Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

Tag 2: Via Verde de Terra Alta

Der Morgen lockt uns mit Vogelgezwitscher und wir stehen trotz der nur halb-geschlafenen Nacht früh auf. Der Vollmond steht morgens um halb acht noch am Himmel und wir freuen uns auf den Moment, wenn die Sonnenstrahlen über die Bergkette kommen und auch uns wärmen. Auch Benny ist schon voller Tatendrang und will eigentlich weiter.

Ab El Pinell de Brai, wo wir heute auf dem Bahnhof gezeltet haben, beginnt die Via Verde de Terra Alta und führt bis Arnes-Lledó. Sie wird von vielen als landschaftlich beeindruckendste Via Verde Spaniens bezeichnet: Sie durchquert eine schroffe Gebirgslandschaft mit schönen Schluchteinschnitten.

Um sich die Bahntrassenführung in einer Berglandschaft vorzustellen muss man sich die Steigfähigkeiten einer Dampflokomotive mit ihren maximalen ~1.5% Steigung in Erinnerung rufen. Richtig: Die für eine Lok fahrbare Route muss abwechselnd am Hang entlangführen, einen Berg per Tunnel durchbrechen und weitspannende Brücken nutzen um Einschnitte zu queren. Mit der Vorstellung im Kopf wird nachvollziehbar, dass sich hier auf 24km Streckenlänge 20 Tunnels mit mehreren Viadukten abwechseln.

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Wir frühstücken gemütlich, jetzt mit Sonne auf dem Pelz, packen unser Zelt zusammen, lassen unseren Lumpi noch ein paar Schritte auf dem Bahnhof laufen und satteln Häschen Pino.

Der Rad-Tag startet entsprechend dem Charakter dieser Bahntrasse gleich mit zwei längeren Tunnels, in denen die Beleuchtung per Lichtschranke beim Einfahren angeschaltet wird. Schöner Service, auch wenn man sich ohne Radbeleuchtung nicht auf diese Via Verde machen darf: Manche Tunnelbeleuchtung wurde wohl samt Solaranlage, Pufferspeicher und Lichtschranke abgebaut weil sie jemand zuhause noch besser brauchen konnte.

Nach dem zweiten Tunnelausgang blendet uns die helle Sonne noch kurz, bevor wir den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekommen. Die Landschaft ist wirklich atemberaubend (siehe Slideshow am Ende dieser Blogseite) und wir lassen uns schon nach 7 geradelten Kilometern verleiten, den schönen Rastplatz für einen Cappuccino und ein frühes Vesper zu nutzen.

Wir passieren das ehemalige Kloster Fontcalda, das an warmen Quellen errichtet wurde und heute wohl als Ausflugsrestaurant dient (war allerdings immer geschlossen wenn wir vorbeikamen), bleiben auf jedem Viadukt mit der Kamera stehen. Herrliche Landschaft, diese Via Verde wird wohl unsere Lieblingsbahntrasse werden.

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Der Bau dieser Bahntrasse muss eine planerische Meisterleistung gewesen sein: Eine Linie mit konstanter Steigung von knapp 1.5% in diese Landschaft zu legen, mit jedem Tunnelausgang wieder einen Anschlusspunkt am Hang oder eine querbare Schlucht zu treffen ist für mich unvorstellbar. Die Bahnhöfe auf der Strecke sind deshalb auch an der Bahnlinie und nicht an irgendeiner Ortsmitte orientiert. Die liegt meist mehrere Kilometer vom Bahnhof entfernt, nur das Dörflein Bot wird in einer ganz weiten Bahnschleife am Ortsrand angeschnitten.

Ein letzter, sehr nasser Tunnel mit Bachbegleitung führt uns dann durch den Berg zum Bahnhof von Horta de Sant Joan, wo Pablo Picasso für einige Jahre gelebt hat und wo heute ein Centro Picasso im alten Hospital angelegt ist.

Picasso muss allerdings auf uns warten, nach guten 300 Höhenmetern mit der gerade erst auskurierten Grippe von Udo machen wir stattdessen die zweite Pause am schönen Rastplatz am dortigen Bahnhof und horchen eine Stunde mit geschlossenen Augen an der Parkbank.

Sehr viel weiter kommen wir heute auch gar nicht mehr. Etwa am höchsten Punkt unserer Strecke sehen wir die Ortschaft Cretas rechts der Bahntrasse. Die Straße dorthin fordert uns zwar nochmal mit knappen 100 Höhenmetern, aber die Aussicht auf ein Zimmer in einer Pension, eine warme Dusche und ein leckeres Abendessen geben uns die letzten Körner.

Pension gefunden, hübsches Badezimmer… nur das gewünschte Restaurant finden wir nicht. Gut, dass die Vermieter in der Pension keinen Schimmer haben, dass wir unser Süppchen auf dem Gaskocher im Zimmer gekocht haben bevor wir müde ins Bett fallen und von Tunnels und Viadukten träumen.

Weiter zum Tag 3: DieVia Verde del Val de Zafan und Tunnelerlebnisse

Slideshow des Reisetages:

Die Sonne kriecht langsam über die HügelKaffee zum FrühstückBenny will schon weiter2012-10-01_0392012-10-01_0492012-10-01_0502012-10-01_0662012-10-01_0632012-10-01_0612012-10-01_0602012-10-02_0012012-10-01_070

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200km Bahntrassen im Oktober 2012

Unsere Radtour mit Zelt, Hund und Pino Hase auf der Bahntrasse Tortosa - Alcaniz:

    • Via Verde del Baix Ebre
    • Via Verde de la Terra Alta und
    • Via Verde de la Val de Zafan

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