Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

Jugendherberge Dahlen – Weiße Elster – Hof

Die Hinten- und Vornesitzer haben mich ja schon ausreichend vorgestellt:
Ich bin Lasse Isbjørn, Troll aus Trøndelag und reise seit Trondheim auf dem Pino von den beiden mit.

Mein warmes, trockenes Plätzchen ist an der Rückenlehne von Tina Vornesitzer, von wo aus ich eine tolle Aussicht in fast alle Richtungen habe. Und das Beste ist: Ich habe keine Pedale und muss nicht helfen. Auch wenn ich an den fiesesten Steigungen immer feste die Luft anhalte und mich so leicht wie möglich mache.

Was ich halt nicht mehr machen sollte ist eindusseln. Einmal bin ich bei einer späten Etappe eingepennt, Udo Hintensitzer musste heftig bremsen und ZACK…. habe ich mir meine Trollnase richtig heftig gebrochen.

Nicht ganz so schlimm, sowas passiert uns Trollen manchmal und tut auch schon fast nicht mehr weh. Trotzdem sollte ich den nächstmöglichen Termin beim Trollnasendoktor nehmen um das richten zu lassen.
Mache ich beim Stopp am Bodensee, dann darf mein Cousin für mich weiterreisen: Ole Isbjørn hat seinen Flieger zum Bodensee schon gebucht und freut sich auf die Reise nach Südspanien.

Udo Hintensitzer ist zur Zeit ziemlich beschäftigt, neben dem Radeln ist er auch für das Kochen und für Zelt auf- und abbauen verantwortlich.
Tina Vornesitzer muss immer das Zelt ein- und ausräumen, Luftmatratzen aufpumpen und ist außerdem die Einzige, die unsere Anhängertasche ordentlich einpacken kann. Also übernehme ich dieses Mal das Blogtippen. Lenkt mich von meiner gebrochenen Nase ab und ich kann mich endlich auch mal richtig nützlich machen.

Beim letzten Blogeintrag von Udo Hintensitzer waren wir ja grade in der JuHe Dahlen angekommen. Die nennt sich zwar Jugend-Herberge, aber außer drei Kindern von Radwanderern waren nur Pilger weit jenseits der 50 mit uns abgestiegen, um den minimal reduzierten Preis gegenüber einer normalen Pension zu nutzen.

Dafür darf man sich die Betten selbst beziehen und man hat nur eine Etagentoillette und eine Etagendusche zur Verfügung. In letzerer fehlen die Duschköpfe (geklaut !!!) so dass das Wasser mit halber Schallgeschwindigkeit herausschießt und nur halbsanft den Rücken massiert, das Licht in der Dusche wird mit Näherungsschalter gesteuert.
Schlaue Sache, diesen Näherungsschalter energiesparend auf eine Minute einzustellen: Während des Duschvergnügens steht Udo Hintensitzer drei Mal im Stockdunkeln unter der Dusche und muss klatschnass und eingeseift zum Näherungsschalter tapsen damit er sich zum Abduschen wiederfindet und nicht versehentlich den Duschvorhang als Handtuch nimmt.

Beim soliden JuHe-Frühstück darf ich mit am Tisch sitzen bevor wir wieder losradeln. Da muss ich eh immer aufpassen: Die beiden sind ein bisschen vergesslich und man muss sie daran erinnern, den Troll anzuhängen!!!

Jedenfalls fahren wir von Dahlen aus nach der ADFC-Karte einen Zickzack-Kurs über kleinere Dörfer nach Trebsen. Wieder, wie so häufig in den letzten Tagen, geht es über intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen, wo wir immer wieder von der Größe der Felder und der Landmaschinen im Osten Deutschlands beeindruckt sind.
Vermutlich sieht effektive Landwirtschaft -im positiven wie im negativen Sinn- so aus, jedenfalls stimmt es uns sehr nachdenklich: Während wir in Schweden noch kilometerweise an Getreidefeldern entlangfahren dominieren die Mais- und Hirsefelder das Landschaftsbild ganz eindeutig seit wir in Deutschland unterwegs sind.
Als Folge der Biosprit-Förderung ist es für unsere Landwirte ertragreicher, ihre Felder mit Biogaspflanzen anstelle von Nahrungsmitteln zu bestellen. Dafür kaufen wir unser Getreide und unsere Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt und treiben den Preis dort in die Höhe, wo Menschen es sich kaum leisten können. Abgesehen davon sind solche Felder für Trolle ungefähr so spannend wie in einer dunklen Packtasche reisen zu müssen.

Zum Glück kommen wir auf unserem Weg nach Markkleeberg wieder in frühere Braunkohlereviere, wo sich heute schöne Wälder und Naherholungsgebiete abwechseln. Pünktlich zur Mittagspause finden meine Reisekumpels Vorne- und Hintensitzer einen ruhigen Badesee mit Badestelle für die Mittagspause.

Der Platz ist FKK und -ogottogottogott- die Beiden baden auch so. Hey, die Beiden sind schon über fünfzig, das ist doch kein Spaß mehr. Selbstredend gehe ich in der Zeit ein bisschen im Wald bummeln, das will ja kein Troll mit ansehen! Rechtzeitig zum Vespern bin ich dann wieder zurück.

Nach Markkleeberg fahren wir noch lange am Cospudener-See (Abendessen, Grillen, Rotwein) in Richtung Süden bis wir auf die Weiße Elster treffen und deren Flussradweg folgen.
Es ist acht Uhr abends, meine Vorne- und Hintensitzer werden allmählich nervös weil kein Campingplatz in sinnvoller Entfernung erreichbar ist und sie einen wilden Übernachtungsplatz suchen müssen.
Ich würde mir ja einfach einen verlassenen Fuchsbau suchen und schlafen wie Troll-in-Deutschland, aber die Beiden sind da ein bisschen kompliziert. Der eine Platz ist zu offen sichtbar, der Andere zu versteckt, der Dritte könnte zu uneben sein und den Vierten sehen sie gar nicht.

Ein Glück, dass sie sich dann auf eine Wiese bei einem Naturlehrpfad einigen können bevor es komplett dunkel wird.

Die Stelle ist super, es gibt einen Beobachtungsturm um die Vögel in den Baumwipfeln beobachten zu können, ein paar Büsche, hinter die man das Zelt stellen kann und so setzt sich Udo Hintensitzer auch gegen Tina Vornesitzers Bedenken durch. Folglich schläft der eine auch ganz toll und ruhig und die andere eher unruhig und halbwach.
Und der Troll… horcht die halbe Nacht in die tolle Natur da draußen: Nachtkauze, aufgeregte Tauben, die wegen dem Nachtkauz immer wieder aufgeschreckt werden, Mäuschen beim Rascheln im Unterholz und beim Knabbern an Wurzeln. Diese Reise ist toll!!!

 

Dementsprechend ist ein Teil unseres Teams am nächsten Morgen ausgeruht, ein Teil etwas müde als wir diesen Platz schon früh verlassen, wir wollen das Zelt ja im Gepäck verstaut haben bevor die ersten Tagesbesucher hier eintreffen.

Ach ja. Und Udo Hintensitzer hat heute Geburtstag und macht das halbe Jahrhundert voll! Ein klitzekleines aber hoch-edles Geschenk von Tina Vornesitzer gibt’s heute aber erst abends, von mir gibt’s die besten Trollglückwünsche gleich nach dem Aufstehen.

Außerdem Eisessen mittags, SektVesper nachmittags und abends im Restaurant am Campingplatz noch leckeres Abendessen. Warum fragt mich eigentlich keiner nach meinem Geburtstag?!?

 

Die Radtour heute an der weißen Elster beginnt mit dem Naturlehrpfad, später kommt noch ein Baumwipfelpfad dazu und es rollt flach in der Nähe der Weißen Elster.

Nicht viel später geht es aber wilde Hügel mit deutlich über 10% nach oben und die Vorne- und Hintensitzer müssen aus den Pedalen und das Pino hoch schieben. Überhaupt sind die flachen Etappen jetzt wohl passé, wir nähern uns dem Vogtland und die beiden an den Pedalen kommen jetzt wieder öfters ins Schwitzen, die schlimmste Strecke ist dann eine vielbefahrene Bundesstraße mit langer 7%-Steigung kurz vor dem Campingplatz Clodra.

Das Restaurant am Campingplatz scheint dann ein Geheimtipp zu sein, Udo Hintensitzer bekommt sein Geburtstagsabendessen und später sitzen wir noch zu dritt bei Lagerfeuer und Gitarre am Zelt. Ein toller lauer Sommerabend, das sollte man in Norwegen auch einführen!

 

Ausgeschlafen aber mit müden Beinen machen wir uns auf die nächste Etappe: Wir wollen Geschäftskolleginnen von Tina in Hof treffen und haben leider wieder einige Höhenmeter im Vogtland auf dem Plan.
Das ist immer ganz schön anstrengend für mich, bei jeder Steigung die Luft anzuhalten um mich möglichst leicht zu machen, während die beiden an den Pedalen keuchen dürfen, wie sie wollen. Die Welt ist ungerecht.
So wird es ein langer, heißer Tag mit bis zu 30°C im Schatten und vielen vielen Hügeln, den wir nur für eine Mittagspause an einem Weiher unterbrechen.

Die Dämmerung hat dann schon begonnen, als wir an einer historisch bedeutenden Stelle nochmal kurz anhalten: Udo Hintensitzer erklärt mir, dass hier in Mödlareuth früher die Zonengrenze zwischen der DDR und der BRD verlief und mit menschenverachtenden Maßnahmen gesichert wurde. Hier in Mödlareuth durchschnitt die Grenze sogar ein Dorf in der Mitte und trennte damit auch Nachbarn und Familien für Jahrzehnte.
In Mödlareuth ist ein Freilichtmuseum, das einen Mauerabschnitt und Grenzzäune konserviert hat und die -heute surreale Szene- sichtbar macht. Die Wachtürme wirken heute wie lächerlich kleine und zudem hässliche Bauwerke, müssen aber vor weniger als 30 Jahren noch eine bedrohlich wirkende Ausstrahlung auf Menschen im Westen und im Osten gezeigt haben.

Die Führung durch dieses Freilichtmuseum hatten meine Reisepartner vor wenigen Jahren schon gesehen, heute ist es leider schon zu spät dafür. Auf uns warten stattdessen die letzten Steigungen der „Ach nö, nicht noch Eine“-Klasse und Tina Vornesitzer kommt heute fast an ihre Grenzen. Superglücklich kommen wir um 21:00 auf dem Campingplatz bei Hof an, ziehen zwei Radler aus dem Automaten (warum eigentlich nur 2!!!), bauen das Zelt auf und freuen uns auf zwei Ruhetage am Auensee bei Hof.

Ganz geruhsame Ruhetage, das Pino bekommt ein neues Tretlager für den Hintensitzer, abends gehen wir mit Caro, Carmen und Christine Abendessen und verbringen einen lustigen Abend. Und noch einen Abend mit Caro und Bernd am Untreusee mit vielen Routentipps über das Fichtelgebirge von Bernd. Und es gibt einen zweiten Glücksbringer von den drei Mädels, einen Schutzengel. Die haben zwar schon mich, aber einen Schutzengel kann man IMMER brauchen!

 

Ach ja, den Saale“radweg“ haben wir uns auf dem Weg nach Hof auch noch angeschaut und können uns vor Lachen kaum halten:
Ein Flussradweg für Radwanderer mit einer Brücke, die nur über eine steile Treppe erreichbar ist? Das leere Pino können wir darüberwuchten, aber wie bitte soll ein Rentner hier sein 30kg-eBike drüberkriegen? Oder wir ein vollbepacktes Pino mit Anhänger?

Lieber Radwegplaner im Landkreis Hof:
Steig doch bitte mal ein paar Tage auf Dein Fahrrad (von uns aus eBike) und bewege Dich ein paar hundert Kilometer durchs Land. Und dann geh bitte nochmal über die Radwegführung drüber. Ach ja, und dann schau auch mal die Bordsteinkanten an den Radwegen in der Stadt Hof an. Da ist auch noch ein bisschen Potential.

 

Weiter mit „Hof – Fichtelgebirge – Naabtalradwege“

Die Fotogallerie dieser Etappe:

8 Kommentare

  1. Heidi Heidi
    15. September 2016    

    Lieber Udo,
    auch wenn schon ein paar Tage her ist, ich wünsche Dir nachträglich Alles Gute zum 50igsten und Dir und Martina natürlich noch viele schöne Erlebnisse auf Eurer Traumreise von Nord nach Süd. Nächstes Jahr ist es bei mir ja auch soweit, das mit den 50, mal sehn was für ein Traum ich mir da erfüllen kann….
    Hattet Ihr einen schönen Stopp in Markdorf?
    Nun seid Ihr ja schon in Frankreich unterwegs, mit Troll „Ole“? Einfach immer wieder schön, Eure Berichte zu lesen.
    Ein Lob übrigens an „Lasse“, hat es wirklich toll gemacht – über die letzten Etappen zu erzählen, gute Besserung an ihn.

    Gruß

    Heidi

    • Udo Hintensitzer Udo Hintensitzer
      16. September 2016    

      Hallo Heidi,
      es freut uns wirklich sehr dass du immer so fleißig mitliest was wir so erleben. Wir sind ja nur ganz kurz zuhause gewesen und die Zeit ist wie im Flug vergangen mit Familie sehen, Wäsche waschen, alles wieder packen …… und vor allem auch der Staffelübergabe von Lasse (der erholt sich jetzt in Markdorf) an Ole 😉
      Für deinen Fünfziger können wir dir Nordnorwegen empfehlen 🙂 das ist wirklich sooooo schön dass es ein unvergessliches Erlebnis für so ein besonderes Datum ist.
      Bis bald,
      Tina und Udo

  2. P.Schklöffel P.Schklöffel
    17. September 2016    

    Hallo Udo alles gute zum Geburtstag wünschen Dir Ingrid+Peter+ Monica+Klaus ,wir kennen uns von Nor. mit Wohnm. in der nähe von Trondheim!! Ich wünsch Euch eine gute Fahrt.

    • Udo Hintensitzer Udo Hintensitzer
      17. September 2016    

      Hallo ihr vier und vielen Dank 🙂
      Natürlich erinnern wir uns an den Abend in Orkanker… Und an das leckere Bier das ihr uns spendiert habt!!!

      Viele liebe Tina & Udo

  3. Peter Fischer Peter Fischer
    18. September 2016    

    Hallo Udo & Tina
    Ich bin’s, Peter F. von der Arbeit (Udos ehemaliger Zimmerkollege).
    Erstmal alles Gute zum 50zigsten nachträglich.
    Ich lese euer Tagebuch schon von Anfang an mit. Macht richtig Spaß zu lesen, und auch die Fotos sind beindruckend. Ich habe leider keinen Facebook Account. Mustata sagte, ihr seit schon in Frankreich.
    Alles noch viele schöne Kilometer mit möglichst ≤0% Steigung und Rückenwind.

    Gruß
    Peter und Anett

    • Udo Hintensitzer Udo Hintensitzer
      18. September 2016    

      Hallo Peter, hallo Anett,

      vielen Dank für euren Kommentar und fürs Mitlesen! Ja, wir sind schon ein Stück weiter, es gibt gerade Café Créme in Orléans… der Blog hängt ein bisschen hinterher. Wir sind einfach zu beschäftigt mit radeln, gucken, Zelt auf-/abbauen, kochen undsoweiter. Aber wir arbeiten dran 🙂

      Viele Grüße, bis spätestens 1. Dezember!!!

  4. Peter Fischer Peter Fischer
    20. September 2016    

    Hallo ihr 2!
    Ok dann euch noch schöne Reise.
    Wenn ihr in Orleans seit, dann schaut euch doch noch ein paar Loire Schlösser an! Chambord ist sehr zu empfehlen.
    Gruß
    Peter

    • Udo Hintensitzer Udo Hintensitzer
      20. September 2016    

      Danke, bei Chambord hatten wir die letzte Nacht auf dem Campingplatz übernachtet. Das Schloss dort war in Diskussion, hat aber dann gegen Chenonceaux verloren… war auch schön:)
      Morgen ist erst mal Ruhetag und vielleicht noch eine Seite Blog schreiben. Da geht’s dann um wilde Übernachtungsplätze mit Überraschung

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Unsere Etappen in der Übersicht

Die Hinreise zum Nordkapp

Vom Nordkapp nach Tromsø

Troms - Vesteralen - Lofoten

Bodø - Trondheim

Trondheim - Südnorwegen / Halden

Schwedische Westküste

Deutschland Nordost-Südwest: Usedom bis Bodensee

Frankreich Ost-West: Mulhouse - Nantes - Eurovelo 6

Frankreich Atlantikküste: St. Nazaire - Biarritz - Eurovelo 1

Spanien: Atlantik und Jakobsweg

 

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