Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Røros und Femundsee

Røros und Femundsee

Die Nacht war ruhig, auch der Elch hatte wohl anderweitige Termine und hat uns nicht besucht. Scheint eine Masche von denen zu sein, Kotspuren zu hinterlassen und dann aber doch nicht aufzutauchen.

Unser Übernachtungsplatz am Bergbach liegt noch im Gaulatal, von hier aus sind es knapp 70 Kilometer nach Røros, wo wir einen ruhigen Tag mit Stadt anschauen und einem Besuch des Kupferbergbaumuseums verbringen wollen.

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Die Straße

RV30 folgt der Gaula bis Ålen, der Fluß wird hier in einem oberen Drittel wilder und fällt über zwei Wasserfälle ganz nahe der Straße. Mit der Steigung des Flusses müssen wir natürlich auch nach oben radeln und verdienen uns damit unsere Pause am Rastplatz beim zweiten Wasserfall, dem Hyttfossen.

Die RV30 hat für unseren Geschmack jetzt recht viel Verkehr, wir werden auch ein/zwei Mal eher dicht überholt, was unsere Lust auf diese Straße zusätzlich reduziert.
Kurzer Aufruf: Wenn ihr im Auto sitzt und ein Fahrrad überholen wollt (blinken und ohne auszuweichen vorbeifahren zählt nicht zur Kategorie Überholvorgang), macht das bitte dann, wenn KEINER entgegenkommt, wenn ihr weit genug nach vorne sehen könnt so dass ihr dem Radler MINDESTENS einen vollen Meter Platz lassen könnt. Ihr werdet Glücksgefühle beim Radfahrer auslösen. Und bei euch, wenn ihr den Radfahrer im Rückspiegel dankend winken seht.

Bevor sich die Autos hier nach Røros wälzten muss auch der historische Weg hier entlang geführt haben: Reste sehen wir unter anderm an einer historischen, aus Steinen geschichteten Brücke bevor wir endgültig auf Nebenwege ausweichen und eine Stunde später auf dem Campingplatz in Røros einlaufen.

Von Røros zur ehemaligen Kupfermine Olavsgruva sind es laut Infoblatt 13 Kilometer, von unserem Campingplatz aus dürfte es ungefähr einen Kilometer weiter sein. Da unser Zelt, unser Gepäck und der Anhänger am Campingplatz bleiben schätzen wir eine Fahrzeit von 45 Minuten.
Für die Führung um 10:30 reicht es also locker wenn wir uns um 9:30 auf den Weg machen… denken wir, werden aber schon nach wenigen Kilometern schlauer: Die Strecke zur Olavsgrua hat ein paar Höhenmeter zum Frühstück gevespert, wir kämpfen uns Hügel um Hügel nach oben um -nassgeschwitzt- wirklich wenige Minuten vor dem Start der Führung bei der Museumsgrube anzukommen.
Verschärfend kommt dazu, dass sich die hintere Schaltung des Pino mehr und mehr verabschiedet, vermutlich hat der Schaltzug so viel Regenwasser abbekommen dass er jetzt leicht rostig zu klemmen beginnt und sich nur mit vielen Flüchen sauber auf die Ritzel zentrieren lässt. Da muss Udo Hintensitzer vor der Rückfahrt auf jeden Fall noch mit dem Ölkännchen ran.

Die Storwartzgrube wurde beginnend im Jahr 1644 als Kupfermine genutzt, sehr aufwändig wurde dort das Kupfererz abgebaut. Damals haben deutsche Bergbauer den Kupferabbau unterstützt weil das nötige Wissen über Kupferabbau in Norwegen nicht vorhanden war, der Dialekt in Røros hat deshalb auch einige deutsche Wörter in seinen Wortschatz aufgenommen. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Abbau von Kupfer dann dort eingestellt weil das Kupfervorkommen erschöpft schien, die Grube wurde aufgegeben und lief in der Folge voll Wasser.
1937 wurde dann ein weiterer Verlauf des Kupfervorkommens im Berg erkannt und eine zweite Bergbaumine, die Olavsgrube mit mehreren Kilometern Stollen gegraben. Der moderne Bergbau mit Dynamit und modernen Maschinen im Berg wurde dann bis 1972 verfolgt. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde -bedingt durch den Preisverfall bei Kupfer- dieser Bergbau unrentabel und eingestellt und die Mine aufgegeben.

Die englischsprachige Führung in die beiden Minen beginnt mit dem Einstieg in die alte Bergbaumine, die hunderte Arbeiter beim Kupfererz-Abbau, beim Abtransport des Grubenwassers, beim Erztransport und beim Auslösen des Kupfers aus dem Erz beschäftigt hatte. Die junge Frau, die uns führt, stammt aus einer Bergbauerfamilie, auch ihr Vater und Großvater hatten noch in der Olavsmine gearbeitet.

Entsprechend lebhaft und spannend kommen ihre Beschreibungen dann auch bei uns an.
Nach der Storwartzgrube geht es direkt in die Olavsmine, in der vor allem die riesigen unterirdischen Räume begeistern, die beim Erzabbau entstanden sind. Gute 90 Minuten dauert die Führung dann insgesamt, auch Lasse Isbjørn als Höhlentroll ist hier unten ganz aufgeregt… hoffentlich will er nicht hier unten bleiben und begleitet uns noch ein Stückchen auf unserer 2Radreise!

Als wir wieder aus der Grube kommen erwartet uns prächtigster Sonnenschein. Es ist gerade mal halb zwölf, deshab haben wir leicht die Zeit hier oben noch einen Kaffee in der Sonne zu trinken bevor wir wieder nach Røros fahren, Tina Vornesitzer will nämlich auch noch durch die alte Stadt bummeln.

Ach ja, den Schaltzug könnte man bei der Gelegenheit noch ölen, Udo Hintensitzers Job. 10 Tropfen Öl später ändert sich das Schaltverhalten genau überhaupt nicht, 20 Tropfen später ist die Verbesserung immer noch ganz nahe bei Null. Der ausgehängte Schaltzug zeigt uns dann auch warum: Er hat begonnen, sich in seine Einzellitzen aufzulösen und sollte dringend in den Müll wandern. Zum Glück hat Udo Hintensitzer in der Ersatzteilesammlung einen neuen Schaltzug mitgenommen. Blöd nur, dass der einen kleinen Makel hat: Er ist 20 cm zu kurz und wird vermutlich auch nach zweimaligem Abschneiden noch nicht passen.
Jetzt ist es doch ganz gut dass es zurück nach Røros hauptsächlich bergab geht. Außerdem glänzt Røros mit der Existenz einer gut ausgestatteten Fahrradwerkstatt, so dass wir die Schaltung kaum eine Stunde später wieder komplett im Team haben.

Einen Einkaufsbummel in Røros schminken wir uns bei der Gelegenheit auch gleich mit ab: Auf dem Weg zur Fahrradwerkstatt mussten wir uns durch Unmengen von Touristen kämpfen, was uns den Zahn „Kaffee oder Eis in der Altstadt“ ganz easy zieht.

Stattdessen bauen wir unser Zelt ab und suchen uns den Weg -FV532- nach Synnervika am Femundsee auf der Karte. Dort wollen wir morgen auf die Fæmund II steigen und 30 Kilometer über den Femundsee nach Süden fahren. Nach Synnervika sind es runde 35 Kilometer auf einer sehr ruhigen Straße, die zuerst asphaltiert am Fluss entlang, später auf planierter Kiesstraße in Kieferwäldchen an kleinen Seen vorbei führt. Einer davon ist fällig und bietet uns -ENDLICH- die erste Bademöglichkeit. Ok, zumindest für die Männer unter uns. Tina Vornesitzer outet sich als Mädchen und will lieber auf wärmere Bademöglichkeiten warten.

 

Kaum 5 Kilometer später erreichen wir das Ende der Straße und den Anlegeplatz der Fæmund II, die nur einmal täglich fährt: morgen früh um 9:00 geht’s los. Wir fragen hier noch nach einer Zeltmöglichkeit und können unser neues Zelt ganz lockere 50 Meter vom Schiff weg direkt am Ufer aufbauen.

Weiter mit „Femundsee – Rena, spannende Begegnungen“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

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Trondheim (Øysand) – Melhus – Gaula-Tal

Trondheim (Øysand) – Melhus – Gaula-Tal

Es ist Samstag morgen auf dem teuren Lachsfischer-Campingplatz mit den übersichtlichen Sanitär-/Küchenanlagen. Unser Zeltproblemchen werden wir erst am Montag bei Helsport vorstellen können, so bleibt ein ganzes Wochenende für etwa 50 Kilometer Fahrt. Die Entscheidung fällt 2:0 Stimmen (bei einer Enthaltung von Lasse Isbjørn) für den Øysand-Campingplatz am Trondheimfjord, da wir am Montagmorgen von dort aus nur 8 Kilometer zum Zelthersteller Helsport fahren müssen, was recht gut zu unseren Aufsteh- und Packzeiten passt.

Unsere erste echte Panne nach 2770 Kilometern: Eine Glasscherbe im hinteren Reifen.

Der Platz in Øysand liegt direkt am Trondheimfjord auf sandigen Wiesen und beherbergt außerdem eine Kayakschule. Dort verbringen wir einen wirklich entspannten Samstagnachmittag und Sonntag, beobachten Austernfischer am Ufer (diese Vögel mit ihrem lustig watschelnden Gang werden wir ab jetzt vermutlich nicht mehr sehen und werden sie bestimmt vermissen) und schauen den Kayakschülern bei den Eskimorollen-Versuchen zu.

Interessant: Solche Fjordkayaks kann man nach einem Ausstieg beim Kentern offensichtlich schwimmenderweise leeren und auch vom Wasser aus wieder einsteigen. Coole Technik, kenne ich aus meiner (kurzen) Wildwasserkarriere so nicht.

 

Samstag abend zeigt sich dann noch ein echter Gewittersturm zuerst über dem Fjord, dann über unserem Zelt. Das Zelt ist gut abgespannt, da es aber genau quer zum Wind steht biegen sich die Stangen schon bedenklich im Sturm und Platzregen.

Vermutlich fühlt sich das von innen aber viel dramatischer an, als es wirklich ist: Neben uns standen vor dem Sturm zwei nicht-abgespannte, lasch aufgebaute Zelt… und die standen nach dem Sturm immer noch als wäre nichts gewesen. Vermutlich kann unser Zelt doch viel mehr ab als wir denken.

Kundenservice bei Helsport

Montag früh klingelt unser Wecker schon um sieben Uhr. Wir wollen möglichst früh bei Helsport aufschlagen damit wir -auch wenn wir mehrere Stunden für eine Imprägnierung warten müssten- noch eine sinnvolle Etappe radeln können. Zum Glück hat es den Morgen über noch nicht geregnet, mit etwas Glück bekommen wir das Zelt einigermaßen getrocknet in den Packsack.
Also: Kaffee kochen, Zähne putzen, Schlafsäcke/Luftmatrazen einpacken, Innenzelt aushängen… und es beginnt so exakt rechtzeitig zu regnen dass wir doch wieder einen nassen Lumpen Zelt eintüten müssen. Wirklich blöde, so bei Helsport anzukommen.

8 Kilometer und drei PANT!-Stopps später finden wir die Firma Helsport, erzählen von unserem kleinen Problem und entschuldigen uns, dass wir so ein nasses Stück Zelt dabei haben.
Frau Bente Lund von Helsport hört uns freundlich zu, schaut sich das nasse Zelt und die betreffenden Nahtstellen ganz kurz an und sagt, sie kenne das Problem dass Nähte in seltenen Fällen undicht werden können. Dass es Helsport sehr wichtig ist, dass ihre Kunden mit den Helsport Artikeln zufrieden sind (was wir mit unserem Zelt ja ohnehin sind) und sie verschwindet nach hinten… um kurz später mit einem nagelneuen 2016er Zelt zurückzukommen!!! Eigentlich hatten wir mit einer Neuimprägnierung unseres Zelts gerechnet, eine neue Aussenhülle für das Zelt wäre schon ein ganz tolles Ding gewesen.

Aber, um sicher zu gehen dass wir keine Passprobleme mit Innenzelt/Stangen unseres 2012er Zeltes zum aktuellen Zelt haben, bekommen wir von Helsport sogar ein komplett neues Zelt für unseren weiteren Trip nach Gibraltar. Unglaublicher Service, wir sind uns nicht sicher ob es viele Firmen gibt, die so reagiert hätten. VIELEN DANK, HELSPORT!

Wir tauschen dann noch Visitenkarten aus, erzählen von unserem Weg seit dem Nordkap, von der weiteren Reiseplanung in Richtung Süden und fahren überglücklich mit nagelneuem, eingepacktem (trockenen 🙂  ) Zelt ab.

Die weitere Etappe wird jetzt hart: Am liebsten würden wir das neue 2016er Fjellheimen Camp 3 so bald wie möglich aufbauen und sehen, was sich seit unserer Generation geändert hat. Allerdings hinken wir hinter unserem Zeitplan schon ein ganzes Stück hinterher und sollten halt doch noch eine nennenswerte Etappe hinter uns bringen.

Die Route von Melhus nach Røros -unserem nächsten größeren Ziel- führt zuerst an der norwegischen Hauptverkehrsader E6 entlang nach Süden und folgt damit dem Gaulatal. Der zugehörige Radweg ist aber gut ausgebaut, so dass man zu keinem Zeitpunkt auf der vielbefahrenen Straße fahren muss. Auf weiten Strecken führt er dann sogar auf kleinen, zum Teil planierten Kies-Sträßchen abseits der E6 und ist -Novum auf unserer Radtour in Norwegen- auch richtig gut beschildert. Diese Strecken sind richtig beschaulich und weit vom hektischen Verkehr der E6 entfernt.

In Støren biegen wir auf die RV30 in Richtung Osten ab und folgen damit dem Gaula-Tal weiter nach oben. Die Gaula ist ein wichtiger Lachsfluss in Norwegen und praktisch jede zugängliche Stelle des Flusses ist mit mindestens einem parkenden Auto besetzt. Obwohl die Landschaft wirklich schön ist, machen wir leider nur sehr wenige Fotos: Liegt mal wieder am Wetter, das uns mit einem zweistündigen Regen nicht zum fotografieren einlädt.

Eine Pause legen wir trotzdem ein: Lasse möchte sich den Lachsfluss aus der Nähe ansehen und wir wollen gerne noch eine Vesperpause einlegen. Leider steht hier ein „Camping verboten“-Schild, sonst wäre das vielleicht sogar unser Platz für die Nacht geworden.

Den finden wir dann etwas später, wo ein Kiesweg direkt bei einem Bergbach von der RV30 abzweigt. Kaum 100 Meter von der Straße weg ist ein großer Kiesparkplatz mit Zugang zum Bach. Sicherheitshalber kochen wir zuerst noch unser Süppchen hier um zu sehen wie hoch der Durchgangsverkehr am Kiesweg ist. Ein Auto, ein Spaziergänger mit Hund innerhalb einer Stunde lässt uns auf eine ruhige Nacht hochrechnen. Vielleicht gibt es ja abends noch ein Highlight: Im umliegenden Wald haben wir beim Holzsammeln zwei Stellen mit Elchkot gefunden.

Also bauen wir unser nagelneues Helsport Fjellheimen Camp 3 Zelt an der ebensten Stelle des Kiesplatzes auf, flüchten kurz nach Sonnenuntergang vor den Schnaken in unser Refugium und verbringen eine herrlich ruhige Nacht.

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Die Bildergallerie des Tages:

Kirche Melhus

Pässe im Regen

Pässe im Regen

Planung für unsere weitere Route in Skandinavien

Unsere 2RadReise hat uns in Nord-Norwegen bleibende Eindrücke der Landschaft und der Natur beschert. Dazu gehört die karge Landschaft der Finnmark mit der spärlichen Vegetation, die hier in den wenigen Sommermonaten um ihr Dasein kämpft. Oder die Moorlandschaften der Inseln im Landkreis Troms und der Vesteralen mit ganz besonderen Tierbeobachtungen. Dazu die krassen Gegensätze der Lofoten und später, südlich von Bodø, der Übergang zu Landschaften, die denen in Mitteleuropa schon sehr ähnlich werden. Dabei waren wir -einem Rat von vielen Norwegern folgend- fast immer der Route gefolgt, die am weitesten westlich, also meernah verläuft.

So hätten wir auf unserem zweiten Reiseabschnitt ab Trondheim auch den Touristenrouten am Meer entlang folgen können und als nächstes die Highlights von Südnorwegen wie Kristiansund, Geirangerfjord, Bergen, Stavanger besuchen. Wir beschließen aber, diesen Teil zugunsten einem Reiseabschnitt im Landesinneren von Norwegen auszulassen. Vermutlich würden andernfalls viele Eindrücke anfangen sich zu wiederholen und -noch schlimmer- wir würden uns in großen Besucher- und Touristenströmen an den Sehenswürdigkeiten einreihen müssen… was uns beiden sehr wenig Spaß macht.

Lange Rede, kurze Folgerung: Unsere Etappen der nächsten Tage werden uns in Richtung Osten führen bevor wir vermutlich auf der Höhe von Røros nach Süden abzweigen werden.

Alesund – Trollstigen – Andalsnes

Der letze Blogeintrag stammt noch aus Ålesund, wo wir spät abends eingetrudelt waren. Eine angenehm ruhige Nacht liegt hinter uns, wir haben beide tief geschlafen als uns der Abreisetrubel auf dem Platz allmählich aufweckt. Passt prima, wir wollen ohnehin nicht mehr lange bleiben sondern uns bald auf den Weg machen.

Oben geschrieben: Uns treibt es in Richtung Osten und das einzige Highlight, das wir auf diesem Weg einschleifen wollen bleibt der Trollstigen, den wir jetzt anpeilen. In Ålesund beginnt die E136 als vollausgebaute Schnellstraße, für Fahrräder und Pinos gesperrt, so dass wir auf parallelen Straßen zur RV60 und zum Fähranleger Magerholm fahren müssen. In Nordnorwegen war die Navigation immer recht einfach, da es immer nur wenige Optionen gab, das hat sich seit Trondheim geändert. Folgerichtig verfransen wir uns auch heute wieder ein halbes dutzend Mal bis wir die Fähre wirklich finden. Natürlich fährt sie uns gerade vor der Nase weg… dafür verwickelt uns der Antiquitätenhändler am Fähranleger in ein freundliches Gespräch und zeigt uns seine Schätzchen im Laden. Draußen hat es angefangen zu regnen und wir schauen uns NATÜRLICH lieber antike norwegische Kaffeemühlen an als draußen nass zu werden.

Die nächste Fähre auf die andere Seite nach Sykkylven ist dann unsere. Die RV60 führt von hier aus über die weite Landzunge und über einen ~540m hohen Pass nach Stranda, wir haben uns aber einen Umweg über kleine Straßen (Dalevegen, Fasteindalen, Nysaetervegen) herausgesucht um dem Verkehr der RV60 zu entgehen.

Dieser Umweg macht nur knappe 10 Kilometer aus und das Höhenprofil ist laut Naviki auch ganz angenehm: ~4% gleichmäßige Steigung auf eine maximale Höhe von 400 Metern scheint machbar, zudem wir die RV60 dann auf halber Höhe wieder erreichen werden.

Eigentlich hätten wir diesen Braten schon riechen müssen, Naviki neigt manchmal zu schmerzhaften Vereinfachungen. Im Fall unserer Nebenstraße heißt das, dass Naviki für seine Darstellung die Steigung hübsch gemittelt hat und uns arglistig verschwiegen hat dass wir hier einen hügeligen Kiesweg fahren dürfen, der permanent zwischen eben und 8-12% Steigung wechselt.

Für unser Lastengespann ein echter Muskelkiller und wir verbrauchen neben einigen Heiligen auch 4 Energieriegel um uns bis zum allerletzten Hügel dieser Nebenstrecke hochzukämpfen. Petrus hat Mitleid mit uns und sorgt jetzt auch für kräftige Wasserkühlung unserer Beine, was wir aber so lange zu verdrängen versuchen bis wir richtig nass sind…. und unsere Regenklamotten erst viel zu spät anziehen.

Eigentlich sind solche Strecken zwar schon anstrengend aber doch gut machbar. Nur schade, dass die Landschaftseindrücke spätestens mit dem Regen viel zu kurz kommen und wir recht wenige Fotos machen.

Nach der Nebenstrecke kommt noch der eigentliche „Pass“ der RV60 auf 540m. Was lässt sich über einen Pass per Tandem -jetzt im Wolkenbruch- noch erzählen? Dass die konstanten 7% unsere schon müden Beine ganz schön quälen? Dass Regentropfen ganz schön im Gesicht pieken können wenn man mit 70 Sachen runterdonnert? Keine Ahnung.

Jedenfalls bleibt Petrus seiner (Regen-)Linie auch noch treu als wir in Stranda unser Zelt aufbauen und wir haben unser Zelt zum ersten Mal schon von innen nass BEVOR wir selbst einsteigen.

Der Abend klingt dann aber noch richtig gut aus: Die Küche auf dem Feriesenter in Stranda ist sehr schön eingerichtet und wir verbringen einen lustigen Abend mit einer Gruppe Schweden, die mit 3 Wohnmobilen hier sind und uns ein schwedisches Bier spendieren. Mit zwei Franzosen und Kindern, die heute in Oslo bzw. Paris leben. Und mit den drei Chinesen, die jetzt in Südschweden leben und mit einem Gast aus New York eine Skandinavienreise machen. Es wird spät, lustig, laut… wie ein gelungener Abend halt so sein muss.

Dem entsprechend schlafen wir etwas länger, genießen beim Aufstehen das jetzt wieder schöne Wetter und legen die ganzen nassen Sachen von gestern nacheinander in die Sonne zum trocknen. Erst gegen 16:00 eisen wir uns allmählich vom Campingplatz los um wenigstens noch ein paar Kilometer näher an den Trollstigen zu kommen und schlagen unser Zelt wenige Kilometer nach Valldal auf dem Campingplatz Valldal auf. Hier dürfen die Zelte direkt am Fluß aufgebaut werden, wunderschönes Plätzchen.

Die Wettervorhersage steht jetzt auf fast 30mm Regen für den nächsten Tag, definitiv kein Wetter um auf einen 850m Berg in Norwegen hoch zu radeln. So verbummeln wir den ganzen verregneten Tag im Zelt und in der Gemeinschaftsküche des Platzes und warten noch die Pino-Bremsen und wechseln die Beläge: Udo Hintensitzer hat schon ein bisschen Respekt vor 800 Höhenmetern Abfahrt bei 10% und unserem Gespanngewicht von 250kg. Abends trinken wir noch ein Bier im Zelt, packen die Gitarre aus und singen dazu. Zugegeben: Wir gleichen mangelnde Tonsicherheit durch Lautstärke aus. Immerhin beenden wir dieses Drama noch vor 22:00 und entgehen so wohl einem Rüffel der Platzleitung.

Trollstigen:

Die Wolken hängen morgens noch tief im Tal, auch der Wetterbericht ist nur bedingt optimistisch. Trotzdem bleibt uns eigentlich nicht viel Anderes übrig: Wir packen das Zelt wieder mal klatschnass in seine Packtasche, satteln unser Pino und radeln los.
Valldal ist touristisch sehr lebhaft. Man kann von hier aus den Geiranger Fjord und den Trollstigen besuchen. Außerdem ist diese Gegend auch dank ihrem warmen Mikroklima ein berühmtes Anbaugebiet für norwegische Erdbeeren. Zum Glück hat Tina Vornesitzer keinen Zugriff auf die Pinobremsen, sonst wären wir sicherlich nicht ohne zwei/drei Stopps an den Erdbeerfeldern vorbeigekommen.
Wir fahren die RV63 von der Südseite auf den Trollstigen, hier sind seine 860 Höhenmeter auf gute 30 Kilometer verteilt und damit weit weniger giftig als die berühmte Trollstigen Nordseite.

Die RV63 führt uns durch das Tal des Flusses Valldøla, der über weite Strecken ein reißender Gebirgsbach ist. Türkisfarbenes und klares Wasser, vermutlich aber eiskalt, das über unzählige Stufen herabrauscht und auch durch eine spektakuläre Klamm –Gudbrandsjuvet- schießt.

Auf beiden Seiten des Tals stürzen dazu einige Wasserfälle, zum Teil mehrere hundert Meter herab. Kein Wunder, dass viele der Besucher des Trollstigen auch diese Südseite abfahren und dass uns jede Menge Ausflugsbusse entgegenkommen. Die Steigung bleibt wirklich sehr moderat und hat auf weite Strecken wirklich nur 3-4% und wenige Spitzen auf 5-6%. Erst die letzten 150 Höhenmeter ziehen dann mit 7-9% an und fordern nochmal alles von uns. Leider tauchen wir hier auch in die Wolkendecke ein und fahren ab jetzt im Nieselregen und mit wenig Sicht auf die Passhöhe bei 850 Metern.

Troll Lasse Isbjørn fühlt sich hier, im Reich seiner Artgenossen, sichtlich wohl und hat richtig rote Backen vor Freude als wir oben sind. Mangels Aussicht und dank Nebel fotografieren wir hier oben auf der Passhöhe halt Steintürmchen statt atemberaubender Bergsicht.

Runde 100 Höhenmeter tiefer kommen wir an den Aussichtpunkt des Trollstigen wo zu dem Zeitpunkt schon gefühlte 50 Ausflugsbusse und mindestens ebensoviele Wohnwagengespanne, Wohnmobile und Motorräder im dichten Nebel stehen. Wir parken das Pino direkt an der Toilette und am Souvenirgeschäft, wo uns die anwesenden Bustouristen sofort dankbar als Attraktion anstelle des -heute im Nebel versteckten- Trollstigen annehmen.
Ruckzuck bildet sich eine Traube von gut 40 Leuten aus Deutschland, Österreich, Frankreich und China und bombardieren mit Fragen uns über unser lustiges Gespann und über unsere 2RadReise. Lassen wir über uns ergehen, wir haben ja auch noch keine besondere Eile mit Weiterfahren im Nebel.

 

Eine halbe Stunde später haben wir den Souvenirshop auch von innen angeschaut und haben keine Hoffnung mehr, dass das Wetter aufklaren könnte. Also geben wir den Touristen hier noch dass Fotomotiv „Pino fährt an, Radfahrer winken“ und machen uns auf den Weg nach unten.


Dieser Blick vom Trollstigen wurde uns wegen Nebel leider verwehrt. Vielleicht müssen wir ja mal wieder hierher kommen.
(Quelle: www.trollstigen.no)

Die Doppelscheibenbremse am Pino leistet bei der Abfahrt dann richtig gute Arbeit, auf der engen, nassen Serpentinenstrecke mit Gegenverkehr ist Rollen lassen keine Option. Mit einer Standardbremse und unserer Beladung hätten wir hier bestenfalls Schritttempo mit vielen Pausen für die Bremse fahren können. Wir halten auf dieser Abfahrt noch zwei/drei Mal, als wir unterhalb der Wolken wieder Sicht bekommen und fahren danach an Andalsnes vorbei weiter zum Campingplatz Saltkjelsnes, packen unseren nassen Lumpen „Zelt“ wieder aus. Zum Abendessen gibt es heute Burgerfleisch mit Kartoffeln 🙂 und hinterher ein leckeres IPA im Zelt.

Weiter mit „Andalsnes – Surnadal, PANT!!!“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Trondheim – Insel Runde – Ålesund

Trondheim – Insel „Runde“ – Ålesund

Wir sind unterwegs zurück nach Trondheim… aber stehen wir hier am richtigen Abflug-Gate?

Das Pino steht noch brav und ordentlich abgeschlossen im Vikhammer Motell (&Camping) als wir nach unseren zwei Wochen Heimurlaub zurück nach Trondheim kommen. Es ist Dienstag nachmittag und wir buchen uns für die eine Nacht wieder ein Zimmer im Hotel damit wir ausreichend Platz haben um die Fahrradpacktaschen ordentlich zu packen. Morgen früh müssen wir rechtzeitig wegkommen damit wir das Hurtigruten-Schiff auf der Südroute erwischen. Wir wollen mit diesem Schiff zur Insel Runde fahren und dort einen Tag Pause machen: Runde ist ein wichiger Brutort für viele Vogelarten und wir wollen auf unserer Tour unbedingt noch Papageientaucher sehen.

Wir buchen die Überfahrt als Deckpassage und ohne Kabine, da wir Runde planmäßig um 2:00 nachts erreichen und von der Fahrt im Mai zum Nordkapp wissen dass man auf den Sofas des Aussichtsdecks prima schlafen kann weil da abends und nachts eh nichts los ist. Man kann sich täuschen: Juli ist nicht Mai und Trondheim-Alesund ist nicht Nordkapp. Außerdem ist heute das Europameisterschafts-Halbfinale zwischen Portugal und Wales. So ist das Aussichtsdeck heute nacht voll mit tratschenden Familien, trinkenden Fußballfans und euphorisierten Rentnern, die ihr Hurtigruten-Erlebnis gemeinsam Revue passieren lassen. Also müssen wir unser Sofa mit anderen Reisegästen teilen und können hinliegen und schlafen vergessen. Schade.

Mit ein wenig Verspätung erreicht die Polarlys Torvik um halb 3 nachts, spuckt uns aus und dampft nur 15 Minuten später wieder ab.

Die Anlegestelle der Hurtigruten in Torvik hat tagsüber den langweiligen Charme einer Lagerhalle für Hurtigrutenbedarf und wirkt nachts noch etwas eingeschlafener. Kein Grund, sich noch lange hier aufzuhalten.
Der Plan war, auf der 20 Kilometer langen Strecke über die Inseln Leinøya, Remøya und Runde ein ruhiges Plätzchen für ein Nickerchen zu finden und dann morgens auf dem Campingplatz Runde einzulaufen. Es ist ja schließlich ein No-Go, nachts um halb vier ein Zelt aufzuschlagen und damit anderen Campern den Schlaf zu rauben. Wir können es kurz machen: Wir radeln hochgemütlich über die Inseln bewundern den Blick auf- und von den hohen Brücken zwischen den Inseln, finden unterwegs KEIN Schlummerplätzchen und bauen unser Zelt nachts um vier auf. So leise wie irgend möglich, unsere Nachbarn beteuern am nächsten Morgen dass sie uns nicht gehört hätten. Sehr freundlich und zurückhaltend, diese Norweger 🙂

Runde ist ein Brutparadies für viele Vögel. Neben der Hauptattraktion, den Papageientauchern, brüten hier Basstölpel, Trottellummen, Raubmöven, Dreizehenmöven, Seeadler, Kormorane und viele andere Seevögel. Der Campingplatzbetreiber Knut gibt einem gleich bei der Anmeldung Informationen über die Insel, die Wanderwege und über die Brutfelsen der verschiedenen Tiere. Toller Service, er erzählt auch, um welche Uhrzeit die Papageientaucher aus ihren Höhlen kommen und man sie am besten sehen kann: ab 21:00.

So machen wir uns am frühen Abend auf den etwa dreistündigen Rundwanderweg auf dem Hochplateau der Insel. Die Ausblicke sind großartig und der Blick von 250 Meter hohen schroffen Felsklippen hinunter aufs Meer nehmen einem den Atem.

Wir lassen uns Zeit bei den Brutfelsen der Basstölpel, schauen den Raubmöven beim Vorbeisegeln zu und heben uns die Papageientaucher auf den Schluss auf. Die sind einfach zu finden: Da wo die meisten Wanderer stehen und wo die Hobby- und Profifotographen mit ihren Mega-Teleobjektiven stehen. Wir setzen uns dazu und brauchen weit über eine Stunde bis wir uns wieder lösen können. Diese Tiere sind nicht nur beeindruckend hübsch, sie erkennen Menschen auch kein bisschen als Feinde an. Auch wenn ihre Bruthöhlen zum Teil nur einen Meter von den Vogelfreunden weg sind lassen sie sich davon nicht stören. Wahrscheinlich ignorieren sie uns einfach, auch weil  wir deutlich weniger hübsch sind und unser Schnabel mit ihnen auch nicht mithalten kann. Eine geniale Stunde an den Felsen. Neben den Walbeobachtungen ist das wohl der intensivste Naturmoment, auch weil die Tiere einem jede Zeit der Welt geben um sie aus der Nähe zu sehen.

Es wird 21:30 bis wir wieder am Campingplatz ankommen, Antoine Griezmann schießt das 1:0 im EM-Halbfinale gegen Deutschland und beendet eine Stunde später mit dem 2:0 unser Interesse an Fußball. Europameister werden im allgemeinen doch eher überbewertet, Weltmeisterschaften zählen.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag schon wieder früh von Runde abfahren, haben uns aber bei der Inselwanderung von mehreren Leuten die Schifffahrt zu den Brutfelsen empfehlen lassen und melden uns stattdessen für die erste Fahrt mit der Aquila um 11:00 an.

Johan, Kapitän der Aquila, ist pensionierter Lehrer und verbringt die beiden Papageientaucherbrutmonate damit, Hobbyornitologen um die Insel Runde zu fahren. Er erzählt seinen Gästen viele Dinge über die Vögel hier, wie sich nicht zuletzt durch den Klimawandel und die veränderten Futterbedingungen einige Populationen reduzieren und andere hinzukommen und er kennt die Brutfelsen sehr genau. So erfahren wir, dass Raubmöven eigentlich Mundraubmöven heißen müssten und können es sogar direkt beobachten. Die Raubmöven attackieren Basstölpel im Flug bis die ihre Jagdbeute fallen lassen und sogar bereits geschluckte Fische wieder hochwürgen. Dann brauchen sie sich nur noch auf Wasser hinunterstürzen und den Mundraub vor den Dreizehenmöven abfischen.
Johan zeigt uns auch den Horst des Adlers, fährt mit dem Schiff in eine Grotte in der Trottellummen und Basstölpel ihre flauschigen Kleinen aufziehen und liefert uns nach zwei spannenden Stunden auf dem Meer wieder im Hafen ab.

So wird es drei Uhr nachmittags, bis wir unser Zelt und unsere Sachen eingepackt haben und uns wieder auf den Weg machen.
Lasse Isbjørn hatte gestern auf der Fahrt vom Hotel zum Schiff schon dauernd genörgelt, dass er immer nur in Tina Vornesitzers Handtasche sitzen darf und bekommt jetzt seinen Logenplatz mit Aussicht am Pino. Hoffentlich fängt das Genörgel nicht wieder an, wenn es mal regnet.

Die Fahrt von Runde nach Ålesund führt zuerst wieder zurück über die Inseln bevor es auf die Hauptstraße 61 geht. Auf den Inselstraßen, auf denen nur ganz wenige Autos unterwegs sind können wir uns die meiste Zeit sogar entspannt auf Radwegen bewegen, die ab der Hauptstraße dann leider fehlen. Also weniger entspanntes Radeln bis Hareid. Hier starten wir das Experiment norwegisches Schnellboot mit Pino um die Strecke nach Ålesund abzukürzen. Super: Die Besatzung des Schnellbootes ist hilfsbereit, sogar der Kapitän beteiligt sich höchstpersönlich daran, unser schwerbeladenes Pino um die engen Winkel herumzuwuchten und wir sind um 21:00 auf dem Meer in Richtung Ålesund. Das Tempo des Schnellbootes ist der Hammer, die Zeit zwischen Hareid und Ålesund reicht uns grade mal so um eine kleine Ecke zu essen und die Gischt hinter den Turbinen des Schiffs zu bestaunen.

Zum Glück ist der Campingplatz in Ålesund nur 2 Kilometer von der Anlegestelle weg. Wir wollen nach der kurzen Nacht auf Runde und nach den 70 Kilometern radeln nur noch duschen und schlafen. Ok: noch ein Feierabend-Bier trinken nachdem wir unser Zelt auf dem letzten verbleibenden Wiesenfleckchen einzentrieren.

Weiter mit „Pässe im Regen“

Die Bildergalerie dieser Etappe:

Umwege lohnen sich

Umwege lohnen sich

Es ist Dienstag morgen, wir hören beim Aufwachen den Regen auf dem Zelt. Wobei man sich nicht täuschen lassen darf, das Geräusch des Regens dramatisiert immer ein bisschen: Niesel hört sich an wie Regen, Regen hört sich an wie Wolkenbruch, Wolkenbruch hört sich an wie… naja, vielleicht Weltuntergang? Gleichzeitig wirkt das Geräusch auch einschläfernd und wir pennen glatt nochmal ein. Allerdings nur, um eine Stunde später wieder bei Niesel aufzuwachen.

Es hilft nichts: Der Übernachtungsplatz am Ende eines Waldweges lädt uns kaum dazu ein, den Tag hier zu verbringen und so vereinbaren wir Arbeitsteilung für die Startvorbereitungen: Udo Hintensitzer darf draußen trockenes Holz für den Frühstückskaffee suchen und den Hobo anwerfen, Tina Vornesitzer darf im Zelt bleiben und muss dafür die Luftmatratzen und Schlafsäcke einpacken bis der Kaffee kocht und das Müsli bereit steht. Die Sitzordnung behalten wir bei, Vornesitzer darf im Vorzelt frühstücken während Hintensitzer im jetzt wirklich nicht mehr nennenswerten Nieselregen seinen Kaffee schlürft. Ziemlich fix sind wir dann mit den restlichen Packaktivitäten fertig (unter 2,5 Stunden zwischen Aufstehen und Losfahren, neuer Rekord!!!), schieben das Pino über den Waldweg zurück zur Straße und radeln los.

Heute wollen wir über die 710 nach Brekstad zur Fähre fahren. Diese Fähre geht über den Trondheimsfjorden und wird unsere letzte Fähre auf dem Weg nach Trondheim sein. Auf der Landkarte ist südlich dieser 710 noch die alte Straße FV231 eingezeichnet, die über die Weiler Stallvik und Høybakken führt und mit Sicherheit weniger Verkehr hat. Dafür sind wir uns nicht sicher, wie der Straßenbelag zu erwarten ist, unser Tandem ist wegen dem hohen Gewicht auf dem 20-Zoll Vorderrad sehr empfindlich auf tiefen Kies… aber wir wollen es auf jeden Fall riskieren um näher an Natur und weiter vom Verkehr fahren zu können.

Die ersten Kilometer nach unserem Übernachtungsplatz geht es gemütlich sanft abwärts und wir nutzen die Gelegenheit, unser Wasser an einem Bach wieder aufzufüllen.

Außerdem gehen wir in Årnes sicherheitshalber gleich einkaufen, da die nächsten Einkaufsmöglichkeiten auf unserer Karte erst 60 Kilometer später in Brekstad verzeichnet sind. Als wir aus dem Supermarkt kommen sehen wir wie eine Frau ihren Wagen laufen lässt während sie zum Einkaufen in den Markt verschwindet…

Einschub „Günstige Fahrgelegenheiten und Luftverschmutzung“:

Wer mit dem Fahrrad in Urlaub fahren möchte und mit einem schönen neuen Auto zurückkommen will sollte Norwegen in Erwägung ziehen. Man sieht dort sehr häufig, wie jemand an der Tankstelle oder beim Einkaufen den Motor des Wagens mit steckendem Schlüssel einfach laufen lässt während er seine Besorgungen macht… was bei uns aus Umweltschutzgründen und potentiellen Autodieben keiner machen würde.
Wir sind uns nicht ganz sicher, warum Norweger das so machen, vermutlich hat es mit Gewohnheiten aus strengen Wintern zu tun: Bei -10°C und kälter beginnt diese Angewohnheit schon Sinn zu machen. Mangels Großstadterfahrung zählen die Menschen in Nord-Norwegen das Wort Luftverschmutzung auch gar nicht zu ihrem Wortschatz. Nebenbei gibt uns das aber auch ein gutes Gefühl, die Kriminalitätsrate scheint in Norwegen sehr niedrig zu sein, auch das Grundvertrauen anderen und fremden Menschen gegenüber scheint sehr viel höher als bei uns zuhause zu sein. Jedenfalls hätten wir in sieben Wochen Norwegen dutzende Male die Möglichkeit gehabt, unser Pino gegen einen guten Gebrauchten einzutauschen.

Als wir eine Stunde später die Abzweigung zur FV231 erreichen sind wir zuerst nicht sicher: Die abzweigende Straße ist unscheinbar, was den Straßenbelag -festgefahrener, glatter Kies- betrifft aber auf der anderen Seite sehr beängstigend weil sie direkt mit 200 Metern Steigung der 10%-Klasse aufwartet. Und was nach der Kurve da oben kommt können wir noch gar nicht mal ausmachen. Die Entscheidung, hier trotzdem abzubiegen ist dann doch ganz einfach, als ein Convoy von guten 10 Autos und 2 LKWs an uns vorbeifährt. Lieber naturnah wegen Steigungen schwitzen als sich konstant überholen und den Spaß am Radfahren nehmen zu lassen.

Jedenfalls lohnt sich diese alte Straßenführung in dreierlei Hinsicht: Zum einen sehen wir auf den nächsten 20 Kilometern kaum mehr als zwei Autos auf unserer Straße, zum anderen bleibt der komprimierte Kies (später Asphalt) durchgehend schlaglochfrei und zum dritten hält sie uns warm: Außer der anfänglichen heftigen Steigung lässt uns die wellige Strecke mit ihren bösen Zwischensteigungen gleichmäßig schwitzen.

Die wohlverdiente Nachtruhe halten wir deshalb nach etwas verkürzter Etappe schon auf dem Campingplatz Austratt wo wir auch am nächsten Morgen noch lange faulenzen, Gitarre spielen, stricken und extra Kaffee trinken bevor wir zur 14Uhr-Fähre nach Brekstad radeln.

Das Wetter ist heute prima, einzig das Höhenprofil macht den müden Beinen etwas Angst. Direkt nach der Fähranlegestelle Agdenes steigt die Straße auf gut 100 Höhenmeter an, bleibt danach für einige Kilometer sanft wellig um vor Orkanger nochmals auf 170 Meter anzusteigen. Wir versuchen es kurz mit Jammern und Selbstmitleid, aber das Höhenprofil lässt sich so wenig beeindrucken wie ein guter Schiedsrichter bei einer Arjen Robben Schwalbe im Strafraum. Also packen wir’s einfach an.

Bei der ersten Steigung werden wir dann von einer Ausflugsgruppe Fliegen in Mannschaftsstärke begleitet, die unser Schwerlasttempo bergauf lässig mithalten können. Auch wenn sie nicht stechen sind sie doch super lästige Viecher und wollen einem am liebsten in die Augen sitzen oder -noch schlimmer- eingeatmet werden. Zum Glück können wir bergab den Turbo zünden und die Tierchen müssen sich neue Opfer suchen.
Überhaupt sind wir heute überraschenderweise richtig gut drauf und brennen auch dank konstantem Rückenwind einen Rekordschnitt auf den Asphalt. Knapp 19km/h Tagesschnitt ist für uns auf einer welligen Strecke schon eine echte Hausnummer.

Highlight für Highlight: Gegen Ende des zweiten längeren Anstiegs des Tages sieht Tina Vornesitzer eine Kuh… nein, ein Pferd…. NEIN: einen Elch am Waldrand. Wir halten an, packen das Fernglas und die Kamera aus und fotographieren das Tier ausgiebig bis es -vermutlich genervt von uns- im Wald verschwindet. Auf den Fotos sieht man, dass es ein männlicher Elch ist, der gerade sein Winterfell abwirft und sein Geweih schon irgendwo verlegt haben muss. Da sind nämlich schon die Geweihstümpfe des 2016er Jahrgangs zu sehen. Ausgehend von seiner Statur und Größe dürfte es vermutlich ein junger Elchbulle mit 3-4 Jahren sein.
Jedenfalls haben wir wieder ein spannendes Gesprächsthema für die restlichen Kilometer bis zum Campingplatz in Orkanger und freuen uns darauf, unsere Fotos am Notebook durchzuschauen.

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Zur Bildergallerie dieser Tage:

Etwas andere Übernachtungsplätze

Etwas andere Übernachtungsplätze

Es ist halb drei nachmittags, als wir uns in Kolvereid endlich vom Campingplatz loseisen: Die Abstimmung 4. Kanne Kaffee gegen Losfahren ging knapp mit 2:0 für Losfahren aus. Das Zwischenziel Rørvik haben wir schon gestrichen weil wir heute kein weites Stück mehr schaffen werden und auch, weil wir endlich mal richtig kleine Straßen fahren wollen: Bisher war uns immer das Risiko zu hoch, irgendwo in -für uns- unfahrbaren matschigen Feldwegen zu enden. Also nehmen wir kurz nach Kolvereid die FV530 nach Süden, die uns fast bis zur nächsten Fähre in Hofles bringen wird. Die Landschaft ist wieder mal toll: Grüne Wiesen, ein ganz ruhiger See, Landwirtschaft, man könnte sich wirklich leicht im Allgäu fühlen.

Das weckt in uns die Diskussion, wie es uns wohl in Deutschland gefallen wird wenn wir Skandinavien hinter uns gelassen haben. Ist noch nicht zu Ende diskutiert, wir warten es einfach ab. Zum Glück kommt ab und zu ein felsiger Hügel mit Gletscherschleifspuren oder ein Haus mit Elchgeweih dazwischen und wir wissen wieder wo wir sind.

An dem Tag fängt die Suche nach einem Übernachtungsplatz dann auch schon nach 35 Kilometern an, aber wir sind bei der Suche heute nicht so richtig glücklich… oder anfangs zu wählerisch?
Ein paar Stellen am Meer, die aber entweder zu abschüssig oder zu steinig zum Zelten sind, ein paar Wege in den Wald, wo es schnell viel zu sumpfig wird. Einer Bucht folgen wir sogar noch 200 Meter zu Fuß… auch ohne Erfolg. So kommen wir zu unserem ersten zweifelhaften Übernachtungsvergnügen auf unserem Trip: Direkt nach einer Brücke ist ein großer Kiesparkplatz, der ganz hinten ein ebenes Fleckchen für ein Zelt anbietet. Außerdem steht hier noch ein Schiffscontainer geparkt und akkustisch wird die Stelle von einer Straßenfuge der nahen Brücke untermalt: Immer, wenn ein Auto vorbeifährt hören wir ein lautes Donnern an dieser Dehnfuge. Trotzdem ist jetzt, halb neun abends, die Uhrzeit gekommen, zu der man immer weniger wählerisch mit dem Schlafplatz wird.

Also braten wir uns noch den Lachs an, den wir mittags eingekauft hatten und schließen den Reißverschluss zu unserer werten Schlafstätte – und schlafen erstaunlich gut. Die Nacht über sind praktisch keine Autos gefahren, morgens um halb sieben werden wir sanft von den Glocken der hier freilaufenden Schafe geweckt. War doch gar nicht so schlimm, bleibt aber in unserer Wahl zum „denkwürdigsten Übernachtungsplatz der Tour“ vorerst auf Platz eins.

Den Morgen nutzen wir noch, um die Tierspuren um unseren Zeltplatz ausgiebig zu studieren: Jetzt, wo wir wissen dass es wirklich Elche gibt, können wir auch aus zwei Metern Entfernung Elchkot und Elchfußspuren eindeutig erkennen. Vor uns waren hier jedenfalls auch schon mal Elche zur Übernachtung.

Wie es jeder halbwegs erfahrene Pessimist schon vorausgesehen hätte sehen wir keine 3 Kilometer nach unserem Notübernachtungsplatz schon *DEN* Übernachtungsplatz überhaupt. Platz am Fjord, Wiese, Grillstelle, weit genug weg von der Straße! Wir hätten gestern einfach noch ein bisschen durchhalten müssen. Egal. Dieser Tag ist dann schnell erzählt: Auf dem Weg nach Namsos halten wir noch ein Picknick auf einer Seitenstraße, wo wir uns einfach in der Sonne auf den Asphalt setzen und unser Vesper auspacken. Man mag uns für verrückt erklären, aber das sind für uns echte Highlights. Anhalten wo man gerade Lust dazu hat, die frische Luft in der Nase und sich etwas Leckeres gönnen… traumhaft.

Namsos scheint eine der norwegischen Städte mit wirklichem Leben zu sein, die norwegische Rock-Szene ist hier fest verankert. Wir radeln trotzdem weiter und finden den nächsten speziellen Übernachtungsplatz 10 Kilometer später in der Nähe von Bangsund, wo ein „Friluftsområde“ angeschrieben ist. Wir sind neugierig, was ein Område wohl sein könnte und finden eine Halbinsel im See mit Grillstelle, zusammen mit einer wunderschönen ebenen Wiese, einem Wald und einer öffentlichen Toilette inklusive fließend Wasser. Perfekt für unseren Einweg-Grill und unsere Würstchen, die wir uns heute im Supermarkt geschossen hatten.

Wir packen die Gitarre aus, genießen den Platz, bauen das Zelt ein bisschen verschämt und extra spät auf falls jemand kommen könnte und haben wieder eine tolle Nacht -wenn man von Tinas Kopfkissen mal absieht, das diese Nacht inkontinent wird und Luft verliert. Falls jemand diesen Übernachtungsplatz sucht kann er unter unserem Track südlich von Namsos nach den Koordinaten suchen. Platz zwei in der vorläufigen Liste der besonderen Übernachtungsplätze.

Seit Namsos waren wir wieder auf der FV17 nach Süden unterwegs und könnten in 180 Kilometern schon in Trondheim sein wenn wir auf dieser Straße bleiben. Wir haben aber noch genügend Zeit und große Lust auf Umwege, auf kleine, verkehrsarme Straßen und biegen kurz nach Sjøåsen auf die 715 ab, die uns in einem riesigen Bogen zuerst ans Meer und dann über eine weitere Fährverbindung von Westen her nach Trondheim führen wird. Diese Straße ist empfehlenswert, sie führt zuerst an Wasserfällen entlang auf eine Hochebene mit riesigen Waldseen und später einer Moorebene mit geringer Bewaldung und flachen Moorseen. Auf dieser Strecke müssen wir zwei Mal für eine Pause anhalten weil es einfach zu schön ist, über die Landschaft zu schauen und einfach hinauszuträumen.

Später führt die Straße wieder auf Meereshöhe herunter und wir sind wieder in den grünen Wiesen bei Rinderviehzucht angekommen. Der Campingplatz Osen wird zur unspektakulären Übernachtungsstelle mit dem gewissen Etwas: Abends können wir hier in ein Grillhäuschen sitzen und auf dem Notebook per Live-Stream und norwegischem Kommentator das EM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Ukraine (2:0 🙂  ) anschauen. Am nächsten Morgen holen wir uns dann noch Streckentipps für die nächsten 150 Kilometer vom Campinplatzbetreiber ab, lassen unser spezielles Gefährt für Facebook fotographieren und rauschen weiter. Er hatte uns auch vor den wenigen Einkaufsmöglichkeiten auf dieser Straße gewarnt, sicherheitshalber erledigen wir den Einkauf für die nächsten beiden Tage deshalb gleich hier.

An diesem Tag schaffen wir nur gute 50 Kilometer, was vielleicht auch an den bissigen Wellen liegen könnte: Nach diesen 50 Kilometern haben wir heute fast 1000 Höhenmeter auf der Uhr. Auch hier suchen wir wieder lange bis wir ein Plätzchen für die Nacht gefunden haben: Der eine Waldweg sieht zu bewohnt aus, der nächste hat enorm viele Elchspuren (auf einer Elchparty wollte Tina Vornesitzer nachts dann doch nicht aufwachen), der Dritte gibt keine ebene Stelle her, der übernächste ist zu nahe an der Straße. Wie immer gibt es ein spezielles Verhältnis zwischen der Dauer der Suche und unseren Ansprüchen: Je länger wir suchen, desto niedriger werden die Ansprüche und so wird ein Waldweg das Objekt der Wahl.

Nachdem wir diesen Waldweg 300 Meter hineingefahren sind haben wir beide keine Lust mehr zurückzufahren, das Ende dieses Waldweges ist auch eben genug. Bingo, hier stellen wir das Zelt auf. Sogar, wenn die 500 Stechmücken hier noch ihre Kumpels auf einen Drink einladen sollten.

Mit dem Abendessen haben wir heute wieder etwas für die Ernährungsvielfalt getan und es gibt Hamburger (aus einer Gefrierpackung) mit Partytomaten, Käse und Senf. Und zum Nachtisch noch einen 500g-Eimer „Kirsebaer“-Joghurt. Wir sitzen noch lange vor unserem Solo Lagerfeuer, das offensichtlich die Stechmücken auf Distanz halten kann und schlafen prima – mitten im Wald. Platz drei in den speziellen Übernachtungsplätzen.

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Die Diashow dieser Etappen:

Aprilwetter in Norwegen

Aprilwetter in Norwegen

Es ist Freitag nachmittag, 13:30, und wir sitzen auf der Terrasse des Campingplatzes in Kolvereid in der Sonne. Die dritte Kanne Kaffee zieht gerade und die leckeren Haferkekse liegen auch schon auf dem Tisch. Normalerweise sind wir um diese Uhrzeit schon seit zwei Stunden auf der Straße damit wir ein paar Kilometer vorwärts kommen und nicht immer erst spät abends das Zelt aufschlagen müssen.
Aber heute ist alles ein bisschen anders, wir haben uns den faulen Tag irgendwie verdient: Die letzte Woche war in Summe trotz eines Ruhetages schon relativ hart mit stürmischen Tagen/Nächten, norwegischem Aprilwetter, viel Regen und etwas Bedenken mit unserem Zelt. Außerdem hatten wir ja die Zwangspause in Brønnøysund um uns beim Sportladen neue Stangen für unser Zelt abzuholen: Die vorhergehenden hatten sich Stück-für-Stück mit Haarrissen und zwei Komplettbrüchen verabschiedet.

Zeitsprung zurück… der letzte Blogeintrag stammt von der stürmischen Nacht am Berg mit Loch, Torghatten. Der Wind ist auch am Morgen noch stürmisch und bringt immer wieder auch heftigen Regen mit sich, so dass wir das Frühstück in die winzige Gemeinschaftsküche des Campingplatzes verlegen müssen. Zusammen mit zwei Paaren aus Leipzig, die ihre Campingstühle und Tisch mit hereingebracht haben und die halbe Küche schon zustellen. Wir motzen jetzt zu sechst ein bisschen über das Wetter, das sich davon aber nur mäßig beeindruckt zeigt.

So packen wir den nassen Lappen namens Zelt in seinen Sack, stellen das Pino, das vom nächtlichen Sturm umgeworfen wurde wieder auf die Beine und ziehen Regenhose / Regenjacke an. Eigentlich ist das -zumindest für Vielschwitzer wie Udo Hintensitzer- reine Augenwischerei: Da gibt es nur die Wahl zwischen Nass vom Regen und nassgeschwitzt in den luftdichten Klamotten. Da der Regen wirklich heftig ist entscheide ich mich für Zweiteres weil es immerhin die wärmere Nass-Alternative ist.

Von Torghatten zurück auf die FV17 geht es zuerst knapp 20 Kilometer gegen den Wind, dafür gibt es schon nach einer knappen Stunde die erste Statoil-Tankstelle wo wir unsere Kaffee/Schoki-Flatrate ausgiebig auskosten. Kurz danach biegen wir auf die FV17 mit Südkurs ab und haben ab hier abwechselnd Regen von oben, Regen von hinten, Regen als Niesel, Regen als Starkregen, Graupel und auch mal blauen Himmel. Solches Wetter haben wir in Norwegen öfters erlebt: Mehrmaliger Wechsel von blauem Himmel hin zu kompletter Bewölkung und wieder zurück innerhalb kurzer Zeit. Wir schalten bei diesen Bedingungen in einen Augen-zu-und-durch-Modus, machen nur sehr wenige Fotos, wenn die Sonne die Beleuchtung übernimmt. Der Ankerpunkt für den ersten Abend ist der Campingplatz am Fährableger Vennessund, den Tina Vornesitzer sehr gerne nehmen würde. Er sieht sehr gepflegt aus, hat eine heimelige Gemeinschaftsküche aber ein erhebliches Manko: Er steht genau in der Düsenwirkung des Fjords und damit wirklich mächtig im Wind. Udo Hintensitzer setzt sich durch, lockt mit dem Campingplatz in Holm auf der anderen Seite und wir beeilen uns auf die Fähre.

Den Campingplatz in Holm können wir nicht so richtig beschreiben: Der hat nämlich inzwischen geschlossen, der Wegweiser dorthin ist mit weißer Farbe übersprüht und es gibt den ersten Dissens innerhalb des Tandemteams… immerhin ist Udo Hintensitzer schuld, dass wir diese Nacht eben nicht bei heimeliger Gemeinschaftsküche sondern in einem Wäldchen ein paar Kilometer später verbringen. Als der nächste Morgen dann auch noch mit Regen anfängt und wir im Zelt frühstücken müssen hat Tina Vornesitzer ihr erstes Tief und pflegt einen tiefen Frust weil wir jetzt doch schon seit ein paar Tagen mit nassem Wetter kämpfen und allmächlich nichts von unseren Siebensachen mehr wirklich trocken ist.

Wir sind inzwischen -ungewollt- recht gut darin, ein nasses Zelt einzupacken und nehmen uns vor, diesen Regentag einfach nochmal auf dem Rad durchzuziehen und uns auf den Weg zu machen. Der Verkehr auf der FV17 nervt uns schon wieder ein bisschen, deshalb wollen wir bei der nächsten Gelegenheit abbiegen und über die 802 und die 771 / 770 in Richtung Rørvik fahren. Offensichtlich haben einige Wohnmobilfahrer denselben Plan wie wir, der Verkehr wird zwar weniger aber nicht so ruhig wie wir uns das erhofft hatten. Dafür sind die Steigungen umso mächtiger und diese Etappe wird, auch dank Gegenwind und Regen, zu einer echten mentalen und körperlichen Prüfung für uns. Nach 45 Kilometern kommen wir schon ziemlich auf dem Zahnfleisch daher, die Motivation ist seit heute morgen auch nicht wirklich gestiegen… vermutlich hat die Natur uns hier genau deshalb ein Highlight eingebaut: Auf einer Wiese, gut 150 Meter neben der Straße sind zwei große braungraue Steine. Obwohl: Steine bewegen sich normalerweise eher wenig, aber da auf der Wiese tut sich wirklich was. Elche???

Mit einer gewissen Reaktionszeit halten wir an, parken das Pino und wollen ein Stückchen zurück gehen um wieder Blick auf die Wiese zu bekommen. Brauchen wir gar nicht: In dem Birkenwäldchen direkt an der Straße liegt eine Elchkuh im Gras und schaut aus gerade mal 10 Metern Entfernung zu uns herüber. Wow, ist so ein Elchkopf mächtig groß!!! Offensichtlich sind wir der Elchdame nicht ganz geheuer und sie beschließt sich zu verabschieden. Langsam, ganz ohne Hektik steht sie auf und läuft ganz langsam von uns weg in den Wald. Erst jetzt sehen wir, dass ein Elchkalb bei ihr ist und ihr hinterhertrottet. Wirklich cool. Dumm nur, dass wir jetzt unseren Blog umschreiben müssen, nachdem wir erst vor einer Woche hieb- und stichfest nachgewiesen hatten dass es in Norwegen gar keine freilebenden Elche geben kann. Egal, das machen wir später. Jetzt freuen wir uns erst mal wie kleine Kinder, hetzen zum Pino zurück um den Foto zu holen und suchen uns eine Blickmöglichkeit zur anderen Seite des Waldes. Kurz sehen wir die beiden Elche noch in den nächsten Wald laufen, können ein (schlechtes) Foto zur Dokumentation schießen und haben plötzlich wieder Motivation und ein tolles Gesprächsthema für die restliche Etappe.

Ziemlich platt kürzen wir die Tagesetappe trotzdem bei Kolvereid ab. Nach 65km im Regen und 1100 zum Teil sehr steilen Höhenmetern sehen wir diesen Campingplatz und wollen einfach nicht mehr weiterfahren. Zum Glück macht das Wetter am nächsten Morgen auf… wir breiten unseren kompletten Hausrat zum Trocknen aus und setzen uns zum doppelten Frühstück auf die Terrasse, siehe oben.

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Die Bildergalerie des Tages… fällt mangels fototauglichem Wetter leider kurz aus.

 

Sjøbakken nach Sandnessjøen und Kaffeepausen

Sjøbakken nach Sandnessjøen und Kaffeepausen

Die Nacht war dort sehr ruhig gewesen, es hatte kaum Wind. Trotzdem haben wir morgens wieder so einen verdächtigen Knick im Zelt, wo die Stangen sonst eine hübsche Rundung abgeben. Sch…, die nächste Zeltstange ist an einer Verbindungsstelle gebrochen. Wir haben ein Fjellheimen Camp 3 von Helsport und sind eigentlich sehr glücklich mit diesem 3-Mann Zelt.
Es hat bietet uns prima Platz für zwei Luftmatratzen und gibt uns dazu jede Menge Platz um die trockenen -oder zumindest trocken gewünschten- Sachen im Innenzelt aufzubewahren plus eine Apsis, in die alles andere, inklusive Gitarre passt.
Eine schwache Stelle scheint aber doch irgendwie die Stärke der Stangen zu sein, da die zweite jetzt gebrochen ist. Bei der genauen Inspektion mit Seniorenlesebrille sehen wir, dass einige weitere Stangenelemente an derselben Stelle schon Haarrisse zeigen. Ärgerlich: Bis Gibraltar werden wir so nicht kommen, zudem werden die ersten kräftigeren Fjordwinde unser Zelt lässig zerlegen. Und dann sitzen wir in unserem nassen Lappen, idealerweise in strömendem Regen und mitten in der Nacht.
Nö, das passt nicht zu unseren Vorstellungen von Nachtruhe und wir suchen auf der Helsportseite -norwegischer Hersteller- nach Sportgeschäften, die uns vielleicht weiterhelfen können. Brønnøysund liegt auf der Strecke und hat einen freundlichen Sporthändler, der für uns bei Helsport ein neues Gestänge bis Anfang nächster Woche beschafft. Also: Ich säge unter Protesten der Küchenleitung mit dem Küchenmesser das gebrochene Stück der Stange ab um die Zeltstange -etwas verkürzt- wieder verwenden zu können. Zwischenstand Hausmeisterabteilung gegen Küche: 1:0.

Brigitte und Jörg... danke für den Fisch :)

Brigitte und Jörg… danke für den Fisch 🙂

Mit der Reparatur und einem gemütlichen Frühstück zieht sich das Packen wieder ziemlich lange, bis wir den Seelachs von Brigitte und Jörg in unser Gepäck einpacken und den hügeligen Kiesweg zurück zur FV17 radeln… nö, zumindest teilweise schieben weil unsere Beine sich wegen den Höhenmetern am Vortag an den 8%-tern noch heftig beschweren. Der Campingplatzbetreiber kennt diese Straße nach Brønnøysund gut und hat uns eine zumindest etwas weniger hügelige Strecke verprochen: wenn wir die ersten 10 Kilometer geschafft haben.

An dieser Steigung halten wir uns eine Stunde lang schwitzend auf 🙂 und es fühlt sich wärmer an als der Wetterbericht vorhergesagt hatte. Der hatte uns nämlich nur 9°C, bewölkt und vereinzelt Regen versprochen. Tina Hintensitzer schimpft ein bisschen über die Steigung und die schweren Beine, aber dagegen hat Udo Hintensitzer einen Trumpf im Ärmel: In Sandnessjøen gibt es laut unserer Statoil-POI-Datei eine Statoil-Tankstelle. Kaffee/Schoki bis zum Abwinken und wenn man will auch noch ein leckeres süßes Stückchen oder einen deftigen Hotdog.

Nach der ersten Steigung bleibt die Straße bis Sandnessjøen wirklich gemäßigt wellig, der Wind weht von hinten und wir kommen in eine grüne Landschaft, die wir glatt mit dem Allgäu und dem Voralpenland verwechseln könnten.

Am Straßenrand gehören Löwenzahn und viele wilde Blumen zum Bild, im Hintergrund sind die Gipfel noch weiß vom Schnee, die Landwirtschaft ist im ersten Mähzyklus und hier haben die Kühe die Glocken um… statt der Schafe wie wir es jetzt von den Lofoten und Vesteralen gewöhnt sind. Einzig die Hügel sind hier felsig und zeigen fast alle das charakteristische Bild von tausende Jahre langer Gletscherbehandlung: Die sind meist ganz rund und wellig geschliffen und zeigen die einstige Fließrichtung der Gletscher ins Meer.

Kurz vor Sandnessjøen kommt die Helgelandbrücke eindrucksvoll ins Bild, wir setzen uns vor der Überfahrt auf einen Felsen, genießen den schönen Ausblick und vespern gemütlich.

Nach dieser Brücke sind es nur noch knappe 10 Kilometer bis zur Statoil-Tankstelle, für die wir die FV17 ein Stück weit in den Ort hinein verlassen müssen. Ok: verlassen müssen klingt zugegebenermaßen zu einfach. Wir müssen über einen Hügelrücken radeln, dreimal auf der Karte nachschauen bevor wir die Tankstelle erreichen.

Supertoll, Udo Hintensitzers Trumpf erweist sich jetzt als Karo Lusche. Die Statoil-Tankstelle, die uns den Kaffee spendieren sollte ist eine Automatentankstelle ohne Verkaufsraum, ohne Schoki, ohne süßes Stückchen. Und ohne Hotdog. Schwierig, Tina Vornesitzer -nö, eher uns beide- wieder zu motivieren.  Unser Frischwasser ist leer, die Tanke hat nicht mal einen Wasserhahn und so fehlt uns eine wichtige Kleinigkeit um wenigstens selbst Kaffee kochen zu können. Außerdem müssen wir über den Hügelrücken zurück radeln, was uns eine knüppelharte 12%-Steigung und damit die nächste Radschiebe-Etappe beschert. Klingt das jetzt nörgelig? Ist es.

Den Wasserengpass können wir 10 Kilometer später an einer schönen Kirche mit Friedhof und öffentlicher Toilette lösen (wo wir uns fast verschämt in die Toilette schleichen um unseren Ortlieb Wasserbeutel zu füllen), zum Weiterradeln haben wir trotzdem nicht mehr viel Lust und wir fangen an, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Im Allgäu gibt es überwiegend Kuh- und Mähwiesen und hier ist es ganz ähnlich. Kaum Stellen, an denen man ein Zelt hinstellen möchte ohne das Gefühl zu haben, man steht in Sichtweise des Bauern oder man könnte sich Ärger einhandeln weil man eine Mähwiese mit dem Zelt plättet.
So machen wir noch ein bisschen Berg- und Talfahrt bis zu einem kleinen Rastplatz an der Straße. Wir treffen hier John und Joe aus Schottland wieder, sie übernachten an diesem Rastplatz. Das gibt uns den Mut, zum ersten Mal das Pino an einem Parkplatz abzuschließen und unsere Siebensachen 200 Meter weit ans Meer zu schleppen wo wir unser Zelt an einer Grillstelle aufbauen und unser Mitbringsel -Seelachs von Jörg- braten.

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Die Diashow zum Reisetag:

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Kommt man von den einsamen Lofoteninseln Vaerøy oder Røst nach Bodo erfährt man ein Kontrastprogramm: Man verlässt eine beschauliche Insel mit wenigen Touristen und viel Ruhe und Beschaulichkeit und betritt eine -für norwegische Verhältnisse- Großstadt. Bodø ist offensichtlich für viele Hurtigrutenpassagiere ein Start- oder Endpunkt ihrer Reise, was man unschwer an den vielen Menschen mit Ziehkoffer an der Hand im Hafen erkennen kann.
Hier umrunden wir auch den nördlichsten Bahnhof Norwegens, vermutlich ist Bodø auch deshalb ein beliebter Anschlussknoten zu den Hurtigruten oder zu den Lofoten.
Ab Bodø verläuft die Hauptroute für Radfahrer entlang der Küstenstraße FV17 in Richtung Salstraumen und später Brønnøysund nach Süden.

Abhängig vom Zeitbudget lässt sich diese Route über einzelne Inseln verlängern und die Anzahl der Fährstrecken etwas nach oben oder unten justieren. Da diese FV17 auch die Standardroute für Touristen ist und auch in weiten Strecken als Ausweichstrecke zur Hauptverkehrsader E6 herhält ist es mit der gewohnten Beschaulichkeit der Straßen für uns erstmal vorbei: Im Stadtgebiet von Bodø können wir noch auf Radwegen parallel zur vielbefahrenen Straße fahren, die aber schon wenige Kilometer nach der Ortsgrenze von Bodø enden. Viel Verkehr heißt für uns automatisch weniger Spaß am Radfahren -man ist sich ja nie sicher, wieviel Respekt und „Luft“ zum Leben die Autofahrer einem beim Überholen lassen- und wir haben weniger Blick für Landschaft und… weniger Nerven um für Fotos anzuhalten. Die Korrelation lautet daher leider: Viel Verkehr oder viel Regen -> weniger Blick für Landschaft und weniger Fotos.

Zurück zu unserer Route: Nach Bodø folgen wir der FV17 zuerst an den Salstraumen. Laut Wikipedia ist das der mächtigste Gezeitenstrom der Welt, der durch diesen Engpass unter der FV17-Brücke eine riesige Fjordfläche bei Flut füllt und bei Ebbe leert. Ok, wir wollten es gesehen haben, investieren die Höhenmeter von Brückenniveau hinunter auf Meereshöhe und gönnen uns ein leckeres Vesper.
Zugegeben: Mehr ist an der Stelle für den Salstraumen nach unserem Gefühl nicht nennenswert. Da fließt eine Menge Wasser unter der Brücke durch, hat auch eine echte Fließgeschwindigkeit aber ist das nicht bei jeder Rheinbrücke auch so? Ok, der Salstraumen fließt im 6-Stundentakt mal rechts- und mal linksrum, das macht der Rhein nach unserer Erfahrung wirklich nicht. Aber dafür hätten wir 6 Stunden lang vespern müssen und das war uns doch zu lange. Direkt am Salstraumen gibt es dann noch zwei Campingplätze für die Leute, die rechts- und linksrum sehen wollen, aber wir fahren weiter.
Stattdessen stellen wir unser Zelt 20 Kilometer später an einem Bergsee, dem Valnesvatnet auf. Hier stehen auf dem Waldparkplatz zwar ein paar Autos -vermutlich von Anglern- aber im letzten Winkel des Parkplatzes ist unser Zelt und unser Kocher für das Abendessen kaum zu sehen.
Nebenan rauscht ein mächtiger Wasserfall, der aus diesem Bergsee gespeist wird: Den schauen wir uns morgen mal genauer an.

Die Nacht ist ruhig und entspannt, wie immer brauchen wir für den ausgiebigen Frühstückskaffee ziemlich lange bevor wir das Zelt zusammengepackt bekommen und wieder auf die Straße kommen.

Ein Wanderweg zum Wasserfall ist nicht beschildert und wir laufen zuerst erfolglos kreuz und quer durch den Wald. Ein Bauer an einem einsamen Hof erklärt uns dann den Weg: Zuerst muss man einen guten Kilometer ins Tal weg vom Wasserfall laufen, bevor man den Fluß queren kann und wieder 3 Kilometer gegen den Strom wandern muss.

Wir nehmen viele Fotos mit, der Fluß bietet tolle Motive und der Wasserfall Valnesforsen, mit 60 Metern freier Fallhöhe der höchste im Landkreis Bodø, ist auch wirklich beeindruckend. Als wir alles gesehen haben sind wir natürlich klüger als der Rest und suchen die Abkürzung: Der Weg zurück zum Fahrrad muss doch auch kürzer gehen. Am Ende sind wir jedenfalls gute 3 Kilometer und 100 Höhenmeter extra gelaufen, kommen ein zweites Mal am Wasserfall vorbei… und nehmen doch den Weg, wie wir gekommen waren. Was man nicht im Kopf hat, hat  man… lassen wir das, immerhin haben wir uns nicht auch noch verlaufen.


Erst am späten Nachmittag sind wir wieder auf dem Rad, der Wetterbericht hat wieder mal bewiesen dass angekündigte Sonne in Norwegen sich durchaus auch mal in Kälte und Regen manifestieren kann und wir radeln nur eine kurze 40km-Etappe bis zu einem -naja- einfachen Campingplatz.
Der nächste Tag ist zweigeteilt: Wir packen ein klatschnasses Zelt ein (eklig!!!), radeln in Regenklamotten bei Gegenwind los und haben eine immer noch vielbefahrene FV17 zu radeln. Der zweite Teil des Tages beginnt nach dem zweiten längeren Tunnel, in den wir bei Nieselregen einfahren und auf der anderen Seite von warmen Sonnenstrahlen empfangen werden. Bis Ørnes wird es dann sogar so warm, dass wir uns am Supermarkt ein Eis gönnen.

Kurzer Einschub: Auf dieser Strecke machen wir die Bekanntschaft mit dem anerkannten automobilen Depp Norwegens. Vorweg: Wir haben in Nord-Norwegen hervorragende Erfahrungen mit Auto-, LKW- und Bus-Fahrern gemacht. Der Respekt, der einem als Radfahrer im Allgemeinen entgegengebracht wird ist absolut bemerkenswert und es scheint ganz normal zu sein, dass man hier viel eher auf Radgeschwindigkeit abbremst und mit respektvollen 2 Metern Seitenabstand überholt als knapp an uns vorbeizufahren. Ich würde mir dieses Miteinander in Deutschland auch wünschen 🙂
Dieser Depp Norwegens schafft es, uns aus diesem Traum aufzuwecken und überholt uns mit 20cm Abstand. An einer Stelle, an der wir perfekt rechts fahren, die Straße 7m breit ist und kein Auto weit und breit entgegenkommt. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben und der anerkannte Depp Norwegens hält 5 Kilometer später an einem Cafe an, ich stelle ihn in aller Freundlichkeit zur Rede und frage ihn warum er das macht. Er flüchtet in sein Auto und ich frage -jetzt für alle Umstehenden gut hörbar- nochmals, warum er mit seiner Fahrweise bewusst unser Leben aufs Spiel setzt. War ihm wohl ziemlich peinlich…. zumal wir ihn in Ørnes an der Tankstelle nochmals treffen und nochmals freundlich und lautstark frage. Ich hoffe, das ist ihm peinlich genug um künftig MIT Hirn zu fahren.

Svartisen-Gletscher:

In der Serie von Tunnels auf der FV17 -mal mehr, mal weniger gut beleuchtet- ist der 7,6km lange Svartisen-Tunnel einer der wenigen, die für Radfahrer gesperrt sind. Vermutlich, weil er besonders eng und deshalb gefährlich ist, jedenfalls beschert er uns eine zusätzliche Fähre von Ørnes nach Vassdalsvik und -was viel angenehmer ist- eine praktisch autofreie und sehenswerte Straße für die nächsten 30 Kilometer. Der Wetterbericht für morgen ist gigantisch mit 15°C und wolkenfrei und so beschließen wir, auf dem Campingplatz Furøy einen Ruhetag einzulegen und die Gletscherzunge Engabren des Svartisengletschers  (übersetzt „Schwarzeis-Gletscher) zu besuchen. Um diese Gletscherzunge zu besuchen muss man mit dem Passagierboot über den Holandsfjord fahren und von dort aus etwa drei Kilometer einem flachen Kiesweg folgen.

Hier gibt es einen gigantischen Blick über den türkisblauen Gletschersee und über die Gletscherzunge, die jetzt in 2016 etwa 80m über dem Gletschersee endet. Die Felsen, die der Gletscher jetzt wieder freigegeben hat sind von der jahrtausendelangen Bearbeitung durch das Gletschereis komplett glatt- und rundgeschliffen. Wir setzen die Wanderung zum Gletscher fort, gehen weite Teile an Klettersteigen mit Ketten gesichert weiter nach oben und gönnen uns zur Belohnung ein Vesper auf den warmen Felsen, 200 Höhenmeter über dem See. Blick über das blaue Eis des Gletschers, die schwarzen und roten Felsen, über den Gletschersee und den Holandsfjord.
Früher oder später kommt es eh raus: Udo Hintensitzer hat ein kindisches Vergnügen daran, in jeden Bach zu hüpfen, der mindestens einen passenden Gumpen anbietet und frisches, fließendes Wasser verspricht. Kann man nicht verheimlichen und wird auf unserem Radtrip bestimmt noch öfters passieren. Hier ist es der Gletscherbach, der aus vermutlich hunderte Jahre altem Gletschereis gespeist wird und die glattgeschliffenen Felsen als natürliche Rutschbahn nutzt. Es sind keine Touristen mehr um uns und ich genieße das eiskalte sprudelnde Wasser für fünf Minuten. Die Felsen fühlen sich unter den nackten Füßen klasse an, die Wasserbecken des Eiswassers sind tief genug um in der Hocke einzutauchen und die Rinne des Bachs so rutschig, dass ich mich nur einmal wirklich zu rutschen traue. Klasse.

Abends lernen wir auf dem Campingplatz noch einige Wohnmobilfahrer kennen und bekommen von Brigitte und Jörg -NOCHMALS VIELEN DANK- ein Filet vom frisch gefangenen Dorsch. Eingefroren und fertig eingepackt dass es den nächsten Radtag bis zum Abendessen überstehen wird.
Über den nächsten beiden Tage lässt sich leider wieder recht wenig erzählen: Gegenwind, öftere Regenschauer, etwas mehr Verkehr, mehrere Fähren vor Nesna noch einige giftige Höhenmeter bis auf 350müM.
Auf dem Campingplatz Sjøbakken in Levang erwartet uns dann eine tolle Überraschung: Brigitte und Jörg, die uns vor rund 50km überholt haben, sehen uns schon mit dem Fernglas das Tandem von der Fähre schieben. Ausdrückliche Belohnung für die harten Höhenmeter ist feines Gulasch -endlich mal wieder Fleisch- und ein deutsches Bier für jeden!!!! Wir verbringen einen unterhaltsamen Abend und bekommen zum Abschied am nächsten Morgen sogar nochmal ein Filet des Fanges der Nacht: ein Seelachs, komplett ausgenommen und entgrätet.

Brigitte, Jörg, DAS WAR KLASSE!

Zweiter Einschub: Elche, naturwissenschaftliche Studie und eine Einschätzung der Realsituation:

Wir haben jetzt doch schon gute 1500 Kilometer und über 100 Stunden radfahrend in Norwegens Landschaft hinter uns und können damit statistisch stichhaltig belegen, dass dort exakt Null Elche pro 100 Straßenkilometern zu sehen sind.
Wenn man diese Quote mit den hunderttausenden Straßenkilometern in Norwegen multipliziert kommt man zum stolzen Ergebnis von 0 Elchen in Norwegen und wir sind -gelinde gesagt- etwas enttäuscht von dieser Tatsache. Wir sind jetzt der festen Überzeugung, dass freilebende Elche sogar eine Erfindung der norwegischen Tourismusindustrie sind, die Anzahl von Elch-Aufklebern auf Wohnmobilen scheint auch auf einen wohlflorierenden Markt hinzudeuten.
Zusätzlich wird das Ganze angekurbelt von den Elch-Straßenwarnschildern, die uns regelmäßig vor Elch-Wildwechseln warnen… wohlgemerkt ohne irgendeine Elchsichtung auf diesen Streckenteilen. Nach unserer Studie ist die Schneehasendichte auf Strecken mit angekündigten Elch-Wildwechseln sogar nachgewiesenermaßen höher als die Elchdichte. Jedenfalls haben wir auf nach gut 5 Wochen konzentriertem Blick ins Unterholz rechts und links der Straße, nach vielen riskanten Fahrsituationen nahe der rechten Böschung genug davon und wir rechnen ab jetzt nicht mehr mit Elchen. Punkt!

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Sollen uns doch gestohlen bleiben! Heute haben wir eine Hirschkuh mit Kitz gesehen. Das ist doch was. Für den Fall, dass wir irgendwann Lust auf einen Elch haben sollten kaufen wir uns einen Aufkleber. Jedenfalls schauen wir ab jetzt wieder auf Vögel, Rehe, Hirsche und Natur. Wenn uns jetzt ein Elch im Weg stehen wird werden wir ihn kalt ignorieren.
Wir haben euch jedenfalls ausreichend gewarnt: Falls irgendjemand nach Norwegen fahren will um Elche zu sehen möge er das gerne auf eigene Gefahr machen.

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Die Diashow dieser Reiseetappen:

Wale in Andenes, Regen auf den Vesteralen

Wale in Andenes, Regen auf den Vesterålen

Die Fähre hatte uns in einer knapp zweistündigen Überfahrt von Gryllefjord auf Senja nach Andenes auf Andøya gebracht. Obwohl das Wetter schon auf der Überfahrt anfängt aufzuklaren haben wir doch noch guten Seegang -zumindest was wir in Süddeutschland für Seegang halten-. Wir fühlen uns beide gut damit und haken die „Seekrankheits“-Angst für die Whale-Watching-Tour damit als unbegründet ab. So kommen wir um kurz vor 21:00 in Andenes an und haben noch genügend Zeit für einen Einkauf bevor wir unsere kleine Pension direkt am Hafen beziehen. Wir brauchen noch Kirsebaer-Yoghurt (Kirsche 🙂 ), Milch für Frühstück, etwas Wurst und Bier. Diesen Sixpack von Letzterem bringen wir allerdings nur bis zur Kasse. Der freundliche Kassierer klärt uns auf, das man in Norwegen Samstags nur bis 18:00 Bier einkaufen kann… er versteht die Logik der Gesetze auch nicht und kann uns (und sich selber) auch nicht erklären, wie das den Alkoholmissbrauch reduzieren könnte. Wir vermuten, dass alkoholanfällige Menschen in Norwegen deshalb immerhin ein besseres Zeitmanagement pflegen und legen den Sixpack seufzend zurück ins Kühlregal.

Wir schlafen also wieder mal in einem richtigen Bett (das eine viel zu weiche Matraze hat) und reihen uns am späten Sonntag vormittag bei Whale-Safari Andenes ein um zuerst eine Führung durch deren Walmuseum zu bekommen und danach auf dem Schiff REINE mit einer kleinen Gruppe Touristen aufs Meer zu fahren. Wider aller Wetterprognosen dürfen wir das wieder einmal bei strahlend blauem Himmel und sehr wenig Wind machen. Unsere nächste Lektion in Nordnorwegen: Den Wetterbericht darf man für die nächsten paar Stunden ernst nehmen. Danach macht das Wetter eh, was es will und ignoriert die Wettervorhersage von gestern.

Auf den Walsafaris in Nordnorwegen kann man um diese Jahreszeit vor allem Pottwale sehen. Das hat zum Einen damit zu tun, dass die hier jetzt gerne jagen, zum Anderen liegt das daran, dass diese Tiere zum Jagen in der lichtlosen Tiefsee eine Sonartechnik einsetzen um Beute zu orten. Eben diese Geräusche fangen die Walbeobachter auch auf, um die Tiere sicher verfolgen zu können um sie den Besuchern beim Auftauchen und -wichtiger- beim Abtauchen mit der imposanten Flosse zeigen zu können. Wir dürfen auf dieser 3-stündigen Ausfahrt insgesamt 5 Wale sehen und sind begeistert, wie groß sie sind, wie sie minutenlang ruhig an der Wasseroberfläche treiben um sich für den nächsten Tauchgang zu erholen, wie sie im 8-10 Sekundenrythmus eine Atemfontaine ausstoßen und wie sie danach wieder -ganz geräuschlos- beim Abtauchen ihre bis zu vier Meter breite Schwanzflosse aus dem Wasser heben. Wir sind wirklich sehr beeindruckt und haken ein „must-do“ auf unserer Liste der „must-have-seen“ ab.

Noch eine Nacht in der Pension, der Wetterbericht sagt für die kommenden Tage hartnäckig starken Südwind und wechselnd viel und wenig Regen an, aber wir haben eigentlich keine Wahl: Es wäre auf Dauer zu teuer, wenn wir versuchen würden, schlechtes Wetter immer in gemütlichen Pensionen auszusitzen. Zweitens würde uns die Zeit nach Gibraltar knapp werden und Drittens, noch wichtiger, wollen wir ja ein Abenteuer von Nord nach Süd erleben. Dass wir dafür auch mal aus unserer Komfort-Zone heraus müssen war uns immer klar… und das wollten wir ja auch durchstehen.

Damit sind die nächsten beiden Tage auch schon weitgehend erzählt: Gegen den Wind radeln ist vor allem eine Disziplinsache. Auch wenn es nahe liegt, kann man den Wind nicht klein radeln oder niederkämpfen. Nach spätestens einer halben Stunde ist man sonst platt… und der Wind immer noch da. So nehmen wir uns vor, unabhängig von Regen und Windstärke einfach mit wenig Kraft in den Beinen durchzuradeln und schaffen zwei Tagesetappen mit jeweils ~70 Kilometern durch Andøya, einen Teil von Hinnøya und Langøya bis nach Stokmarknes zu radeln. Auf der Strecke bleiben dabei halt leider tiefere Einblicke und Fotos von der Strecke. Von Andoya sind uns die unendlichen Moor- und Heidelandschaften entlang der Meeresküste in Erinnerung, zusammen mit den vielen Vogelstimmen. Außerdem die Landwirtschaft mit vielen Schafen und Lämmlein und dem Highlight des Tages: den Seeadlern, von denen wir mehrere auf Felsen am Meer und beim Fliegen beobachten konnten.

Zwischendrin verbringen wir eine schöne Nacht direkt am Fjord auf einem wilden Zeltplatz bevor wir -bei noch mehr Regen- über Hinnøya und Langøya radeln und dementsprechend noch weniger sehen und fotografieren.

Weiter mit Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Die Diashow der Tage: