Ein Lebenstraum von Nord nach Süd

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Sprint zur Fähre und Berg mit Loch

Sprint zur Fähre und Berg mit Loch

Unser Zeltplatz liegt am Rand eines kleinen Wäldchens und an einer Bucht, die sehr flach ins Meer geht. Das heißt, dass man bei Flut direkt am Wasser wohnt, bei Ebbe ist das Meer fast außer Sichtweite.

Es ist Ebbe, als wir gegen 8 Uhr morgens aufwachen, unseren Solo Stove Holzkocher anwerfen und unseren Kaffee am Picknick-Tisch kochen. Überhaupt gibt es in Norwegen an vielen Stellen Picknickbänke und Grillstellen, gerne auch mal ein paar hundert Meter von der Straße weg. Finden wir prima, so können wir bequem sitzen und unser Frühstück am Tisch essen.

Es ist Montag morgen, unser Ersatzgestänge für das Zelt könnte mit etwas Glück heute in Brønnøysund ankommen, spätestens aber morgen. Der Plan ist also, heute bis zu diesem Sportladen zu kommen… denn der Wetterbericht sagt kühler, Regen und viel Wind -in Böen bis zu 60km/h- voraus. Je schneller unser Zelt neue Stangen bekommt desto besser. Zwischen uns und dem Sportgeschäft liegen heute zwei Fähren, einmal Tjøtta-Forvik, danach Andelsvag-Horn. Die erste fährt eine Stunde, die zweite gute 20 Minuten…. halt mal: Wenn wir zu Ladenöffnungszeiten noch beim Sportgeschäft ankommen wollen sollten wir die Fähre um 10:40 noch erreichen. Kurz gerechnet: eine Stunde um unsere Siebensachen zusammenzupacken, ungefähr 10 Kilometer radeln -nochmal 40 Minuten- und wir kommen das erste Mal auf unserer Tour in echten Stress. Es gibt also keine weiteren Fotos von der Bucht, das Zelt wird hektisch und nass eingepackt, das Gepäck tragen wir fast im Sprint zum Pino, das seit gestern abend auf dem Parkplatz auf uns wartet. Die deutschen Urlauber, die hier ganz entspannt ihr Frühstück genießen müssen uns für verrückt halten, weil wir 7 Monate Zeit für ein Abenteuer haben und dann für eine Fähre früher echten Stress machen.
So wird die Strecke zur Fähre zur echten Tempo-Trainingseinheit (und bringt Udo Hintensitzer nebenbei auf den Gedanken, ob eine Triathlon Langdistanz in diesem Jahr vielleicht doch Spaß machen könnte) und unser Pino rast in Rekordschnitt in Richtung Fähre. 40 Minuten, 10 Kilometer sollte lässig passen. Ok: nach 30 Minuten sehen wir keine Ortschaft, keine Fähre, keine Entfernungsschilder. 35 Minuten…. nichts. Nach 40 Minuten und guten 14 Kilometern endet die Tempoeinheit zwecks Zwecklosigkeit und Plan B -langsam ausradeln, wieder zu Atem kommen und nächste Fähre nehmen- tritt automatisch in Kraft. Wenigstens gibt es an dem Fähranleger Tjøtta einen Supermarkt mit Bänken, die Sonne scheint noch und wir belohnen uns mit einem Eis.


Die Fähre trägt uns mit dem Pino in einer Stunde nach Forvik, wo uns prompt ein Tandem mit ähnlichem Problem entgegenkommt: Die beiden sind mit einem Rennradtandem im Trainingsmodus unterwegs und verpassen ihre Fähre in der Gegenrichtung auch. Dafür haben wir Zeit, uns eine viertel Stunde zu unterhalten… wir sprechen immerhin dieselbe Sprache: schwäbisch. Beeindruckend: Die beiden sind in ihrer letzten Vorbereitungsphase für ein Radrennen und wollen in einer Woche noch nach Bodø und zurück nach Trondheim radeln. Tagesetappen zwischen 100km und 200km (!!!), die zum Teil bis morgens um 4:00 gehen. Passt aber zum Radrennen Trondheim-Oslo mit 542km Non-Stop, bei dem sie mit dem Tandem nächsten Freitag starten wollen. Viel Erfolg, wir drücken euch die Daumen!

17 Kilometer später geht es über die nächste Fähre nach Horn und die Straße führt ziemlich gerade in Richtung Süden nach Brønnøysund. Durch die Wälder ist der Wind noch recht lau und der Geruch des Waldes und der Felder rechts und links macht die Etappe zu einer sehr schönen Strecke. Als kleine Anmerkung an die norwegische Elchgemeinde: Am Waldrand sehen wir ein Reh mit kleinem Kitz, das uns zwei/drei Fotos machen lässt bevor sie vor uns in den Wald flüchtet. Elche werden eh überbewertet.

Die Wetteränderung kündigt sich dann kurz von Brønnøysund an: Der Wind frischt auf und bringt schon die ersten leichten Schauer mit sich. Die Beine sind wegen der morgendlichen Sprintetappe auch nicht mehr besonders leistungswillig und die Öffnungszeit des Sportladens ist nicht mehr zu schaffen, so radeln wir mit wenig Motivation zur Statoil-Tankstelle, trinken einen Kaffee und beraten: Ein recht liebevoller Campingplatz, Mosheim, lag ein paar Kilometer vorher an der Strecke, mit Rückenwind ganz flach anzufahren, ein zweiter Campingplatz liegt beim Torghatten, einer Sehenswürdigkeit in Form eines Berges mit Loch. Wir wissen genau: Wenn wir heute nicht dorthin fahren werden wir es morgen im schlechteren Wetter sicher auch nicht machen. Das Problem ist nur, dass zwischen uns und diesem Campingplatz noch eine echte Hurtigruten-Fjordbrücke plus sehr wellige 14 Kilometer mit Gegenwind liegen. Wir entscheiden uns pro Bergbesichtigung und contra müde Beine und kämpfen uns wirklich mit letzter Energie zum Campingplatz Torghatten, klatschen das Zelt auf die Wiese und können vor dem nächsten Regenschauer immerhin noch im Freien essen bevor wir eine etwas regnerische Nacht verbringen.

Am nächsten Morgen wandern -nö, spazieren wir- die wenigen hundert Meter zum Torghatten. Dieser Berg, südlichwestlich von Brønnøysund ist ein Felshügel mit 260m Höhe auf einer Landzunge. Was ihn speziell macht, ist eine Höhle, die auf etwa halber Höhe durch den kompletten Berg geht, siehe link.

Udo Hintensitzers Knie zwickt ein bisschen und so reicht uns die Wanderung zur Höhle, wir schießen ein paar Fotos und machen uns auf den Weg zum Sportgeschäft in Brønnøysund um unsere Zeltstangen abzuholen. Gut gemacht und gerade rechtzeitig: Die nächste eckige Stelle am Zelt zeigt den nächsten Gestängebruch so dass wir uns noch im strömenden Regen daran abkämpfen müssen, die Stange am aufgebauten Zelt auszutauschen. Vielleicht hätten wir besser alle drei ausgetauscht denn die Nacht wird stürmisch, Tina verbringt die halbe Nacht damit ihre (dem Wind zugewandte) Seite des Zelts mit der Hand zu unterstützen während Udo Hintensitzer entspannt durchschläft 🙂

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Die Bildergalerie dieser Tage:

Sjøbakken nach Sandnessjøen und Kaffeepausen

Sjøbakken nach Sandnessjøen und Kaffeepausen

Die Nacht war dort sehr ruhig gewesen, es hatte kaum Wind. Trotzdem haben wir morgens wieder so einen verdächtigen Knick im Zelt, wo die Stangen sonst eine hübsche Rundung abgeben. Sch…, die nächste Zeltstange ist an einer Verbindungsstelle gebrochen. Wir haben ein Fjellheimen Camp 3 von Helsport und sind eigentlich sehr glücklich mit diesem 3-Mann Zelt.
Es hat bietet uns prima Platz für zwei Luftmatratzen und gibt uns dazu jede Menge Platz um die trockenen -oder zumindest trocken gewünschten- Sachen im Innenzelt aufzubewahren plus eine Apsis, in die alles andere, inklusive Gitarre passt.
Eine schwache Stelle scheint aber doch irgendwie die Stärke der Stangen zu sein, da die zweite jetzt gebrochen ist. Bei der genauen Inspektion mit Seniorenlesebrille sehen wir, dass einige weitere Stangenelemente an derselben Stelle schon Haarrisse zeigen. Ärgerlich: Bis Gibraltar werden wir so nicht kommen, zudem werden die ersten kräftigeren Fjordwinde unser Zelt lässig zerlegen. Und dann sitzen wir in unserem nassen Lappen, idealerweise in strömendem Regen und mitten in der Nacht.
Nö, das passt nicht zu unseren Vorstellungen von Nachtruhe und wir suchen auf der Helsportseite -norwegischer Hersteller- nach Sportgeschäften, die uns vielleicht weiterhelfen können. Brønnøysund liegt auf der Strecke und hat einen freundlichen Sporthändler, der für uns bei Helsport ein neues Gestänge bis Anfang nächster Woche beschafft. Also: Ich säge unter Protesten der Küchenleitung mit dem Küchenmesser das gebrochene Stück der Stange ab um die Zeltstange -etwas verkürzt- wieder verwenden zu können. Zwischenstand Hausmeisterabteilung gegen Küche: 1:0.

Brigitte und Jörg... danke für den Fisch :)

Brigitte und Jörg… danke für den Fisch 🙂

Mit der Reparatur und einem gemütlichen Frühstück zieht sich das Packen wieder ziemlich lange, bis wir den Seelachs von Brigitte und Jörg in unser Gepäck einpacken und den hügeligen Kiesweg zurück zur FV17 radeln… nö, zumindest teilweise schieben weil unsere Beine sich wegen den Höhenmetern am Vortag an den 8%-tern noch heftig beschweren. Der Campingplatzbetreiber kennt diese Straße nach Brønnøysund gut und hat uns eine zumindest etwas weniger hügelige Strecke verprochen: wenn wir die ersten 10 Kilometer geschafft haben.

An dieser Steigung halten wir uns eine Stunde lang schwitzend auf 🙂 und es fühlt sich wärmer an als der Wetterbericht vorhergesagt hatte. Der hatte uns nämlich nur 9°C, bewölkt und vereinzelt Regen versprochen. Tina Hintensitzer schimpft ein bisschen über die Steigung und die schweren Beine, aber dagegen hat Udo Hintensitzer einen Trumpf im Ärmel: In Sandnessjøen gibt es laut unserer Statoil-POI-Datei eine Statoil-Tankstelle. Kaffee/Schoki bis zum Abwinken und wenn man will auch noch ein leckeres süßes Stückchen oder einen deftigen Hotdog.

Nach der ersten Steigung bleibt die Straße bis Sandnessjøen wirklich gemäßigt wellig, der Wind weht von hinten und wir kommen in eine grüne Landschaft, die wir glatt mit dem Allgäu und dem Voralpenland verwechseln könnten.

Am Straßenrand gehören Löwenzahn und viele wilde Blumen zum Bild, im Hintergrund sind die Gipfel noch weiß vom Schnee, die Landwirtschaft ist im ersten Mähzyklus und hier haben die Kühe die Glocken um… statt der Schafe wie wir es jetzt von den Lofoten und Vesteralen gewöhnt sind. Einzig die Hügel sind hier felsig und zeigen fast alle das charakteristische Bild von tausende Jahre langer Gletscherbehandlung: Die sind meist ganz rund und wellig geschliffen und zeigen die einstige Fließrichtung der Gletscher ins Meer.

Kurz vor Sandnessjøen kommt die Helgelandbrücke eindrucksvoll ins Bild, wir setzen uns vor der Überfahrt auf einen Felsen, genießen den schönen Ausblick und vespern gemütlich.

Nach dieser Brücke sind es nur noch knappe 10 Kilometer bis zur Statoil-Tankstelle, für die wir die FV17 ein Stück weit in den Ort hinein verlassen müssen. Ok: verlassen müssen klingt zugegebenermaßen zu einfach. Wir müssen über einen Hügelrücken radeln, dreimal auf der Karte nachschauen bevor wir die Tankstelle erreichen.

Supertoll, Udo Hintensitzers Trumpf erweist sich jetzt als Karo Lusche. Die Statoil-Tankstelle, die uns den Kaffee spendieren sollte ist eine Automatentankstelle ohne Verkaufsraum, ohne Schoki, ohne süßes Stückchen. Und ohne Hotdog. Schwierig, Tina Vornesitzer -nö, eher uns beide- wieder zu motivieren.  Unser Frischwasser ist leer, die Tanke hat nicht mal einen Wasserhahn und so fehlt uns eine wichtige Kleinigkeit um wenigstens selbst Kaffee kochen zu können. Außerdem müssen wir über den Hügelrücken zurück radeln, was uns eine knüppelharte 12%-Steigung und damit die nächste Radschiebe-Etappe beschert. Klingt das jetzt nörgelig? Ist es.

Den Wasserengpass können wir 10 Kilometer später an einer schönen Kirche mit Friedhof und öffentlicher Toilette lösen (wo wir uns fast verschämt in die Toilette schleichen um unseren Ortlieb Wasserbeutel zu füllen), zum Weiterradeln haben wir trotzdem nicht mehr viel Lust und wir fangen an, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Im Allgäu gibt es überwiegend Kuh- und Mähwiesen und hier ist es ganz ähnlich. Kaum Stellen, an denen man ein Zelt hinstellen möchte ohne das Gefühl zu haben, man steht in Sichtweise des Bauern oder man könnte sich Ärger einhandeln weil man eine Mähwiese mit dem Zelt plättet.
So machen wir noch ein bisschen Berg- und Talfahrt bis zu einem kleinen Rastplatz an der Straße. Wir treffen hier John und Joe aus Schottland wieder, sie übernachten an diesem Rastplatz. Das gibt uns den Mut, zum ersten Mal das Pino an einem Parkplatz abzuschließen und unsere Siebensachen 200 Meter weit ans Meer zu schleppen wo wir unser Zelt an einer Grillstelle aufbauen und unser Mitbringsel -Seelachs von Jörg- braten.

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Die Diashow zum Reisetag:

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Küstenstraße ab Bodø, Svartisengletscher und Elche

Kommt man von den einsamen Lofoteninseln Vaerøy oder Røst nach Bodo erfährt man ein Kontrastprogramm: Man verlässt eine beschauliche Insel mit wenigen Touristen und viel Ruhe und Beschaulichkeit und betritt eine -für norwegische Verhältnisse- Großstadt. Bodø ist offensichtlich für viele Hurtigrutenpassagiere ein Start- oder Endpunkt ihrer Reise, was man unschwer an den vielen Menschen mit Ziehkoffer an der Hand im Hafen erkennen kann.
Hier umrunden wir auch den nördlichsten Bahnhof Norwegens, vermutlich ist Bodø auch deshalb ein beliebter Anschlussknoten zu den Hurtigruten oder zu den Lofoten.
Ab Bodø verläuft die Hauptroute für Radfahrer entlang der Küstenstraße FV17 in Richtung Salstraumen und später Brønnøysund nach Süden.

Abhängig vom Zeitbudget lässt sich diese Route über einzelne Inseln verlängern und die Anzahl der Fährstrecken etwas nach oben oder unten justieren. Da diese FV17 auch die Standardroute für Touristen ist und auch in weiten Strecken als Ausweichstrecke zur Hauptverkehrsader E6 herhält ist es mit der gewohnten Beschaulichkeit der Straßen für uns erstmal vorbei: Im Stadtgebiet von Bodø können wir noch auf Radwegen parallel zur vielbefahrenen Straße fahren, die aber schon wenige Kilometer nach der Ortsgrenze von Bodø enden. Viel Verkehr heißt für uns automatisch weniger Spaß am Radfahren -man ist sich ja nie sicher, wieviel Respekt und „Luft“ zum Leben die Autofahrer einem beim Überholen lassen- und wir haben weniger Blick für Landschaft und… weniger Nerven um für Fotos anzuhalten. Die Korrelation lautet daher leider: Viel Verkehr oder viel Regen -> weniger Blick für Landschaft und weniger Fotos.

Zurück zu unserer Route: Nach Bodø folgen wir der FV17 zuerst an den Salstraumen. Laut Wikipedia ist das der mächtigste Gezeitenstrom der Welt, der durch diesen Engpass unter der FV17-Brücke eine riesige Fjordfläche bei Flut füllt und bei Ebbe leert. Ok, wir wollten es gesehen haben, investieren die Höhenmeter von Brückenniveau hinunter auf Meereshöhe und gönnen uns ein leckeres Vesper.
Zugegeben: Mehr ist an der Stelle für den Salstraumen nach unserem Gefühl nicht nennenswert. Da fließt eine Menge Wasser unter der Brücke durch, hat auch eine echte Fließgeschwindigkeit aber ist das nicht bei jeder Rheinbrücke auch so? Ok, der Salstraumen fließt im 6-Stundentakt mal rechts- und mal linksrum, das macht der Rhein nach unserer Erfahrung wirklich nicht. Aber dafür hätten wir 6 Stunden lang vespern müssen und das war uns doch zu lange. Direkt am Salstraumen gibt es dann noch zwei Campingplätze für die Leute, die rechts- und linksrum sehen wollen, aber wir fahren weiter.
Stattdessen stellen wir unser Zelt 20 Kilometer später an einem Bergsee, dem Valnesvatnet auf. Hier stehen auf dem Waldparkplatz zwar ein paar Autos -vermutlich von Anglern- aber im letzten Winkel des Parkplatzes ist unser Zelt und unser Kocher für das Abendessen kaum zu sehen.
Nebenan rauscht ein mächtiger Wasserfall, der aus diesem Bergsee gespeist wird: Den schauen wir uns morgen mal genauer an.

Die Nacht ist ruhig und entspannt, wie immer brauchen wir für den ausgiebigen Frühstückskaffee ziemlich lange bevor wir das Zelt zusammengepackt bekommen und wieder auf die Straße kommen.

Ein Wanderweg zum Wasserfall ist nicht beschildert und wir laufen zuerst erfolglos kreuz und quer durch den Wald. Ein Bauer an einem einsamen Hof erklärt uns dann den Weg: Zuerst muss man einen guten Kilometer ins Tal weg vom Wasserfall laufen, bevor man den Fluß queren kann und wieder 3 Kilometer gegen den Strom wandern muss.

Wir nehmen viele Fotos mit, der Fluß bietet tolle Motive und der Wasserfall Valnesforsen, mit 60 Metern freier Fallhöhe der höchste im Landkreis Bodø, ist auch wirklich beeindruckend. Als wir alles gesehen haben sind wir natürlich klüger als der Rest und suchen die Abkürzung: Der Weg zurück zum Fahrrad muss doch auch kürzer gehen. Am Ende sind wir jedenfalls gute 3 Kilometer und 100 Höhenmeter extra gelaufen, kommen ein zweites Mal am Wasserfall vorbei… und nehmen doch den Weg, wie wir gekommen waren. Was man nicht im Kopf hat, hat  man… lassen wir das, immerhin haben wir uns nicht auch noch verlaufen.


Erst am späten Nachmittag sind wir wieder auf dem Rad, der Wetterbericht hat wieder mal bewiesen dass angekündigte Sonne in Norwegen sich durchaus auch mal in Kälte und Regen manifestieren kann und wir radeln nur eine kurze 40km-Etappe bis zu einem -naja- einfachen Campingplatz.
Der nächste Tag ist zweigeteilt: Wir packen ein klatschnasses Zelt ein (eklig!!!), radeln in Regenklamotten bei Gegenwind los und haben eine immer noch vielbefahrene FV17 zu radeln. Der zweite Teil des Tages beginnt nach dem zweiten längeren Tunnel, in den wir bei Nieselregen einfahren und auf der anderen Seite von warmen Sonnenstrahlen empfangen werden. Bis Ørnes wird es dann sogar so warm, dass wir uns am Supermarkt ein Eis gönnen.

Kurzer Einschub: Auf dieser Strecke machen wir die Bekanntschaft mit dem anerkannten automobilen Depp Norwegens. Vorweg: Wir haben in Nord-Norwegen hervorragende Erfahrungen mit Auto-, LKW- und Bus-Fahrern gemacht. Der Respekt, der einem als Radfahrer im Allgemeinen entgegengebracht wird ist absolut bemerkenswert und es scheint ganz normal zu sein, dass man hier viel eher auf Radgeschwindigkeit abbremst und mit respektvollen 2 Metern Seitenabstand überholt als knapp an uns vorbeizufahren. Ich würde mir dieses Miteinander in Deutschland auch wünschen 🙂
Dieser Depp Norwegens schafft es, uns aus diesem Traum aufzuwecken und überholt uns mit 20cm Abstand. An einer Stelle, an der wir perfekt rechts fahren, die Straße 7m breit ist und kein Auto weit und breit entgegenkommt. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben und der anerkannte Depp Norwegens hält 5 Kilometer später an einem Cafe an, ich stelle ihn in aller Freundlichkeit zur Rede und frage ihn warum er das macht. Er flüchtet in sein Auto und ich frage -jetzt für alle Umstehenden gut hörbar- nochmals, warum er mit seiner Fahrweise bewusst unser Leben aufs Spiel setzt. War ihm wohl ziemlich peinlich…. zumal wir ihn in Ørnes an der Tankstelle nochmals treffen und nochmals freundlich und lautstark frage. Ich hoffe, das ist ihm peinlich genug um künftig MIT Hirn zu fahren.

Svartisen-Gletscher:

In der Serie von Tunnels auf der FV17 -mal mehr, mal weniger gut beleuchtet- ist der 7,6km lange Svartisen-Tunnel einer der wenigen, die für Radfahrer gesperrt sind. Vermutlich, weil er besonders eng und deshalb gefährlich ist, jedenfalls beschert er uns eine zusätzliche Fähre von Ørnes nach Vassdalsvik und -was viel angenehmer ist- eine praktisch autofreie und sehenswerte Straße für die nächsten 30 Kilometer. Der Wetterbericht für morgen ist gigantisch mit 15°C und wolkenfrei und so beschließen wir, auf dem Campingplatz Furøy einen Ruhetag einzulegen und die Gletscherzunge Engabren des Svartisengletschers  (übersetzt „Schwarzeis-Gletscher) zu besuchen. Um diese Gletscherzunge zu besuchen muss man mit dem Passagierboot über den Holandsfjord fahren und von dort aus etwa drei Kilometer einem flachen Kiesweg folgen.

Hier gibt es einen gigantischen Blick über den türkisblauen Gletschersee und über die Gletscherzunge, die jetzt in 2016 etwa 80m über dem Gletschersee endet. Die Felsen, die der Gletscher jetzt wieder freigegeben hat sind von der jahrtausendelangen Bearbeitung durch das Gletschereis komplett glatt- und rundgeschliffen. Wir setzen die Wanderung zum Gletscher fort, gehen weite Teile an Klettersteigen mit Ketten gesichert weiter nach oben und gönnen uns zur Belohnung ein Vesper auf den warmen Felsen, 200 Höhenmeter über dem See. Blick über das blaue Eis des Gletschers, die schwarzen und roten Felsen, über den Gletschersee und den Holandsfjord.
Früher oder später kommt es eh raus: Udo Hintensitzer hat ein kindisches Vergnügen daran, in jeden Bach zu hüpfen, der mindestens einen passenden Gumpen anbietet und frisches, fließendes Wasser verspricht. Kann man nicht verheimlichen und wird auf unserem Radtrip bestimmt noch öfters passieren. Hier ist es der Gletscherbach, der aus vermutlich hunderte Jahre altem Gletschereis gespeist wird und die glattgeschliffenen Felsen als natürliche Rutschbahn nutzt. Es sind keine Touristen mehr um uns und ich genieße das eiskalte sprudelnde Wasser für fünf Minuten. Die Felsen fühlen sich unter den nackten Füßen klasse an, die Wasserbecken des Eiswassers sind tief genug um in der Hocke einzutauchen und die Rinne des Bachs so rutschig, dass ich mich nur einmal wirklich zu rutschen traue. Klasse.

Abends lernen wir auf dem Campingplatz noch einige Wohnmobilfahrer kennen und bekommen von Brigitte und Jörg -NOCHMALS VIELEN DANK- ein Filet vom frisch gefangenen Dorsch. Eingefroren und fertig eingepackt dass es den nächsten Radtag bis zum Abendessen überstehen wird.
Über den nächsten beiden Tage lässt sich leider wieder recht wenig erzählen: Gegenwind, öftere Regenschauer, etwas mehr Verkehr, mehrere Fähren vor Nesna noch einige giftige Höhenmeter bis auf 350müM.
Auf dem Campingplatz Sjøbakken in Levang erwartet uns dann eine tolle Überraschung: Brigitte und Jörg, die uns vor rund 50km überholt haben, sehen uns schon mit dem Fernglas das Tandem von der Fähre schieben. Ausdrückliche Belohnung für die harten Höhenmeter ist feines Gulasch -endlich mal wieder Fleisch- und ein deutsches Bier für jeden!!!! Wir verbringen einen unterhaltsamen Abend und bekommen zum Abschied am nächsten Morgen sogar nochmal ein Filet des Fanges der Nacht: ein Seelachs, komplett ausgenommen und entgrätet.

Brigitte, Jörg, DAS WAR KLASSE!

Zweiter Einschub: Elche, naturwissenschaftliche Studie und eine Einschätzung der Realsituation:

Wir haben jetzt doch schon gute 1500 Kilometer und über 100 Stunden radfahrend in Norwegens Landschaft hinter uns und können damit statistisch stichhaltig belegen, dass dort exakt Null Elche pro 100 Straßenkilometern zu sehen sind.
Wenn man diese Quote mit den hunderttausenden Straßenkilometern in Norwegen multipliziert kommt man zum stolzen Ergebnis von 0 Elchen in Norwegen und wir sind -gelinde gesagt- etwas enttäuscht von dieser Tatsache. Wir sind jetzt der festen Überzeugung, dass freilebende Elche sogar eine Erfindung der norwegischen Tourismusindustrie sind, die Anzahl von Elch-Aufklebern auf Wohnmobilen scheint auch auf einen wohlflorierenden Markt hinzudeuten.
Zusätzlich wird das Ganze angekurbelt von den Elch-Straßenwarnschildern, die uns regelmäßig vor Elch-Wildwechseln warnen… wohlgemerkt ohne irgendeine Elchsichtung auf diesen Streckenteilen. Nach unserer Studie ist die Schneehasendichte auf Strecken mit angekündigten Elch-Wildwechseln sogar nachgewiesenermaßen höher als die Elchdichte. Jedenfalls haben wir auf nach gut 5 Wochen konzentriertem Blick ins Unterholz rechts und links der Straße, nach vielen riskanten Fahrsituationen nahe der rechten Böschung genug davon und wir rechnen ab jetzt nicht mehr mit Elchen. Punkt!

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Auch kein Elch: Pferde in Norwegen.

Sollen uns doch gestohlen bleiben! Heute haben wir eine Hirschkuh mit Kitz gesehen. Das ist doch was. Für den Fall, dass wir irgendwann Lust auf einen Elch haben sollten kaufen wir uns einen Aufkleber. Jedenfalls schauen wir ab jetzt wieder auf Vögel, Rehe, Hirsche und Natur. Wenn uns jetzt ein Elch im Weg stehen wird werden wir ihn kalt ignorieren.
Wir haben euch jedenfalls ausreichend gewarnt: Falls irgendjemand nach Norwegen fahren will um Elche zu sehen möge er das gerne auf eigene Gefahr machen.

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Die Diashow dieser Reiseetappen:

Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Das Wetter fängt in Stokmarknes an, wie es am Vorabend aufgehört hat: Die Wolken hängen tief in den Bergen, die den Fjord umgeben und es fällt immer wieder etwas Regen auf unser Zelt. Zum Glück haben wir heute nicht viel vor: Zur Fähre nach Melbu, die uns auf nach Fiskebøl auf den Lofoten tragen soll sind es nur 20 Kilometer und da wir unseren Zeltplatz für die nächste Nacht bereits kennen haben wir keine Eile.

Gemütlich kochen wir uns eine zweite Kanne Kaffee in der Gemeinschaftsküche und warten darauf, dass sich die Wettervorhersage von gestern -trocken und sonnig bei 12°C- gegen die Wolken durchsetzt… aber es wird nachmittag bis wir das noch klamme Zelt zusammenpacken und uns unter den noch immer tiefen Wolken auf den Weg machen. Die Fähreüberfahrt von Melbu nach Fiskebøl dauert nur 25 Minuten, während der die schroffen Berge der Nordküste dieser Lofoteninsel Austvagøy eindrucksvoll näherkommen.
Die Lofoten sind ein beliebtes Urlaubsziel für Norwegenurlauber, hier beeindruckt die Landschaft mit krassen Gegensätzen aus schroffer Bergwelt und rauher Küstenlinie zum Nordmeer hin zu kilometerlangen weißen Stränden, türkisfarbenem Meer und sanften moorigen Heideflächen die wiederum direkt an grüne, bewirtschaftete Wiesen mit Schafen und Lämmern angrenzen. Dazu kommen die ganz speziellen Sehenswürdigkeiten dieser Inseln mit der eigenen Landwirtschaft, mit den Feldern von Stockfischen an Holzgerüsten und mit Dörfern, die halb auf dem Meer, halb auf den Felsen gebaut sind. Das Tempo einer Radreise gibt einem außerdem ausreichend Zeit, auch die Tierwelt der Lofoten zu sehen und diese ganz besonderen Inseln wahrzunehmen: Ist man im Auto eher in Gefahr, an den schönen Stellen zu schnell vorbeizufahren ist man mit dem Fahrrad langsam genug um auch wirklich anzuhalten. Ganz nebenbei kann man die oben beschriebenen Gegensätze auch fühlen: Da ist die nordgewandte Seite der Lofoten, die uns mit scharfem, kühlem Wind empfängt, die viel mildere Südostseite, die auch jetzt, Ende Mai, an windschattigen Stellen schon richtig warm ist. Zwischen diesen beiden Seiten wechselt man automatisch hin und her, wenn man der Hauptachse folgt und mehrmals an langen Fjorden entlangfahrend von Küste zum Landesinneren wechselt. Durch die Lofoten führt die E10 als Hauptstraße, die schon jetzt hauptsächlich Mietwagen von Urlaubern und Wohnmobile transportiert, man sollte sich aber unbedingt die Zeit nehmen, die kleinen Umwege auf den schmalen Sträßlein zu nehmen wo immer das möglich ist. Für uns heißt das zwar einige Kilometer Umwege und einige extra Höhenmeter, wir erkaufen uns damit aber den wenigen Verkehr und die Naturnähe, die wir sehen wollen.
Zurück nach Fiskebøl: Wir verlassen die Fähre, biegen direkt nach dem Fähranleger rechts ab und schon heißt uns eine knackige 10%-Steigung willkommen bevor wir einen Kilometer später „unseren“ Strand für die Übernachtung erreichen. Es gibt hier einen schönen Blick zurück auf die Vesteralen und der Himmel beginnt schon aufzuklaren. Morgen wird bestimmt ein schöner Tag!!!

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Richtig: Zwar tröpfelt es morgens noch ein paar Mal aus blauem Himmel heraus aber die sonnigen Abschnitte dominieren mehr und mehr. Unsere Radetappe wird uns heute eine große Schleife an der Nordostküste entlang führen und so die Strecke nach Svolvaer von 30km auf gut 60 verlängern. Aber es lohnt sich: Die Landschaft ist zuerst von steilen Felsen von Meereshöhe bis auf 300-400m Höhe, später von weiten Moor/Heideflächen bestimmt, die sich mit landwirtschaftlich genutzten Flächen -richtig, Schafe und Lämmer- abwechseln. Die Straße ist sehr  schmal und wir begegnen nur ganz selten Autos. Dafür sehen wir auf den ersten Kilometern zwei Seeadler, die sich mit Krähen um das Revier streiten. Später, auf den Heideflächen stehen viele Wasserflächen, auf denen Schwäne, Graugänse, Taucher wahrscheinlich gerade am Brüten sind.
Damit sind wir in unserem Element, verbrauchen wieder einige „Ohhh guck mal da“ und „Wow, ist das cool hier“, erreichen nach gut 30 Kilometern wieder die Hauptachse E10. Zurück im Verkehr mit Womos und Mietwagen sammeln wir auf dieser E10 auch noch ein paar Höhenmeter auf dem Weg nach Svolvaer wo wir „das Nötigste“ einkaufen.
Die Lektion mit der Streckenplanung passend zu den Einkaufsmöglichkeiten und Öffnungszeiten der Läden hatten wir ja schon in Svensby (siehe unseren Blogeintrag zu Svensby) gelernt. Was man als Radtourist noch dazulernen muss ist, dass man sich bei den raren Einkaufsmöglichkeiten keinen Kofferraum voller leckerer Sachen in den Einkaufswagen werfen darf. Auch wenn unser Hase Pino ein Reisegewicht von 250kg hat haben wir doch etwas eingeschränkte Packmöglichkeiten und stehen immer noch regelmäßig vor dem Supermarkt und müssen die „überschüssigen“ Lebensmittel per Einkauftüte zusätzlich seitlich ans Rad klemmen.
Nach einer Nacht auf dem Campingplatz steht die Route nach Leknes auf dem Etappenplan. Mietwagen- oder Wohnmobiltouristen auf den Lofoten werden wahrscheinlich die E10 wählen, die Europaradroute E1 entscheidet sich für Extraschlaufen über Hov und über Semesvik/Ramsvik. Das Projekt „Lebenstraum von Nord nach Süd“ gibt uns 7 Monate Zeit und rechnet mit etwa 10.000 Kilometern, also sind solche Extraschlaufen eine Selbstverständlichkeit, unsere Beine können inzwischen auch schon viel besser mit den Steigungen umgehen. Nach Svolvaer folgt die Etappe dann wieder der E10, der Blick auf das blitzeblaue Meer zeigt unzählige kleine Inselchen und die typischen weißen und roten Häuser der norwegischen Fjorde.

Nach 15 Kilometern fahren wir über eine große Brücke des Gimsøystraumen -man notiere: Viele der Brücken über große Fjorde und auf Inseln sind sehr weitspännig und haben eine Scheitelhöhe von gut 40 Metern über dem Meer damit auch Hurtigruten-Kreuzfahrtschiffe und große Segelschiffe darunter passieren können. Hoch geht es da mit gut 7% und es gibt selten Radwege: Um den Autoverkehr an solchen Stellen nur möglichst wenig zu blockieren fahren wir solche Strecken tendenziell immer zu schnell nach oben.
Nach der Brücke biegen wir außer Atem auf die kleine Straße in Richtung Hov ab, versuchen wieder gemütlich zu rollen und sehen…. wieder was schwarzes im Wasser. Vollstopp, Fernglas und Fotoapparat startklar und… Bingo: Aus dem Wasser schaut eine Robbe zu uns herüber, beobachtet uns einige Zeit um dann in aller Ruhe wegzutauchen. Noch ganz beeindruckt radeln wir weiter um ein nächstes Highlight zu sehen. Ein riesiger Seeadler der seinen frischem Fang, einen mächtigen Fisch mantelt. Abgesehen davon, dass er uns auch in 100m Entfernung nicht über den Weg traut, muss er diesen Fang auch noch gegen zwei sehr freche Raben verteidigen. Er schaut sich die Sache nicht sehr lange an und nimmt den großen Fisch recht bald mit in Richtung Felswand, vermutlich zu seinem dort oben gelegenen Horst.

Bis Leknes führt die kleine Straße 815/837 dann permanent an Fjorden und an der sanften Ostküste entlang und es gibt fast keinen Autoverkehr. Das Wetter ist wieder genial und wir Glückskinder radeln fast den ganzen Tag in kurzen Radklamotten.
Ab Leknes nach Moskenes gibt es dann keine Alternative zu der E10, die hier einmal die Nordwestküste schneidet, durch einen Fjord wieder zur Südostseite wechselt. Die Sache fängt allerdings mit einem Angstgegner an: Der Nappstraumen wird per Tunnel mit 1780m Länge unterfahren und wir haben lange überlegt, ob wir diesen Abschnitt per Fahrradfähre zwischen Balstad/Nusfjord umfahren sollten. Allerdings fährt diese Fähre nur bei Bedarf von mindestens vier Fahrrädern und lässt sich zeitlich schwer einplanen. Also nehmen wir den Tunnel, der immerhin einen schmalen Gehweg mit knapp einem Meter Breite auf unserer Fahrbahnseite anbietet. Abgegrenzt von der Fahrbahn von einem scharfen 15cm Bordstein… den man nicht versehentlich herunterfallen möchte. Unsicher ist dieser Tunnel nicht, trotzdem ist es ein kleiner Albtraum: Zuerst geht es 1000m mit 6-7% Gefälle nach unten… Udo Hintensitzer darf es nicht mal rollen lassen weil der Gehweg zu schmal ist und Schlaglöcher hat. Danach muss unser vierbeiniger Antrieb wirklich alles hergeben um dieselbe Strecke wieder nach oben zu kämpfen. Jede Dampflok dürfte neidisch auf unser Keuchen gewesen sein, als wir auf der anderen Seite oben ankommen: Dank dem engen Radweg kann man sich kaum Schlenkerer auf dem Rad leisten und muss die harte Steigung mit etwas flotterem Tempo nehmen. Garniert wird das Ganze vom ohrenbetäubenden Lärm, mit dem sich jeder durchfahrende PKW schon hunderte Meter vorher ankündigt.
Nach diesem Angstgegner überrascht uns die E10 in positivem Sinne, der Verkehr ist deutlich weniger als wir befürchtet hatten und die Strecke wartet mit echten Highlights auf. Eine vollständige Beschreibung würde jeden Blog sprengen, deshalb nur die Highlights, die uns am meisten beeindruckt haben:
– Der Fjord zwischen Kilan und Flagstad hat einen kilometerlangen weißen Sandstrand und auf der seeabgewandten Seite Wasserfälle, die über viele Meter nach unten stürzen. Im Kontrast ist der Fjord windarm und sanft, die Nordmeerseite lässt einen den scharfen, kalten Wind spüren.

– Ab der langen Querung von der Nord- zur Südseite begleiten riesige, gefüllte Stockfischgerüste die Strecke. Diese Stockfischgerüste sind übrigens auch per Nase leicht zu finden 🙂

– Die Dörfer Hamnøya bis Reine sind zu einem großen Teil auf Pfählen aufgebaut und liegen malerisch in den großen Buchten am Eingang des Kjerkfjord. Wir haben jetzt schon über 1000 Kilometer durch Nordnorwegen hinter uns und sehen hier -für uns- die mit Abstand schönsten Dörfer der bisherigen Strecke.
Damit endet unsere bislang längste Etappe in Moskenes auf dem Campingplatz. Eigentlich ist das Dorf A ein Muss für Lofotenbesucher aber wir beschließen dass die Beine für heute genug geradelt sind und sparen diesen Besuch für die nächste Reise auf.

Vaerøy:

Diese Lofoteninsel liegt in Sichtweite in direkter südwestlicher Verlängerung der Lofoten-Hauptinseln. Die Fährverbindung zwischen Moskenes, Vaerøy und der nächsten Insel Røst geht zwei bis drei Mal täglich und bringt uns um 12 Uhr nach Vaerøy. Die Insel hat insgesamt nicht mehr als 10 Kilometer Straße und ist radtechnisch ziemlich schnell erschlossen, bietet dafür aber noch einige Wanderstrecken zu den abgelegenen Winkeln der Insel an. Leider ist unser Pinogepäck nicht darauf ausgerichtet unser Übernachtungsgepäck weiter als 500 Meter zu tragen, deshalb nehmen wir den Strand Nordlandshagen als unseren Zeltplatz: Das ist der nördlichste Punkt der Insel, der per Feldweg noch per Fahrrad zu erreichen ist.

Wir hängen unsere Füße (sehr kurz !!!) ins kalte Meerwasser, genießen einen langen Nachmittag die warme Sonne in T-Shirt und Badehose bevor wir abends noch eine kurze Wanderung an der Steilküste entlang machen. Papageientaucher bekommen wir leider keine zu Gesicht, dafür wieder zig Möven, Austernfischer, Kormorane und Graugänse. Und zwei Seerobben, die immer wieder aus dem Meer schauen… wenige 10 Meter vom Ufer.

Die Nacht wird ziemlich lange, man hat von diesem Strand freien Blick nach Norden auf Lofoten und Mitternachtssonne und so verkriechen wir uns erst nach 12 ins Zelt.

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Zur Diashow dieser Reisetage:

Wale in Andenes, Regen auf den Vesteralen

Wale in Andenes, Regen auf den Vesterålen

Die Fähre hatte uns in einer knapp zweistündigen Überfahrt von Gryllefjord auf Senja nach Andenes auf Andøya gebracht. Obwohl das Wetter schon auf der Überfahrt anfängt aufzuklaren haben wir doch noch guten Seegang -zumindest was wir in Süddeutschland für Seegang halten-. Wir fühlen uns beide gut damit und haken die „Seekrankheits“-Angst für die Whale-Watching-Tour damit als unbegründet ab. So kommen wir um kurz vor 21:00 in Andenes an und haben noch genügend Zeit für einen Einkauf bevor wir unsere kleine Pension direkt am Hafen beziehen. Wir brauchen noch Kirsebaer-Yoghurt (Kirsche 🙂 ), Milch für Frühstück, etwas Wurst und Bier. Diesen Sixpack von Letzterem bringen wir allerdings nur bis zur Kasse. Der freundliche Kassierer klärt uns auf, das man in Norwegen Samstags nur bis 18:00 Bier einkaufen kann… er versteht die Logik der Gesetze auch nicht und kann uns (und sich selber) auch nicht erklären, wie das den Alkoholmissbrauch reduzieren könnte. Wir vermuten, dass alkoholanfällige Menschen in Norwegen deshalb immerhin ein besseres Zeitmanagement pflegen und legen den Sixpack seufzend zurück ins Kühlregal.

Wir schlafen also wieder mal in einem richtigen Bett (das eine viel zu weiche Matraze hat) und reihen uns am späten Sonntag vormittag bei Whale-Safari Andenes ein um zuerst eine Führung durch deren Walmuseum zu bekommen und danach auf dem Schiff REINE mit einer kleinen Gruppe Touristen aufs Meer zu fahren. Wider aller Wetterprognosen dürfen wir das wieder einmal bei strahlend blauem Himmel und sehr wenig Wind machen. Unsere nächste Lektion in Nordnorwegen: Den Wetterbericht darf man für die nächsten paar Stunden ernst nehmen. Danach macht das Wetter eh, was es will und ignoriert die Wettervorhersage von gestern.

Auf den Walsafaris in Nordnorwegen kann man um diese Jahreszeit vor allem Pottwale sehen. Das hat zum Einen damit zu tun, dass die hier jetzt gerne jagen, zum Anderen liegt das daran, dass diese Tiere zum Jagen in der lichtlosen Tiefsee eine Sonartechnik einsetzen um Beute zu orten. Eben diese Geräusche fangen die Walbeobachter auch auf, um die Tiere sicher verfolgen zu können um sie den Besuchern beim Auftauchen und -wichtiger- beim Abtauchen mit der imposanten Flosse zeigen zu können. Wir dürfen auf dieser 3-stündigen Ausfahrt insgesamt 5 Wale sehen und sind begeistert, wie groß sie sind, wie sie minutenlang ruhig an der Wasseroberfläche treiben um sich für den nächsten Tauchgang zu erholen, wie sie im 8-10 Sekundenrythmus eine Atemfontaine ausstoßen und wie sie danach wieder -ganz geräuschlos- beim Abtauchen ihre bis zu vier Meter breite Schwanzflosse aus dem Wasser heben. Wir sind wirklich sehr beeindruckt und haken ein „must-do“ auf unserer Liste der „must-have-seen“ ab.

Noch eine Nacht in der Pension, der Wetterbericht sagt für die kommenden Tage hartnäckig starken Südwind und wechselnd viel und wenig Regen an, aber wir haben eigentlich keine Wahl: Es wäre auf Dauer zu teuer, wenn wir versuchen würden, schlechtes Wetter immer in gemütlichen Pensionen auszusitzen. Zweitens würde uns die Zeit nach Gibraltar knapp werden und Drittens, noch wichtiger, wollen wir ja ein Abenteuer von Nord nach Süd erleben. Dass wir dafür auch mal aus unserer Komfort-Zone heraus müssen war uns immer klar… und das wollten wir ja auch durchstehen.

Damit sind die nächsten beiden Tage auch schon weitgehend erzählt: Gegen den Wind radeln ist vor allem eine Disziplinsache. Auch wenn es nahe liegt, kann man den Wind nicht klein radeln oder niederkämpfen. Nach spätestens einer halben Stunde ist man sonst platt… und der Wind immer noch da. So nehmen wir uns vor, unabhängig von Regen und Windstärke einfach mit wenig Kraft in den Beinen durchzuradeln und schaffen zwei Tagesetappen mit jeweils ~70 Kilometern durch Andøya, einen Teil von Hinnøya und Langøya bis nach Stokmarknes zu radeln. Auf der Strecke bleiben dabei halt leider tiefere Einblicke und Fotos von der Strecke. Von Andoya sind uns die unendlichen Moor- und Heidelandschaften entlang der Meeresküste in Erinnerung, zusammen mit den vielen Vogelstimmen. Außerdem die Landwirtschaft mit vielen Schafen und Lämmlein und dem Highlight des Tages: den Seeadlern, von denen wir mehrere auf Felsen am Meer und beim Fliegen beobachten konnten.

Zwischendrin verbringen wir eine schöne Nacht direkt am Fjord auf einem wilden Zeltplatz bevor wir -bei noch mehr Regen- über Hinnøya und Langøya radeln und dementsprechend noch weniger sehen und fotografieren.

Weiter mit Lofoten: Robben, Seeadler, magische Landschaften

Die Diashow der Tage:

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Sonne, Schnee, Regen und karibische Buchten

Tromsø liegt auf einer Insel im Fjord und hat ein bisschen etwas von den Straßen von San Francisco: Steile Straßen in Hangrichtung mit den ebenen Abschnitten der kreuzenden Straßen. Die Generation, die diese Straßen, die springenden Autos und die speziellen Straßenbahnen nicht kennen mögen bei Youtube nachblättern 🙂

Bjørn und Hilde wohnen jedenfalls auf halber Höhe des Berges auf der Tromsø-Insel, was Udo Hintensitzer gestern glatt ausgenutzt hat, um sich an einer der 15%-Steigungen eine Zerrung im Oberschenkel einzufangen. Die begleitet uns die nächsten Tage und lässt uns in einem anderen Modus radeln: Tina Vornesitzer verausgabt sich vorne mehr, während Udo Hintensitzer versucht, nur mit einem gesunden Oberschenkel aktiv zu treten. Macht uns nicht schneller… nur schneller müde.

Eine neue Erfahrung aus den letzten Reisetagen für uns ist, dass wir bei allen Kontakten zu Einheimischen -die sind hier enorm entgegenkommend und freundlich- ganz aktiv nach Tipps und Hinweisen für unsere Weiterreise nachfragen. Bjørn und Hilde mit ihrer sehr tiefgreifenden Radreise-Erfahrung und mit ihrer Ortskenntnis haben uns für die kommenden Inseln vorgeimpft: Zum Einen sind wir vorgewarnt, dass wir am Anfang der Insel Kvaløya mit einer längeren steilen Steigung rechnen dürfen. Zum Anderen haben uns die beiden schon die Strände und potentiellen Zeltplätze für die nächsten Etappen schmackhaft gemacht.

Unser Start auf die Inselgruppen Kvaløya – Senja – Vesteralen – Lofoten beginnt früh, denn leider müssen Bjørn und Hilde heute arbeiten und werfen uns um 8:00 in den Reisetag. Schade eigentlich, bei dem nach wie vor windigen Wetter und Graupelschauern hätten wir sonst bestimmt noch einen Faulenzertag eingebaut. So radeln wir um die Südspitze der Tromsø-Insel um weitere San-Francisco-Straßen zu vermeiden und verlassen die Insel in westlicher Richtung -gleich entgegen dem Wind- auf die nächste Insel: Kvaløya.

Kvaløya ist eine der großen Inseln Nordnorwegens, gehört zum Regierungsbezirk Tromsø und schirmt die Stadt Tromsø nach Norden und Westen gegen das Nordmeer ab. Die Insel hat in Nordost-Südwest-Ausrichtung etwa 35km Länge, von denen wir insgesamt 25 Kilometer Luftlinie zum Fährhafen Brensholmen durchqueren müssen um unseren Fähresprung zur Insel Senja zu erreichen. Wie gesagt Luftlinie. In Norwegen fährt man allerdings nie Luftlinie, ein Norweger hat uns erzählt, dass die Straßen dort mit der Natur angelegt sind, nicht durch die Natur. Und so haben wir eine Strecke von guten 50 Kilometern bis Brensholmen vor uns.

Wir radeln also um die Südspitze der Insel Tromsø von unseren Gastgebern aus los um Höhenmeter zu sparen und klettern über die Fjordbrücke in Richtung Osten auf die Insel Kvaloya, plündern den Supermarkt um unsere Nahrungsmittelvorräte wieder für ein zwei wilde Campingübernachtungen fit zu haben und biegen ab nach Südwesten: Kvaloya lässt uns noch wenige Kilometer am dicht bewohnten Kaldfjord flach gegen den Wind rollen bevor uns die lange Steigung in die Hochebene aus dem Sattel zwingt und wir unsere Beine und gezerrten Oberschenkel im Ackergaulmodus zu schonen versuchen (Tina Vornesitzer zieht mit Seil, Udo Hintensitzer schiebt, müssen wir unbedingt noch fotografieren). Danach führt die Strecke durch eine Ebene auf ~200m über Meer knapp unterhalb der Baumgrenze. So haben wir Nordnorwegen bereits in den ersten Tagen in der Finnmark kennengelernt: Niedrige Birken, die niemals geradeaus wachsen sondern immer ganz verknorzelt versuchen den Weg nach oben zu finden, niedriges Gestrüpp, das an Moor- und Heideland erinnert. Die Schneegrenze ist wenige Meter über uns, viele Schneefelder reichen bis zur Straße, die vielen Seen und Tümpel sind größtenteils noch zugefroren und das Wetter wechselt innerhalb von Minuten von blauem Himmel zu Regen, Graupel, böigem Wind… und wieder zurück. Heute bleibt das Wetter allerdings etwas beständiger: Der Wind von vorne und die Regenschauer behalten eindeutig die Oberhand, auch wenn wir wenigstens für ein Foto mit kurzer Belichtungszeit etwas blauen Himmel erwischen.

Ein bisschen zermürbt uns das regnerische Wetter und die knappe Kraft in unserem Sparmodus, dafür belohnt uns die Übernachtungsempfehlung von Bjørn 5 Kilometer vor Brensholmen: Ein Sandstrand mit rund einem Kilometer Länge zieht sich in den Fjord, kaum 100 Meter von der Straße weg. Wir sind hin und weg und sind uns einig, dass wir hier übernachten wollen. Was einen hier in der Natur konstant begleitet sind die unzähligen Vogelstimmen, wir hören die halbe Nacht den Möwen, Austernfischern, Moorschneehühnern, einen großen Brachvogel und Seeschwalben zu. Wirklich schön… auch deshalb lassen wir uns am nächsten Morgen noch bis nach 12 Uhr Zeit bevor wir endgültig zusammenpacken und die verbleibenden 5 Kilometer auf die Fähre Brensholmen – Botnhamn auf die Insel Senja rollen.

Ein Reisebericht im Spiegel nannte die Insel Senja „Karibik im Nordmeer“. Recht hat er, wenn man sich an den weißen Sandstränden orientiert und das türkisblaue Meer an den Küsten anschaut. Allerdings bietet Senja sehr viel mehr und wir halten Senja inzwischen für die schönste und vielseitigste Insel in Nordnorwegen: Von Nordosten kommend fahren wir zuerst am ruhigen Fjord entlang, an dem malerische norwegische Dörfer mit ihren Bootshütten stehen. Die Berge rechts und links vom Fjord sind noch recht weich und teilweise auch landwirtschaftlich bewirtschaftet. Senja ändert sein Aussehen dann sehr schnell, als wir durch die Insel am Mefjord vorbei zum Ersfjord fahren: Die Berge sind jetzt sehr schroff und die Felsen bestehen aus schwarzem Schiefer. Auf der einen Seite haben wir noch weiße Berge vom Schnee neben uns, auf der anderen Seite bildet das Moos auf den mehrere hundert Meter hohen Steilhängen atemberaubende Kontraste. Ein paar kleine Tunnel erleichtern die Straßenführung an den Fjorden entlang und versperren nur kurzzeitig den Blick auf das besagte türkisblaue Wasser und die Steilhänge, die hier bis ins Meer reichen.

Mit dem Wetter haben wir heute wieder echtes Glück und so brauchen wir viele Stopps zum schauen und zum Fotos machen bevor wir in Ersfjord am nächsten karibischen Strand anhalten, unser Zelt aufbauen und unser Süppchen am zugehörigen Rastplatz kochen.

Super: Wir treffen hier eine Gruppe von jungen Norwegern, die seit einigen Monaten auf Senja arbeiten und uns viele Tipps für die nächsten Etappen geben können. Sie zelten heute Nacht auch hier und feiern die erste Mitternachtssonne. Sie sind passend ausgestattet um unser Getränkedefizit zu kompensieren -unser Pino ist als Biertransporter nicht wirklich geeignet- und laden uns zu ihrem Lagerfeuer ein… es ist weit nach 1 Uhr nachts und lange nach der Mitternachtssonne, als wir uns in unser Zelt verkrümeln und ziemlich schnell und zufrieden einschlafen.

Thank you very much for the good advices, the warm fire and the cold beer, we enjoyed this evening with you quite a lot!!!

Für die Reststrecke über die Insel zum Fährhafen Gryllefjord folgen wir der Landschaftsroute Senja, die jeden Fjord komplett entlangfährt und uns dabei einige wellige Höhenmeter und Gegenwind beschert. Highlight des Tages ist nach wenigen Kilometern eine „Passhöhe“ mit über 200 Höhenmetern und 8% Steigung, die für uns mit brennenden Oberschenkeln gerade noch so zu fahren ist. Der Wind bläst garstig von vorne und wir sind froh, als wir ganz oben den Tunneleingang erreichen. Wir füllen unsere Wasserflaschen an einem Schmelzwasserbach und hoffen auf einen kurzen Tunnel und Bergabfahrt auf der anderen Seite. Der Tunnel hat allerdings anderes mit uns vor: Auf 2 Kilometern Länge mit weiter 6% konstanter Steigung hebt er uns noch auf weit über 300 Meter Höhe bevor wir auf der anderen Seite ausgespuckt werden. Das ist eine ziemlich unangenehme Erfahrung: Schmaler Tunnel, direkt in Fels geschlagen, eiskalt und konstant steil bergauf. Schnell durchfahren ist da leider nicht. Trotzdem gut: Häufig haben die Tunnel hier am Tunneleingang einen Knopf, den Radfahrer drücken können. Dann blinkt für ein paar Minuten ein Warnlicht an der Tunneleinfahrt um Autofahrer auf die Radfahrer im Tunnel aufmerksam zu machen. Allerdings ist hier heute kein Verkehr und wir begegnen nur einem einzigen Auto im Tunnel.

Es bleiben noch einige Kilometer und zig Höhenmeter bis Gryllefjord… konstanter Gegenwind und einige böse Wellen kosten uns die wirklich allerletzten Körner und wir haben leider viel zu wenig Blick (und Fotos) auf diesen Teil der Insel. Zum Dank empfängt uns Gryllefjord jetzt mit geschlossenen Läden… und wir müssen die verbleibenden 2 Stunden draußen auf die Fähre warten. Schmerzfrei „leihen“ wir uns bei einem freundlichen Wohnmobilfahrer einen halben Liter Wasser, werfen unseren Solo Stove Ofen mit Spiritus direkt an der Fähranlegestelle an und kochen uns eine Kanne Kaffee… schon alleine die warmen Hände von der Kaffeetasse sind jetzt Gold wert 🙂

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Die Bilder des Tages (Klick für Diashow):

Svensby – Tromsø, hart im Wind

Svensby – Tromsø, hart im Wind

Den Ruhetag in Svensby haben wir ausgiebig genutzt, um im Blog zu schreiben, Wäsche zu waschen und die Beine hochzulegen. Genaugenommen können wir hier auch nicht viel mehr machen: Svensby hat keine Einkaufsmöglichkeit, keine Tankstelle wo wir unsere Lebensmittelvorräte hätten auffüllen können…. nur wenn die Bar am Campinplatz abends eine viertel Stunde für uns öffnet (um unsere Platzmiete zu kassieren) können wir ein/zwei Dosen Bier für den Abend kaufen -zum stolzen Preis von 70 Kronen (7,50€ !!!) pro Dose. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Der Wetterbericht für unseren nächsten Reisetag sieht nicht wirklich gut für uns aus, der angesagte Wind mit 30km/h und Böen bis über 50km/h wird uns für die ersten 30 Kilometer genau ins Gesicht blasen, dazu sollen ein paar Liter Wasser aus den Wolken fallen. So sind wir fast überrascht, als wir gegen 6 Uhr im Zelt aufwachen, Sonnenlicht sehen und keinerlei Wind am Zelt rascheln hören. Allerdings bleibt das ein kurzes Vergnügen, denn der nächste Regenschauer kündigt sich mit tiefem Rauschen an und das Zelt wird klatschnass und durchgeschüttelt, lange bevor wir es aus dem Schlafsack schaffen. Heute ist Nationalfeiertag in Norwegen und die Fähre Svensby – Breivikeidet fährt nur drei Mal, so dass wir keine Wahl haben und gar nicht auf gutes Wetter warten können. Wir nutzen die nächste Regenpause um zum ersten Mal in unserem Abenteuer unser Zelt nass einzupacken und stehen um 11:00 pünktlich an der Fähre.

Fähre fahren ist etwas tolles in Norwegen: Nachdem das Pino auf dem Autodeck mit Rokstraps festgezurrt ist kann man zwei Stockwerke höher in ein Cafe sitzen und drei gefühlte norwegische Nationalgerichte haben: Hotdogs, Waffeln mit Käse und Kaffee gibt es anscheinend in JEDEM Kiosk und in jeder Tankstelle.

So gönnen wir uns die kleine Henkersmahlzeit auf dem Schiff bevor wir in Breivikeidet das Pino gegen den Wind vom Schiff schieben und uns in den Kampf mit dem Wind und dem angesagten Niederschlag werfen. Eigentlich gibt es für uns ja keinen Grund, deswegen zu jammern, wir hatten -genau genommen- bis heute geniales Glück mit dem Wetter und konnten sogar am Nordkapp bei 13°C und schönstem Sonnenschein schwitzen. Ist eben heute kleiner Zahltag und wir dürfen auch mal an anderem Wetter schnuppern. Unsere Reise wäre ja kein Abenteuer wenn man nur im T-Shirt bei lauem Rückenwind den Berg runter rollen dürfte!

Inzwischen haben wir gelernt, dass es in Nordnorwegen eigentlich keine ebenen oder flachen Straßenabschnitte gibt. Die vermeintlich flachen Abschnitte an den Fjorden entlang sind in Wirklichkeit lange wellige Abschnitte, in denen sich Hügel mit 20-50 Höhenmetern und 4-7% Steigung aneinander reihen. So wechseln wir die Gänge im Kilometerrythmus zwischen dem höchsten Gang bergab in den kleinsten Gang bergauf. Obwohl: Heute zwingt uns der Wind bergab trotz kleinem Gang in die Pedale, damit wir bergauf wieder im Kleinsten kämpfen können. Dass die hintere Bremse zu schleifen beginnt und -zumindest vermeintlich- zusätzliche Kraft einfordert zehrt zusätzlich an den Nerven: eine schlecht eingestellte Schaltung oder ein Quitschen oder Schleifen am Rad gehört zu den Dingen, die Udo Hintensitzer in Minutenfrist jede Laune komplett versauen können und drohen sich im Extremfall zur Ehekrise auszuweiten. Also machen wir auf halber Strecke eine Werkstattpause, laden unser Gepäck ab um die Bremse zu prüfen und -zum Glück- wieder besser eingestellt zu bekommen.

So erreichen wir nach knapp 3 Stunden Gegenwind, etwas Graupelschauer und deutlich weniger Regen als vorhergesagt den Knickpunkt unserer Tagesetappe und dürfen ab jetzt mit Rückenwind nach Tromsø rollen. Super: Wir verbringen die heutige Nacht wieder bei Bjørn und Hilde, wo wir schon unsere erste Nacht auf dem Hinweg zum Nordkapp übernachten durften. Many thanks again to you and your family: We did quite enjoy your kind hospitality and our stay in your house!!!

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… leider fällt die Bildergalerie für diesen Reisetag kurz aus, sorry: An den Radetappen, bei denen dicke Handschuhe zum Basisequipment gehören ist die Lust, anzuhalten und Fotos zu machen eben deutlich reduziert. Außerdem will ja Keiner Fotos von Wäldern oder Fahrrädern im Regendunst sehen 🙂