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Auf nach Spanien
Spanien… letztes Land in unserer 2RadReise von Nord nach Süd.
Die grobe Routenplanung durch Spanien macht einen Schlenker durch Spanien: Von der französischen Atlantikküste kommend wollen wir zuerst dem (in Spanien nur angedachten) Eurovelo 1 folgen und zuallererst von der Küste hoch nach Pamplona fahren.
Ab hier soll die Route dann dem Jakobsweg -Camino de Francés- nach Westen folgen, im Idealfall bis nach Santiago de Compostela. Danach dann ein Stück zurück nach Osten und mit dem Camino de la Plata eine weitgehend senkrecht südliche Route über die Extremadura und Andalusien nach Gibraltar und Tarifa. Damit liegen historisch sehr spannende Städte immer auf unserer Linie: Caceres, Merida, Salamanca und Sevilla.
Die letzte Etappe in Frankreich hatte dem 2RadReise-Team vor der spanischen Grenze eine Menge Körner abverlangt, zur Belohnung gehen wir den ersten Abend in Spanien essen. Es ist ein lauer Abend, das Stadtzentrum ist voller Menschen, Live-Musik auf dem Stadtplatz und es geht gegen Mitternacht bis wir in unserer Pension einlaufen. Pension? 2RadReise in einer Pension, nicht auf dem Zeltplatz, kein wildes Camping?
Nö, kein Camping, Spanien zieht uns diesen Zahn gleich am ersten Abend: Der einzige Zeltplatz bei Irun liegt an der Küste -weit abseits von unserer Fahrtroute-, die Jugendherberge hat schon seit über einem Jahr geschlossen.
Trotzdem legen wir in Irun einen kompletten Ruhetag ein und kümmern uns noch um die Dinge, die man als Reiseradler an normalen Tourentagen nicht schafft: Wäsche waschen, Handy-SIM-Karte für Spanien besorgen, Ersatzteile fürs Rad kaufen, Blog schreiben, nächste Radetappen planen und -ganz wichtig- in der warmen spanischen Oktobersonne faulenzen.
Auf zur ersten spanischen Etappe: Von der Atlantikküste in Irun führt uns der Eurovelo 1 entlang dem Fluß Bidasoa einer früheren Bahntrasse mit erträglicher Steigung in Richtung Pamplona.
Diese Bahntrasse ist in Spanien auch eines der ganz exklusiven Stücke, auf denen der Eurovelo 1 auch wirklich ausgeführt und beschildert ist. Sehr schade, wenn man sieht dass dieser Europaradweg über 1200 Kilometer quer durch Spanien führt, aber nur auf wenigen 10 Kilometern wirklich ausgeführt oder wenigstens offiziell geplant ist.
Wir lieben Bahntrassen und lassen uns auf dieser sehenswerten Strecke richtig viel Zeit. Außerdem hat es hier reife Esskastanien: Wir fühlen uns in der warmen spanischen Oktobersonne gar nicht nach Weihnachtsmarkt, können der Versuchung aber nicht wiederstehen und sammeln uns eine Stofftasche voll davon für ein späteres Picknick.
Auch danach kommen wir nur zäh weiter, schon nach 10 Kilometern nutzen wir den ersten Rastplatz für unsere Campingküche mit Couscous und Ratatouille. Dieses Mal kocht Tina Vornesitzer während Udo Hintensitzer neue Bremsbeläge und den neuen Sattel am Pino montiert.
So wird aus dem Gebummel keine nennenswerte Tagesetappe und wir buchen uns nach runden 40 Kilometern in einer Herberge in Oronoz ein. Schon wieder Herberge? Jepp, kein Campingplatz, keine Stelle für eine wilde Übernachtung. Alles eingezäunt in Spanien. Sollte das ein Omen sein?
Morgens frühstücken wir noch unser Müsli im Hotelzimmer und nehmen uns vor, den Kaffee auf dem Weg in die Berge zu kochen. Die Etappe wird heute eine sehr harte Tour, es stehen knapp 1000 Höhenmeter auf dem Weg nach Pamplona an, außerdem anscheinend eine recht kalte Einheit. Zumindest hängt jetzt, um 10:00 morgens noch der Nebel im Tal und es hat wirklich nur gerade so 5°C auf dem Thermometer.
Wir kennen diese Straße vom Atlantik nach Pamplona schon aus früheren Wohnmobilurlauben. Hier führt die Schnellstraße in satten Steigungen nach oben und -was in vielen anderen europäischen Ländern unvorstellbar wäre- lässt Radfahrer explizit zu. Zumindest auf den Streckenteilen, die keine Straßenalternative bieten.
Nicht ganz schön zu fahren, aber der Seitenstreifen ist gut, die Schnellstraße zweispurig und der spanische Verkehr weitestgehend rücksichtsvoll im Seitenabstand.
Zum Glück führt ja auch die frühere Passstraße in Zwischenstücken immer wieder abseits der Schnellstraße in Serpentinen hoch.
Naja, Glück ist ein temporäres und flüchtiges Gut: Die Schnellstraße befindet sich just am steilsten Serpentinenstück in Renovierung und ist gesperrt, sodass nicht nur wir, sondern auch sämtliche LKWs sich auf die Ausweichstraße quälen müssen. Wer sich Radreise auf die ganz harte Tour geben möchte sollte sich eine solche Strecke raussuchen: Ausreichend Steigung von wenigstens 7-9% plus erheblichen Verkehr und unübersichtliche Kurven, die es den Überholern so schwer wie möglich machen nach Vorne zu kommen.
Wir geben unser Bestes, ausreichend Tempo zu halten um nicht zu sehr hin- und her zu schwanken und nehmen uns eine verdiente kleine Pause als dieses Streckenstück durch ist. Besser (und ehrlicher): Wir sind beide knapp an der Kotzgrenze, stellen das Pino auf den Ständer und keuchen uns die Anstrengung aus der Lunge.
Später bekommen wir dann unsere Ausweichstraße wieder für uns alleine und machen die erste geplante Rast wenige zehn Höhenmeter unterhalb der Passhöhe und packen in Gedanken schon mal den Kocher aus um uns endlich unseren Frühstückskaffee zu kochen.
Gleich zuende gedacht, drei Schüsse holen uns aus unseren Träumen zurück und es folgt die nächste skurille Szene mit Jägern: Am Rande des Parkplatz entdecken wir jetzt etwas, was wie ein großer Reisighaufen aussieht und aus dem es herausqualmt. Nicht zu fassen, hier sitzen wirklich drei Jäger im selbstgebauten „Versteck“ und warten rauchend auf fette Beute. Beziehungsweise auf die paar einzelnen Tauben und Wachteln, die sich hier im Viertelstundentakt über den Berg wagen. Mir wär’s peinlich, aber die drei scheinen ausreichend Zigaretten und Spaß zu haben. Bei der nächsten Ballerphase (wieder nix getroffen!) hören wir die Schrotstückchen ganz in unserer Nähe herunterfallen und entscheiden uns dafür, den Kaffee auf einen besseren Ort zu verschieben. Haben ja Zeit.
Zwei Kilometer später sind wir an der echten Passhöhe, kochen unseren Kaffee direkt unter dem „Feuer verboten“-Schild (nein, wir sind ganz sicher, dass da überhaupt nichts brennbares in Reichweite des Kochers war), setzen uns in die Sonne und tunken unsere Madeleines in den Kaffee. Tolles zweites Frühstück!
Der höchste Punkt der Fahrt nach Pamplona liegt damit hinter uns, jetzt wäre eine längere Abfahrt auf der Schnellstraße auf dem Plan. Bei dem schönen Wetter und in Erinnerung des lästigen Verkehrs vom Vormittag kommen wir aber auf dumme Gedanken und lassen uns eine Alternativroute planen. Bringt uns halt einen zweiten kleinen Pass plus kleine Straßen im Austausch gegen die Schnellstraße.
Die Abstimmung fällt mit 3:0 zugunsten des Umweges (Ole kann leicht dafür stimmen, der muss ja keine Pässe treteln) und wir fahren über so klingende Dörfer wie „Arraitz-Orkin“, „Alkotz“, „Iraizotz“ oder „Zenotz“.
Ok, zugegeben, für baskische Ohren mag sich Meckenbeuren, Zwickau oder Hummelsbrunn ähnlich doof anhören.
Das 2RadReise-Team ist sehr vogelbegeistert und wir genießen den Lebenstraum von Nord nach Süd schon ein ganzes Stück weit mit jeder Art von Vogelbeobachtungen. Aber was jetzt kommt ist schon eine unglaublich tiefe Begegnung: Auf einer sanften Abfahrt nach Alkotz begleitet uns ein großer Milan in gerade mal 10 bis 15 Metern Höhe, wir können jede Kopfbewegung, jede Feder von ihm sehen. Er schwebt über mehrere hundert Meter der Strecke direkt über uns, schaut uns an, fliegt manchmal ein Stückchen rechts über uns, dann wieder ein Stückchen links. Zwei/drei Kurven durch die Ortschaft, wir verlieren ihn aus den Augen, fahren den Berg weiter in Richtung Iraizotz… und er ist wieder da und folgt uns weitere 500 Meter bevor er das Interesse an uns endgültig verliert und abdreht.
Schade, dass wir diese Begegnung nicht fotografieren oder filmen können, für uns bleiben diese drei Minuten aber ein ganz großes und unvergessliches Erlebnis der 2RadReise.
Pamplona erreichen wir am frühen Abend, treffen zum ersten Mal auf den Camino de Francés.
Gruppen, die sich sehr auf religiöse Identität fixieren sind uns eigentlich eher suspekt, trotzdem machen wir in Pamplona einen Umweg zur Kathedrale und zur dortigen Pilgerherberge: Wir wollen uns einen Pilgerausweis holen. Das Papier, in dem man per Etappenstempel dokumentieren und nachweisen kann, dass man den Jakobsweg wirklich gepilgert ist. Quasi eine kleine Heiligenscheinvorlage, die man sich komplettstempeln lassen kann.
Wenn man jetzt unseren bisherigen Lebenswandel in Betracht zieht -inklusive Kaffee kochen unter dem „Feuer verboten“-Schild- wäre das mit dem Heiligenschein ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen, trotzdem wollen wir uns dieses Papier gerne sichern. Denn dieser Ausweis dient als Eintrittsberechtigung in Pilgerherbergen und gibt uns die Chance solche Pilgermassenschlafräume im Notfall nutzen zu können. Ohne diesen Ausweis bekommt man in örtlichen Pilgerunterkünften nämlich keinen Schlafplatz.
Der Pilgerausweis wirkt sofort: Nicht nur, dass wir die Beschilderung des Jakobsweges sofort erkennen (unübersehbare Jakobsmuscheln in der Fußgängerzone, die den Weg weisen), wir identifizieren sogar auf Anhieb die Beschilderung für Radfahrpilgerer, die vom Fußweg an einigen unfahrbaren Stücken abweicht.
So finden wir unseren Weg an den nächsten drei Kreuzungen problemlos, an der vierten erfolgreichen Kreuzung erklärt sich Udo Hintensitzer schon zum Vorzeigepilgerer erster Klasse und erwägt einen Berufswechsel zum Pilgerführer… nur um an der fünften Kreuzung so fehl zu fahren dass wir erst Kilometer später wieder auf den richtigen Weg finden.
Am Ortsausgang von Pamplona dämmert es dann schon, im Nachhinein wissen wir gar nicht so genau, warum wir nicht schon in dieser Stadt nach einer Unterkunft gesucht hatten. Zur nächsten Ortschaft mit Herberge sind es noch glatte 15 Kilometer inklusive einer weiteren Steigung über gute 150 Höhenmeter. Diese Steigung meistern wir auch gerade so noch, es ist inzwischen dunkel und wir sind beide ziemlich nah an der Erschöpfungs- und Nörgelgrenze. Zum Glück ist das Zimmer in der Herberge trotz des niedrigen Preises von gerade mal 29€ ganz passabel für uns. Nach dieser persönlichen Königsetappe mit 80 Kilometern und 1500 Höhenmetern hätten wir aber auch jeden Schweinestall dankend angenommen.
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Die Bildergallerie dieser Etappe: