und Wochenetappen betrifft. Und er bringt uns damit mehr Ruhetage, entspanntes Ausrollen für die letzten Tage unserer 2RadReise und die Möglichkeit, die Feinroutenplanung an interessanten Strecken in Südspanien noch anpassen zu können.

Gebongt, Argumente genug, abgestimmt: Wir nehmen Planfall 2 und werden in den nächsten Tagen auf den Camino de la Plata umsteuern, der in einer kurzen Spange ab Fromista erreichbar ist.

Vorher müssen wir nochmal eine Lanze für den Camino de Francés brechen: Nicht nur, dass seine Infrastruktur sehr gut ist, dass die Etappen, die wir bisher kennengelernt haben durch sehr schöne Gegenden führen.
Nein, dazu kommt auch noch eine tolle Atmosphäre auf dem Camino, die Anwohner hier scheinen vom Trubel mit den vielen Muschelträgern kaum genervt zu sein. Hier sagt man nicht guten Tag, hier muss man sich ziemlich fix an ein freundlich aufmunterndes „Buen Camino!“ gewöhnen. Und ein bisschen Magie hat er wirklich auch. Vielleicht kommen wir wirklich -auf dem Rad oder in Wanderstiefeln- mal wieder hierher.

 

Das Höhenprofil des Camino zeigt ab Burgos ein Hochplateau um die 800 Höhenmeter, für uns der schönste Teil des Camino, den wir gesehen haben. Es ist eine sehr karge Landschaft, jetzt im Oktober dominieren graue bis hellbraune Farbtöne der trockenen Felder.
Zum Teil sind es weite Ebenen, über die die Pilger ziehen müssen, zum Teil geht es noch über steile, aber jetzt weniger lange Anstiege. Karge Landschaften sind nicht jedermanns Sache, für uns bieten diese Tage ähnlich wie Nordnorwegen ganz besondere Ausblicke und wir haben deutlich mehr Fotostopps als an normalen Tagen, der Blick in die Bildergallerie lohnt sich heute besonders 🙂

 

Nur… Campingplätze sind ebenso wie versteckte Winkelchen für wildes Übernachten echte Mangelware, dabei würden wir zu gerne mal wieder an einer schönen Stelle übernachten: Abends noch -ganz alleine- unter dem Sternenhimmel ein Glas Rotwein trinken, erst ins Zelt flüchten wenn es richtig kalt wird und der kuschelige Schlafsack die besseren Argumente hat und morgens schon vor der Dämmerung das Zelt abzubauen damit wir beim Sonnenaufgang unseren Kaffee kochen können. Und dann, in der Morgendämmerung die klammen Finger an der dampfenden Kaffeetasse wärmen bis wir uns zum Weiterfahren aufraffen.

So radeln wir am Abend dieser Etappe alle Seitenwege ab um ein wildes Plätzchen zu finden. Das ist heute ganz besonders schwierig, weil die Landwirte im Moment am herbstlichen Pflügen ihrer Felder sind und bis spät in den Abend einen Überblick über die weiten Täler haben.
Erst kurz vor Itero del Castillo finden wir dann einen hübschen Rastplatz direkt am Camino.
Mit Betontischen für Abendessen.
Mit Quelle.
Mit Ausblick.
Zur Not könnte man sogar das Zelt innerhalb des ummauerten Rastplätzchens aufbauen, oder eben 200 Meter den Pilgerweg zurück am Rand eines Feldes.

 

Genial… wir sind euphorisch und wollen es perfekt einfädeln: Zuerst mal ein Süppchen kochen, ist ja noch viel zu hell um das Zelt hinzustellen. Und dann haben wir ja noch eine halbe Flasche Rotwein, die könnten wir uns hier gönnen bis der letzte Bauer das Feld geräumt hat. Das Zelt hinterher im Dunkeln aufbauen ist inzwischen eine Standardübung, kriegen wir auch nach dem Glas Rotwein noch ganz easy hin.

Ausgeträumt: Wir haben unser Süppchen noch gar nicht gekocht, als ein Bauer auftaucht und uns den Platz ganz trocken vermiest. Er wirkt zwar einigermaßen freundlich und offen, interessiert sich dafür, wo wir herkommen. Auf der anderen Seite steigt er kein bisschen in die spanischen Brocken ein, die wir zu Erzählen versuchen oder die wir per google-translate aus dem Handy holen. Dafür verstehen wir sein Spanisch in Fetzen: Ob wir wild campieren wollten? Ob wir noch weit fahren? Dass es in zwei Kilometer Entfernung vier Herbergen gäbe… sagt er mindestens drei Mal.

Jedenfalls wird uns unsere neue Bekanntschaft jetzt dubios und wir werden unsicher: Wollte der nur wissen, was wir machen oder wollte der uns durch die Trockenblume sagen, dass wir gefälligst hier verschwinden sollten?

Wir befürchten Zweiteres und packen unser Pino nach dem Süppchen zähneknirschend wieder auf und radeln in das Hostal Puente Fitero in Itero de la Vega. War es halt doch wieder nix mit Zelt auspacken.

Plan B mit der Herberge entwickelt sich dann aber auch richtig gut: Auf dem Camino sind immer spannende Leute unterwegs, gerade weil jeder so sein Geschichtchen mit sich auf den Pilgerweg bringt entwickeln sich immer interessante Gespräche. Diesen Abend verbringen wir caminotypisch international: Mit Libby und Peter, die aus Australien kommen, per Housesharing in Europa unterwegs sind, mit Jessica, einer Schwedin mit deutschem Namen, die in Madrid wohnt, mit zwei Amerikanern, einer Französin, einer Belgierin und einer Kanadierin (sorry, Namen vergessen).Der Camino empfiehlt sich nochmals… WAHRSCHEINLICH kommen wir wirklich mal wieder.

Am Morgen sind wir die letzten Aufsteher, die meisten Wanderer von gestern abend sind schon längst in den Stiefeln unterwegs. Bis wir dann den zweiten Café con Leche mit Libby und Peter getrunken und das dritte Tostada con Mantequillo y Mermelada gegessen haben sind sie wortwörtlich schon über alle Berge.

 

Diese letzte Etappe auf dem Camino Francés macht uns den Abschied schwer. Nicht nur, dass schon uns das hausfüllende Graffity am Ortsausgang den rechten Weg weisen will, auch die Landschaft bleibt genial und am Ende stellt sich uns sogar noch eine Herde Schafe in den Weg. ZIEMLICH SICHER… kommen wir mal wieder.

 

In Fromista -hier steht eine historische Schleusentreppe, die inzwischen leider komplett außer Betrieb und zugemauert ist- biegen wir dann wirklich von ‚unserem‘ Camino ab und nehmen den sehr schönen Kiesweg, der am Canal de Castillo entlang bis nach Medina de Rioseco führt.

Auch wenn wir vor ihm flüchten wollten ist der Herbst hier doch schon angekommen und gibt dem Weg eine ganz besondere Ausstrahlung mit den Blättern auf dem Weg und mit den leuchtenden Herbstfarben in den Bäumen.

Gleichzeitig ist der Umstieg vom Jakobsweg hierher aber ziemlich krass: Wo man auf dem Camino Francés immer mindestens ein Wanderer in Sichtweite war ist hier plötzlich komplette Stille und wir sehen über Kilometer keinen Menschen. Dafür hören wir den Anhänger mehr und mehr rumpeln, der Weg hat sich auch so verschlechtert, dass wir nach 20 Kilometern -es wird auch schon Abend- wieder auf die Straße ausweichen.

Übernachtung wie gehabt, wir finden keinen wilden Zeltplatz und müssen nach Herbergen suchen, was sich abseits von großen Pilgerwegen auch als schwierig erweist: Erst mit Hilfe von einer Polizeistreife und Polizeistation lässt sich ein Casa Rural, 12 Kilometer weiter, ausfindig machen und wir übernachten wieder mal… nicht im Zelt.

 

Weiter mit „Wild übernachten…“

Die Fotogallerie dieser Reisetage:

Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

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Jakobsweg 1: Pamplona – Burgos

 

Gestern sind wir also auf dem Jakobsweg angekommen. Eigentlich gibt es viele Megabyte Information, viele Bücher, viele persönliche Erfahrungsberichte über den Jakobsweg, auch Hollywood hat sich schon ausgiebig um den Camino gekümmert, was sollen wir darüber noch ausführlich schreiben?

Versuchen wir’s mit unserer persönlichen Sicht auf diesen Weg nachdem wir einige Stunden darauf verbracht haben:

Der Jakobsweg ist ja in erster Linie ein unendliches Netz an Pilgerwegen, die sich aus ganz Europa kommend mehr und mehr zusammenfädeln um ganz final an der Kathedrale in Santiago de Compostela zu enden. Unendlich viele kleine Wege, fast jeder wird von sich sagen können, dass er doch „ganz in der Nähe“ eines Jakobswegs wohnt und die Schilder mit der gelben Jakobsmuschel auf blauem Grund schon gesehen hat.

Netz der Jakobswege in Westeuropa. Quelle: www.pilgern.ch

Der wohl berühmteste -und meistgegangene- Weg ist der Camino Francés, der von Saint-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen nach Pamplona und dann in Ost-West Richtung bis nach Santiago de Compostela in Galizien führt. Leute, die die Bremse dort nicht auf Anhieb treffen gehen auch gerne bis zum Atlantik nach Kap Finisterre („Ende der Erde“) weiter, wo man wirklich aufhören muss wenn man keine nassen Füße bekommen will.
Knapp 800 Kilometer über weitgehend sehr anspruchvolle, bergige Etappen, staubige und steinige Wege mit wenig Schatten. Aber auch unzählige Dörfer mit mindestens ebensovielen Kirchen, Eremitagen, die am liebsten alle auch den Camino im Beinamen tragen wollen.

Extrem spannend sind die Menschen, die hier wandernd unterwegs sind, hier müssen wir unser früheres Vorurteil grundlegend revidieren: Hatten wir doch hauptsächlich mit ganz besonders spirituellen Wanderern gerechnet, dazu noch mit Pilgerern, deren religiöse Vorstellungen für Ottonormalbeter nicht immer ganz nachvollziehbar sind, treffen wir ganz andere Leute als erwartet.
Obwohl wir mit dem Oktober vermutlich eine Pilgernebensaison sehen, treffen wir doch innerhalb eines Tages ganz locker Menschen aus allen Kontinenten. Den einzelnen Wanderer aus Mexiko in der Herberge, ein Paar aus Australien, dessen gute Laune kaum zu bremsen ist, mehrere Amerikaner, die von Hollywoods „The Way“ inspiriert waren, Paolo aus Singapur oder sehr viele Wanderer aus Südkorea und China -deren Wandermotive wir mangels Chinesischkenntnisse bei uns und Englischkenntnissen bei denen nicht erfahren konnten.

Und dann noch ganz besondere Geschichten wie die von Julian und Laura aus der Schweiz, die sich hier auf dem Jakobsweg kennengelernt haben. Nachdem sie in der Schweiz vielleicht gerade mal 100 Kilometer auseinanderwohnen gehen beide ZUFÄLLIG denselben Weg durch Frankreich und Spanien. Julian ab Zürich, Laura ab Le Puy/Ostfrankreich, treffen sich zufällig auf dem Jakobsweg mit demselben Ziel und…. sehen fast aus würden sie bis Santiago zu einem besonderen Paar werden. Ist das Vorsehung?

Laura und Julian aus der Schweiz mit dem 2RadReise-Team

 

Vermutlich zieht der Camino Francés seine Popularität nur zu einem Teil aus dem religiösen Pilgergedanken. Was diesen Weg für jede Art von Wanderern aber so genial macht, ist seine perfekte Infrastruktur: Jedes Dorf auf dem Weg bietet neben einer Pilgerherberge mit Massenschlafsälen mindestens noch ein halbes Dutzend günstiger Pensionen. Dazu Einkaufsmöglichkeiten, Wasser, Cafés, günstige Restaurants und sogar einen Rucksackservice. Richtig: Rucksackservice. Der geschundene Rücken des Pilgerers kann für günstige 5 Euro einen Tag lang entlastet werden, dann fährt ein Dienstleister den schweren Sack zur gewünschten nächsten Ortschaft.

Zur Infrastruktur kommt dann die Anzahl der Wanderer. Je nach eigener mentaler Situation kann man ganz leicht einen Tag lang in eigenen Gedanken vor sich hinwandern (man muss nur schauen, die wegweisenden Muscheln nicht zu verbummeln) ohne einen Ton kommunizieren zu müssen.
Genauso kann man sich aber auch jederzeit an einen oder mehrere andere Pilgerer anklammern und denen Geschichten in die Ohren schrauben bis die nicht mehr wollen. Manche scheinen auch den Partner fürs Leben dort zu finden… eine gemeinsame Ader zu Wandern hat man ja schonmal.

Viele der Pilgerer scheinen das auch zu genießen. Wir haben mehrere Leute gefunden, in deren Leben ein harter Bruch der Initiator für die Wanderung war und die diese Mischung aus In-sich-gehen aber auch gleichzeitig ausreichend Kommunikation mit interessanten anderen Menschen zu finden als Zündfunke für ihr weiteres Leben suchen.

Und… sind wir ganz ehrlich: Ein wenig Magie dieses Weges fühlen wir plötzlich auch in uns.

Soviel zur Philosophiestunde, zurück zur 2RadReise:

Wir haben gut geschlafen. Mag an den Matratzen der Herberge liegen, an der ruhigen Umgebung im Ort oder vielleicht auch an dem wirklich sehr anstrengenden Vortag mit den vielen Höhenmetern.
So eine Gemeinschaftdusche ist dann doch noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dafür ist das Frühstück mit anderen Pilgern und deren Geschichten ganz gesellig. Der Kaffee stand zwar schon gestern kalt in der Kaffeekanne, tut dem schwäbisch/schottischen Grundgedanken des Herbergsvaters aber keinen Abbruch. Den kann man ja in der Mikrowelle nochmal warm machen bevor man ihn mit „con leche“ serviert.
Wir wollen nicht nörgeln, bei einer Übernachtung im Doppelzimmer für 35 Euro inklusive Frühstück für zwei Personen ist halt Kaviar und Champagner nicht immer dabei.

Dafür bekommen wir -standesgemäß- beim Bezahlen noch eine Jakobsmuschel geschenkt. Der Herbergsvater hat sicher gleich erkannt, dass wir ganz besondere Musterpilgerer sind.

Wir folgen in den nächsten Tagen weitgehend dem Jakobsweg, der meist ein staubiger und steiniger Feldweg in Traktorbreite ist. Abhängig von der Steingröße und Holprigkeit ist das manchmal ganz gut zu fahren, selten höppeln wir aber mit dem Pino so von Stein zu Stein dass wir uns fast Sorgen um Materialermüdung und Gepäck machen müssen.
An vielen Stellen nehmen wir aber auch die Straße als Umfahrung, wenn die Steigungen auf dem Jakobsweg zu fies oder die Wegbeschaffenheit zu grob aussieht.

In Puente la Reina trinken wir in der Hauptgasse einen zweiten Kaffee und lassen die vorbeiziehenden Pilgerer auf uns wirken. Fühlt sich wirklich magisch an, hier zu sein, erst nach dem dritten Kaffee machen wir uns weiter auf den Weg.

ganz so hart ist das Pilgerleben gar nicht…

 

Maroni kochen steht noch fest auf unserem Plan, wir trauen uns in der trockenen Landschaft und wegen der vielen „Feuer verboten“ Schilder aber nicht, unseren Holzkocher auszupacken. Erst gegen Abend finden wir einen Rastplatz mit Grillstelle wo wir den Hobo aufbauen können.

Toll: Es ist Oktober und wir vespern Maroni im Freien. Fast wie Weihnachtsmarkt. Nur, dass die Maroni selbstgesammelt sind und der Wein ohne Glüh ist.

 

Die Route führt uns in den nächsten Tagen über Irache, Navarrete und Grañon über die besagten Wanderwege. Udo Hintensitzers neuer Sattel aus dem Irun-Ruhetag harmoniert seit Anfang an recht wenig mit des Hintensitzers Hintern. Das, in Verbindung mit den wirklich holprigen Wanderwegen trägt nur mäßig zur guten Laune bei, in Navarrete hat der neue Sattel verloren und muss seinen Platz wieder gegen den alten -jetzt geflickten- Sattel tauschen. Wirkt sofort, radeln macht gleich wieder viel mehr Spaß.

 

Insgesamt erleben wir vier ganz besondere Tage mit herrlicher Landschaft auf diesem Teil des Camino Francés bevor wir in Burgos unseren nächsten Ruhetag machen. Den wir auch verdient haben: Nicht nur, dass die Strecke enorm hügelig ist, wir haben hier auch den höchsten Punkt unserer 2RadReise vom Nordkap nach Gibraltar erreicht: Der Espinosa-Pass mit 1150 Metern Höhe.

 

Ein neues Hobby haben wir auch für uns entdeckt: Stempel sammeln. Wir haben schon gemerkt, dass wir den Pilgerausweis wohl gar nicht brauchen werden, weil Tina Vornesitzer sich standhaft weigert, das Erlebnis Massenschlafsaal in einer örtlichen Pilgerherberge für günstige 5-8€ pro Nacht zu buchen. Schade eigentlich.
Trotzdem macht es uns riesig Spaß, Stempel in jeder möglichen Ortschaft -sei es in der Pilgerherberge, in der Bar oder in der Kirche- abzuholen. Sind halt doch Musterpilgerer,

Buen Camino!

Weiter mit der nächsten Etappe

Die Bildergallerie der Reisetage:

 

Auf nach Spanien

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Auf nach Spanien

Spanien… letztes Land in unserer 2RadReise von Nord nach Süd.
Die grobe Routenplanung durch Spanien macht einen Schlenker durch Spanien: Von der französischen Atlantikküste kommend wollen wir zuerst dem (in Spanien nur angedachten) Eurovelo 1 folgen und zuallererst von der Küste hoch nach Pamplona fahren.
Ab hier soll die Route dann dem Jakobsweg -Camino de Francés- nach Westen folgen, im Idealfall bis nach Santiago de Compostela. Danach dann ein Stück zurück nach Osten und mit dem Camino de la Plata eine weitgehend senkrecht südliche Route über die Extremadura und Andalusien nach Gibraltar und Tarifa. Damit liegen historisch sehr spannende Städte immer auf unserer Linie: Caceres, Merida, Salamanca und Sevilla.

 

Die letzte Etappe in Frankreich hatte dem 2RadReise-Team vor der spanischen Grenze eine Menge Körner abverlangt, zur Belohnung gehen wir den ersten Abend in Spanien essen. Es ist ein lauer Abend, das Stadtzentrum ist voller Menschen, Live-Musik auf dem Stadtplatz und es geht gegen Mitternacht bis wir in unserer Pension einlaufen. Pension? 2RadReise in einer Pension, nicht auf dem Zeltplatz, kein wildes Camping?

Nö, kein Camping, Spanien zieht uns diesen Zahn gleich am ersten Abend: Der einzige Zeltplatz bei Irun liegt an der Küste -weit abseits von unserer Fahrtroute-, die Jugendherberge hat schon seit über einem Jahr geschlossen.

Trotzdem legen wir in Irun einen kompletten Ruhetag ein und kümmern uns noch um die Dinge, die man als Reiseradler an normalen Tourentagen nicht schafft: Wäsche waschen, Handy-SIM-Karte für Spanien besorgen, Ersatzteile fürs Rad kaufen, Blog schreiben, nächste Radetappen planen und -ganz wichtig- in der warmen spanischen Oktobersonne faulenzen.

 

Auf zur ersten spanischen Etappe: Von der Atlantikküste in Irun führt uns der Eurovelo 1 entlang dem Fluß Bidasoa einer früheren Bahntrasse mit erträglicher Steigung in Richtung Pamplona.
Diese Bahntrasse ist in Spanien auch eines der ganz exklusiven Stücke, auf denen der Eurovelo 1 auch wirklich ausgeführt und beschildert ist. Sehr schade, wenn man sieht dass dieser Europaradweg über 1200 Kilometer quer durch Spanien führt, aber nur auf wenigen 10 Kilometern wirklich ausgeführt oder wenigstens offiziell geplant ist.


Wir lieben Bahntrassen
und lassen uns auf dieser sehenswerten Strecke richtig viel Zeit. Außerdem hat es hier reife Esskastanien: Wir fühlen uns in der warmen spanischen Oktobersonne gar nicht nach Weihnachtsmarkt, können der Versuchung aber nicht wiederstehen und sammeln uns eine Stofftasche voll davon für ein späteres Picknick.

Auch danach kommen wir nur zäh weiter, schon nach 10 Kilometern nutzen wir den ersten Rastplatz für unsere Campingküche mit Couscous und Ratatouille. Dieses Mal kocht Tina Vornesitzer während Udo Hintensitzer neue Bremsbeläge und den neuen Sattel am Pino montiert.

So wird aus dem Gebummel keine nennenswerte Tagesetappe und wir buchen uns nach runden 40 Kilometern in einer Herberge in Oronoz ein. Schon wieder Herberge? Jepp, kein Campingplatz, keine Stelle für eine wilde Übernachtung. Alles eingezäunt in Spanien. Sollte das ein Omen sein?

 

Morgens frühstücken wir noch unser Müsli im Hotelzimmer und nehmen uns vor, den Kaffee auf dem Weg in die Berge zu kochen. Die Etappe wird heute eine sehr harte Tour, es stehen knapp 1000 Höhenmeter auf dem Weg nach Pamplona an, außerdem anscheinend eine recht kalte Einheit. Zumindest hängt jetzt, um 10:00 morgens noch der Nebel im Tal und es hat wirklich nur gerade so 5°C auf dem Thermometer.

Wir kennen diese Straße vom Atlantik nach Pamplona schon aus früheren Wohnmobilurlauben. Hier führt die Schnellstraße in satten Steigungen nach oben und -was in vielen anderen europäischen Ländern unvorstellbar wäre- lässt Radfahrer explizit zu. Zumindest auf den Streckenteilen, die keine Straßenalternative bieten.

Nicht ganz schön zu fahren, aber der Seitenstreifen ist gut, die Schnellstraße zweispurig und der spanische Verkehr weitestgehend rücksichtsvoll im Seitenabstand.
Zum Glück führt ja auch die frühere Passstraße in Zwischenstücken immer wieder abseits der Schnellstraße in Serpentinen hoch.
Naja, Glück ist ein temporäres und flüchtiges Gut: Die Schnellstraße befindet sich just am steilsten Serpentinenstück in Renovierung und ist gesperrt, sodass nicht nur wir, sondern auch sämtliche LKWs sich auf die Ausweichstraße quälen müssen. Wer sich Radreise auf die ganz harte Tour geben möchte sollte sich eine solche Strecke raussuchen: Ausreichend Steigung von wenigstens 7-9% plus erheblichen Verkehr und unübersichtliche Kurven, die es den Überholern so schwer wie möglich machen nach Vorne zu kommen.

Wir geben unser Bestes, ausreichend Tempo zu halten um nicht zu sehr hin- und her zu schwanken und nehmen uns eine verdiente kleine Pause als dieses Streckenstück durch ist. Besser (und ehrlicher): Wir sind beide knapp an der Kotzgrenze, stellen das Pino auf den Ständer und keuchen uns die Anstrengung aus der Lunge.

Später bekommen wir dann unsere Ausweichstraße wieder für uns alleine und machen die erste geplante Rast wenige zehn Höhenmeter unterhalb der Passhöhe und packen in Gedanken schon mal den Kocher aus um uns endlich unseren Frühstückskaffee zu kochen.
Gleich zuende gedacht, drei Schüsse holen uns aus unseren Träumen zurück und es folgt die nächste skurille Szene mit Jägern: Am Rande des Parkplatz entdecken wir jetzt etwas, was wie ein großer Reisighaufen aussieht und aus dem es herausqualmt. Nicht zu fassen, hier sitzen wirklich drei Jäger im selbstgebauten „Versteck“ und warten rauchend auf fette Beute. Beziehungsweise auf die paar einzelnen Tauben und Wachteln, die sich hier im Viertelstundentakt über den Berg wagen. Mir wär’s peinlich, aber die drei scheinen ausreichend Zigaretten und Spaß zu haben. Bei der nächsten Ballerphase (wieder nix getroffen!) hören wir die Schrotstückchen ganz in unserer Nähe herunterfallen und entscheiden uns dafür, den Kaffee auf einen besseren Ort zu verschieben. Haben ja Zeit.

 

Zwei Kilometer später sind wir an der echten Passhöhe, kochen unseren Kaffee direkt unter dem „Feuer verboten“-Schild (nein, wir sind ganz sicher, dass da überhaupt nichts brennbares in Reichweite des Kochers war), setzen uns in die Sonne und tunken unsere Madeleines in den Kaffee. Tolles zweites Frühstück!

Der höchste Punkt der Fahrt nach Pamplona liegt damit hinter uns, jetzt wäre eine längere Abfahrt auf der Schnellstraße auf dem Plan. Bei dem schönen Wetter und in Erinnerung des lästigen Verkehrs vom Vormittag kommen wir aber auf dumme Gedanken und lassen uns eine Alternativroute planen. Bringt uns halt einen zweiten kleinen Pass plus kleine Straßen im Austausch gegen die Schnellstraße.
Die Abstimmung fällt mit 3:0 zugunsten des Umweges (Ole kann leicht dafür stimmen, der muss ja keine Pässe treteln) und wir fahren über so klingende Dörfer wie „Arraitz-Orkin“, „Alkotz“, „Iraizotz“ oder „Zenotz“.
Ok, zugegeben, für baskische Ohren mag sich Meckenbeuren, Zwickau oder Hummelsbrunn ähnlich doof anhören.

Das 2RadReise-Team ist sehr vogelbegeistert und wir genießen den Lebenstraum von Nord nach Süd schon ein ganzes Stück weit mit jeder Art von Vogelbeobachtungen. Aber was jetzt kommt ist schon eine unglaublich tiefe Begegnung: Auf einer sanften Abfahrt nach Alkotz begleitet uns ein großer Milan in gerade mal 10 bis 15 Metern Höhe, wir können jede Kopfbewegung, jede Feder von ihm sehen. Er schwebt über mehrere hundert Meter der Strecke direkt über uns, schaut uns an, fliegt manchmal ein Stückchen rechts über uns, dann wieder ein Stückchen links. Zwei/drei Kurven durch die Ortschaft, wir verlieren ihn aus den Augen, fahren den Berg weiter in Richtung Iraizotz… und er ist wieder da und folgt uns weitere 500 Meter bevor er das Interesse an uns endgültig verliert und abdreht.

Schade, dass wir diese Begegnung nicht fotografieren oder filmen können, für uns bleiben diese drei Minuten aber ein ganz großes und unvergessliches Erlebnis der 2RadReise.

Pamplona erreichen wir am frühen Abend, treffen zum ersten Mal auf den Camino de Francés.
Gruppen, die sich sehr auf religiöse Identität fixieren sind uns eigentlich eher suspekt, trotzdem machen wir in Pamplona einen Umweg zur Kathedrale und zur dortigen Pilgerherberge: Wir wollen uns einen Pilgerausweis holen. Das Papier, in dem man per Etappenstempel dokumentieren und nachweisen kann, dass man den Jakobsweg wirklich gepilgert ist. Quasi eine kleine Heiligenscheinvorlage, die man sich komplettstempeln lassen kann.

Wenn man jetzt unseren bisherigen Lebenswandel in Betracht zieht -inklusive Kaffee kochen unter dem „Feuer verboten“-Schild- wäre das mit dem Heiligenschein ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen, trotzdem wollen wir uns dieses Papier gerne sichern. Denn dieser Ausweis dient als Eintrittsberechtigung in Pilgerherbergen und gibt uns die Chance solche Pilgermassenschlafräume im Notfall nutzen zu können. Ohne diesen Ausweis bekommt man in örtlichen Pilgerunterkünften nämlich keinen Schlafplatz.

Der Pilgerausweis wirkt sofort: Nicht nur, dass wir die Beschilderung des Jakobsweges sofort erkennen (unübersehbare Jakobsmuscheln in der Fußgängerzone, die den Weg weisen), wir identifizieren sogar auf Anhieb die Beschilderung für Radfahrpilgerer, die vom Fußweg an einigen unfahrbaren Stücken abweicht.

So finden wir unseren Weg an den nächsten drei Kreuzungen problemlos, an der vierten erfolgreichen Kreuzung erklärt sich Udo Hintensitzer schon zum Vorzeigepilgerer erster Klasse und erwägt einen Berufswechsel zum Pilgerführer… nur um an der fünften Kreuzung so fehl zu fahren dass wir erst Kilometer später wieder auf den richtigen Weg finden.
Am Ortsausgang von Pamplona dämmert es dann schon, im Nachhinein wissen wir gar nicht so genau, warum wir nicht schon in dieser Stadt nach einer Unterkunft gesucht hatten. Zur nächsten Ortschaft mit Herberge sind es noch glatte 15 Kilometer inklusive einer weiteren Steigung über gute 150 Höhenmeter. Diese Steigung meistern wir auch gerade so noch, es ist inzwischen dunkel und wir sind beide ziemlich nah an der Erschöpfungs- und Nörgelgrenze. Zum Glück ist das Zimmer in der Herberge trotz des niedrigen Preises von gerade mal 29€ ganz passabel für uns. Nach dieser persönlichen Königsetappe mit 80 Kilometern und 1500 Höhenmetern hätten wir aber auch jeden Schweinestall dankend angenommen.

 

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Die Bildergallerie dieser Etappe:

 

VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye

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VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye

Der Ruhetag in La Rochelle war hoch willkommen, alle vier Beine im Team 2RadReise hatten einstimmig dafür gestimmt. Ein Stadtbummel der einfacheren Art war der kleinste gemeinsame Nenner für die Gestaltung des Ruhetages und so finden wir uns im Verlauf des Vormittags nach einer Turmbesichtigung auf dem Place de Verdun vor der Kathedrale in La Rochelle wieder.
Obwohl wir beide ganz und gar nicht religiös sind geht eine Kirchenbesichtigung eigentlich immer und wir bewundern abwechselnd die beeindruckende Architektur früherer Baumeister, mächtige Orgeln oder schöne Bleiglasfenster.
Diese Kathedrale in La Rochelle fesselt uns für eine gute Stunde, bevor wir uns um die Kohlehydrat- und die Eiweißzufuhr zu den Muskeln und um den Koffeinmangel mit zwei Café-au-lait, grand s’il vous plaît, kümmern.

Viel mehr Stadtbummel muss dann gar nicht mehr sein, in einem Supermarkt auf dem Rückweg füllen wir den 2RadReise-Proviant wieder in den grünen Bereich, schreiben ein bisschen Blog, trinken einen Rotwein in der JuHe-Bar und gehen früh schlafen.

 

Heute ist der erste Oktober. Die Wolken hängen recht dicht über uns und beim Frühstück in der JuHe fallen noch einige Tropfen Regen an die Scheiben. Der Wind weht recht stramm aus Westen und nimmt uns ein bisschen die Lust loszuradeln, aber wir ringen uns trotzdem recht früh -gegen 10 Uhr- zum Start durch.

Es ist dann doch eine schöne Radstrecke, die bis nach Rochefort fast durchgehend Sichtkontakt zum Atlantik bietet. Naja, zumindest dorthin, wo normalerweise der Atlantik ist, wenn nicht gerade tiefste Ebbe herrscht: Heute sehen wir vor allem Boote auf glänzendem Schlick liegen, ganze Häfen sind heute wasserfrei.

Ab Rochefort geht es dann für einige Kilometer ins Land, wo der VélOdysée eine frühere Bahntrasse und später auch einen Kanalweg als Radweg nutzt. Auf der Teilstrecke nach Osten schubst der Westwind uns noch recht kräftig, ab der Wende der großen Schleife sind wir aber um jeden Windschatten von Baumreihen froh.
Richtig knallhart wird es aber dann 10 Kilometer vor Marennes, wo uns eine Radwegsbaustelle auf einen Umweg über das Marschland zwingt. Schlechter Asphalt, gepaart mit dem Gegenwind schlägt immer gleichzeitig auf die Nerven und auf den Stundenkilometerschnitt: Für die 10 Kilometer brauchen wir über eine Stunde und erst das McDonalds-Schild am Ortseingang von Marennes kann unsere Laune wieder glattbügeln. Jetzt noch einen Kaffee und ein Eis als Belohnung für diese letzten Kilometer klingt wie ein perfekter Deal.

 

Genau in dem Moment kommt eine SMS von Jonas (i-bike-europe.com, ihr kennt ihn aus den letzten beiden Posts). Er sei heute noch nicht weit gekommen, noch vor der Brücke in Marennes… wo wir denn wohl stecken würden und ob wir gemeinsam einen Platz für eine wilde Übernachtung suchen wollten. Klar wollen wir: NACH unserem Eis und unserem Kaffee, den haben uns schließlich verdient. Also rollen wir zum McDonalds und sehen da -Zufall- Jonas schon auf der Terasse beim Blog tippen.

 

An der französischen Atlantikküste ist wildes Zelten bei den Behörden recht unbeliebt und wird angeblich mit 135€ geahndet. Die Wälder sind sehr trocken und der Respekt vor Waldbränden ist in diesen Regionen enorm hoch, vielleicht ist das -neben dem Sichern des Grundeinkommens für Campingplatzbetreiber- eine der Triebfedern dafür.

Haben wir aber wohl gerade vergessen: Der Radweg nach Marennes führt für gute 10 Kilometer durch ein herrliches Waldstück. Hohe Pinienwälder, die in Richtung Strand zuerst in niedrigere Büsche und Bäume übergehen, bevor es über eine Hauptdüne zum ewig weiten Strand geht. Es muss hier auch Massen von Wildschweinen geben, der sandig-weiche Waldboden ist fast überall von ihnen aufgebrochen.

So suchen wir mit Jonas gemeinsam die Wege ab, die vom Radweg in Richtung Meer gehen und werden schon beim Dritten fündig. Er endet bei einem Fahrradparkplatz unterhalb der Düne. Heute, am bewölkten ersten Oktober liegt die Anzahl der Dünenbesucher exakt bei Null und wir sind in der Dämmerung komplett alleine. Und ganz sicher, dass hier heute Nacht auch niemand mehr zum Baden vorbeikommen wird, richten wir unser Abendessen, trinken mit Jonas noch ein Glas Wein bevor wir unsere Zelte aufbauen und uns für den Matratzenhorchdienst anmelden.

Eine schöne, ruhige Nacht, auch wenn sie noch etwas früher vorbei ist als sonst. Nicht, dass uns ein Wildschwein oder ein Förster geweckt hätte. Nö, der Wecker klingelt heute schon um halb sieben damit wir unsere Zelte schon vor der Morgendämmerung sicher abbauen können bevor die ersten Frühschwimmer (oder Jäger) hier auftauchen könnten.

2RadReise zählt bekanntermaßen zu den Langsamzusammenpackern, in Kombination mit unserem Kaffeetrinktempo bringt uns das morgens erhebliche Zeitnachteile gegenüber Jonas. Er radelt schon lange vor uns wieder los, da wir aber beide dieselbe Fähre über die Girondemündung bei Royan nehmen wollen werden wir uns eh am frühen Nachmittag wieder treffen.

Nicht viel später radeln wir auch los, erwarten flache Radwege für diese Etappe, es geht ja immer auf ungefähr Meereshöhe nach Süden. Pfeifendeckel! Der Radweg ignoriert unsere Vorstellung komplett und klettert über jede Dünen, die er auch nur finden kann. Auch in Royan geht es noch recht sportlich hoch und runter, wir schaffen es nur gerade so auf die Fähre.

Der Nachmittag auf der Südseite der Girondemündung wird dann unser persönliches Atlanikhighlight in diesem Jahr: Die Strände sind jetzt wirklich menschenleer, die Sonne hat sich wieder durchgesetzt und das Meer ist noch herrlich warm. Fast drei Stunden brutzeln wir uns ohne Radklamotten in der Sonne, baden in den Brechern, Vespern in den Dünen und dösen in den Nachmittag. Auch Ole tollt die ganze Zeit im Meer: wir brauchen ewig, um ihm hinterher den Sand aus den Trollhaaren zu bürsten.

Abends treffen wir dann wieder…. richtig: Jonas. Wir verdanken ihm auf dieser Strecke ein paar schöne Übernachtungsplätze: Immer wenn wir zu zögerlich und zu wählerisch sind, um endlich einen ‚wilden‘ Zeltplatz in der Dämmerung zu kapern brauchen wir einen kleinen Extratritt. In dem Fall von Jonas.

Wieder ist es ein schöner Platz ganz knapp hinter der Düne zum Atlantik, zu dem wir unser Tandem zwar durch den Sand tragen müssen, dafür aber ein tolles Abendessen mit Couscous, Gemüse und Rotwein beim Sonnenuntergang genießen können.
Wir bauen unser Zelt nahe am Wald auf, Jonas lässt sich den Übernachtungsplatz auf der Düne mit direktem Blick auf Mond und Meer nicht nehmen und stellt sein Zelt ganz oben auf die Dünenkante.

Jetzt im Oktober sind die Nächte schon recht kühl und der morgendliche Wind schon ziemlich frisch mit gerade mal 6-8°C. Wie jeden Morgen beim wilden Zelten muss das Zelt schon vor dem Sonnenaufgang in seinen Packsack und wir warten beim Frühstück sehnsüchtig darauf, dass die Sonne über die Waldkante blinzelt und anfängt, uns zu wärmen bevor wir ein/zwei Stunden später auf das Rad sitzen und langsam anradeln.

Auf die Spitze treiben wir es aber am nächsten Tag: Es gibt keinen offenen Zeltplatz für uns, Pensionen sind auch Fehlanzeige, der einzige Übernachtungsplatz ist wirklich mitten im Wald, wo morgendliches Bummeln oder frühstücken absolut nicht infrage käme. Hier radlen wir wirklich schon vor 8 Uhr morgens im Vorsatz los, am nächsten Platz in der Sonne das Frühstück nachzuholen.

Wir radeln nicht nur im Vorsatz, sondern auch barfuß in den Sandalen und schlotternd bei gerade mal 7°C für die ersten 15 Kilometer bis wir wenigstens einen Weg in die Dünen finden wo wir gefahrfrei einen Kaffee kochen können. So gefroren haben wir auf der ganzen Reise noch nicht, der warme Kaffeebecher schafft es kaum, unsere Finger aufzuwärmen.

Dafür sehen wir auf den nächsten Kilometern einige geschälte Bäume in den Wäldern rechts und links. Ole Isbjørn nennt sich einfach mal frech Naturistenfichten, weil sie ohne Rinde so nackig daherkommen. Wir schauen sie aber genauer an: Das sind Korkeichen, deren zentimeterdicke Rinde sorgsam abgeschält, abgeerntet wurde. Ab hier und durch ganz Spanien werden wir diese Korkeichen immer wieder an der Strecke finden. Hoffentlich frieren die nicht, jetzt wo es morgens so kalt ist!

 

So fahren wir insgesamt fünf Tage von La Rochelle in Richtung Spanien, die meiste Zeit durch Kiefernwälder, oft am Atlantik, manchmal aber auch an den kleinen Seen im Hinterland in Richtung Süden. Die Radwegführung des VélOdysée ist sehr ansprechend und der Asphalt meistens angenehm gut. Hatten wir diesen Fernradweg schon gelobt? Haben wir 🙂

Genug gelobt, die letzte Etappe des VélOdysée vor der spanischen Grenze kann sich der werte Nachradler leicht sparen. Auf der Internetseite des Radfernweges wird diese Etappe mit „anspruchsvoll“ markiert, was wir nach ausführlicher Inaugenscheinnahme (ja, das Wort gibt’s) voll und ganz bestätigen können.

Den Anfang macht Biarritz, wo die Radwegplaner keine Umfahrung der mondänen Stadt am Atlantik gefunden haben und einem wunderschöne Blicke über die Klippen der Stadt gönnen.

Dafür darf man sich halt über unzählige Kletterpassagen hoch und runter im hektischen Verkehr einreihen.
Aber auch die Kilometer danach sind kein Spaß: Entweder ist der Radweg direkter Teil der Bundesstraße -und Ausscheren scheint in Frankreich nicht Teil des Überholvorganges an Fahrrädern zu sein- oder der Radweg nutzt Fußwege nahe der Bundesstraße.

Unser persönliches Highlight des Tages ist dann eine Steigung mit guten 20% auf einem solchen Fußweg. Ein klitzekleines Prozentchen mehr hätte hier ausgereicht, um uns zum kompletten Abladen unseres Gepäckes zu zwingen und wir hätten alles einzeln hochtragen und hochschieben müssen.

Ein gebührender Abschied von Frankreich, nassgeschwitzt und leicht von Moschusduft behaftet fahren wir nach Spanien, fünftes und letztes Land auf unserer 2RadReise.

 

Weiter mit „Auf nach Spanien“

Die Bildergallerie dieser Reiseetappe:

VélOdyssée 1: St. Nazaire – La Rochelle

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VélOdyssée 1: St. Nazaire – La Rochelle

Seit gestern abend sind wir also wieder am Atlantik. Die Sonne scheint, der Wind bläst moderat aus West, am Strand tummeln sich einige zehn Kitesurfer und kämpfen mit Wind und Wellen.
Die französische Westküste ist eine Gegend Frankreichs, die wir schon oft im Urlaub besucht hatten und die uns beiden sehr gut gefällt: Die ewig weiten Sandstrände und Sanddünen, die hohen Pinienwälder die dem Land einen ganz eigenen Geruch einprägen, die mächtigen Atlantikwellen und das Wetter im Sommer, wenn die kräftige Sonne das Land trotz kontinuierlichem Wind vom Meer enorm aufheizt.

Entlang dieser Küste dürfen wir die nächsten 800 Kilometer bis zur spanischen Grenze radeln: Der französische Anteil des Eurovelo 1, der „Atlantik Route“, hat von der französischen Tourismusbehörde gleich zwei Namen bekommen: Vélodyssée und auch Vélocéan.

Wortspiele, die den Charkter dieser Route auch ganz gut treffen, die Radroute beginnt im äußersten Norwesten Frankreichs in der Bretagne und führt durchs Land bis Nantes, wo sie an der Loiremündung wieder auf den Atlantik trifft. Ab hier kämpft sich die Route kontinuierlich am Meer entlang, begleitet felsige Küstenabschnitte mit faszinierenden Blicken auf tosende Wellen die sich an den Felsformationen brechen, geht später für viele Kilometer durch sandige Pinienwälder, macht Abstecher direkt an endlose Sandstrände bevor sie sich am westlichen Fuß der Pyrenäen und hohen Felsküsten zur spanischen Grenze windet.

Wir greifen ein paar Tage vor: Die Radroute Vélodyssée hat uns ein bisschen gefangen. Frankreich hat insgesamt ein sehr schönes Radwegenetz, das für alle Abschnitte, die wir gesehen haben, auch sehr gut gepflegt ist und die Radweg-Ausschilderung ist die beste, die wir in ganz Europa gefunden haben. Schon die Kanalradwege haben einen ganz tollen Charme, aber die Vélodyssée legt da noch einen drauf.
Eine ganz klare 2RadReise-Empfehlung mit fünf Sternen: Wer sich einen abwechslungsreichen Radurlaub mit 400, 800 oder 1200 Kilometern gönnen möchte sollte sich diese VélOdyssée entweder in Etappen oder als Ganzes vornehmen.

 

Zurück zu unserem Trip: Da wir erst spät im September hier unterwegs sind wird die Campingplatzsuche schwieriger.
Die Saison endet grob um den 15. September und hier am Atlantik scheint man das Saisonende als Vorschrift zu interpretieren. Erst nach 19:30 abends haben wir einen offenen Campingplatz, Pornic, erreicht. Wir hätten jetzt ohnehin jeden Preis der Welt für ein trockenes Zeltplätzchen, eine Dusche und eine Toillette bezahlt, da empfängt uns die Frau hinter der Theke überschwänglich mit einem „special price for bike travellers“ und großem Tamtam. Sie ist keine wirklich gute Verkäuferin, wir haben sofort durchschaut, dass sie uns eigentlich übers Ohr haut und 3 Euro mehr kassiert als ihre Preisliste eigentlich hergeben würde.
Ist uns heute aber vollkommen wurscht, soll sie glücklich werden. Wir fangen keine Diskussion an und haben dafür schon eine halbe Stunde später unser Zelt auf den Platz genagelt.

Die Nacht wird dann nicht ganz ruhig, die Wohnmobilnachbarn haben nachts um 2 irgendeinen privaten Zwist auszutragen. Die Wortfetzen, die wir aufschnappen, lassen eine betrogene Ehefrau ebenso als mögliches Streitthema offen wie einen entlaufenen Hund, den einer noch suchen möchte, die andere aber am liebsten los hätte. Lustig: Am nächsten Morgen machen sie gemeinsam ihr Frühstück fertig. Manchmal geht Wiedervertragen wohl ganz schön fix.

 

Die folgende Tagesetappe soll uns nach St. Jean-de-Monts bringen, hier haben wir wieder warmshower Gastgeber für eine Nacht gefunden. Die Streckenlänge wäre für den Tag passend, allerdings liegt eine Passage auf dem Weg, die man nur zu zwei Zeiten am Tag fahren sollte.
Die Passage du Gois führt mitten durchs Meer auf die Insel Noirmoutier und ist nur während etwa zwei Stunden Ebbe befahrbar, zu den anderen Zeiten muss man entweder 4,5 Kilometer lang die Luft anhalten oder eben ein Boot nehmen, denn dann liegt die Strecke 2-4 Meter unter Wasser.

Klar könnte man in einem weiten Bogen aussen rum fahren, aber dieses Highlight gehört natürlich unbedingt in ein 2RadReise-Fahrtenbuch.
Allerdings liegt unser Passierfenster -Ebbe am Abend- erst bei 19:30, was uns jede Menge Zeit für die Anfahrt zur Passage du Gois lässt und uns die 25 Kilometer hinterher in echten Stress bringt um nicht erst mitten in der Nacht bei unseren Gastgebern, Jérome und Stéphane, anzukommen.

 

Tina Vornesitzer wollte heute schon früh einkaufen gehen um eine Ernährungskrise zu verhindern, Udo Hintensitzer wollte eher wenig Ballast mitfahren und später einkaufen. Dummerweise setzt er sich durch: Auf den letzten 30 Kilometern kommt dann wirklich KEINE Einkaufs- oder Einkehr-möglichkeit mehr und wir sitzen hungrig auf dem Trockenen.
Zum Glück steht an der Passage du Gois dann ein Kiosk… der gerade zu macht und bereits kalte Küche hat.
Wie bitte? Das Leben orientiert sich auf diesem einsamen Landzipfel doch zu 100% an der Befahrbarkeit der Straße, die Autoschlangen stehen hier immer dann, wenn sich die Ebbe ankündigt. Die Ebbe ist jetzt halt ein bisschen Anarchist, verschiebt sich von Tag zu Tag um runde 40 Minuten und hält sich ums Verrecken nicht an ordentliche Ladenöffnungszeiten.
Die sind in Frankreich wiederum heilig… und so hat dieses Kiosk immer zu denselben Zeiten auf, egal ob die Ebbe grade Kunden bringt oder ob die Flut für tote Hose sorgt.

Bringt Udo Hintensitzer ein bisschen tiefer in die Bredouille und unsere Mägen noch ein bisschen lauter zum knurren, während wir noch fast zwei Stunden auf die Befahrbarkeit der Passage warten.

Als wir dann endlich über die Passage reiten können -der Belag ist gar nicht so glitschig wie wir befürchtet hatten- treffen wir Jonas Kassigkeit in der Mitte der Passage.

Wir hatten Jonas schon an der Loire das erste Mal getroffen und freuen uns riesig über das Wiedersehen. Er ist heute nacht auch bei Jérome und Stéphane einquartiert und führt uns die restlichen 25 Kilometer zum Haus unserer Warmshower Gastgeber. Genialer Kerl: Jonas ist extra für uns nochmal zur Passage gefahren um uns abzuholen und uns den Weg zur Übernachtung zu zeigen.

Bei Jérome und Stéphane verbringen wir einen spannenden Abend. Obwohl Stéphane morgen schon um 5 Uhr aufstehen muss haben die beiden noch für unsere Ankunft um kurz vor 22 Uhr noch gekocht.
Wir quetschen die beiden noch lange über ihre Radreise-Erlebnisse aus: Die beiden sind zwei Jahre durch Südamerika geradelt und haben dabei jede Hauptstadt Südamerikas angefahren. Dagegen ist unsere 2RadReise ein Kindergeburtstag: Sie erzählen von -zum glück glimpflichen- Raubüberfällen mit Macheten und von Passüberquerungen bei weit über 4000 Höhenmetern. Von kilometerlangen staubigen Straßen ohne Wasser und von Übernachtungen in schlimmsten Gegenden. Merci pour vos histores de l’Amerique du Sud et pour votre hospitalitée!!!

Erst gegen ein Uhr hüpfen wir noch unter unsere warm shower und verziehen uns in unser Zimmer.

 

Der nächste Tag beginnt mit heftigem Regen, weder Jonas noch wir wollen uns in dem Wetter allzu früh auf den Weg machen. Nach dem Frühstück schreiben wir noch ein bisschen am Blog, Jonas sortiert seine Sachen, wir warten gemeinsam auf den versprochenen trockenen Nachmittag… der nicht kommen will.
Der Pizzaexpress hilft uns über den kleinen Hunger zur Mittagszeit, um ein Uhr geht Jérome auch zum arbeiten.
Er würde sich freuen, wenn wir heute abend immer noch hier wären, andernfalls sollen wir den Schlüssel bitte unter die ******* legen wenn wir gehen. Vielen Dank für dieses Vertrauen, Jérome!!!

Jonas trotzt dem Wetter ab zwei und schwingt sich auf sein Rad, wir verbummeln die letzten Regentropfen bis nach vier, legen den Schlüssel unter die ******* und starten unsere Tagesetappe so spät wie noch nie.

 

St. Jean-de-Monts mag teilweise eine schöne Stadt am Atlantik sein, heute sehen wir vor allem den hässlichen Teil mit bunten Touristenläden mit Plastikkram aus China, mit Ballermann-Trinkbuden, mit Disco und allen anderen Sachen, mit denen man Touristen halt so die Langeweile nehmen kann. Nicht unsere Welt, auch wenn sie hier schon halb im Winterschlaf versinkt.

Nicht sehr viel später rollen wir dann wieder auf einem Campingplatz ein, der kurze Tag hat uns gerade mal 25 Kilometer weitergebracht, aber immerhin. Es gibt noch warme Konserven, dann verkriechen wir uns vor dem Nieselregen im Zelt, nippen noch ein paar Tröpfchen von unserem Muscat de Rivesalt und schlafen ein.

Udo Hintensitzer ist morgens zum Spüldienst eingeteilt während Tina Vornesitzer traditionell das Innenzelt abbaut und die große Packtasche mit den Trockensachen einräumt.

„Uuuuudoo….. iiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhh“ zählt nicht zu der normalen Ansprache auf unserer Reise, der laute Hilferuf klingt eher nach einem Säbelzahntiger im Zelt oder mindestens einer Klapperschlange im Zelteingang, die Tina nach dem Leben trachten.

Einen 50-Meter-Spurt später rette ich Tina Vornesitzer heldenhaft -vor einer Erdkröte, die sich in unsere Packtasche verirrt hat. Und die mindestens gleich erschrocken ist aber halt nicht so laut schreien kann.
Süßes Tierchen eigentlich, zum Glück hat Tina die gesehen bevor sie Schlafsäcke und Luftmatratzen in die Tasche gepresst hat!!! Mit Stöckchen und Landkarte schubsen wir die verängstigte Kröte vorsichtig aus der Tasche und lotsen sie zurück in die Hecke, wo sie sich wahrscheinlich normalerweise versteckt.
Und wir nehmen uns vor, die Taschen im Vorzelt künftig sorgfältiger zuzumachen. Kröte ist ja unangenehm… aber Schlange? Muss ja nicht sein.

Vor uns liegen heute so klingende Ortsnamen wie Les-sables-d’Olonne, Saint-Jean-d’Orbéstiér, aber auch solche wie Mort-a-l’âne (Eselgift?), La-faute-sur-mèr (der Fehler über dem Meer?).
Wir kommen aber erst mal wieder nicht ganz so weit. Beim ersten Fotostopp an der Felsenküste, gerade mal 10 Kilometer gefahren, sieht Tina Vornesitzer einen Fischladen, der aussieht wie vor 50 Jahren.
Udo Hintensitzer versucht noch, die Situation mit „…Fisch können wir doch eh nicht kochen“ zu entschärfen, aber es ist schon passiert: Tina Vornesitzer stürmt den Laden, entdeckt die frischen Riesengarnelen zusammen mit passendem Dip, kauft eine Tüte davon ein und fragt nach dem nächsten Bäcker.

Das wird das leckerste Vesper der Frankreich-Etappe: Frische Garnelen puhlen, backwarmes Baguette auf einer Parkbank mit Blick auf Felskante zum Atlantik. Leben wie 2RadReise in Frankreich.

 

Nach Les-Sables-d’Olonne geht es lange durch eine Marschlandschaft, die von Gräben und Tümpeln durchzogen ist. Erst nach einigen Kilometern wird uns klar, dass diese Gräben für Fisch- und Krabbenzucht gedacht sind und zahlreiche Fischer hier ihre Netze füllen. Noch mehr interessiert uns der Eisvogel, der uns hier wieder zweimal durchs Bild huscht… aber halt immer viel zu schnell unterwegs ist als dass man ihn per Foto festhalten könnte.

Abends wieder das Bild wie die letzten Abende: Ein Zeltplatz am anderen, einer genauso geschlossen wie der andere. Erst mit Hilfe von einem Anwohner finden wir spät abends noch einen geöffneten Platz, der uns aufnimmt.

Morgen fahren wir die restlichen 60 Kilometer bis La Rochelle, wo wir uns für zwei Nächte in der Jugendherberge reserviert haben um einen Ruhetag mit bisschen Geschichte bummeln einzulegen.

Weiter mit „VélOdyssée 2: La Rochelle – Hendaye“

Die Bildergalerie des Reisetages:

 

Loire-à-Velo 2: Loireschlösser, Cheaumont

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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn

Der Tag beginnt als echter Trödeltag: Zuerst ist uns das Zelt zu nass vom Kondenswasser um es auf dem sandigen Boden beim Einpacken zu versauen. Dann brauchen wir ewig für das Zusammenpacken und der Tacho schreit auch noch nach einer neuen Batterie.

So bekommen wir morgens kaum Kilometer auf der eigentlich schönen ruhigen Straße zusammen bevor wir schon frühzeitig Mittagspause am Loireufer machen.

Heute fühlt sich das Radfahren sehr unangenehm an: Zwar hat die Straße einen guten Belag und es hat nur sehr wenige Autos aber es scheinen viele Jäger unterwegs zu sein. Alle paar Minuten hören wir Schüsse aus den Feldern und Wäldern rechts und links von uns.
Nach unserer Abenteuerübernachtung an der Donau sind wir auf Schüsse noch etwas empfindlicher geworden und wir malen uns auch heute bei jedem Knall aufs Neue aus, wie auch einmal ein Tandem Pino in der verlängerten Schusslinie fahren könnte während der Jäger sich zeitgleich über seine Wildschweinsichtung freut und abdrückt.

Die nächste große Stadt auf dem Weg ist jetzt Orleans, weil wir eh schon Trödeltag haben machen wir hier eine kleine Stadtbesichtigung mit Besichtigung der Kathedrale, dem Wohnhaus von Jeanne d’Arc (bedingt durch die Besucherschlange davor nur von außen) und natürlich für einen… nein zwei Kaffees.

Es ist deshalb schon richtig nachmittag bis wir endlich wieder auf dem Weg sind und wir müssen richtig ranklotzen um den geplanten Campingplatz in Beaugency noch erreichen zu können. Auf den Kilometern westlich von Orleans führt der Radweg übersehr weite Strecken direkt an der Loire entlang, wirklich schade dass wir keine Zeit mehr für einen zweiten Stopp haben.

Schon einige Kilometer vor Beaugency wird es dann schlagartig voller. Autos parken auf dem Loireradweg, Leute schlendern darauf und wir müssen unser Schwerlasttandem immer öfter zwischen den Spaziergängern durchfädeln.
Tina Vordersitzer ist unser Klingelbediener und klingelt sich heute die Finger wund damit die Fußgänger nicht zu sehr erschrecken wenn wir von hinten ankommen.

Beaugency selbst ernüchtert uns dann: Wir hatten befürchtet, dass der Campingplatz seine Saison schon beendet haben könnte, stattdessen steht dieser Campingplatz komplett randvoll mit Transportern und Wohnwagen.
Abgesehen davon, dass wir kaum einen brauchbaren Platz für unser Zelt hätten finden können ist uns die Sache ziemlich suspekt und wir beschließen mit 2:0 Stimmen, lieber weiterzufahren. Ole Isbjørn enthält sich der Stimme, der döst schon seit der Mittagspause in Orleans auf seinem Plätzchen und kriegt von dem Ganzen gar nichts mit.

 

Die nächste Ortschaft erreichen wir mit Einbruch der Dämmerung, hier gibt es auch zwei Campingplätze in der Datenbank.
Wieder dasselbe Spiel, auch diese Plätze sind komplett überfüllt obwohl die Saison eigentlich schon vorbei sein müsste. Zum Glück sind hier in Muides-sur-Loire drei Herbergen eingezeichnet, Plan B heißt: Herbergsübernachtung.

Die erste Herberge? Hatte über den Sommer für Renovierungen geschlossen und macht erst nächste Woche wieder auf.
Die Zweite? Ist Teil des dritten lokalen Campingplatzes… geschlossen.
Die Dritte? Erreichen wir telefonisch, hat keine Zimmer mehr frei.

Das Ganze riecht schon ein bisschen nach Katastrophe, es ist schon fast dunkel, es wird in Kürze regnen, wir haben Hunger und es ist viel zu spät um noch einen wilden Übernachtungsplatz zu suchen… Plan C: Wir fragen bei dem lokalen Pizza- und Burgerbäcker nach Möglichkeiten, da stehen gerade recht viele Leute davor. Einer von denen wird uns doch wohl seinen Garten für das Zelt anbieten können!?!

Können sie nicht, aber sie sind sehr hilfsbereit. Suchen mit uns zusammen nach den Herbergs- und Hotelangeboten in der Umgebung und googeln die Telefonnummern für uns heraus. Der dritte Anruf ist dann endlich erfolgreich, wir haben ein Zimmer!!! Zwar für 90 Euro die Nacht ohne Frühstück, was Tina Vordersitzer aber -angesichts der Alternative „Übernachtung im Freien bei Regen“- gerne aus ihrer Kaffeekasse zahlen will.

Mit Vollgas schaffen wir die drei Kilometer bis zu diesem Hotel dann gerade so bevor der Regen anfängt. Diese Punktlandungen vor Regenbeginn werden uns allmählich unheimlich.

Das Hotel ist super, ein altes Herrenhaus mit Blick über die Loire, ein warmes Zimmer, ein angenehmes Bett, ein eigenes Bad. Purer Luxus für heute, die Nacht bekommt drei Kreuzchen in den Kalender. Wir packen im Hotelzimmer unsere Nüsschen und unseren Rotwein aus, verbringen den restlichen Abend lümmeln auf dem Bett und saugen den Hotelluxus in uns auf.

Am nächsten Morgen haben wir einen schönen Blick aus unserem Fenster zur Loire, es steht Nebel über der Landschaft. Es war auch die letzten Nächte immer schon sehr herbstlich feucht, daran müssen wir uns entlang der Loire vermutlich gewöhnen, der Sommer geht halt doch zur Neige. Hoffentlich bekommen wir am Atlantik und in Spanien dann wieder trockenere Abschnitte.

 

 

Unser Frühstück wollen wir heute auf den ersten Kilometern einnehmen weil das Petit Dejeuner im edlen Hotel in Tina Vordersitzers Kaffeekasse nicht mehr drin war und weil der nächste Bäcker eh nur 500 Meter von uns weg ist. Und den Kaffee kochen wir uns sowieso am liebsten selber, das passt dann schon.

Obwohl: Montag ist in Frankreich anscheinend der Ruhetag für Bäcker, außer einer Packung Madeleines und einem abgepackten Marmorkuchen bei der Tante-Emma gegenüber ist nichts zu kriegen.
So radeln wir mit knurrendem Magen die 7 Kilometer zur ersten Loireschloss-Besichtigung unserer Tour: Schloss Chambord, das malerisch in einem sehr großen Waldareal liegt und mit seinen unzähligen Türmen ziemlich verspielt wirkt. Von außen ist dieses Schloß beeindruckend groß -das größte Schloss der Loire-Region- und auch die Parkanlage darum herum ist sehr weitläufig.

Die Besucher werden hier mit vielen Bussen hergefahren, schon alleine das „Dorf“ mit dem kommerziellen Angebot von Plastiksouvenirs bis Pizza und Fahrradverleih hat eine Fußgängerzone von gut 100 Metern Länge.

Für uns reicht der Blick von außen, wieder einmal verzichten wir gerne auf das Anstehen in der Schlange, dafür gönnen wir uns zwei Café Crème im Schlosspark und tunken unseren Marmorkuchen zum Frühstück während wir erfolglos versuchen, zwei gleich aussehende Türme am Schloss zu finden.

Der Zweck des Waldareals um das Schloss wird uns beim Hinausfahren bewusst: Dieses riesige Schloss wurde als Jagdschloss gebaut und der Wald darum ist umzäunt um die gemästeten Wildschweine in der Nähe zu halten. Vermutlich sind es wohlhabende Gäste, die hier für edles Entgelt eine Wildsau vor die Flinte geschubst bekommen.

Klar wird damit auch, warum an diesem Wochenende alle Zeltplätze in der Region überlastet sind: In dieser Loireregion begann gestern die Jagdsaison, das darf man sich in etwa vorstellen wie Beginn der Bundesliga nach der Winterpause. Die ganzen Jäger dürften jetzt ganz schön wild darauf sein, etwas Wildes vor die Flinte zu bekommen und den Finger recht locker am Abzug haben.
Für uns 2RadReisende heißt das, dass wir für den Moment NICHT wild zelten werden. Weder brauchen wir einen Jäger, der uns in der Morgendämmerung zur Sau macht, noch brauchen wir Schrotlöcher in Zelt und Schlafsack, wenn wir ungeschickt in einer Schusslinie übernachten sollten.

Die Wildschweine, die wir hier im Park sehen sind noch relativ entspannt und lassen uns recht nahe kommen bevor sie weglaufen. Bestimmt hat denen noch niemand gesagt, dass die Schonzeit vorüber ist… werden sie schon noch merken.

Auf dem Weg raus kommt uns noch ein Reiseradler entgegen und winkt uns freundlich zu… den sehen wir später wieder !!!

Zurück auf dem Loire-Radweg wird es schon bald Zeit für einen Platz fürs Mittagessen, wir fahren einen der größeren Anglerwege bis zum Fluss hinunter, finden eine kleine sandige Bucht für unser Picknick und brutzeln uns Couscous mit Ratatouille auf unserem Holzkocher.

 

Die Loire unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Flüssen, an denen wir bisher entlanggeradelt sind. Während die meisten anderen Flüsse ab einer gewissen Wassermenge schon historisch zu Wasserstraßen umfunktioniert wurden, hat die Loire ihr Gesicht als natürlicher Fluss behalten: Bedingt durch die enormen Mengen an Sand, den sie mit sich führt war sie vermutlich nie als Transportgewässer brauchbar und wurde auch deshalb baulich nicht gefasst. Tina Vordersitzers Bild der Loire: Die Loire ist ein Fluss, der noch wirklich Fluss sein darf.

 

Dementsprechend bilden sich hier Sandbänke, kleine Sandinseln und lösen sich wieder auf, der Fluss sucht sich sein Bett immer wieder aufs Neue. Es macht Spaß, diesen Fluss zu begleiten, der Loire-Radweg bleibt ein Highlight auf unserer Europatour. Er ist einfach zu fahren, weil er gut beschildert ist, er ist auf den allermeisten Etappen sehr flach zu radeln und es gibt eine recht gute Infrastruktur von Zeltplätzen, Herbergen, Rastplätzen nah an der Strecke.

Baignade strictement interdit

Schon seit unserer ersten Begegnung mit der Loire in Nevers sind uns die vielen Schilder mit „Baignade interdit“ oder „Baignade strictement interdit“ aufgefallen. Hatten wir das zuerst noch für Naturschutzthemen gehalten und hätten es zu gerne das eine oder andere Mal ignoriert, werden wir später aufgeklärt: Das hat auch mit den Sandmengen zu tun, die die Loire zum Atlantik transportiert. In der Loire bilden sich Sandbänke, die wie Treibsand auch instabil werden können und manchmal auf großer Breite abreißen können, böse Wirbel und Wellen erzeugen können. Nach einem Unglücksfall mit mehreren toten Schulkindern vor etwa 30 Jahren wurde das Badeverbot dann behördlich erlassen. Überzeugt uns, manche Verbotsschilder machen wohl doch Sinn.

Auf dem Campingplatz in Chaumont stehen heute drei Zelte mit Rad- und Motorradreisenden neben unserem und wir lernen Jonas Kassigkeit, zwei radelnde Spanier -Alvaro und Mirentzu- und einen Spanier -Alfonso- mit Motorrad kennen. Wir öffnen unseren Weinkeller, bestückt mit immerhin einer Flasche Muskat für die Runde und verbringen einen langen Abend zusammen.

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf's Foto kommen :)

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf’s Foto kommen 🙂

Jonas werden wir auf unserer weiteren Etappe noch öfters treffen, er beeindruckt uns mit seiner lockeren Art und mit seiner Radreiseerfahrung. Trotz seinem zarten Alter von gerade mal 22 Jahren hat er schon einige tausend Kilometer in Europa abgeradelt und ist dabei auch viel alleine unterwegs. Wo wir bei wilden Übernachtungen schon zu zweit oft sehr unsicher sind muss er das ganz alleine meistern. Respekt!

Morgen wollen wir uns dann noch ein zweites Loireschloss, dieses Mal auch von innen, anschauen: Chenonceaux, das ein paar Kilometer abseits der Strecke liegt. Das Schloss wurde zuerst am Fluss Cher gebaut, später wurde dann die zugehörige Brücke elegant mit zwei Stockwerken überbaut. Ein wunderschönes Schloss mit großer Parkanlage.

Als wir hier auf dem Fahrradparkplatz einlaufen, dürfen wir uns für einen Moment richtig prominent fühlen als uns zwei junge Radreisende direkt mit „Hey, ihr müsst Tina und Udo sein“ ansprechen. Sind wir leider nicht, sie hatten nur am Vortag Michaela und Hubert getroffen, mit denen wir vor ein paar Tagen einen Camperabend verbracht hatten 🙂

Weiter mit „Loire-a-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik“

Zur Bildergalerie des Reisetages:

Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

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Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

Einer der längsten Radwege in Frankreich folgt der Loire bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire. Sie nennen diesen Radweg liebevoll „Loire à velo“, was soviel wie „die Loire per Fahrrad“ heißt, auch wenn es ein bisschen untertreibt weil es die ersten paar hundert Kilometer der Loire ab der Quelle glatt unterschlägt.
Jedenfalls startet der Loire à velo kurz nach der Mündung des Allier in die Loire mit dem Kilometer Null.

Wir hatten ja einen Ruhetag in Nevers und freuen uns frisch ausgeruht auf ein neues Kapitel des Reisetagebuches an der Loire.
Das Wetter ist heute etwas durchwachsen, die wirklich heißen Tage des Jahres sind wohl vorbei. Einerseits schade, weil der Hochsommer damit auch für uns auf der Südroute zu Ende ist, andererseits waren die letzten Tage schon eine echte Hitzeprüfung gewesen.

 

Vom Campingplatz in Nevers geht es etwa 10 Kilometer entlang des Canal-Lateral-à-la-Loire, dann kommen wir an die Kanalbrücke über die Allier an die eine 10 Meter hohe Doppelschleuse direkt angeschlossen ist.

Der Schleusenwärter hat während eines Schleusenganges, der immerhin 30 Minuten dauert, ausreichend Zeit, um uns über unsere Reise auszufragen.
Im Gegenzug löchern wir ihn mit unseren Fragen, die sich auf mehreren hundert Kilometern Kanalradweg halt so anstauen. Ja, die Schleusenwärter sind staatlich angestellt (lässiger Job, sollte man sich fürs nächste Leben vormerken). Ja, die Schiffe zahlen eine Jahresgebühr für die Kanalbenutzung, die sie mit einer Vignette am Schiff dokumentieren müssen. Und ja, ein Schiff, das irgendwo anliegt und vor sich hinrottet muss auch eine Kanalgebühr bezahlen. Und nein, wenn wir im Winter mit Schiff kommen würden wäre nix mit schleusen, da werden Kanäle instandgehalten und sind großenteils geschlossen.

Eine Viertelstunde nach diesem Gespräch mit dem Schleusenwärter startet dann unser Abenteuer Loire à Velo am offiziellen Kilometer Null des Radwegs.

Leider führt der Loire-à-Velo kurz nach dem Kilometer Null auf den Damm der Loire und zeigt den Fluss anfangs eher selten, was der Schönheit der Strecke keinen Abbruch tut: Der Radweg führt durch wenig besiedeltes Land, der Asphalt des Radwegs ist perfekt und wir sehen nur ganz wenige Autos an diesem Reisetag. Wenn die Loire zu sehen ist, ist das meist im Bereich von kleinen, verschlafenen Dörfchen direkt am Fluss oder wenn man einem Anglerweg folgt, der vom Radweg in Richtung Fluss abgeht.
Wir sind hartnäckig genug und der dritte Anglerwaldweg bringt uns direkt auf eine Kiesbank an der Loire für unser Picknick.

Für die Übernachtung fahren wir zum Zeltplatz in Cosne-Cours-sur-Loire, stellen unser Zelt auf der Wiese unter den hohen Bäumen auf… und bekommen eine neue Lektion des Kurses Camping für Fortgeschrittene: Gelernt hatten wir schon die Lektion mit den Mulden auf Campingplätzen (laufen bei Starkregen gerne mit Wasser voll und setzen das Zelt unter Wasser), die Lektion mit der Windrichtung (man schläft besser, wenn das Zelt längs zum Wind aufgebaut ist und gut verspannt wurde) und die Lektion „wo ist Osten“ (damit man die Morgensonne auf das Zelt bekommt).
Ganz neu ist jetzt die Lektion „Zelte nicht unter hohen Bäumen“, die Vorlesung halten heute Nacht eine Gruppe Tauben, unter deren Toilettenast unser Zelt offensichtlich gerade steht. Nicht appetitlich. Nicht einfach wegzuputzen, nicht lustig. Wenigstens hat der Regen dafür gesorgt, dass die gut 30 Flecken nicht angetrocknet sind, 4 Liter Wasser und 20 Tempos später ist der Ärger weggeputzt.


Die Tagesetappe
soll uns über Belleville-sur-Loire, Briare, Sully-sur-Loire nach Chateauneuf-sur-Loire führen.
Nachdem es nachts noch geregnet hatte ist es morgens immer noch recht dicht bewölkt, auch das Atomkraftwerk in Belleville-sur-Loire gibt sich Mühe, den Eindruck noch etwas düsterer zu gestalten.

Immerhin führt der Radweg heute über sehr weite Strecken direkt entlang der Loire und gönnt uns schöne Aussichten auf die alten Dörfchen, vereinzelte Weinberge und kleine Schlösschen auf der anderen Flussseite.

Unsere Mittagspause machen wir direkt an der Loire, wo wir neben Baguette, Käse und Salami einem großen Greifvogel beim Jagen über der Loire zusehen. Immer wieder schraubt er sich auf eine Höhe von 20-30 Metern hoch um danach ins Wasser herabzustürzen. Leider können wir ihn nicht genau genug sehen um sicher zuzuordnen, ob es ein Schwarzmilan oder vielleicht sogar ein Fischadler ist. Unser Vogelkundebuch behauptet jedenfalls, dass einzelne Milanarten auf Fischjagd gehen würden, die Flügelform deutet aber sehr auf eine Adlerart.

 

Nachmittags geht der Radweg dann wieder an den parallelen Kanal zur Loire, wo wir wieder eine Kanalbrücke erreichen: Die Kanalbrücke bei Briare führt den „Canal-lateral-à-Loire“ in einer gut 600 Meter langen Stahlbrücke über die Loire.

Als Tourist kann man diese Kanalbrücke in einem Ausflugsschiff überqueren und Fotos schießen, was heute aber anscheinend nicht so spannend ist: Jedenfalls sind die Fahrgäste so von unserem Pino fasziniert, das sie auf dem Radweg der Kanalbrücke überholt, dass sie praktisch nichts anderes fotografieren. Hat sich die Fahrt mit dem Ausflugsboot schon mal gelohnt!

 

Der Campingplatz in Chateauneuf-sur-Loire ist heute, Mitte September schon recht leer. Trotzdem hat sich ein mobiler Pizzabäcker auf den Platz verirrt, was wir gnadenlos ausnutzen. Heute abend gibt es französische Pizza, warme Dusche… und abends noch einen Film vom Notebook im Zelt. Und Nüsschen. Und Rotwein. Das Leben ist schön!

Weiter mit „Loire-a-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn“http://www.2radreise.de/loire-a-velo-2-loireschloesser-cheaumont/

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Der Campingplatz -man sollte ihn wahrscheinlich eher Campingplätzchen nennen- liegt heute morgen noch schön im Schatten der hohen Bäume. Das ist auch gut so: Wir hatten in den letzten Tagen schon wirklich heißes Reisewetter, aber heute und morgen stehen die heißesten Tage des Jahres vor uns, der Wetterbericht kündigt uns 35°C an.

Unser Mitleid des Tages gehört auch deshalb schon nach ein paar Kilometern einem französischem Ehepaar, das hier auf der Straße läuft und einen üppig ausgebauten Kinderwagen schiebt.
Neugierig halten wir an: Schon häufig haben wir so ausgestattete Angler auf dem Weg zu ihrem Revier gesehen, aber an diesem Wagen hängen Reservereifen. Das riecht eher nach spannender Geschichte denn nach Anglerlatein.

 

Stellt sich dann auch so heraus. Die beiden sind erfahrene Wanderer und haben diesen Wagen schon durch so manche Ecken von Frankreich geschoben.
Aktuell sind sie auf unserer Strecke, dem Loire-Radweg unterwegs, ganz am Ende ihrer 800-Kilometer-Reiseplanung wollen sie ihren Wagen in Saint Nazaire parken.

Da wo auch wir auf den Atlantik treffen und auf den Eurovelo 1 nach Süden abbiegen wollen. Wir unterhalten uns über die Reisepläne und Erlebnisse, aber hier in der Sonne wird es uns Vieren bald zu heiß. Wir radeln, die beiden schieben weiter.

 

Nach wie vor folgen wir noch auf weiten Teilen der Strecke französischen Kanälen. An Schleusen wundern wir uns manchmal, wie die großen Schiffe hier so zentimetergenau reinpassen, aber auch den Skippern scheint die Mittagshitze heute nicht zu gefallen.

Insgesamt sind recht wenige Hausboote unterwegs, unsere Suche nach potentiellen Mitfahrgelegenheiten erledigt sich damit praktisch von selbst, an Schleusen auf Schiffe zu warten bietet sich absolut nicht an.

 

Die 2RadReise-Mittagspause fällt dann geschickt auf ein Seefreibad mit schönem Baumschatten. Interessanterweise sind wir hier allerdings komplett alleine und der Badesee ist mit „Baignade interdit“ -Baden verboten- komplett abgesperrt.
Bleibt zu klären, ob das die französische Art ist, die Verantwortung für das Ableben potentiell Ertrinkungswilliger auf selbige zu übertragen weil der Strand nicht überwacht ist? Oder dass gefährliche Tiere im See sind? Oder dass der See eben doch auch schon umgekippt ist und das Wasser nicht mehr badetauglich ist?

Bleibt ein Geheimnis der Gemeinde, allzu einladend ist der etwas vermüllte Badestrand eh nicht, wir fahren nach dem Mittagessen ungebadet weiter.

 

Dafür sehen wir nicht viel später eine Nutria beim Baden im Kanal, die sich von uns kaum stören lässt. Ole Isbjørn ist jedenfalls fasziniert von dem Tier und seinen orangefarbenen, erschreckend scharfen Zähnen, diese Tiere kennt er von Norwegen nicht.

 

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir bei der französischen Stadt Digoin die Kanalbrücke, wo der Canal du Centre über die Loire führt und Schiffe auch mal über Brücken fahren dürfen.
Solche Stellen sind schon beeindruckend, diese Brücke wurde schon 1834 gebaut und wird immer noch genutzt und gebraucht.

Die Nacht verbringen wir dann auf dem Campingplatz in Digoin… umgeben von einem hohen Zaun. Entweder wollen die uns wegsperren oder uns vor irgendwas schützen, wieder ein ungelöstes Geheimnis auf unserer Strecke.

 

Am nächsten Morgen sitzen wir auf diesem Campingplatz und schauen uns vor dem Etappenstart die Landkarte genauer an: Wir wollen die Mittagshitze unbedingt mit einer Pause überbrücken und nicht ganztägig in der Sonnenhitze radeln. Das gelingt uns dann auch ganz gut, in Pierrefitte-sur-Loire können wir schon nach 18 Tageskilometern wieder in ein gespenstisch menschenleeres Freibad.

Udo Hintensitzers Französischlehrer hatten schon vor über 30 Jahren von der Urlaubszeit in Frankreich erzählt, wir kennen das auch aus früheren Frankreichurlauben. Im Juli und August fahren praktisch ALLE Franzosen in Urlaub, alle Strände und Urlaubsgebiete sind überfüllt. Macht aber nichts, im September löst sich diese Überfüllung schlagartig, weil alle Franzosen auch gleichzeitig heim fahren und die Urlaubsgebiete wieder freigeben.

So ist es auch hier am See, wir sind komplett alleine in der Mittagshitze, können uns den schönsten Baumschatten aussuchen und überlegen ausgiebig, ob wir uns von den hiesigen „baignade interdit“ Schildern abschrecken lassen.
Lassen wir nicht, wir gehen in der dreistündigen Mittagspause zweimal im erfrischenden -aber schon etwas erdig riechenden- See zum Baden bevor wir die letzten Kilometer nach Bourbon-Lancy auf einer früheren Bahntrasse radeln.

 

Heute abend gibt es wieder unser Lieblingsessen in Frankreich: Dickes Rumpsteak, angebraten in unserem Mini-Pfännchen. Dieses Abendessen macht uns so richtig Spaß. Zwar dauert es wieder fast zwei Stunden bis alle vier Steaks gebraten sind, dafür kann man neben so einer Bratorgie auch toll Rotwein schlürfen und ganz gemütlich in Gängen essen. Nur dass es zu jedem Gang dasselbe gibt: Pro Person ein halbes Rumpsteak mit Steaksoße und Brot.

Bei diesen Gelegenheiten spielt auch unser Holzkocher Solo Stove seine großen Stärken aus: Sein Brennstoff Holz ist für Camper unerschöpflich und es ist dem Kocher vollkommen egal, ob er 10 Minuten oder 2 Stunden lang heizen soll. Mit Gas würde man so etwas nie so ausgiebig kochen, da müsste man im Supermarkt zusätzlich zum Rumpsteak auch die Gasdosen auf Vorrat kaufen.

 

Unsere Weinflasche ist heute noch randvoll, und so fragen wir die radfahrenden Campingplatznachbarn -heute ein deutsches Paar aus dem Allgäu und zwei französische Alleinradler- ob sie noch mit uns auf ein Glas Wein zusammen sitzen wollen. Die beiden Einzelradler zeigen leicht autistische Züge und wollen lieber ihre Ruhe haben, mit dem Paar aus Sonthofen, Michaela und Hubert, entwickelt sich ein richtig toller Abend.

Wir reden über Nordkap-Radtouren (Hubert war vor zwei Jahren per Rad dort oben), über die Reiseziele, über Freizeiten und darüber, dass es Zeitpunkte im Leben gibt, in denen man sich neu orientieren möchte.
Wir haben es recht lustig, bis die Flasche sich zu Ende neigt und bis sich einer der französischen Zeltnachbarn kurz nach 10 Uhr in aller Freundlichkeit nach etwas mehr Nachtruhe erkundigt. Zumindest deuten wir sein schwer verständliches Gebrüll aus seinem Zelt als freundliche Bitte, die nur bedingt durch reduzierte soziale Kontaktaufnahmemöglichkeiten etwas rustikal bei uns ankam.

Jedenfalls trinken wir den letzten Tropfen Wein aus und gehen ins Zelt, belästigen wollen wir ja auch niemanden.

 

Die nächste Tagesetappe soll uns dann über 90 hügelige Kilometer nach Nevers führen, wo wir endlich wieder einmal einen echten Ruhetag einlegen wollen. Es soll nicht mehr ganz so heiß werden, sogar Wolken und etwas Regen ist für den Abend angesagt.

 

An diesem Tag lernen wir wieder ein anderes Stück Frankreich kennen: Die hügelige Landschaftsform erinnert an das Allgäu, allerdings sind die Wiesen nicht durch Elektrozäune sondern häufig durch kleine Mäuerchen oder Hecken begrenzt.
Es gibt wenig Landwirtschaft mit intensivem Mais- oder Getreideanbau, dafür werden die Wiesen für die berühmten Rinder genutzt. Milchvieh ist das nicht, von diesen Wiesen kommt unser leckeres Rumpsteak von gestern abend. Vielleicht sollten wir doch nochmal über das mit dem Vegetarier werden nachdenken.

Die Beschilderung des Eurovelo 6 ist auf diesem Streckenteil nicht ganz so toll, was darin gipfelt, dass wir an ein und derselben Stelle zweimal vorbeikommen… nur mit 10 Kilometern und 40 Minuten Unterschied. Während die Anwohner sich über das zweite Auftauchen unseres lustigen Gefährts wundern ärgern wir uns über 10 Kilometer Umwege. Dumm gelaufen… ähhh gefahren.

Pünktlich zur Mittagspause verabschiedet sich der hintere Schaltzug des Pino zum zweiten Mal und beschert uns Arbeitsteilung während die Wolkendecke schon allmählich dichter wird: Udo Hintensitzer darf sich beim Schaltzugtausch ölige Finger holen, Tina Vornesitzer deckt den Tisch an dem Flussrastplatz direkt an der Loire.

 

Wieder zur Dämmerung erreichen wir das Etappenziel Nevers, wo wir auf einem Campingplatz gegenüber der Altstadt Nevers bei jetzt ziemlich dunklen Wolken einchecken. Den Platz für unser Zelt suchen wir heute auch nach der Geländeform aus, der Himmel wird immer düsterer und wir wollen bei Regen ja nicht in der tiefsten Wanne des Geländes stehen.

Überhaupt wird das heute eine Punktlandung ersten Grades: Wir haben das Zelt aufgebaut, die ersten, vereinzelten Tropfen fallen. Udo Hintensitzer spannt das Zelt fertig ab, Tina Hintensitzer hängt das trockene Innenzelt ein, wir hören den ersten Donner. Jetzt nur noch die Taschen ins Vorzelt und die Schlafsäcke ins Innenzelt und ZACK: Exakt pünktlich mit dem Schließen des Zeltreissverschlusses zeigt uns das Wetter, wie so ein richtiges Gewitter mit Wolkenbruch abgeht.
Lachend über diesen Dusel packen wir unser Vesper heute im Innenzelt aus und wagen uns erst wieder beim Nachlassen des Regens für einen Spaziergang in die Stadt nach draußen.

Am Ruhetag in Nevers schauen wir uns die Altstadt und die Kathedrale ausgiebig an, schreiben ein/zwei Postkarten und eine Blogseite. Die Sonne traut sich schon wieder raus und macht Lust auf den nächsten Reisetag.

 

Weiter mit „Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire“

Die Fotogalerie der Reiseetappe:

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

Heute morgen sorgt nicht nur unser Holzkocher beim Kaffeekochen für Qualm auf dem Campingplatz, kurz danach bereiten sich die Mitglieder der Lanzfreunde Odenwald auf die Abfahrt vor.
Das Vorglühen des Zylinderkopfes per Heizbrenner geht noch relativ harmlos vor sich, das Anwerfen des Lanz- und Ursustraktors von Hand ist jedenfalls ein Schauspiel für sich.
Die Dieselwolke aus dem Auspuff, die jeder einzelnen Zündung folgt hat es schon in sich und wir finden hinterher den einen oder anderen Dieselrußkrümel auf unserer Zelthülle.

Weniger spektakulär ist eine Stunde später das Anrollen unseres Gespanns, zum Glück schaffen wir den Absprung heute etwas früher am Vormittag: Der Wetterbericht verspricht uns heute wieder über 30° im Schatten.

Der EV6 folgt in diesem Abschnitt abwechselnd dem Fluss Doubs und dem Canal Lateral du Doubs in weiten Schleifen.

Teilweise fahren wir auf der Nordseite (=Sonnenseite) des Flusses / Kanals, andere Strecken führen auf der angenehm schattigen Südseite.
Das sind die wirklich schönen Teile der heutigen Etappe, endlich kann man auch mal wieder ohne Sonnenbrille fahren.

 

Zum gleichen Zeitpunkt auf einem Ast einer der hohen Eichen verabschiedet sich Bruno Düsenflieger von seinen Enkeln (er hat sich nicht explizit vorgestellt, wir geben ihm einfach mal diesen Namen), seines Zeichens fliegende Ameise, zieht die Fliegerbrille auf und startet in seinen letzten Flug. Im Sturzflug donnert er auf uns ahnungslose Reiseradler zu, nimmt Udo Hintensitzer ins Visier und knallt mir mit Höchstgeschwindigkeit direkt ins linke Auge. Sonnenbrille im Schatten wäre doch gut gewesen.

Mannmannmann, tut das Ding weh! Ich kann zwar die Hälfte von Bruno Düsenflieger per Reflex-Augenwischen aus meinem Auge reiben, der Rest bleibt aber erst mal drin und brennt so höllisch, dass wir eine knappe Stunde Pause machen müssen und fast einen Liter unseres kostbaren Trinkwassers für das Ausspülen des Auges verbrauchen.
Dummes Ding, Bruno, hättest auch einfach auf unseren Scheinwerfer donnern können.

Um das Auge auf den weiteren Kilometern etwas zu schonen klebt Krankenschwester Tina Vornesitzer mir eine Augenkompresse auf das lädierte Auge und wir fahren mit etwas reduzierter Geschwindigkeit weiter.

Zum Glück guckt Tina mit und passt auf, ich wäre über den Ast am Rand der asphaltierten Strecke fast drübergefahren… Tina kreischt ein bisschen und wir halten kurz nach dem Ast an, der sich inzwischen als ganz schön große Natter -vermutlich eine große Ringelnatter- entpuppt hat.

Dummerweise sind wir halt wieder zu tüddelig, das Tier zu fotografieren bevor sie sich ins hohe Gras verkrümelt… ähhh verschlängelt.

 

Am Nachmittag führt uns der Radweg entlang dem hier schon recht breiten Doubs auf Besancon mit Blick auf die Zitadelle auf dem Berg zu. Der Doubs macht hier eine große Schleife durch Besancon, die Kanalbauer haben sich eine Abkürzung dazu einfallen lassen: Der Kanal hat einen Tunnel mitten unter der Stadt hindurch bekommen und als Radfahrer kann man wahlweise durch die Stadt radeln oder durch den etwa 500m langen Tunnel abkürzen. Wir wollen gerne noch ein Stückchen vorwärtskommen und nehmen deshalb die kürzere Variante durch den Tunnel. Es fühlt sich schon seltsam an, zu wissen dass die riesige Zitadelle während dieser Durchfahrt über unseren Köpfen steht.

Ein gutes Stück nach Besancon folgt dann bei Thoraise eine weitere Kanalabkürzung per Tunnel. Inklusive tollem Blick durch den Tunnel auf die andere Bergseite und die Schleusen auf der anderen Seite. Nur der Radweg hat in diesen Tunnel nicht mit reingepasst, wir müssen unser Lastenrad über den kurzen aber steilen Berg radeln.

 

Nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel heute:
Unsere Datenbank kennt einen Campingplatz in Osselle, die Karte zeigt dort ein Freibad direkt angeschlossen. Hochwillkommen bei der heutigen Hitze. Als wir dort ankommen entpuppt sich die Sache dann aber als privates Freibad am See mit angeschlossener Campingwiese.
Soweit gut, aber die Betreiberin erzählt uns am Eingang von „… douches froides …“ – es gibt nur KALTE DUSCHEN.

Es ist jetzt schon abend, vermutlich müssen wir da jetzt einfach durch. Der Platz ist auch wirklich richtig schön, der See lädt zum Baden ein und wir haben von unserem Zeltplatz einen schönen Blick über den See.
Man kümmert sich auch liebevoll um uns (die fast einzigen Camper an diesem Tag) und zeigt uns den Platz mit der schönsten Aussicht und nahe zu den Steckdosen.
Eine Französin, die in ihrer aktiven Arbeitszeit als Redakteurin gearbeitet hat fragt uns noch lange über unsere Reise aus und lobt den See und das Seewasser in den höchsten, frischen Tönen -verglichen zum „toten“ Wasser der Loire. Wir bleiben gerne einen extra Ruhetag auf diesem Platz, auch wenn die Duschen extrem erfrischend sind, baden ausgiebig und gönnen uns Abendessen mit Rotwein in der Freibadgaststätte.

Das frische Wasser im See und den Vergleich mit der Loire müssen wir wenige Tage später etwas relativieren: Die Loire sehen wir später mit tollem klarem Wasser mit vielen riesigen Fischen, deren Wasser kann so tot nicht sein. Dafür haben sich alle Vorder- und Hintensitzer dieses Blogs Zerkarienpusteln im See geholt… die sich noch ein paar Tage juckend in Erinnerung halten werden.

 

Beim Abendessen im Freibadrestaurant treffen wir auf Franzi und Josh, die gerade ihre Bachelorarbeit in Politik- und Islamwissenschaften bzw. in Politik und Pädagogik abgeliefert haben.
Daraus entwickelt sich eine sehr spannende Unterhaltung über Berufswünsche, soziales Engagement und über den Umgang mit Populismus. War sehr schön, mit euch zu reden, wir wünschen euch einen guten Berufsanfang wenn ihr wieder zurück seid!

Am Tag nach unserem Ruhetag in Osselle kommt schon recht früh Leben auf das Freibadgelände. Schwimmer mit Neoprenanzügen kommen zum trainieren, viele Sportler mit Rennrad und Sporttaschen laufen ein und fangen an, das Freibadgelände für ihren lokalen Triathlonwettbewerb vorzubereiten.
Einen Moment denken wir drüber nach, wie so ein Triathlon mit Pino auf der Radstrecke wohl aussehen würde, entscheiden uns aber dann doch, weiterzufahren.

Nach Osselle geht es wieder weitestgehend am Rhein-Rhone-Kanal entlang. Diese Strecken rollen immer sehr gut, da der Radweg immer das ebene Niveau des Kanals hält und nur alle paar Kilometer einen Höhensprung einer Schleuse aufweist… um danach wieder für Kilometer eben zu bleiben. Highlight des Morgens ist eine Ringelnatter, die quer über den Kanal schwimmt. Dummerweise WIEDER zu schnell für uns.
Versprochen: Wir liefern noch ein Schlangenfoto!

 

Auf diesem Kanal ist jetzt, Anfang September nicht sehr viel Verkehr. Pro Tag sind es fünf bis zehn Miethausboote, die mehr oder weniger Probleme beim Rangieren in den Schleusen haben.
Dazu kommen ein paar frühere Frachter, die liebevoll zu langen Hausbooten umgebaut worden sind und häufig ganz liebevoll mit Blumenkästen geschmückt sind.
Die liegen dann meist an Anlegestellen mit hübschen Restaurants und die Besitzer üben sich im französischen Savoir-Vivre. Wäre für einen Sommer bestimmt mal schön um die Beine richtig baumeln zu lassen, auf mehrere Jahre verteilt aber vielleicht doch langweilig, oder?

Auf so einen Wohnfrachter würde unser Pino eigentlich ganz gut passen und wir überlegen ernsthaft wie es wäre, uns bei so einem kanalfahrenden Pensionärspaar auf eine Tagesetappe einladen zu lassen. Würde eigentlich ganz gut zu 2RadReise passen.
Leider finden wir über die ganzen Tage kein einziges fahrendes Hausboot, das in unsere Richtung fährt und genügend Platz für ein Pino auf Deck gehabt hätte. Schade.
Das einzige Schiff, das infrage käme ist ein Holzfrachter, dessen Kapitän wir auch prompt ansprechen. Allerdings sehen wir den an einer Stelle, an der ein Aufladen des Pino wirklich nicht möglich ist. Wird leider nichts mit Schifffahrt.

 

Die Etappe endet an diesem Abend dann auf einem winzigen 0-Sterne-Campingplatz an der Saone bei Pagny. Die Betreiberin nimmt uns extrem freundlich in Empfang, bietet uns gleich eine kalte Flasche Wasser aus dem Kühlschrank plus zwei kalte Bier an und empfiehlt uns den Sonnenuntergang am Saone-Ufer.

Die zwei Flaschen Bier trinken wir dann auch dort am Ufer bevor wir müde ins Zelt kriechen. War ein langer, heißer Reisetag.

 

Weiter mit „Pagny – Chagny – Digoin – Nevers“

Die Fotogalerie dieser Reisetage:

 

Neustart nach Westen: EV6 Mulhouse – l’Ile sur Doubs

Neustart nach Westen: EV6 Mulhouse – l’Ile sur Doubs

Kilometerstand 5533, Standort Neuenburg, direkt vor der deutsch-französischen Grenze. Udo Hintensitzers Eltern haben uns vom Bodensee bis hierher gefahren damit wir ein paar Radeltage einsparen -und gegen spätere Ruhetage in Frankreich oder Spanien eintauschen können.

Ein bisschen aufregend ist die Fahrt über die Rheinbrücke schon. Wir versuchen, mit diesem Sprung in unser fünftes Reiseland, Frankreich, auch unsere Alltagsgedanken abzuwerfen.
Die drei Tage zu Hause waren so voll mit alltäglichem, die Brötchengeber von Vorne- und Hintensitzern waren geistig so nah wie vor unserer 2RadReise, so dass es nicht ganz einfach fallen wird, wieder in den entspannten Modus einer Langzeitreise zurückzufallen.
Tina Vornesitzer macht noch Fotos von der Rheinüberquerung, danach müssen wir uns schon um die Navigation von Neuenburg zum Eurovelo 6 kümmern:

Unsere Reise durch Frankreich wird das Land zuerst von Ost nach West bis zum Atlantik durchqueren und dabei dem Eurovelo 6, später dem Loire-Radweg (Teil des EV6) bis nach Nantes folgen. Danach stehen gute 800 Kilometer entlang der Atlantikküste nach Süden auf dem Plan, wo wir dem ensprechenden Abschnitt des Eurovelo 1 bis zur spanischen Grenze folgen werden.

 

Der Weg zum Eurovelo 6 führt uns über die Landstraße D108 und nordet uns gleich auf den französischen Umgang mit Radfahrern auf gut befahrenen Straßen ein.

Unsere Radfahrerrechte lauten hier: Mach Dich schmal und rechne nicht damit, dass Autos außer zu blinken auch noch ausscheren könnten.
Nach nervenden 7 Kilometern auf dieser D dürfen wir dann endlich zum Rhein-Rhone-Kanal abbiegen, unserem Einstieg auf den französichen Eurovelo 6 und unserem Einstieg auf viele Kilometer entlang französischer Kanäle.

Die Tagesetappe ist dann auch relativ kurz, wenig später durchqueren wir Mulhouse entlang des Kanals und laufen auf dem Camping de l’Ill ein. Ein bisschen bedrohlich wirkt es schon: Der Campingplatz -wie so viele Großstadtcampingplätze- ist durch ein mächtiges Stahltor und Umzäunung geschützt. Wollen die uns daran hindern, nachts raus zu gehen oder wollen die nachts Niemanden mit bösen Absichten reinlassen? Vermutlich Zweiteres.

Der Campingplatz bietet einen Baguette-Service für seine Gäste an, stilrichtig frühstücken wir natürlich ein Baguette mit (Donautal-)honig und Pain-au-Chocolat, getunkt in unserem Milchkaffee. Außerdem versuchen wir hier noch, unser Zelt morgens TROCKEN in seinen Packsack zu bekommen und lassen uns deshalb Zeit mit dem Frühstück.
Was uns jetzt noch nicht ganz klar ist: Das nasse Zelt im Packsack wird ab jetzt unser ständiger Begleiter. Auch wenn wir tagsüber noch echte Sommerhitze genießen schlägt sich nachts der Tau innen und außen auf der Zelthaut nieder und will und will morgens nicht trocknen.

Das Zelt ist dann halbtrocken auf dem Anhänger, das Stahltor des Campingplatzes ist offen, Udo Hintensitzer brüllt das „Aufsitzen“-Kommando und es geht los in den zweiten Frankreichtag.
Es geht am „Canal du Rhone au Rhin“ entlang und schon nach ganz kurzer Zeit überwiegen grüne Wiesen und kleine Ortschaften, wir verlassen das Ballungsgebiet Mulhouse. Nachdem der Rhein-Rhone-Kanal auf den allerersten Metern noch wie ein riesiger Industriekanal gewirkt hatte ist er jetzt zum kleinen, pittoresken Kanälchen gewandelt, der sich seine wenigen Höhenmeter mittels vieler Schleusen erkämpft.

Zwischendurch sieht man vom Radweg aus gleichzeitig den Fluss Doubs und den Kanal, natürlich auf unterschiedlichem Höhenniveau. Gibt einem ein Gefühl dafür, welchen planerischen Aufwand die Kanalbauer in den letzten Jahrhunderten treiben mussten um die vielen Kanäle Frankreichs zu bauen.

In den nächsten Tagen sehen wir dann viele Vögel entlang der Flüsse, drei Arten schaffen es leicht, das Bild zu dominieren: Fischreiher, Eisvögel und Angler.

Am meisten sieht man natürlich die Fischreiher, die hier als Graureiher, Silberreiher oder Kuhreiher alle paar Kilometer stehen und auf unvorsichtige Fische in der Nähe ihrer Füße warten.

Dazu sehen wir wirklich Mengen von Eisvögeln an den Kanälen, leider immer nur in ihrer typischen Bewegung: pfeilschnell und flach über das Wasser rasend. Man erkennt sie immer an der strahlend blauen Farbe ihrer Flügel bevor sie durch die Bäume abhauen.
Leider sehen wir sie nicht ein einziges Mal sitzend und sind viel zu langsam um beim Vorbeifliegen zu fotografieren.

Naja, und dann noch die Angler. Wir können uns nicht so richtig vorstellen, wie die Fische aus dem teilweise doch sehr milchigen Wasser wohl schmecken könnten. Hochgerüstet, wie die Angler hier sind, müssen die Kanalfische trotzdem etwas Besonderes haben.
Manche Angler sitzen hier mit 4 und mehr Angeln gleichzeitig am Wasser, haben aufwändige Halterungen für ihre Angeln aufgebaut und scheinen mitsamt Zelten oft ganze Wochenenden am Wasser zu verbringen. So lange halten wir es nicht an einer Stelle aus, wir fahren weiter bis Ile sur Doubs zum Campingplatz.

Als wir auf diesem Platz aufschlagen ist schon eine Gruppe der Lanzfreunde Odenwald mit drei Traktoren und zwei Unimogs auf dem Platz. Sie kommen von ihrer Partnerstadt zurück und haben ähnliche Längen in den Tagesetappen wie wir. Nur, dass sie -zumindest teilweise- Ohrenschützer während der Fahrt tragen müssen, was uns am Kanal erspart bleibt.

Gerade mal einen Tag vorher hatten Hinten- und Vornesitzers eine Diskussion über diese Art der Fortbewegung. Udo Hintensitzer hat ein enormes Faible für halbantike Maschinen, die richtig Krach machen, noch richtig nach Schmieröl riechen, gerne mehr Hubraum als Geschwindigkeit haben dürfen und auf jeden Fall echte Handarbeit in der Bedienung benötigen dürfen.

Klar, heute haben wir noch genügend Kraft in den Beinen um das Tandem zu bewegen.
Aber falls wir mit 65+ nochmal eine Reise Nordkap-Gibraltar machen wollen plädiert Udo Hintensitzer für die Version antiker Traktor -Lanz oder Ursus- in Kombination mit einem Bauanhänger. Jedenfalls muss der Traktor per Lötlampe und Muskelkraft zu starten sein, darf nur einen Zylinder haben und man muss den Bumms der Zündung am Hintern spüren können.
Und dazu einen Bauwagen mit einem Holzofen zum Heizen und kuscheligem Schlaf-/Wohnraum-/Küche… mal schauen, vielleicht wird das dann zum 8RadReise Blog.

Nach dem Zeltaufbauen in Ile sur Doubs geht Udo Hintensitzer noch auf die Jagd. Ein Einweggrill sollte es sein, wir haben uns im Supermarkt Leckereien zum Grillen gekauft.
Zum Glück kann man das Pino auch alleine fahren, so kann Tina Vornesitzer sich in der Zwischenzeit um Innenzelt und Luftmatratzen kümmern.

Ernüchternd. Abends um viertel nach sieben hat der Bricomarche geschlossen, die Einzelhändler sowieso. Und Aldi Nord wie auch LIDL haben keine Einweg-Grills im Angebot. Einerseits finden wir das schade, auf der anderen Seite haben wir auf die Art wieder ein besonders entspanntes Abendessen mit unserem winzigen Grillpfännchen: Zwischen dem ersten fertiggegrillten Fleisch und dem letzten Würstchen liegen runde zwei Stunden und eine ganze Flasche Wein. Vermutlich sind wir spätestens bei der letzten Grillwurst im Modus „Langzeiturlaub“.

Weiter mit „l’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny“

Die Bildergallerie des Tages: