Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Das Wetter fängt in Stokmarknes an, wie es am Vorabend aufgehört hat: Die Wolken hängen tief in den Bergen, die den Fjord umgeben und es fällt immer wieder etwas Regen auf unser Zelt. Zum Glück haben wir heute nicht viel vor: Zur Fähre nach Melbu, die uns auf nach Fiskebøl auf den Lofoten tragen soll sind es nur 20 Kilometer und da wir unseren Zeltplatz für die nächste Nacht bereits kennen haben wir keine Eile.

Gemütlich kochen wir uns eine zweite Kanne Kaffee in der Gemeinschaftsküche und warten darauf, dass sich die Wettervorhersage von gestern -trocken und sonnig bei 12°C- gegen die Wolken durchsetzt… aber es wird nachmittag bis wir das noch klamme Zelt zusammenpacken und uns unter den noch immer tiefen Wolken auf den Weg machen. Die Fähreüberfahrt von Melbu nach Fiskebøl dauert nur 25 Minuten, während der die schroffen Berge der Nordküste dieser Lofoteninsel Austvagøy eindrucksvoll näherkommen.
Die Lofoten sind ein beliebtes Urlaubsziel für Norwegenurlauber, hier beeindruckt die Landschaft mit krassen Gegensätzen aus schroffer Bergwelt und rauher Küstenlinie zum Nordmeer hin zu kilometerlangen weißen Stränden, türkisfarbenem Meer und sanften moorigen Heideflächen die wiederum direkt an grüne, bewirtschaftete Wiesen mit Schafen und Lämmern angrenzen. Dazu kommen die ganz speziellen Sehenswürdigkeiten dieser Inseln mit der eigenen Landwirtschaft, mit den Feldern von Stockfischen an Holzgerüsten und mit Dörfern, die halb auf dem Meer, halb auf den Felsen gebaut sind. Das Tempo einer Radreise gibt einem außerdem ausreichend Zeit, auch die Tierwelt der Lofoten zu sehen und diese ganz besonderen Inseln wahrzunehmen: Ist man im Auto eher in Gefahr, an den schönen Stellen zu schnell vorbeizufahren ist man mit dem Fahrrad langsam genug um auch wirklich anzuhalten. Ganz nebenbei kann man die oben beschriebenen Gegensätze auch fühlen: Da ist die nordgewandte Seite der Lofoten, die uns mit scharfem, kühlem Wind empfängt, die viel mildere Südostseite, die auch jetzt, Ende Mai, an windschattigen Stellen schon richtig warm ist. Zwischen diesen beiden Seiten wechselt man automatisch hin und her, wenn man der Hauptachse folgt und mehrmals an langen Fjorden entlangfahrend von Küste zum Landesinneren wechselt. Durch die Lofoten führt die E10 als Hauptstraße, die schon jetzt hauptsächlich Mietwagen von Urlaubern und Wohnmobile transportiert, man sollte sich aber unbedingt die Zeit nehmen, die kleinen Umwege auf den schmalen Sträßlein zu nehmen wo immer das möglich ist. Für uns heißt das zwar einige Kilometer Umwege und einige extra Höhenmeter, wir erkaufen uns damit aber den wenigen Verkehr und die Naturnähe, die wir sehen wollen.
Zurück nach Fiskebøl: Wir verlassen die Fähre, biegen direkt nach dem Fähranleger rechts ab und schon heißt uns eine knackige 10%-Steigung willkommen bevor wir einen Kilometer später „unseren“ Strand für die Übernachtung erreichen. Es gibt hier einen schönen Blick zurück auf die Vesteralen und der Himmel beginnt schon aufzuklaren. Morgen wird bestimmt ein schöner Tag!!!

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Richtig: Zwar tröpfelt es morgens noch ein paar Mal aus blauem Himmel heraus aber die sonnigen Abschnitte dominieren mehr und mehr. Unsere Radetappe wird uns heute eine große Schleife an der Nordostküste entlang führen und so die Strecke nach Svolvaer von 30km auf gut 60 verlängern. Aber es lohnt sich: Die Landschaft ist zuerst von steilen Felsen von Meereshöhe bis auf 300-400m Höhe, später von weiten Moor/Heideflächen bestimmt, die sich mit landwirtschaftlich genutzten Flächen -richtig, Schafe und Lämmer- abwechseln. Die Straße ist sehr  schmal und wir begegnen nur ganz selten Autos. Dafür sehen wir auf den ersten Kilometern zwei Seeadler, die sich mit Krähen um das Revier streiten. Später, auf den Heideflächen stehen viele Wasserflächen, auf denen Schwäne, Graugänse, Taucher wahrscheinlich gerade am Brüten sind.
Damit sind wir in unserem Element, verbrauchen wieder einige „Ohhh guck mal da“ und „Wow, ist das cool hier“, erreichen nach gut 30 Kilometern wieder die Hauptachse E10. Zurück im Verkehr mit Womos und Mietwagen sammeln wir auf dieser E10 auch noch ein paar Höhenmeter auf dem Weg nach Svolvaer wo wir „das Nötigste“ einkaufen.
Die Lektion mit der Streckenplanung passend zu den Einkaufsmöglichkeiten und Öffnungszeiten der Läden hatten wir ja schon in Svensby (siehe unseren Blogeintrag zu Svensby) gelernt. Was man als Radtourist noch dazulernen muss ist, dass man sich bei den raren Einkaufsmöglichkeiten keinen Kofferraum voller leckerer Sachen in den Einkaufswagen werfen darf. Auch wenn unser Hase Pino ein Reisegewicht von 250kg hat haben wir doch etwas eingeschränkte Packmöglichkeiten und stehen immer noch regelmäßig vor dem Supermarkt und müssen die „überschüssigen“ Lebensmittel per Einkauftüte zusätzlich seitlich ans Rad klemmen.
Nach einer Nacht auf dem Campingplatz steht die Route nach Leknes auf dem Etappenplan. Mietwagen- oder Wohnmobiltouristen auf den Lofoten werden wahrscheinlich die E10 wählen, die Europaradroute E1 entscheidet sich für Extraschlaufen über Hov und über Semesvik/Ramsvik. Das Projekt „Lebenstraum von Nord nach Süd“ gibt uns 7 Monate Zeit und rechnet mit etwa 10.000 Kilometern, also sind solche Extraschlaufen eine Selbstverständlichkeit, unsere Beine können inzwischen auch schon viel besser mit den Steigungen umgehen. Nach Svolvaer folgt die Etappe dann wieder der E10, der Blick auf das blitzeblaue Meer zeigt unzählige kleine Inselchen und die typischen weißen und roten Häuser der norwegischen Fjorde.

Nach 15 Kilometern fahren wir über eine große Brücke des Gimsøystraumen -man notiere: Viele der Brücken über große Fjorde und auf Inseln sind sehr weitspännig und haben eine Scheitelhöhe von gut 40 Metern über dem Meer damit auch Hurtigruten-Kreuzfahrtschiffe und große Segelschiffe darunter passieren können. Hoch geht es da mit gut 7% und es gibt selten Radwege: Um den Autoverkehr an solchen Stellen nur möglichst wenig zu blockieren fahren wir solche Strecken tendenziell immer zu schnell nach oben.
Nach der Brücke biegen wir außer Atem auf die kleine Straße in Richtung Hov ab, versuchen wieder gemütlich zu rollen und sehen…. wieder was schwarzes im Wasser. Vollstopp, Fernglas und Fotoapparat startklar und… Bingo: Aus dem Wasser schaut eine Robbe zu uns herüber, beobachtet uns einige Zeit um dann in aller Ruhe wegzutauchen. Noch ganz beeindruckt radeln wir weiter um ein nächstes Highlight zu sehen. Ein riesiger Seeadler der seinen frischem Fang, einen mächtigen Fisch mantelt. Abgesehen davon, dass er uns auch in 100m Entfernung nicht über den Weg traut, muss er diesen Fang auch noch gegen zwei sehr freche Raben verteidigen. Er schaut sich die Sache nicht sehr lange an und nimmt den großen Fisch recht bald mit in Richtung Felswand, vermutlich zu seinem dort oben gelegenen Horst.

Bis Leknes führt die kleine Straße 815/837 dann permanent an Fjorden und an der sanften Ostküste entlang und es gibt fast keinen Autoverkehr. Das Wetter ist wieder genial und wir Glückskinder radeln fast den ganzen Tag in kurzen Radklamotten.
Ab Leknes nach Moskenes gibt es dann keine Alternative zu der E10, die hier einmal die Nordwestküste schneidet, durch einen Fjord wieder zur Südostseite wechselt. Die Sache fängt allerdings mit einem Angstgegner an: Der Nappstraumen wird per Tunnel mit 1780m Länge unterfahren und wir haben lange überlegt, ob wir diesen Abschnitt per Fahrradfähre zwischen Balstad/Nusfjord umfahren sollten. Allerdings fährt diese Fähre nur bei Bedarf von mindestens vier Fahrrädern und lässt sich zeitlich schwer einplanen. Also nehmen wir den Tunnel, der immerhin einen schmalen Gehweg mit knapp einem Meter Breite auf unserer Fahrbahnseite anbietet. Abgegrenzt von der Fahrbahn von einem scharfen 15cm Bordstein… den man nicht versehentlich herunterfallen möchte. Unsicher ist dieser Tunnel nicht, trotzdem ist es ein kleiner Albtraum: Zuerst geht es 1000m mit 6-7% Gefälle nach unten… Udo Hintensitzer darf es nicht mal rollen lassen weil der Gehweg zu schmal ist und Schlaglöcher hat. Danach muss unser vierbeiniger Antrieb wirklich alles hergeben um dieselbe Strecke wieder nach oben zu kämpfen. Jede Dampflok dürfte neidisch auf unser Keuchen gewesen sein, als wir auf der anderen Seite oben ankommen: Dank dem engen Radweg kann man sich kaum Schlenkerer auf dem Rad leisten und muss die harte Steigung mit etwas flotterem Tempo nehmen. Garniert wird das Ganze vom ohrenbetäubenden Lärm, mit dem sich jeder durchfahrende PKW schon hunderte Meter vorher ankündigt.
Nach diesem Angstgegner überrascht uns die E10 in positivem Sinne, der Verkehr ist deutlich weniger als wir befürchtet hatten und die Strecke wartet mit echten Highlights auf. Eine vollständige Beschreibung würde jeden Blog sprengen, deshalb nur die Highlights, die uns am meisten beeindruckt haben:
– Der Fjord zwischen Kilan und Flagstad hat einen kilometerlangen weißen Sandstrand und auf der seeabgewandten Seite Wasserfälle, die über viele Meter nach unten stürzen. Im Kontrast ist der Fjord windarm und sanft, die Nordmeerseite lässt einen den scharfen, kalten Wind spüren.

– Ab der langen Querung von der Nord- zur Südseite begleiten riesige, gefüllte Stockfischgerüste die Strecke. Diese Stockfischgerüste sind übrigens auch per Nase leicht zu finden 🙂

– Die Dörfer Hamnøya bis Reine sind zu einem großen Teil auf Pfählen aufgebaut und liegen malerisch in den großen Buchten am Eingang des Kjerkfjord. Wir haben jetzt schon über 1000 Kilometer durch Nordnorwegen hinter uns und sehen hier -für uns- die mit Abstand schönsten Dörfer der bisherigen Strecke.
Damit endet unsere bislang längste Etappe in Moskenes auf dem Campingplatz. Eigentlich ist das Dorf A ein Muss für Lofotenbesucher aber wir beschließen dass die Beine für heute genug geradelt sind und sparen diesen Besuch für die nächste Reise auf.

Vaerøy:

Diese Lofoteninsel liegt in Sichtweite in direkter südwestlicher Verlängerung der Lofoten-Hauptinseln. Die Fährverbindung zwischen Moskenes, Vaerøy und der nächsten Insel Røst geht zwei bis drei Mal täglich und bringt uns um 12 Uhr nach Vaerøy. Die Insel hat insgesamt nicht mehr als 10 Kilometer Straße und ist radtechnisch ziemlich schnell erschlossen, bietet dafür aber noch einige Wanderstrecken zu den abgelegenen Winkeln der Insel an. Leider ist unser Pinogepäck nicht darauf ausgerichtet unser Übernachtungsgepäck weiter als 500 Meter zu tragen, deshalb nehmen wir den Strand Nordlandshagen als unseren Zeltplatz: Das ist der nördlichste Punkt der Insel, der per Feldweg noch per Fahrrad zu erreichen ist.

Wir hängen unsere Füße (sehr kurz !!!) ins kalte Meerwasser, genießen einen langen Nachmittag die warme Sonne in T-Shirt und Badehose bevor wir abends noch eine kurze Wanderung an der Steilküste entlang machen. Papageientaucher bekommen wir leider keine zu Gesicht, dafür wieder zig Möven, Austernfischer, Kormorane und Graugänse. Und zwei Seerobben, die immer wieder aus dem Meer schauen… wenige 10 Meter vom Ufer.

Die Nacht wird ziemlich lange, man hat von diesem Strand freien Blick nach Norden auf Lofoten und Mitternachtssonne und so verkriechen wir uns erst nach 12 ins Zelt.

Weiter mit „Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche“

Zur Diashow dieser Reisetage:

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Tromsø liegt auf einer Insel im Fjord und hat ein bisschen etwas von den Straßen von San Francisco: Steile Straßen in Hangrichtung mit den ebenen Abschnitten der kreuzenden Straßen. Die Generation, die diese Straßen, die springenden Autos und die speziellen Straßenbahnen nicht kennen mögen bei Youtube nachblättern 🙂

Bjørn und Hilde wohnen jedenfalls auf halber Höhe des Berges auf der Tromsø-Insel, was Udo Hintensitzer gestern glatt ausgenutzt hat, um sich an einer der 15%-Steigungen eine Zerrung im Oberschenkel einzufangen. Die begleitet uns die nächsten Tage und lässt uns in einem anderen Modus radeln: Tina Vornesitzer verausgabt sich vorne mehr, während Udo Hintensitzer versucht, nur mit einem gesunden Oberschenkel aktiv zu treten. Macht uns nicht schneller… nur schneller müde.

Eine neue Erfahrung aus den letzten Reisetagen für uns ist, dass wir bei allen Kontakten zu Einheimischen -die sind hier enorm entgegenkommend und freundlich- ganz aktiv nach Tipps und Hinweisen für unsere Weiterreise nachfragen. Bjørn und Hilde mit ihrer sehr tiefgreifenden Radreise-Erfahrung und mit ihrer Ortskenntnis haben uns für die kommenden Inseln vorgeimpft: Zum Einen sind wir vorgewarnt, dass wir am Anfang der Insel Kvaløya mit einer längeren steilen Steigung rechnen dürfen. Zum Anderen haben uns die beiden schon die Strände und potentiellen Zeltplätze für die nächsten Etappen schmackhaft gemacht.

Unser Start auf die Inselgruppen Kvaløya – Senja – Vesteralen – Lofoten beginnt früh, denn leider müssen Bjørn und Hilde heute arbeiten und werfen uns um 8:00 in den Reisetag. Schade eigentlich, bei dem nach wie vor windigen Wetter und Graupelschauern hätten wir sonst bestimmt noch einen Faulenzertag eingebaut. So radeln wir um die Südspitze der Tromsø-Insel um weitere San-Francisco-Straßen zu vermeiden und verlassen die Insel in westlicher Richtung -gleich entgegen dem Wind- auf die nächste Insel: Kvaløya.

Kvaløya ist eine der großen Inseln Nordnorwegens, gehört zum Regierungsbezirk Tromsø und schirmt die Stadt Tromsø nach Norden und Westen gegen das Nordmeer ab. Die Insel hat in Nordost-Südwest-Ausrichtung etwa 35km Länge, von denen wir insgesamt 25 Kilometer Luftlinie zum Fährhafen Brensholmen durchqueren müssen um unseren Fähresprung zur Insel Senja zu erreichen. Wie gesagt Luftlinie. In Norwegen fährt man allerdings nie Luftlinie, ein Norweger hat uns erzählt, dass die Straßen dort mit der Natur angelegt sind, nicht durch die Natur. Und so haben wir eine Strecke von guten 50 Kilometern bis Brensholmen vor uns.

Wir radeln also um die Südspitze der Insel Tromsø von unseren Gastgebern aus los um Höhenmeter zu sparen und klettern über die Fjordbrücke in Richtung Osten auf die Insel Kvaloya, plündern den Supermarkt um unsere Nahrungsmittelvorräte wieder für ein zwei wilde Campingübernachtungen fit zu haben und biegen ab nach Südwesten: Kvaloya lässt uns noch wenige Kilometer am dicht bewohnten Kaldfjord flach gegen den Wind rollen bevor uns die lange Steigung in die Hochebene aus dem Sattel zwingt und wir unsere Beine und gezerrten Oberschenkel im Ackergaulmodus zu schonen versuchen (Tina Vornesitzer zieht mit Seil, Udo Hintensitzer schiebt, müssen wir unbedingt noch fotografieren). Danach führt die Strecke durch eine Ebene auf ~200m über Meer knapp unterhalb der Baumgrenze. So haben wir Nordnorwegen bereits in den ersten Tagen in der Finnmark kennengelernt: Niedrige Birken, die niemals geradeaus wachsen sondern immer ganz verknorzelt versuchen den Weg nach oben zu finden, niedriges Gestrüpp, das an Moor- und Heideland erinnert. Die Schneegrenze ist wenige Meter über uns, viele Schneefelder reichen bis zur Straße, die vielen Seen und Tümpel sind größtenteils noch zugefroren und das Wetter wechselt innerhalb von Minuten von blauem Himmel zu Regen, Graupel, böigem Wind… und wieder zurück. Heute bleibt das Wetter allerdings etwas beständiger: Der Wind von vorne und die Regenschauer behalten eindeutig die Oberhand, auch wenn wir wenigstens für ein Foto mit kurzer Belichtungszeit etwas blauen Himmel erwischen.

Ein bisschen zermürbt uns das regnerische Wetter und die knappe Kraft in unserem Sparmodus, dafür belohnt uns die Übernachtungsempfehlung von Bjørn 5 Kilometer vor Brensholmen: Ein Sandstrand mit rund einem Kilometer Länge zieht sich in den Fjord, kaum 100 Meter von der Straße weg. Wir sind hin und weg und sind uns einig, dass wir hier übernachten wollen. Was einen hier in der Natur konstant begleitet sind die unzähligen Vogelstimmen, wir hören die halbe Nacht den Möwen, Austernfischern, Moorschneehühnern, einen großen Brachvogel und Seeschwalben zu. Wirklich schön… auch deshalb lassen wir uns am nächsten Morgen noch bis nach 12 Uhr Zeit bevor wir endgültig zusammenpacken und die verbleibenden 5 Kilometer auf die Fähre Brensholmen – Botnhamn auf die Insel Senja rollen.

Ein Reisebericht im Spiegel nannte die Insel Senja „Karibik im Nordmeer“. Recht hat er, wenn man sich an den weißen Sandstränden orientiert und das türkisblaue Meer an den Küsten anschaut. Allerdings bietet Senja sehr viel mehr und wir halten Senja inzwischen für die schönste und vielseitigste Insel in Nordnorwegen: Von Nordosten kommend fahren wir zuerst am ruhigen Fjord entlang, an dem malerische norwegische Dörfer mit ihren Bootshütten stehen. Die Berge rechts und links vom Fjord sind noch recht weich und teilweise auch landwirtschaftlich bewirtschaftet. Senja ändert sein Aussehen dann sehr schnell, als wir durch die Insel am Mefjord vorbei zum Ersfjord fahren: Die Berge sind jetzt sehr schroff und die Felsen bestehen aus schwarzem Schiefer. Auf der einen Seite haben wir noch weiße Berge vom Schnee neben uns, auf der anderen Seite bildet das Moos auf den mehrere hundert Meter hohen Steilhängen atemberaubende Kontraste. Ein paar kleine Tunnel erleichtern die Straßenführung an den Fjorden entlang und versperren nur kurzzeitig den Blick auf das besagte türkisblaue Wasser und die Steilhänge, die hier bis ins Meer reichen.

Mit dem Wetter haben wir heute wieder echtes Glück und so brauchen wir viele Stopps zum schauen und zum Fotos machen bevor wir in Ersfjord am nächsten karibischen Strand anhalten, unser Zelt aufbauen und unser Süppchen am zugehörigen Rastplatz kochen.

Super: Wir treffen hier eine Gruppe von jungen Norwegern, die seit einigen Monaten auf Senja arbeiten und uns viele Tipps für die nächsten Etappen geben können. Sie zelten heute Nacht auch hier und feiern die erste Mitternachtssonne. Sie sind passend ausgestattet um unser Getränkedefizit zu kompensieren -unser Pino ist als Biertransporter nicht wirklich geeignet- und laden uns zu ihrem Lagerfeuer ein… es ist weit nach 1 Uhr nachts und lange nach der Mitternachtssonne, als wir uns in unser Zelt verkrümeln und ziemlich schnell und zufrieden einschlafen.

Thank you very much for the good advices, the warm fire and the cold beer, we enjoyed this evening with you quite a lot!!!

Für die Reststrecke über die Insel zum Fährhafen Gryllefjord folgen wir der Landschaftsroute Senja, die jeden Fjord komplett entlangfährt und uns dabei einige wellige Höhenmeter und Gegenwind beschert. Highlight des Tages ist nach wenigen Kilometern eine „Passhöhe“ mit über 200 Höhenmetern und 8% Steigung, die für uns mit brennenden Oberschenkeln gerade noch so zu fahren ist. Der Wind bläst garstig von vorne und wir sind froh, als wir ganz oben den Tunneleingang erreichen. Wir füllen unsere Wasserflaschen an einem Schmelzwasserbach und hoffen auf einen kurzen Tunnel und Bergabfahrt auf der anderen Seite. Der Tunnel hat allerdings anderes mit uns vor: Auf 2 Kilometern Länge mit weiter 6% konstanter Steigung hebt er uns noch auf weit über 300 Meter Höhe bevor wir auf der anderen Seite ausgespuckt werden. Das ist eine ziemlich unangenehme Erfahrung: Schmaler Tunnel, direkt in Fels geschlagen, eiskalt und konstant steil bergauf. Schnell durchfahren ist da leider nicht. Trotzdem gut: Häufig haben die Tunnel hier am Tunneleingang einen Knopf, den Radfahrer drücken können. Dann blinkt für ein paar Minuten ein Warnlicht an der Tunneleinfahrt um Autofahrer auf die Radfahrer im Tunnel aufmerksam zu machen. Allerdings ist hier heute kein Verkehr und wir begegnen nur einem einzigen Auto im Tunnel.

Es bleiben noch einige Kilometer und zig Höhenmeter bis Gryllefjord… konstanter Gegenwind und einige böse Wellen kosten uns die wirklich allerletzten Körner und wir haben leider viel zu wenig Blick (und Fotos) auf diesen Teil der Insel. Zum Dank empfängt uns Gryllefjord jetzt mit geschlossenen Läden… und wir müssen die verbleibenden 2 Stunden draußen auf die Fähre warten. Schmerzfrei „leihen“ wir uns bei einem freundlichen Wohnmobilfahrer einen halben Liter Wasser, werfen unseren Solo Stove Ofen mit Spiritus direkt an der Fähranlegestelle an und kochen uns eine Kanne Kaffee… schon alleine die warmen Hände von der Kaffeetasse sind jetzt Gold wert 🙂

Weiter mit „Wale in Andenes, Regen auf den Vesteralen“

Die Bilder des Tages (Klick für Diashow):