Unser dritter Reisetag beginnt mit leckerem Frühstück mit frischem Orangensaft, Schinken und Ei, selbstgemachter Marmelade in der Pension schon gegen 8 Uhr früh. Eigentlich sonst gar nicht unsere Zeit, aber wir haben heute eine längere Etappe vor uns:
Die Radkilometer an den ersten beiden Radreisetagen kamen etwas kürzer als ursprünglicher geplant weil wir immer wieder mit offenem Mund auf Viadukten, vor Tunneln oder an Schluchten stehenbleiben mussten. Außerdem luden viel zu viele Stellen zum Pausieren, Fotografieren oder Cappuccinokochen ein… das müssen wir dringend optimieren. Sonst reicht weder die Zeit für die Strecke noch das Gas für das dauernde Wasserkochen.
Also steht heute mit der Reststrecke nach Alcaniz eine ~60km-Strecke in der Planung. Wir satteln schon früh das Pino, erklären Benny nochmal die Routenplanung und los.
Die erste Strecke ist Balsam für unsere Beine: Wo wir uns gestern nach Cretas hochgekämpft haben dürfen wir uns heute den 40er Fahrtwind bergab um die Ohren wehen lassen bis wir den Bahnhof von Cretas -typisch für diese Via Verde weitab von der Ortschaft selbst- erreichen. Hier erwartet Benny das erste Highlight des Urlaubs und er darf die ersten Kilometer einfach mal vorauslaufen. Und wie er das macht: Wir erkennen ihn kaum wieder, so animiert er uns mit Bellen und Kläffen, endlich loszufahren und jagt unserem Pino voraus. Wir radeln extra langsam hinterher um den alten Hundeherrn mit seinen gut 11 Jahren nicht zu überfordern aber er feiert seinen zweiten Frühling auf der Strecke. Erst nach gut 2 Kilometern merkt er sein Alter und steigt gerne wieder in den Anhänger ein.
Wir erreichen den Bahnhof Vall de Roures (Antigua Estacion de Vall de Roures), der auch den höchsten Punkt dieser Bahntrasse markiert. Man darf das nicht unterschätzen: Auch wenn die mittlere Steigung seit dem Ebrodelta auch nur ~1,5% ausmacht können 40 km mit dieser Steigung doch auch einige Körner kosten. Die Belohnung folgt direkt ab dem Bahnhof und wir rollen lockere 9 Kilometer ohne irgendeinen Pedaltritt hinunter zum nächsten Highlight: Die alte Eisenbahnbrücke die sich hier knapp 300m lang über den Fluss Matarraña spannt.
Wir können nicht anders, fahren den Kiesweg bis unter die Brücke. machen extraviel Lärm um sich eventuell sonnende Schlangen zum Rückzug zu überreden und packen unser Vesper und unseren Cappuccinokocher auf den Felsen unter der Brücke aus. Bis das Wasser kocht bricht unsere Leidenschaft für Flußgumpenbaden kurz durch 🙂 (mehr Fotos von dieser wunderschönen Stelle unten in der Diashow)
Nach dieser Pause wartet die letzte längere Steigung dieses Tages auf uns und wir radeln jetzt durch eine etwas offenere Landschaft mit Olivenhainen, kleinen Waldstücken und beindruckenden Felsenlandschaften. Dabei werden die früheren, teils verfallenen Bahnhöfe Val del Tormo und Valjunquera passiert, meist mit angegliederten komfortablen Picknickstellen inklusive Radständern aus alten Eisenbahnschwellen und einladenden Tischen und Bänken. Ab hier geht es wieder sacht bergab und wir stehen in Kürze vor einem Tunnel, der mit einem Gitter abgeschlossen ist: Der Tunnel zwischen Valjunquera und Valdealgorfa ist laut Reiseführer und laut Beschilderung gesperrt. Toller Tunnel: 2,13 Kilometer lang, schnurgerade, so dass man trotz seiner Länge den Ausgang auf der anderen Seite als winzigen Lichtpunkt erahnen kann. Man munkelt, dass man zweimal im Jahr durch diesen Tunnel von Valdealgorfa wirklich genau zur Sonne sehen könne.
Die Gittertür am Tunneleingang steht offen und wir erkennen diesen ganz bestimmten Punkt, an dem man Entscheidungen fällen muss. Die vernünftige Entscheidung wägt ab,
- dass man keine Ahnung hat, wie gefährlich die Zustände im Tunnel sind (immerhin hat ihn jemand gesperrt),
- welche Felsbrocken den Weg im Dunkeln versperren könnten.
- Welche Wasserpfützen unterwegs unbequem bis zu den Knien reichen könnten und
- dass -wenn alle diese Widrigkeiten passiert wären- sogar das Gitter auf der anderen Seite verschlossen sein könnte um einen auf den beschwerlichen Rückweg über Felsen und Wasserpfützen zu zwingen.
Es gibt ja auch eine ausgeschilderte Umfahrung des Tunnels mit extra Höhenmetern.
Müßig zu sagen, dass wir die UNVERNÜNFTIGE Entscheidung treffen, ein Rad vom Hundeanhänger abbauen um ihn mit durch die Gittertür zu bekommen, das Licht einschalten und ganz langsam durch den Tunnel bergabholpern.
2,13 Kilometer dauern auf diese Art etwa 20 Minuten und unser Herzklopfen steigert sich mit dem Gedanken, dass die -eventuell verschlossene- Tür am Tunnelausgang näher kommt. Öfters mal tropft Wasser von der Decke, wir sehen eigentlich nur einen klitzekleinen Tunnelteil im Fahrradscheinwerfer und erreichen den Tunnelausgang.
Vergittert. Geschlossene Gittertür. ABER nicht abgeschlossen, sogar der Hundehänger passt millimetergenau durch diese Lücke und wir freuen uns riesig, wieder in der Sonne zu stehen.
Die Streckenqualität ab Valdealgorfa ist recht miserabel. Man kann hier gut erkennen, dass die Bahntrassensteine hier nur notdürftig niedergewalzt wurden, außerdem ist diese Strecke heute ein Feld-/Zugangs-weg für die anliegenden Landwirte. Es geht locker bergab, aber um unsere und Lumpis Bandscheiben zu schonen können wir auf dieser Strecke nur im Schritt-Tempo abwärts zuckeln. Schöne, felsige, fast steppenartige Landschaft und kaum Vorwärtskommen? Beantworten wir mit einer letzten Cappuccinopause des Tages, bevor wir nach Alcañiz einrollen.
Der Campingplatz liegt auf der anderen Seite der Stadt Alcañiz in nächster Nähe einer -tagsüber deutlich hörbaren- Rennstrecke und es liegt sogar noch ein Stück vielbefahrene Landstraße dazwischen bevor wir müde unser Zelt aufbauen. Zum Glück hat das kleine Restaurant am Campingplatz Einsehen mit uns und serviert uns das verdiente Bier und ein leckeres spanisches Drei-Gänge-Menü bevor wir in unsere Camping-Koje fallen und uns mit dem Sägen von Wäldern befassen.
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