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Loire-à-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik

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Loire-à-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik

Radreise auf Langzeit, 7 Monate Sabbatical, unendlich viel Zeit für Alles. Hoffentlich keine zehrende Langeweile, wenn der Sprung aus stressreichen Arbeitswochen ins Nichts-Tun allzu heftig ausfällt. Sicherheitshalber ein paar Bücher auf dem eBook-Reader bunkern, eine Gitarre mitnehmen um endlich wieder Musik zu machen. Und, falls die Langeweile zu heftig wird, zusätzlich noch ein Fachbuch über Shopsoftware für Tinas Firma mitnehmen.
So oder so ähnlich war Udo Hintensitzers Vorstellung einer Langzeitreise auf dem Rad, die ersten Tage der Reise haben wir uns auch genau in diese Vorstellung fallen lassen.

Nun, der Zahn ist gezogen: Auf einer Langzeitreise mit Rad und Zelt gibt es keine Langeweile, der Tagesablauf orientiert sich am Tageslicht und hat mehr Struktur als wir uns je hätten vorstellen können. So hat die Gitarre auf dem Gepäckträger viel mehr Kilometer als Akkordwechsel gesehen und der eBook-Reader läuft immer noch auf der allerersten Akkufüllung. Und Tinas Strickplanung für kuschelige Wollsocken wurde auch schon nach wenigen Wochen und nach höchstens 10 gestrickten Reihen wieder beerdigt. Der Tagesrythmus tickt -zumindest bei uns- komplett anders. Wie?

Der Tag beginnt morgens mit dem Klingeln des Weckers, 7 Uhr. Richtig gelesen: Wir, im normalen Leben Langschläfer, haben 7 Monate Zeit für uns und stellen uns jeden Morgen einen Wecker.
Immerhin, mit dem späteren Sonnenaufgang jetzt Ende September, macht sieben Uhr weniger Sinn und wir gehen in Richtung 7:30.

„Soll ich Dir einen Kaffee kochen, Schatz Vornesitzer?“ heißt die zweite Konstante in unserem Reisealltag. Udo Hintensitzer schält sich aus seinem Schlafsack, schnappt den Holzkocher, Küchenkoffer und Brennholz aus dem Vorzelt und feuert den Holzbrenner an.
Alles ist jetzt perfekt durchoptimiert: Tina Vornesitzer macht die Luftmatratzen klein, stopft die Schlafsäcke in deren Taschen und packt diese ganzen ‚heiligen‘ (weil sie unter allen Umständen trocken bleiben müssen) Sachen in die große gelbe Packtasche. In derselben Zeit hat Udo Hintensitzer schon die Stühle aufgebaut, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht, das Kaffeepulver in die Thermoskanne gezählt, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht, das Frühstück auf den Tisch gestellt, aufgepasst dass der Kocher nicht ausgeht. Und zwischendrin Holz nachgelegt, dass der Kocher nicht ausgeht.

 

Ungefähr 45 Minuten später hat der Kaffee gezogen, Tina Vornesitzer wird mit einem gesungenen „…der Kaffee ist fertig…“ <Youtube-link> aus dem Zelt gelockt und wir begehen das erste Highlight des Tages: Frühstück im Freien in der Morgendämmerung. Manchmal in kurzer Hose und optimistischem T-Shirt, manchmal in Daunenjacke, Radstiefeln und in Extremfällen auch mal mit Handschuhen.
Richtig: Wenn Udo Hintensitzer aufgepasst hat dass der Kocher nicht ausgeht kann man daran nochmal die Hände wärmen.

Das Frühstück ist dann auch die eigentliche Trödelzeit des Tages, die zwei Tassen Kaffee in Ruhe zu trinken würden wir erst als Allerletztes wegoptimieren.

 

Damit ist der Tag für uns schon beinahe zwei Stunden alt und wir haben noch keinen Kilometer der Tagesstrecke geplant oder geradelt.
Weiter geht’s: Tina Vordersitzer ist Packmeister und als Einzige in der Lage, den Küchenkoffer und die gelbe Tasche so einzuräumen dass wirklich alles reinpasst. Dafür muss Udo Hintensitzer sich um das -meist vom Kondenswasser klatschnasse- Zelt kümmern, abbauen und einpacken. Dann in Teamwork zusammen alle Taschen ans Rad anbauen, schauen dass wir nichts vergessen und…
Kommando „AUFSITZEN„.

An guten Tagen schaffen wir diesen Tagesabschnitt in zweieinhalb Stunden, im Normalfall sind aber eher drei Stunden die 2RadReise-Regel.

Losradeln… und meist nach weniger als 10 Kilometern schon wieder der zweite Stopp: Auf dem Rad kann man den Proviant nur für maximal 2 Tage einpacken, deshalb macht unser Team für frisches Brot oder leckeres Mittagessen „aus der Hand“ meist schon in der ersten Ortschaft halt. Die nächsten 4-5 Stopps gehören Fotomotiven und selten schaffen wir mehr als 25 Kilometer Fahrt vor der Mittagspause…. schon wieder anhalten.

In Summe sitzt so ein 2RadReise-Gespann am Tag dann runde 5 Stunden auf dem Tandem und macht abends Stopp um in einem -wieder durchoptimierten- Ablauf das Zelt hinzustellen, zu kochen und schlussendlich das Innenzelt vor Dunkelheit schlaffähig zu bekommen.

Kurzfassung: Morgens 3 Stunden bis zum Tourstart, 5 Stunden radeln, 1 Stunde Mittagspause, 1 Stunde Fotopausen, 3 Stunden Zelt aufbauen und fertigmachen knallt einen Tag irgendwie komplett voll und nimmt der Sorge, man könnte Langeweile schieben, alle Luft aus den Segeln. Und die Gitarre sieht immer noch aus wie neu. Leider leidet auch der Blogeintrag unter diesem Tagesplan, wir sind doch ein paar Tage hintendran.

Zurück zum Loire-à-vélo:

Wir hatten in Tours einen Ruhetag eingelegt und machen uns auf die letzten Tagesetappen in Richtung Atlantik. Dem fiebern wir Drei schon etwas entgegen: Udo Vorne- und Tina Hintensitzer hatten schon einige schöne Urlaube an den Sanddünen genossen und Ole Isbjørn freut sich darauf, endlich wieder ’sein‘ Meer zu sehen und von Norwegen zu träumen.

Wir radeln aus der Stadt heraus, es geht an einer kilometerlangen, parkähnlichen Landschaft zuerst am Chèr, später an der Loire entlang in Richtung Westen.

Die Loire ist zwar kaum in Sichtweite, dafür kommen Rastplätze in Serie, nach gerade einmal 20 Kilometern hat die Disziplin ein Loch und wir halten für die Mittagspause an.
Wir sind nicht alleine: Ein Stockentenpaar wohnt hier und fordert mit freundlich leisem Geschnatter eine Platzmiete von uns ein. Putzige Tiere, die ihre Scheu fast komplett verloren haben und uns am liebsten aus der Hand fressen würden.
Achtung ihr beiden: Hat euch schon jemand geschnattert, dass die Jagdsaison wieder angefangen hat?

Es geht auf dem Damm entlang der Loire durch ein paar Dörfchen, aber jedesmal, wenn die Loire vom Radweg aus zu sehen ist, bieten sich tolle fotogene Ausblicke an denen man einfach anhalten muss. Auch deshalb wird es wieder späte Dämmerung, als wir auf dem Campingplatz in Savigny unser Zelt aufbauen. Ein Zeltplatz übrigens, der in den Frühjahren regelmäßig vom Hochwasser der Vienne überflutet wird… da bekommen Luftmatratzen schlagartig einen zweiten Sinn.

Nach Savigny wird der Loire-Radweg etwas schwieriger: Nach langen, überwiegend flachen Streckenabschnitten im weiten Tal der Loire führt der Radweg jetzt öfters auf die Hügel neben der Loire und verlangt dem Radtouristen ohne E-Motor ein paar Körner ab.
Im Gegenzug geht es durch Weinberge, in denen die Trauben jetzt kurz vor der Ernte stehen und in Souzay durch historische Fels-Städte.

Richtig: Der Radweg führt mitten durch diese unterirdischen Straßen, die im elften Jahrhundert mitsamt den Wohnräumen hier aus dem Fels geschlagen wurden. Wir stehen hier in der Rue de Commerce, die einmal Einkaufsstraße mit Läden war und die bis ins 20. Jahrhundert noch immer als solche genutzt war. Beeindruckender Radweg, vermutlich sind die Häuser hier im Dorf alle ein kleine bisschen wie Eisberge: Man sieht nur einen gewissen Teil von ihnen,der Rest spielt sich wahrscheinlich unterirdisch ab.

Warmshower

Für heute abend haben wir einen warmshower-Gastgeber gefunden. Noch nicht erklärt?
Also: warmshower.org ist eine Internet-Community, auf der sich Radreisende gegenseitig Übernachtungen anbieten können. Wenn man bereit ist, Radreisende für eine Nacht (eine warme Dusche, Unterstützung bei Fahrradreparatur, Tipps für Radrouten, …) bei sich aufzunehmen, kann man sich dort mit (ungefährer) Adresse und mit einer kurzen Beschreibung von sich selbst eintragen. Radreisende, die durch eure Stadt kommen, können die Profile dieser Übernachtungsanbieter sehen und per freundlicher email anfragen ob eine Übernachtung möglich wäre. Ihr seht dann das Profil und Bewertungen des Anfragenden und könnt ihn entweder willkommen heißen oder eben unverbindlich freundlich ablehnen.

Ein tolles System: Der Radreisende gewinnt, weil er zum einen eine günstige Übernachtung findet und sich dazu Tipps über die Gegend abholen kann. Der Gastgeber gewinnt, weil er einen Gast aufnehmen kann, der bestimmt interessante Geschichten von seinem Radprojekt erzählen kann. Klar: ein bisschen Vertrauen gehört schon dazu, einen Fremden in sein Haus einzuladen und die Bewertungen des potentiellen Gastes sollte man auch lesen. Am Ende ist es aber praktisch immer eine Win/Win-Situation für die Beteiligten.

Unsere Übernachtungsgastgeberin heute heißt Lucy und hat laut ihrem Warmshower-Profil ein Wochenendgrundstück direkt an der Loire mit Hütte, Toilette, fließendem Frischwasser und Grillstelle.
Wir haben freundlich angefragt und ein Foto des 2RadReise-Teams mit angehängt und bekommen kurz danach eine Zusage von Lucy. Sie sei dieses Wochenende zwar nicht zuhause, wir könnten unser Zelt aber sehr gerne auf Ihrem Grundstück aufstellen. Ein Telefonat später teilt sie uns die genauen Koordinaten des Wochenendgrunstückes mit und erklärt uns haarklein, wo wir den Hauptwasserhahn öffnen können, wo wir die Toilette finden und dass wir unbedingt den Sonnenuntergang über der Loire anschauen sollen.

Bisschen kurios ist das schon: Auf einem privaten Grundstück direkt an der Loire unser Zelt aufzubauen, ohne Lucy direkt getroffen zu haben. Der Gedanke mag ja erlaubt sein, ob Lucy in Wirklichkeit nur einen Nachbarn ärgern möchte, indem sie ihm 2RadReisende auf die Wiese lockt? Gedanke verdrängt: Wir finden das Grundstück, den Hauptwasserhahn, bauen fix unser Zelt auf und kochen im Eilgang damit wir rechtzeitig mit Essen und Rotwein an die Loire zum Sonnenuntergang sitzen können. MERCI BEAUCOUP Lucy!!!

 

Wir verbringen eine herrlich ruhige Nacht, kochen morgens noch unseren Kaffee, hinterlassen eine Flasche Rotwein auf Lucies Grundstück, bauen unser Zelt ab und schieben dann unser Pino vom Grundstück.
Just in diesem Moment kommt eine Frau zögerlich auf uns zugeradelt. Sie lächelt aber freundlich -toitoitoi: hoffentlich keine geärgerte Nachbarin- und wir fragen sie gleich, ob sie Lucy sei. Nö, Lucy heißt sie nicht, aber sie hat hier auch ein Wochenendgrundstück und wollte uns fragen, wie wir auf diesen Zeltplatz gekommen sind.
Wir erklären ihr Warmshower -inzwischen ist ihr Mann und Sohn per Auto auch den Feldweg entlang gekommen- und erzählen von unserem 2RadReiseprojekt.

Die Drei sind von dieser Idee so begeistert und würden am liebsten gleich hier und jetzt ihr eigenes Warmshower-Profil anlegen um interessante Gäste einladen zu können.
Wirklich: Die drei lassen uns nicht gehen, bevor wir uns auch ihr Grundstück angeschaut haben. Ob wir noch duschen wollten: In ihrer Gartenhütte haben sie eine komfortable Dusche eingerichtet. Und ein Bett haben sie auch drin. Und wenn wir wollten, der Sohn feiert heute sein einjähriges Ehejubiläum auf dem Grundstück, könnten wir gerne noch eine Nacht bleiben!. Wir wollen zwar, aber es sind noch so viele Kilometer bis Gibraltar… wir fahren doch weiter:

Auf den Campingplatz kurz vor Nantes. Auch hier feiert jemand eine Hochzeit, einen Junggesellenabschied oder einen Geburtstag. Oder eine Scheidung. Oder ein Wochenende.

Jedenfalls feiern sie mit ziemlich viel Bier, Wein, Trinksprüchen und Kneipenliedern so ausdauernd, dass die Nacht auch für uns ein bisschen kurz wird. Die Zeltwand hält halt doch nicht so viel Lärm ab. Egal.
Bald nach dem gesungenen „… der Kaffee ist fertig…“ am frühen Morgen machen wir uns auf den Weg für die letzte Loire-Etappe zum Atlantik und erleben die nächste kuriose Szenerie:

Der Radweg nach Westen führt hier an einem schmalen Schilfgebiet entlang nach Nantes. Es ist Sonntag vormittag und der Weg ist mit Radfahrern, Joggern, Inliner-Skatern und Spaziergängern recht gut belebt.
Wir, chronisch gut gelaunte Glückskinder auf Europatraumreise, grüßen praktisch Jeden im Gegenverkehr mit einem freundlich gelächelten Bonjour. Auch die drei Jäger in Tarn mit der Flinte unter dem Arm, die so grimmig gucken.
Wie bitte? Jäger? Auf dem bevölkerten Radweg? Wirklich wahr, was wollen die denn hier? Ok, die Jagdsaison hat wohl gerade erst begonnen, da kann man schon mal zeigen, was man hat. Aber hier im Schilf jagen zu wollen, wo nur wenige Meter entfernt Spaziergänger und Radfahrer Lärm machen scheint uns doch ein bisschen optimistisch zu sein. Vermutlich sehen die Drei das aber anders und schieben die Schuld für den vermiesten Jagdausflug eher auf die Nutzer des Freizeitweges als auf ihre -naja- etwas unzureichende Jagdrevierplanung für diesen Morgen. Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir zügig aus der Schussreichweite der drei grimmigen Kollegen kommen.

 

Die letzte Etappe zum Atlantik zeigt recht wenig Loire, ist dafür sehr anspruchsvoll was die Strecke angeht. Wir wechseln unzählige Male von Flusshöhe die Siedlungen hoch und wieder runter, so dass wir nach der letzten Sichtung der Loire -Vorboten des Industriehafens St. Nazaire- eine Abkürzung an den Atlantik wählen.

Der Tacho zeigt 6842 Kilometer seit unserem Reisestart als wir unser Pino zum Sandstrand am Atlantik schieben. Uns erfüllt schon ein etwas erhebendes Gefühl, vom Nordkap hierher geradelt zu sein. Am arktischen Ozean und in eisiger Landschaft unser Tandem und Zelt gepackt zu haben um nach einer Radreise durch ganz Norwegen, Schweden, Deutschland und Frankreich jetzt an der französischen Westküste zu stehen.

Vorne- und Hintensitzer sind schon ein bisschen stolz darauf und feiern das mit leckeren Madeleines in den Dünen während Ole Isbjørn die Gunst der Stunde nutzt und sich „sein“ Meer genauer anschaut. Ihm fehlen hier zwar die Höhlen und die Fjorde, aber er ist eine gute Stunde in der Brandung unterwegs bevor wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz machen.

 

Weiter mit „VélOdyssée 1: St. Nazaire – La Rochelle“

Die Bildergalerie dieser Reisetage:


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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser, Cheaumont

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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn

Der Tag beginnt als echter Trödeltag: Zuerst ist uns das Zelt zu nass vom Kondenswasser um es auf dem sandigen Boden beim Einpacken zu versauen. Dann brauchen wir ewig für das Zusammenpacken und der Tacho schreit auch noch nach einer neuen Batterie.

So bekommen wir morgens kaum Kilometer auf der eigentlich schönen ruhigen Straße zusammen bevor wir schon frühzeitig Mittagspause am Loireufer machen.

Heute fühlt sich das Radfahren sehr unangenehm an: Zwar hat die Straße einen guten Belag und es hat nur sehr wenige Autos aber es scheinen viele Jäger unterwegs zu sein. Alle paar Minuten hören wir Schüsse aus den Feldern und Wäldern rechts und links von uns.
Nach unserer Abenteuerübernachtung an der Donau sind wir auf Schüsse noch etwas empfindlicher geworden und wir malen uns auch heute bei jedem Knall aufs Neue aus, wie auch einmal ein Tandem Pino in der verlängerten Schusslinie fahren könnte während der Jäger sich zeitgleich über seine Wildschweinsichtung freut und abdrückt.

Die nächste große Stadt auf dem Weg ist jetzt Orleans, weil wir eh schon Trödeltag haben machen wir hier eine kleine Stadtbesichtigung mit Besichtigung der Kathedrale, dem Wohnhaus von Jeanne d’Arc (bedingt durch die Besucherschlange davor nur von außen) und natürlich für einen… nein zwei Kaffees.

Es ist deshalb schon richtig nachmittag bis wir endlich wieder auf dem Weg sind und wir müssen richtig ranklotzen um den geplanten Campingplatz in Beaugency noch erreichen zu können. Auf den Kilometern westlich von Orleans führt der Radweg übersehr weite Strecken direkt an der Loire entlang, wirklich schade dass wir keine Zeit mehr für einen zweiten Stopp haben.

Schon einige Kilometer vor Beaugency wird es dann schlagartig voller. Autos parken auf dem Loireradweg, Leute schlendern darauf und wir müssen unser Schwerlasttandem immer öfter zwischen den Spaziergängern durchfädeln.
Tina Vordersitzer ist unser Klingelbediener und klingelt sich heute die Finger wund damit die Fußgänger nicht zu sehr erschrecken wenn wir von hinten ankommen.

Beaugency selbst ernüchtert uns dann: Wir hatten befürchtet, dass der Campingplatz seine Saison schon beendet haben könnte, stattdessen steht dieser Campingplatz komplett randvoll mit Transportern und Wohnwagen.
Abgesehen davon, dass wir kaum einen brauchbaren Platz für unser Zelt hätten finden können ist uns die Sache ziemlich suspekt und wir beschließen mit 2:0 Stimmen, lieber weiterzufahren. Ole Isbjørn enthält sich der Stimme, der döst schon seit der Mittagspause in Orleans auf seinem Plätzchen und kriegt von dem Ganzen gar nichts mit.

 

Die nächste Ortschaft erreichen wir mit Einbruch der Dämmerung, hier gibt es auch zwei Campingplätze in der Datenbank.
Wieder dasselbe Spiel, auch diese Plätze sind komplett überfüllt obwohl die Saison eigentlich schon vorbei sein müsste. Zum Glück sind hier in Muides-sur-Loire drei Herbergen eingezeichnet, Plan B heißt: Herbergsübernachtung.

Die erste Herberge? Hatte über den Sommer für Renovierungen geschlossen und macht erst nächste Woche wieder auf.
Die Zweite? Ist Teil des dritten lokalen Campingplatzes… geschlossen.
Die Dritte? Erreichen wir telefonisch, hat keine Zimmer mehr frei.

Das Ganze riecht schon ein bisschen nach Katastrophe, es ist schon fast dunkel, es wird in Kürze regnen, wir haben Hunger und es ist viel zu spät um noch einen wilden Übernachtungsplatz zu suchen… Plan C: Wir fragen bei dem lokalen Pizza- und Burgerbäcker nach Möglichkeiten, da stehen gerade recht viele Leute davor. Einer von denen wird uns doch wohl seinen Garten für das Zelt anbieten können!?!

Können sie nicht, aber sie sind sehr hilfsbereit. Suchen mit uns zusammen nach den Herbergs- und Hotelangeboten in der Umgebung und googeln die Telefonnummern für uns heraus. Der dritte Anruf ist dann endlich erfolgreich, wir haben ein Zimmer!!! Zwar für 90 Euro die Nacht ohne Frühstück, was Tina Vordersitzer aber -angesichts der Alternative „Übernachtung im Freien bei Regen“- gerne aus ihrer Kaffeekasse zahlen will.

Mit Vollgas schaffen wir die drei Kilometer bis zu diesem Hotel dann gerade so bevor der Regen anfängt. Diese Punktlandungen vor Regenbeginn werden uns allmählich unheimlich.

Das Hotel ist super, ein altes Herrenhaus mit Blick über die Loire, ein warmes Zimmer, ein angenehmes Bett, ein eigenes Bad. Purer Luxus für heute, die Nacht bekommt drei Kreuzchen in den Kalender. Wir packen im Hotelzimmer unsere Nüsschen und unseren Rotwein aus, verbringen den restlichen Abend lümmeln auf dem Bett und saugen den Hotelluxus in uns auf.

Am nächsten Morgen haben wir einen schönen Blick aus unserem Fenster zur Loire, es steht Nebel über der Landschaft. Es war auch die letzten Nächte immer schon sehr herbstlich feucht, daran müssen wir uns entlang der Loire vermutlich gewöhnen, der Sommer geht halt doch zur Neige. Hoffentlich bekommen wir am Atlantik und in Spanien dann wieder trockenere Abschnitte.

 

 

Unser Frühstück wollen wir heute auf den ersten Kilometern einnehmen weil das Petit Dejeuner im edlen Hotel in Tina Vordersitzers Kaffeekasse nicht mehr drin war und weil der nächste Bäcker eh nur 500 Meter von uns weg ist. Und den Kaffee kochen wir uns sowieso am liebsten selber, das passt dann schon.

Obwohl: Montag ist in Frankreich anscheinend der Ruhetag für Bäcker, außer einer Packung Madeleines und einem abgepackten Marmorkuchen bei der Tante-Emma gegenüber ist nichts zu kriegen.
So radeln wir mit knurrendem Magen die 7 Kilometer zur ersten Loireschloss-Besichtigung unserer Tour: Schloss Chambord, das malerisch in einem sehr großen Waldareal liegt und mit seinen unzähligen Türmen ziemlich verspielt wirkt. Von außen ist dieses Schloß beeindruckend groß -das größte Schloss der Loire-Region- und auch die Parkanlage darum herum ist sehr weitläufig.

Die Besucher werden hier mit vielen Bussen hergefahren, schon alleine das „Dorf“ mit dem kommerziellen Angebot von Plastiksouvenirs bis Pizza und Fahrradverleih hat eine Fußgängerzone von gut 100 Metern Länge.

Für uns reicht der Blick von außen, wieder einmal verzichten wir gerne auf das Anstehen in der Schlange, dafür gönnen wir uns zwei Café Crème im Schlosspark und tunken unseren Marmorkuchen zum Frühstück während wir erfolglos versuchen, zwei gleich aussehende Türme am Schloss zu finden.

Der Zweck des Waldareals um das Schloss wird uns beim Hinausfahren bewusst: Dieses riesige Schloss wurde als Jagdschloss gebaut und der Wald darum ist umzäunt um die gemästeten Wildschweine in der Nähe zu halten. Vermutlich sind es wohlhabende Gäste, die hier für edles Entgelt eine Wildsau vor die Flinte geschubst bekommen.

Klar wird damit auch, warum an diesem Wochenende alle Zeltplätze in der Region überlastet sind: In dieser Loireregion begann gestern die Jagdsaison, das darf man sich in etwa vorstellen wie Beginn der Bundesliga nach der Winterpause. Die ganzen Jäger dürften jetzt ganz schön wild darauf sein, etwas Wildes vor die Flinte zu bekommen und den Finger recht locker am Abzug haben.
Für uns 2RadReisende heißt das, dass wir für den Moment NICHT wild zelten werden. Weder brauchen wir einen Jäger, der uns in der Morgendämmerung zur Sau macht, noch brauchen wir Schrotlöcher in Zelt und Schlafsack, wenn wir ungeschickt in einer Schusslinie übernachten sollten.

Die Wildschweine, die wir hier im Park sehen sind noch relativ entspannt und lassen uns recht nahe kommen bevor sie weglaufen. Bestimmt hat denen noch niemand gesagt, dass die Schonzeit vorüber ist… werden sie schon noch merken.

Auf dem Weg raus kommt uns noch ein Reiseradler entgegen und winkt uns freundlich zu… den sehen wir später wieder !!!

Zurück auf dem Loire-Radweg wird es schon bald Zeit für einen Platz fürs Mittagessen, wir fahren einen der größeren Anglerwege bis zum Fluss hinunter, finden eine kleine sandige Bucht für unser Picknick und brutzeln uns Couscous mit Ratatouille auf unserem Holzkocher.

 

Die Loire unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Flüssen, an denen wir bisher entlanggeradelt sind. Während die meisten anderen Flüsse ab einer gewissen Wassermenge schon historisch zu Wasserstraßen umfunktioniert wurden, hat die Loire ihr Gesicht als natürlicher Fluss behalten: Bedingt durch die enormen Mengen an Sand, den sie mit sich führt war sie vermutlich nie als Transportgewässer brauchbar und wurde auch deshalb baulich nicht gefasst. Tina Vordersitzers Bild der Loire: Die Loire ist ein Fluss, der noch wirklich Fluss sein darf.

 

Dementsprechend bilden sich hier Sandbänke, kleine Sandinseln und lösen sich wieder auf, der Fluss sucht sich sein Bett immer wieder aufs Neue. Es macht Spaß, diesen Fluss zu begleiten, der Loire-Radweg bleibt ein Highlight auf unserer Europatour. Er ist einfach zu fahren, weil er gut beschildert ist, er ist auf den allermeisten Etappen sehr flach zu radeln und es gibt eine recht gute Infrastruktur von Zeltplätzen, Herbergen, Rastplätzen nah an der Strecke.

Baignade strictement interdit

Schon seit unserer ersten Begegnung mit der Loire in Nevers sind uns die vielen Schilder mit „Baignade interdit“ oder „Baignade strictement interdit“ aufgefallen. Hatten wir das zuerst noch für Naturschutzthemen gehalten und hätten es zu gerne das eine oder andere Mal ignoriert, werden wir später aufgeklärt: Das hat auch mit den Sandmengen zu tun, die die Loire zum Atlantik transportiert. In der Loire bilden sich Sandbänke, die wie Treibsand auch instabil werden können und manchmal auf großer Breite abreißen können, böse Wirbel und Wellen erzeugen können. Nach einem Unglücksfall mit mehreren toten Schulkindern vor etwa 30 Jahren wurde das Badeverbot dann behördlich erlassen. Überzeugt uns, manche Verbotsschilder machen wohl doch Sinn.

Auf dem Campingplatz in Chaumont stehen heute drei Zelte mit Rad- und Motorradreisenden neben unserem und wir lernen Jonas Kassigkeit, zwei radelnde Spanier -Alvaro und Mirentzu- und einen Spanier -Alfonso- mit Motorrad kennen. Wir öffnen unseren Weinkeller, bestückt mit immerhin einer Flasche Muskat für die Runde und verbringen einen langen Abend zusammen.

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf's Foto kommen :)

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf’s Foto kommen 🙂

Jonas werden wir auf unserer weiteren Etappe noch öfters treffen, er beeindruckt uns mit seiner lockeren Art und mit seiner Radreiseerfahrung. Trotz seinem zarten Alter von gerade mal 22 Jahren hat er schon einige tausend Kilometer in Europa abgeradelt und ist dabei auch viel alleine unterwegs. Wo wir bei wilden Übernachtungen schon zu zweit oft sehr unsicher sind muss er das ganz alleine meistern. Respekt!

Morgen wollen wir uns dann noch ein zweites Loireschloss, dieses Mal auch von innen, anschauen: Chenonceaux, das ein paar Kilometer abseits der Strecke liegt. Das Schloss wurde zuerst am Fluss Cher gebaut, später wurde dann die zugehörige Brücke elegant mit zwei Stockwerken überbaut. Ein wunderschönes Schloss mit großer Parkanlage.

Als wir hier auf dem Fahrradparkplatz einlaufen, dürfen wir uns für einen Moment richtig prominent fühlen als uns zwei junge Radreisende direkt mit „Hey, ihr müsst Tina und Udo sein“ ansprechen. Sind wir leider nicht, sie hatten nur am Vortag Michaela und Hubert getroffen, mit denen wir vor ein paar Tagen einen Camperabend verbracht hatten 🙂

Weiter mit „Loire-a-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik“

Zur Bildergalerie des Reisetages:

Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

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Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire

Einer der längsten Radwege in Frankreich folgt der Loire bis zur Mündung in den Atlantik bei St. Nazaire. Sie nennen diesen Radweg liebevoll „Loire à velo“, was soviel wie „die Loire per Fahrrad“ heißt, auch wenn es ein bisschen untertreibt weil es die ersten paar hundert Kilometer der Loire ab der Quelle glatt unterschlägt.
Jedenfalls startet der Loire à velo kurz nach der Mündung des Allier in die Loire mit dem Kilometer Null.

Wir hatten ja einen Ruhetag in Nevers und freuen uns frisch ausgeruht auf ein neues Kapitel des Reisetagebuches an der Loire.
Das Wetter ist heute etwas durchwachsen, die wirklich heißen Tage des Jahres sind wohl vorbei. Einerseits schade, weil der Hochsommer damit auch für uns auf der Südroute zu Ende ist, andererseits waren die letzten Tage schon eine echte Hitzeprüfung gewesen.

 

Vom Campingplatz in Nevers geht es etwa 10 Kilometer entlang des Canal-Lateral-à-la-Loire, dann kommen wir an die Kanalbrücke über die Allier an die eine 10 Meter hohe Doppelschleuse direkt angeschlossen ist.

Der Schleusenwärter hat während eines Schleusenganges, der immerhin 30 Minuten dauert, ausreichend Zeit, um uns über unsere Reise auszufragen.
Im Gegenzug löchern wir ihn mit unseren Fragen, die sich auf mehreren hundert Kilometern Kanalradweg halt so anstauen. Ja, die Schleusenwärter sind staatlich angestellt (lässiger Job, sollte man sich fürs nächste Leben vormerken). Ja, die Schiffe zahlen eine Jahresgebühr für die Kanalbenutzung, die sie mit einer Vignette am Schiff dokumentieren müssen. Und ja, ein Schiff, das irgendwo anliegt und vor sich hinrottet muss auch eine Kanalgebühr bezahlen. Und nein, wenn wir im Winter mit Schiff kommen würden wäre nix mit schleusen, da werden Kanäle instandgehalten und sind großenteils geschlossen.

Eine Viertelstunde nach diesem Gespräch mit dem Schleusenwärter startet dann unser Abenteuer Loire à Velo am offiziellen Kilometer Null des Radwegs.

Leider führt der Loire-à-Velo kurz nach dem Kilometer Null auf den Damm der Loire und zeigt den Fluss anfangs eher selten, was der Schönheit der Strecke keinen Abbruch tut: Der Radweg führt durch wenig besiedeltes Land, der Asphalt des Radwegs ist perfekt und wir sehen nur ganz wenige Autos an diesem Reisetag. Wenn die Loire zu sehen ist, ist das meist im Bereich von kleinen, verschlafenen Dörfchen direkt am Fluss oder wenn man einem Anglerweg folgt, der vom Radweg in Richtung Fluss abgeht.
Wir sind hartnäckig genug und der dritte Anglerwaldweg bringt uns direkt auf eine Kiesbank an der Loire für unser Picknick.

Für die Übernachtung fahren wir zum Zeltplatz in Cosne-Cours-sur-Loire, stellen unser Zelt auf der Wiese unter den hohen Bäumen auf… und bekommen eine neue Lektion des Kurses Camping für Fortgeschrittene: Gelernt hatten wir schon die Lektion mit den Mulden auf Campingplätzen (laufen bei Starkregen gerne mit Wasser voll und setzen das Zelt unter Wasser), die Lektion mit der Windrichtung (man schläft besser, wenn das Zelt längs zum Wind aufgebaut ist und gut verspannt wurde) und die Lektion „wo ist Osten“ (damit man die Morgensonne auf das Zelt bekommt).
Ganz neu ist jetzt die Lektion „Zelte nicht unter hohen Bäumen“, die Vorlesung halten heute Nacht eine Gruppe Tauben, unter deren Toilettenast unser Zelt offensichtlich gerade steht. Nicht appetitlich. Nicht einfach wegzuputzen, nicht lustig. Wenigstens hat der Regen dafür gesorgt, dass die gut 30 Flecken nicht angetrocknet sind, 4 Liter Wasser und 20 Tempos später ist der Ärger weggeputzt.


Die Tagesetappe
soll uns über Belleville-sur-Loire, Briare, Sully-sur-Loire nach Chateauneuf-sur-Loire führen.
Nachdem es nachts noch geregnet hatte ist es morgens immer noch recht dicht bewölkt, auch das Atomkraftwerk in Belleville-sur-Loire gibt sich Mühe, den Eindruck noch etwas düsterer zu gestalten.

Immerhin führt der Radweg heute über sehr weite Strecken direkt entlang der Loire und gönnt uns schöne Aussichten auf die alten Dörfchen, vereinzelte Weinberge und kleine Schlösschen auf der anderen Flussseite.

Unsere Mittagspause machen wir direkt an der Loire, wo wir neben Baguette, Käse und Salami einem großen Greifvogel beim Jagen über der Loire zusehen. Immer wieder schraubt er sich auf eine Höhe von 20-30 Metern hoch um danach ins Wasser herabzustürzen. Leider können wir ihn nicht genau genug sehen um sicher zuzuordnen, ob es ein Schwarzmilan oder vielleicht sogar ein Fischadler ist. Unser Vogelkundebuch behauptet jedenfalls, dass einzelne Milanarten auf Fischjagd gehen würden, die Flügelform deutet aber sehr auf eine Adlerart.

 

Nachmittags geht der Radweg dann wieder an den parallelen Kanal zur Loire, wo wir wieder eine Kanalbrücke erreichen: Die Kanalbrücke bei Briare führt den „Canal-lateral-à-Loire“ in einer gut 600 Meter langen Stahlbrücke über die Loire.

Als Tourist kann man diese Kanalbrücke in einem Ausflugsschiff überqueren und Fotos schießen, was heute aber anscheinend nicht so spannend ist: Jedenfalls sind die Fahrgäste so von unserem Pino fasziniert, das sie auf dem Radweg der Kanalbrücke überholt, dass sie praktisch nichts anderes fotografieren. Hat sich die Fahrt mit dem Ausflugsboot schon mal gelohnt!

 

Der Campingplatz in Chateauneuf-sur-Loire ist heute, Mitte September schon recht leer. Trotzdem hat sich ein mobiler Pizzabäcker auf den Platz verirrt, was wir gnadenlos ausnutzen. Heute abend gibt es französische Pizza, warme Dusche… und abends noch einen Film vom Notebook im Zelt. Und Nüsschen. Und Rotwein. Das Leben ist schön!

Weiter mit „Loire-a-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn“http://www.2radreise.de/loire-a-velo-2-loireschloesser-cheaumont/

Die Bildergalerie dieser Etappe:

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

Heute morgen sorgt nicht nur unser Holzkocher beim Kaffeekochen für Qualm auf dem Campingplatz, kurz danach bereiten sich die Mitglieder der Lanzfreunde Odenwald auf die Abfahrt vor.
Das Vorglühen des Zylinderkopfes per Heizbrenner geht noch relativ harmlos vor sich, das Anwerfen des Lanz- und Ursustraktors von Hand ist jedenfalls ein Schauspiel für sich.
Die Dieselwolke aus dem Auspuff, die jeder einzelnen Zündung folgt hat es schon in sich und wir finden hinterher den einen oder anderen Dieselrußkrümel auf unserer Zelthülle.

Weniger spektakulär ist eine Stunde später das Anrollen unseres Gespanns, zum Glück schaffen wir den Absprung heute etwas früher am Vormittag: Der Wetterbericht verspricht uns heute wieder über 30° im Schatten.

Der EV6 folgt in diesem Abschnitt abwechselnd dem Fluss Doubs und dem Canal Lateral du Doubs in weiten Schleifen.

Teilweise fahren wir auf der Nordseite (=Sonnenseite) des Flusses / Kanals, andere Strecken führen auf der angenehm schattigen Südseite.
Das sind die wirklich schönen Teile der heutigen Etappe, endlich kann man auch mal wieder ohne Sonnenbrille fahren.

 

Zum gleichen Zeitpunkt auf einem Ast einer der hohen Eichen verabschiedet sich Bruno Düsenflieger von seinen Enkeln (er hat sich nicht explizit vorgestellt, wir geben ihm einfach mal diesen Namen), seines Zeichens fliegende Ameise, zieht die Fliegerbrille auf und startet in seinen letzten Flug. Im Sturzflug donnert er auf uns ahnungslose Reiseradler zu, nimmt Udo Hintensitzer ins Visier und knallt mir mit Höchstgeschwindigkeit direkt ins linke Auge. Sonnenbrille im Schatten wäre doch gut gewesen.

Mannmannmann, tut das Ding weh! Ich kann zwar die Hälfte von Bruno Düsenflieger per Reflex-Augenwischen aus meinem Auge reiben, der Rest bleibt aber erst mal drin und brennt so höllisch, dass wir eine knappe Stunde Pause machen müssen und fast einen Liter unseres kostbaren Trinkwassers für das Ausspülen des Auges verbrauchen.
Dummes Ding, Bruno, hättest auch einfach auf unseren Scheinwerfer donnern können.

Um das Auge auf den weiteren Kilometern etwas zu schonen klebt Krankenschwester Tina Vornesitzer mir eine Augenkompresse auf das lädierte Auge und wir fahren mit etwas reduzierter Geschwindigkeit weiter.

Zum Glück guckt Tina mit und passt auf, ich wäre über den Ast am Rand der asphaltierten Strecke fast drübergefahren… Tina kreischt ein bisschen und wir halten kurz nach dem Ast an, der sich inzwischen als ganz schön große Natter -vermutlich eine große Ringelnatter- entpuppt hat.

Dummerweise sind wir halt wieder zu tüddelig, das Tier zu fotografieren bevor sie sich ins hohe Gras verkrümelt… ähhh verschlängelt.

 

Am Nachmittag führt uns der Radweg entlang dem hier schon recht breiten Doubs auf Besancon mit Blick auf die Zitadelle auf dem Berg zu. Der Doubs macht hier eine große Schleife durch Besancon, die Kanalbauer haben sich eine Abkürzung dazu einfallen lassen: Der Kanal hat einen Tunnel mitten unter der Stadt hindurch bekommen und als Radfahrer kann man wahlweise durch die Stadt radeln oder durch den etwa 500m langen Tunnel abkürzen. Wir wollen gerne noch ein Stückchen vorwärtskommen und nehmen deshalb die kürzere Variante durch den Tunnel. Es fühlt sich schon seltsam an, zu wissen dass die riesige Zitadelle während dieser Durchfahrt über unseren Köpfen steht.

Ein gutes Stück nach Besancon folgt dann bei Thoraise eine weitere Kanalabkürzung per Tunnel. Inklusive tollem Blick durch den Tunnel auf die andere Bergseite und die Schleusen auf der anderen Seite. Nur der Radweg hat in diesen Tunnel nicht mit reingepasst, wir müssen unser Lastenrad über den kurzen aber steilen Berg radeln.

 

Nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel heute:
Unsere Datenbank kennt einen Campingplatz in Osselle, die Karte zeigt dort ein Freibad direkt angeschlossen. Hochwillkommen bei der heutigen Hitze. Als wir dort ankommen entpuppt sich die Sache dann aber als privates Freibad am See mit angeschlossener Campingwiese.
Soweit gut, aber die Betreiberin erzählt uns am Eingang von „… douches froides …“ – es gibt nur KALTE DUSCHEN.

Es ist jetzt schon abend, vermutlich müssen wir da jetzt einfach durch. Der Platz ist auch wirklich richtig schön, der See lädt zum Baden ein und wir haben von unserem Zeltplatz einen schönen Blick über den See.
Man kümmert sich auch liebevoll um uns (die fast einzigen Camper an diesem Tag) und zeigt uns den Platz mit der schönsten Aussicht und nahe zu den Steckdosen.
Eine Französin, die in ihrer aktiven Arbeitszeit als Redakteurin gearbeitet hat fragt uns noch lange über unsere Reise aus und lobt den See und das Seewasser in den höchsten, frischen Tönen -verglichen zum „toten“ Wasser der Loire. Wir bleiben gerne einen extra Ruhetag auf diesem Platz, auch wenn die Duschen extrem erfrischend sind, baden ausgiebig und gönnen uns Abendessen mit Rotwein in der Freibadgaststätte.

Das frische Wasser im See und den Vergleich mit der Loire müssen wir wenige Tage später etwas relativieren: Die Loire sehen wir später mit tollem klarem Wasser mit vielen riesigen Fischen, deren Wasser kann so tot nicht sein. Dafür haben sich alle Vorder- und Hintensitzer dieses Blogs Zerkarienpusteln im See geholt… die sich noch ein paar Tage juckend in Erinnerung halten werden.

 

Beim Abendessen im Freibadrestaurant treffen wir auf Franzi und Josh, die gerade ihre Bachelorarbeit in Politik- und Islamwissenschaften bzw. in Politik und Pädagogik abgeliefert haben.
Daraus entwickelt sich eine sehr spannende Unterhaltung über Berufswünsche, soziales Engagement und über den Umgang mit Populismus. War sehr schön, mit euch zu reden, wir wünschen euch einen guten Berufsanfang wenn ihr wieder zurück seid!

Am Tag nach unserem Ruhetag in Osselle kommt schon recht früh Leben auf das Freibadgelände. Schwimmer mit Neoprenanzügen kommen zum trainieren, viele Sportler mit Rennrad und Sporttaschen laufen ein und fangen an, das Freibadgelände für ihren lokalen Triathlonwettbewerb vorzubereiten.
Einen Moment denken wir drüber nach, wie so ein Triathlon mit Pino auf der Radstrecke wohl aussehen würde, entscheiden uns aber dann doch, weiterzufahren.

Nach Osselle geht es wieder weitestgehend am Rhein-Rhone-Kanal entlang. Diese Strecken rollen immer sehr gut, da der Radweg immer das ebene Niveau des Kanals hält und nur alle paar Kilometer einen Höhensprung einer Schleuse aufweist… um danach wieder für Kilometer eben zu bleiben. Highlight des Morgens ist eine Ringelnatter, die quer über den Kanal schwimmt. Dummerweise WIEDER zu schnell für uns.
Versprochen: Wir liefern noch ein Schlangenfoto!

 

Auf diesem Kanal ist jetzt, Anfang September nicht sehr viel Verkehr. Pro Tag sind es fünf bis zehn Miethausboote, die mehr oder weniger Probleme beim Rangieren in den Schleusen haben.
Dazu kommen ein paar frühere Frachter, die liebevoll zu langen Hausbooten umgebaut worden sind und häufig ganz liebevoll mit Blumenkästen geschmückt sind.
Die liegen dann meist an Anlegestellen mit hübschen Restaurants und die Besitzer üben sich im französischen Savoir-Vivre. Wäre für einen Sommer bestimmt mal schön um die Beine richtig baumeln zu lassen, auf mehrere Jahre verteilt aber vielleicht doch langweilig, oder?

Auf so einen Wohnfrachter würde unser Pino eigentlich ganz gut passen und wir überlegen ernsthaft wie es wäre, uns bei so einem kanalfahrenden Pensionärspaar auf eine Tagesetappe einladen zu lassen. Würde eigentlich ganz gut zu 2RadReise passen.
Leider finden wir über die ganzen Tage kein einziges fahrendes Hausboot, das in unsere Richtung fährt und genügend Platz für ein Pino auf Deck gehabt hätte. Schade.
Das einzige Schiff, das infrage käme ist ein Holzfrachter, dessen Kapitän wir auch prompt ansprechen. Allerdings sehen wir den an einer Stelle, an der ein Aufladen des Pino wirklich nicht möglich ist. Wird leider nichts mit Schifffahrt.

 

Die Etappe endet an diesem Abend dann auf einem winzigen 0-Sterne-Campingplatz an der Saone bei Pagny. Die Betreiberin nimmt uns extrem freundlich in Empfang, bietet uns gleich eine kalte Flasche Wasser aus dem Kühlschrank plus zwei kalte Bier an und empfiehlt uns den Sonnenuntergang am Saone-Ufer.

Die zwei Flaschen Bier trinken wir dann auch dort am Ufer bevor wir müde ins Zelt kriechen. War ein langer, heißer Reisetag.

 

Weiter mit „Pagny – Chagny – Digoin – Nevers“

Die Fotogalerie dieser Reisetage: