Trondheim – Insel „Runde“ – Ålesund
Wir sind unterwegs zurück nach Trondheim… aber stehen wir hier am richtigen Abflug-Gate?
Das Pino steht noch brav und ordentlich abgeschlossen im Vikhammer Motell (&Camping) als wir nach unseren zwei Wochen Heimurlaub zurück nach Trondheim kommen. Es ist Dienstag nachmittag und wir buchen uns für die eine Nacht wieder ein Zimmer im Hotel damit wir ausreichend Platz haben um die Fahrradpacktaschen ordentlich zu packen. Morgen früh müssen wir rechtzeitig wegkommen damit wir das Hurtigruten-Schiff auf der Südroute erwischen. Wir wollen mit diesem Schiff zur Insel Runde fahren und dort einen Tag Pause machen: Runde ist ein wichiger Brutort für viele Vogelarten und wir wollen auf unserer Tour unbedingt noch Papageientaucher sehen.
Wir buchen die Überfahrt als Deckpassage und ohne Kabine, da wir Runde planmäßig um 2:00 nachts erreichen und von der Fahrt im Mai zum Nordkapp wissen dass man auf den Sofas des Aussichtsdecks prima schlafen kann weil da abends und nachts eh nichts los ist. Man kann sich täuschen: Juli ist nicht Mai und Trondheim-Alesund ist nicht Nordkapp. Außerdem ist heute das Europameisterschafts-Halbfinale zwischen Portugal und Wales. So ist das Aussichtsdeck heute nacht voll mit tratschenden Familien, trinkenden Fußballfans und euphorisierten Rentnern, die ihr Hurtigruten-Erlebnis gemeinsam Revue passieren lassen. Also müssen wir unser Sofa mit anderen Reisegästen teilen und können hinliegen und schlafen vergessen. Schade.
Mit ein wenig Verspätung erreicht die Polarlys Torvik um halb 3 nachts, spuckt uns aus und dampft nur 15 Minuten später wieder ab.
Die Anlegestelle der Hurtigruten in Torvik hat tagsüber den langweiligen Charme einer Lagerhalle für Hurtigrutenbedarf und wirkt nachts noch etwas eingeschlafener. Kein Grund, sich noch lange hier aufzuhalten.
Der Plan war, auf der 20 Kilometer langen Strecke über die Inseln Leinøya, Remøya und Runde ein ruhiges Plätzchen für ein Nickerchen zu finden und dann morgens auf dem Campingplatz Runde einzulaufen. Es ist ja schließlich ein No-Go, nachts um halb vier ein Zelt aufzuschlagen und damit anderen Campern den Schlaf zu rauben. Wir können es kurz machen: Wir radeln hochgemütlich über die Inseln bewundern den Blick auf- und von den hohen Brücken zwischen den Inseln, finden unterwegs KEIN Schlummerplätzchen und bauen unser Zelt nachts um vier auf. So leise wie irgend möglich, unsere Nachbarn beteuern am nächsten Morgen dass sie uns nicht gehört hätten. Sehr freundlich und zurückhaltend, diese Norweger 🙂
Runde ist ein Brutparadies für viele Vögel. Neben der Hauptattraktion, den Papageientauchern, brüten hier Basstölpel, Trottellummen, Raubmöven, Dreizehenmöven, Seeadler, Kormorane und viele andere Seevögel. Der Campingplatzbetreiber Knut gibt einem gleich bei der Anmeldung Informationen über die Insel, die Wanderwege und über die Brutfelsen der verschiedenen Tiere. Toller Service, er erzählt auch, um welche Uhrzeit die Papageientaucher aus ihren Höhlen kommen und man sie am besten sehen kann: ab 21:00.
So machen wir uns am frühen Abend auf den etwa dreistündigen Rundwanderweg auf dem Hochplateau der Insel. Die Ausblicke sind großartig und der Blick von 250 Meter hohen schroffen Felsklippen hinunter aufs Meer nehmen einem den Atem.
Wir lassen uns Zeit bei den Brutfelsen der Basstölpel, schauen den Raubmöven beim Vorbeisegeln zu und heben uns die Papageientaucher auf den Schluss auf. Die sind einfach zu finden: Da wo die meisten Wanderer stehen und wo die Hobby- und Profifotographen mit ihren Mega-Teleobjektiven stehen. Wir setzen uns dazu und brauchen weit über eine Stunde bis wir uns wieder lösen können. Diese Tiere sind nicht nur beeindruckend hübsch, sie erkennen Menschen auch kein bisschen als Feinde an. Auch wenn ihre Bruthöhlen zum Teil nur einen Meter von den Vogelfreunden weg sind lassen sie sich davon nicht stören. Wahrscheinlich ignorieren sie uns einfach, auch weil wir deutlich weniger hübsch sind und unser Schnabel mit ihnen auch nicht mithalten kann. Eine geniale Stunde an den Felsen. Neben den Walbeobachtungen ist das wohl der intensivste Naturmoment, auch weil die Tiere einem jede Zeit der Welt geben um sie aus der Nähe zu sehen.
Es wird 21:30 bis wir wieder am Campingplatz ankommen, Antoine Griezmann schießt das 1:0 im EM-Halbfinale gegen Deutschland und beendet eine Stunde später mit dem 2:0 unser Interesse an Fußball. Europameister werden im allgemeinen doch eher überbewertet, Weltmeisterschaften zählen.
Eigentlich wollten wir am nächsten Tag schon wieder früh von Runde abfahren, haben uns aber bei der Inselwanderung von mehreren Leuten die Schifffahrt zu den Brutfelsen empfehlen lassen und melden uns stattdessen für die erste Fahrt mit der Aquila um 11:00 an.
Johan, Kapitän der Aquila, ist pensionierter Lehrer und verbringt die beiden Papageientaucherbrutmonate damit, Hobbyornitologen um die Insel Runde zu fahren. Er erzählt seinen Gästen viele Dinge über die Vögel hier, wie sich nicht zuletzt durch den Klimawandel und die veränderten Futterbedingungen einige Populationen reduzieren und andere hinzukommen und er kennt die Brutfelsen sehr genau. So erfahren wir, dass Raubmöven eigentlich Mundraubmöven heißen müssten und können es sogar direkt beobachten. Die Raubmöven attackieren Basstölpel im Flug bis die ihre Jagdbeute fallen lassen und sogar bereits geschluckte Fische wieder hochwürgen. Dann brauchen sie sich nur noch auf Wasser hinunterstürzen und den Mundraub vor den Dreizehenmöven abfischen.
Johan zeigt uns auch den Horst des Adlers, fährt mit dem Schiff in eine Grotte in der Trottellummen und Basstölpel ihre flauschigen Kleinen aufziehen und liefert uns nach zwei spannenden Stunden auf dem Meer wieder im Hafen ab.
So wird es drei Uhr nachmittags, bis wir unser Zelt und unsere Sachen eingepackt haben und uns wieder auf den Weg machen.
Lasse Isbjørn hatte gestern auf der Fahrt vom Hotel zum Schiff schon dauernd genörgelt, dass er immer nur in Tina Vornesitzers Handtasche sitzen darf und bekommt jetzt seinen Logenplatz mit Aussicht am Pino. Hoffentlich fängt das Genörgel nicht wieder an, wenn es mal regnet.
Die Fahrt von Runde nach Ålesund führt zuerst wieder zurück über die Inseln bevor es auf die Hauptstraße 61 geht. Auf den Inselstraßen, auf denen nur ganz wenige Autos unterwegs sind können wir uns die meiste Zeit sogar entspannt auf Radwegen bewegen, die ab der Hauptstraße dann leider fehlen. Also weniger entspanntes Radeln bis Hareid. Hier starten wir das Experiment norwegisches Schnellboot mit Pino um die Strecke nach Ålesund abzukürzen. Super: Die Besatzung des Schnellbootes ist hilfsbereit, sogar der Kapitän beteiligt sich höchstpersönlich daran, unser schwerbeladenes Pino um die engen Winkel herumzuwuchten und wir sind um 21:00 auf dem Meer in Richtung Ålesund. Das Tempo des Schnellbootes ist der Hammer, die Zeit zwischen Hareid und Ålesund reicht uns grade mal so um eine kleine Ecke zu essen und die Gischt hinter den Turbinen des Schiffs zu bestaunen.
Zum Glück ist der Campingplatz in Ålesund nur 2 Kilometer von der Anlegestelle weg. Wir wollen nach der kurzen Nacht auf Runde und nach den 70 Kilometern radeln nur noch duschen und schlafen. Ok: noch ein Feierabend-Bier trinken nachdem wir unser Zelt auf dem letzten verbleibenden Wiesenfleckchen einzentrieren.