Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Nach Rücken kommt Hals, dann Nase

Nach Rücken kommt Hals, dann Nase

Nach zwei Tagen Rückenschonung in Olderfjord können wir uns die leichte Etappe von Olderfjord nach Skaidi (25km, 300HM) schon wieder zumuten. Das Skaidi-Hotel hat gute Bewertungen auf tripadvisor und liegt preislich nicht weit von der Hütte auf dem Campingplatz entfernt. Außerdem kommen nach Skaidi gut 85km Strecke über Land ohne rückenfreundliche Camping- oder Hotelgelegenheit…. also müssen wir diesen Zwischenstopp in unserem aktuellen Zustand ohnehin einplanen.

Diese Etappe beginnt mit einem kurzen steilen Stück und hebt sich zügig vom Meeresniveau aus Olderfjord ab. Danach folgt die Straße durch lichte Birkenwäldchen -finnmarktypisch mit großem Abstand zwischen den Bäumchen-, vorbei an noch gefrorenen Seen und steigt auf gut 250m Höhe an ohne dass wirklich steile Stücke dabei sind. Es macht uns richtig Spaß, wieder auf dem Rad zu sitzen, die ersten Vögel des nordischen Frühlings zu hören und zwischen den Bäumen nach schönen Ausblicken und heimischen Tieren zu spähen. Ein ELCH… wäre jetzt mal schön zu sehen 😉

Knapp zwei Stunden dauert diese Etappe und wir genießen die eine Nacht im Hotel. Naja, Genießen bleibt heute Nacht zwiespältig. Das Hotelzimmer ist super, aber nach halbkuriertem Rücken folgt bei Udo Hintensitzer jetzt Hals (kratzig) und Nase (verschnupft) und weil sich die Sympthome in der Nacht zu einer handfesten fiebrigen Erkältung auswachsen ist an ein Weiterradeln -speziell einer 85km-Etappe ohne Hotelgelegenheit unterwegs- nicht zu denken.

Spontane Planänderung:

Wir packen kurzerhand Pino, Anhänger und Gepäck in den Überlandbus nach Alta und nehmen dort auf einem Campingplatz eine Hütte bis wir Hals-und-Nase auskuriert haben.

Lieber jetzt einen zusätzlichen Tag Erholung einbauen und sicher über den Berg sein anstatt zwei/drei Tage später vielleicht für Wochen außer Gefecht zu sein. Bus war sicherlich die richtige Entscheidung, unterwegs sehen wir aber, dass wir eine ganz besondere Etappe verpassen: Der Fluß Repparfjordelva begleitet hier für einige Kilometer die Straße nach Alta und er trägt zu unserer Jahreszeit Unmengen von Eisschollen mit sich in Richtung Meer.
Unterwegs passieren wir einen Rastplatz mit mächtigem Wasserfall… wären wir hier mit dem Pino vorbeigekommen hätten wir mit Sicherheit eine tolle Mittagspause verbracht. Dazu noch eine Hochebene mit gerade antauenden Seen, Schneeflächen wechseln sich mit bereits schneefreien Flächen ab.

In Alta beziehen wir unsere Hütte auf dem Campingplatz, machen noch einen Spaziergang am Fluss Altaelva – einem der lachsreichsten Flüsse Norwegens- und… verlassen die Hütte danach für zwei Tage fast nicht mehr. DSCN4879-bearbeitet

Erst am dritten Tag fühlen wir uns wieder fit genug für den ersten Ausgang und schauen uns das Alta-Museum in Hjemmeluft an.

Dort wurden in den 70er Jahren bedeutende Felszeichnungen gefunden, die zum Teil 2000 Jahre alt, zum Teil sogar 7000 Jahre alt sind. Diese Ritzarbeiten im Fels wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt und beeindrucken den Besucher wirklich. Auf einem Rundgang durch das Freilicht-Museum über etwa 3km erfährt man viel über die verschiedenen Motive und die Beweggründe der Zeichner, wie sie von Historikern heute vermutet werden. Ganz nebenbei hat man auf dieser Wanderung traumhafte Ausblicke auf den Altafjord, den wir auf der nächsten Radetappe noch lange in Richtung Westen/Süden begleiten werden.

Weiter mit „Vier Tage, drei Pässe, 3200HM“

Die Bilder aus diesen Tagen (anklicken für Diashow):

Nordkapp – Olderfjord… und Zwangspausen

Nordkapp – Olderfjord… und Zwangspausen

Seit unserer Zeltübernachtung am Nordkapp sind inzwischen ein paar Tage vergangen. Zeit, das zusammenzufassen und ein paar neue Fotos zu posten. Aber von Anfang an:

Zelt am Nordkapp

Der Morgen am Nordkapp beginnt, wie der Abend aufgehört hat…. genaugenommen war es dazwischen ja auch gar nicht dunkel. Es ist strahlendes Wetter, wir haben kaum Wind und kochen unseren Frühstückskaffee vor dem Zelt. Dank Webcam am Nordkapp können uns unsere Familien mit einem 15-minütig aktualisierten Standbild beim Frühstücken zuschauen. Später tauschen wir noch Videoszenen von zu Hause und vom Nordkapp per Skype aus. Tolle Technik, und gibt uns beiden das gute Gefühl, dass daheim alles ok ist und wir dort nicht gebraucht werden.

Toll an diesem Trip ist, dass wir Zeit haben, und so genießen wir den Kaffee in aller Ruhe, bauen das Zelt ganz gemütlich ab und schreiben noch unsere Postkarten im Nordkapp-Besucherzentrum bevor wir kurz vor 12:00 endlich wieder auf dem Weg sind. Die Höhenmeter nach Honningsvag kennen wir ja inzwischen und wir bemühen uns, unsere Kräfte für die Schiebeetappen einzuteilen.

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Die Nacht verbringen wir dann in der Jugendherberge Honningsvag und genießen…. die warme Dusche und das saubere Bett.

Per Hurtigruten geht es eine Etappe zurück nach Havoysund, es ist wieder die Kong Harald, die uns im Morgennebel um 6:15 abholt und uns zwei Stunden später wiederum im Morgennebel in Havoysund ausspuckt.

Kong Harald im Nebel

Im Nebel wirkt Havoysund heute wie ein verschlafenes Fischerdörfchen an einem kleinen Fjord. Vermutlich wacht es an Wintertagen zwei bis drei Mal täglich auf, wenn sich ein Hurtigrutenschiff per Signalhorn anmeldet. Im Sommer dürften sich allerdings sehr viel mehr Touristen einfinden, denn Hayoysund liegt am Ende einer ausgezeichneten Landschaftsroute und beherbert auf dem nördlichsten Teil der Landzunge das Arctic View Cafe, das einen phantastischen Blick auf das Nordmeer bieten soll. Eigentlich hatten wir uns die 5 Kilometer zu diesem Cafe fest vorgenommen, aber nachdem wir auf der Nordkappinsel gesehen haben, wie matschig frisch freigetaute Feldwege aussehen und das Cafe ohnehin noch im Winterschlaf ist, ändern wir unseren Plan und fahren direkt in Richtung Süden los.

Nur 5 Kilometer nach Havoysund verlässt uns der Nebel und zeigt uns, warum diese Straße eine der schönsten in Nordnorwegen, gerade auch in dieser Jahreszeit, sein muss: Die Landschaft gibt hier von Schneefeldern, gerade freitauenden Seen, Bergbächen, Wiesen bis hin zu schroffen Felsen wirklich alles her. Ziemlich regelmäßig müssen wir anhalten um zu schauen, Fotos zu machen… und das Wasser direkt aus den Schmelzwasserbächen zu trinken. Es ist bestimmt eine Einbildung, dass dieses Wasser wirklich genial frisch schmeckt. Vielleicht ist es aber einfach die beeindruckende Umgebung, die den Geschmack mit steuert.

Der Rastplatz Selvika an der Havoysund Landschaftsroute

Unser Rastplatz für die Mittagspause ist Selvika, wo sich der norwegische Sinn für Architektur zeigt. Es gibt in Norwegen einige schöne Bauten an Rastplätzen, die sich besonders in die Landschaft einfügen sollen. Hier in Selvika ist das auf jeden Fall gelungen. Eine kleine Rentierherde leistet uns beim Mittagessen in wenigen Metern Entfernung Gesellschaft. Am liebsten würden wir hier übernachten, aber dafür ist es nach grade mal 20 Kilometern doch noch zu früh. Also rollen wir weiter und suchen uns erst gegen Abend einen Platz für unser Zelt abseits der Straße.

Auch weil es windig wird, verbringen wir den Abend nach dem Essen im Zelt, packen die Gitarre aus und singen ein bisschen. Gut dass das so weit in der Wildnis war, das erste Mal seit Jahren eine Gitarre auszupacken hätte andere Ohren ziemlich leicht beleidigen können. So haben wir schlimmstenfalls Rentiere und Elche verjagt.

Der nächste Morgen dasselbe Spiel wie immer: wir bummeln ziemlich lange beim Aufstehen und Frühstücken, so dass es gegen 11:00 geht als wir das Pino gepackt haben und zurück zur Straße schieben. Ready to go!

Tina Vornesitzer will vor dem Losfahren noch mit ihren Mitarbeitern telefonieren, die Zeit nutze ich, um die Schaltung des Pino nachzustellen. Zumindest, es zu versuchen. Ich verstelle am Schaltzug der Schaltung, hebe das Hinterrad des vollbepackten Pino mit der rechten Hand an um -gebückt- mit der linken Hand gleichzeitig das Pedal eine Umdrehung zu drehen. Ziemlich kurzsichtige Aktion, findet mein Rücken: Ich bekomme das Pedal zwar gedreht, allerdings klemme ich mir zeitgleich einen Nerv in Wirbelnähe ein. Von außen betrachtet vielleicht lustig, wie ich in den nächsten Sekunden versuche, wieder aufrecht zu stehen… beim Gedanken, dass wir 150 Kilometer vom nächsten Krankenhaus weg sind und dass mein Rücken so wohl weder Zelt aufbauen noch darin schlafen möchte hält unsere Freude trotzdem in Grenzen.

Was bleibt uns übrig? Zum Glück ist der Straßenabschnitt abschüssig, so dass wir es schaffen, vorsichtig loszurollen. Trotzdem bereiten wir uns schonmal drauf vor: Wenn wir so anhalten müssen haben wir gute Chancen umzufallen wie ein Sack Reis, wenn ein Berg zu steil zum Hochradeln wird haben wir keine Chance, das Pino hochzuschieben. Mit viel Glück kann ich so vielleicht eine Straße hochgehen, schieben müsste Tina Hintensitzer aber ganz alleine. So radeln wir für die nächsten 20km mit halber Kraft weiter bevor wir -an einem abschüssigen Stück- das erste Mal vorsichtig anhalten. So lange ich sanft trete und die Rückenneigung nicht verändere geht’s eigentlich ganz ok. Leider können wir auf der nach wie vor schönen Strecke jetzt keine Fotostopps mehr einlegen und radeln durch bis Olderfjord, wo wir auf dem Campingplatz eine Hütte für die nächsten drei Übernachtungen buchen um dem Rücken Zeit zur Regeneration zu geben. Aber immerhin haben wir hier gutes WLAN und können die zweitägige Zwangspause nutzen um emails, facebook und diesen Blog auf aktuellen Stand zu bringen.

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Die Bilder aus diesen Tagen (anklicken für Diashow):