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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser, Cheaumont

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Loire-à-Velo 2: Loireschlösser und Jagdbeginn

Der Tag beginnt als echter Trödeltag: Zuerst ist uns das Zelt zu nass vom Kondenswasser um es auf dem sandigen Boden beim Einpacken zu versauen. Dann brauchen wir ewig für das Zusammenpacken und der Tacho schreit auch noch nach einer neuen Batterie.

So bekommen wir morgens kaum Kilometer auf der eigentlich schönen ruhigen Straße zusammen bevor wir schon frühzeitig Mittagspause am Loireufer machen.

Heute fühlt sich das Radfahren sehr unangenehm an: Zwar hat die Straße einen guten Belag und es hat nur sehr wenige Autos aber es scheinen viele Jäger unterwegs zu sein. Alle paar Minuten hören wir Schüsse aus den Feldern und Wäldern rechts und links von uns.
Nach unserer Abenteuerübernachtung an der Donau sind wir auf Schüsse noch etwas empfindlicher geworden und wir malen uns auch heute bei jedem Knall aufs Neue aus, wie auch einmal ein Tandem Pino in der verlängerten Schusslinie fahren könnte während der Jäger sich zeitgleich über seine Wildschweinsichtung freut und abdrückt.

Die nächste große Stadt auf dem Weg ist jetzt Orleans, weil wir eh schon Trödeltag haben machen wir hier eine kleine Stadtbesichtigung mit Besichtigung der Kathedrale, dem Wohnhaus von Jeanne d’Arc (bedingt durch die Besucherschlange davor nur von außen) und natürlich für einen… nein zwei Kaffees.

Es ist deshalb schon richtig nachmittag bis wir endlich wieder auf dem Weg sind und wir müssen richtig ranklotzen um den geplanten Campingplatz in Beaugency noch erreichen zu können. Auf den Kilometern westlich von Orleans führt der Radweg übersehr weite Strecken direkt an der Loire entlang, wirklich schade dass wir keine Zeit mehr für einen zweiten Stopp haben.

Schon einige Kilometer vor Beaugency wird es dann schlagartig voller. Autos parken auf dem Loireradweg, Leute schlendern darauf und wir müssen unser Schwerlasttandem immer öfter zwischen den Spaziergängern durchfädeln.
Tina Vordersitzer ist unser Klingelbediener und klingelt sich heute die Finger wund damit die Fußgänger nicht zu sehr erschrecken wenn wir von hinten ankommen.

Beaugency selbst ernüchtert uns dann: Wir hatten befürchtet, dass der Campingplatz seine Saison schon beendet haben könnte, stattdessen steht dieser Campingplatz komplett randvoll mit Transportern und Wohnwagen.
Abgesehen davon, dass wir kaum einen brauchbaren Platz für unser Zelt hätten finden können ist uns die Sache ziemlich suspekt und wir beschließen mit 2:0 Stimmen, lieber weiterzufahren. Ole Isbjørn enthält sich der Stimme, der döst schon seit der Mittagspause in Orleans auf seinem Plätzchen und kriegt von dem Ganzen gar nichts mit.

 

Die nächste Ortschaft erreichen wir mit Einbruch der Dämmerung, hier gibt es auch zwei Campingplätze in der Datenbank.
Wieder dasselbe Spiel, auch diese Plätze sind komplett überfüllt obwohl die Saison eigentlich schon vorbei sein müsste. Zum Glück sind hier in Muides-sur-Loire drei Herbergen eingezeichnet, Plan B heißt: Herbergsübernachtung.

Die erste Herberge? Hatte über den Sommer für Renovierungen geschlossen und macht erst nächste Woche wieder auf.
Die Zweite? Ist Teil des dritten lokalen Campingplatzes… geschlossen.
Die Dritte? Erreichen wir telefonisch, hat keine Zimmer mehr frei.

Das Ganze riecht schon ein bisschen nach Katastrophe, es ist schon fast dunkel, es wird in Kürze regnen, wir haben Hunger und es ist viel zu spät um noch einen wilden Übernachtungsplatz zu suchen… Plan C: Wir fragen bei dem lokalen Pizza- und Burgerbäcker nach Möglichkeiten, da stehen gerade recht viele Leute davor. Einer von denen wird uns doch wohl seinen Garten für das Zelt anbieten können!?!

Können sie nicht, aber sie sind sehr hilfsbereit. Suchen mit uns zusammen nach den Herbergs- und Hotelangeboten in der Umgebung und googeln die Telefonnummern für uns heraus. Der dritte Anruf ist dann endlich erfolgreich, wir haben ein Zimmer!!! Zwar für 90 Euro die Nacht ohne Frühstück, was Tina Vordersitzer aber -angesichts der Alternative „Übernachtung im Freien bei Regen“- gerne aus ihrer Kaffeekasse zahlen will.

Mit Vollgas schaffen wir die drei Kilometer bis zu diesem Hotel dann gerade so bevor der Regen anfängt. Diese Punktlandungen vor Regenbeginn werden uns allmählich unheimlich.

Das Hotel ist super, ein altes Herrenhaus mit Blick über die Loire, ein warmes Zimmer, ein angenehmes Bett, ein eigenes Bad. Purer Luxus für heute, die Nacht bekommt drei Kreuzchen in den Kalender. Wir packen im Hotelzimmer unsere Nüsschen und unseren Rotwein aus, verbringen den restlichen Abend lümmeln auf dem Bett und saugen den Hotelluxus in uns auf.

Am nächsten Morgen haben wir einen schönen Blick aus unserem Fenster zur Loire, es steht Nebel über der Landschaft. Es war auch die letzten Nächte immer schon sehr herbstlich feucht, daran müssen wir uns entlang der Loire vermutlich gewöhnen, der Sommer geht halt doch zur Neige. Hoffentlich bekommen wir am Atlantik und in Spanien dann wieder trockenere Abschnitte.

 

 

Unser Frühstück wollen wir heute auf den ersten Kilometern einnehmen weil das Petit Dejeuner im edlen Hotel in Tina Vordersitzers Kaffeekasse nicht mehr drin war und weil der nächste Bäcker eh nur 500 Meter von uns weg ist. Und den Kaffee kochen wir uns sowieso am liebsten selber, das passt dann schon.

Obwohl: Montag ist in Frankreich anscheinend der Ruhetag für Bäcker, außer einer Packung Madeleines und einem abgepackten Marmorkuchen bei der Tante-Emma gegenüber ist nichts zu kriegen.
So radeln wir mit knurrendem Magen die 7 Kilometer zur ersten Loireschloss-Besichtigung unserer Tour: Schloss Chambord, das malerisch in einem sehr großen Waldareal liegt und mit seinen unzähligen Türmen ziemlich verspielt wirkt. Von außen ist dieses Schloß beeindruckend groß -das größte Schloss der Loire-Region- und auch die Parkanlage darum herum ist sehr weitläufig.

Die Besucher werden hier mit vielen Bussen hergefahren, schon alleine das „Dorf“ mit dem kommerziellen Angebot von Plastiksouvenirs bis Pizza und Fahrradverleih hat eine Fußgängerzone von gut 100 Metern Länge.

Für uns reicht der Blick von außen, wieder einmal verzichten wir gerne auf das Anstehen in der Schlange, dafür gönnen wir uns zwei Café Crème im Schlosspark und tunken unseren Marmorkuchen zum Frühstück während wir erfolglos versuchen, zwei gleich aussehende Türme am Schloss zu finden.

Der Zweck des Waldareals um das Schloss wird uns beim Hinausfahren bewusst: Dieses riesige Schloss wurde als Jagdschloss gebaut und der Wald darum ist umzäunt um die gemästeten Wildschweine in der Nähe zu halten. Vermutlich sind es wohlhabende Gäste, die hier für edles Entgelt eine Wildsau vor die Flinte geschubst bekommen.

Klar wird damit auch, warum an diesem Wochenende alle Zeltplätze in der Region überlastet sind: In dieser Loireregion begann gestern die Jagdsaison, das darf man sich in etwa vorstellen wie Beginn der Bundesliga nach der Winterpause. Die ganzen Jäger dürften jetzt ganz schön wild darauf sein, etwas Wildes vor die Flinte zu bekommen und den Finger recht locker am Abzug haben.
Für uns 2RadReisende heißt das, dass wir für den Moment NICHT wild zelten werden. Weder brauchen wir einen Jäger, der uns in der Morgendämmerung zur Sau macht, noch brauchen wir Schrotlöcher in Zelt und Schlafsack, wenn wir ungeschickt in einer Schusslinie übernachten sollten.

Die Wildschweine, die wir hier im Park sehen sind noch relativ entspannt und lassen uns recht nahe kommen bevor sie weglaufen. Bestimmt hat denen noch niemand gesagt, dass die Schonzeit vorüber ist… werden sie schon noch merken.

Auf dem Weg raus kommt uns noch ein Reiseradler entgegen und winkt uns freundlich zu… den sehen wir später wieder !!!

Zurück auf dem Loire-Radweg wird es schon bald Zeit für einen Platz fürs Mittagessen, wir fahren einen der größeren Anglerwege bis zum Fluss hinunter, finden eine kleine sandige Bucht für unser Picknick und brutzeln uns Couscous mit Ratatouille auf unserem Holzkocher.

 

Die Loire unterscheidet sich grundlegend von allen anderen Flüssen, an denen wir bisher entlanggeradelt sind. Während die meisten anderen Flüsse ab einer gewissen Wassermenge schon historisch zu Wasserstraßen umfunktioniert wurden, hat die Loire ihr Gesicht als natürlicher Fluss behalten: Bedingt durch die enormen Mengen an Sand, den sie mit sich führt war sie vermutlich nie als Transportgewässer brauchbar und wurde auch deshalb baulich nicht gefasst. Tina Vordersitzers Bild der Loire: Die Loire ist ein Fluss, der noch wirklich Fluss sein darf.

 

Dementsprechend bilden sich hier Sandbänke, kleine Sandinseln und lösen sich wieder auf, der Fluss sucht sich sein Bett immer wieder aufs Neue. Es macht Spaß, diesen Fluss zu begleiten, der Loire-Radweg bleibt ein Highlight auf unserer Europatour. Er ist einfach zu fahren, weil er gut beschildert ist, er ist auf den allermeisten Etappen sehr flach zu radeln und es gibt eine recht gute Infrastruktur von Zeltplätzen, Herbergen, Rastplätzen nah an der Strecke.

Baignade strictement interdit

Schon seit unserer ersten Begegnung mit der Loire in Nevers sind uns die vielen Schilder mit „Baignade interdit“ oder „Baignade strictement interdit“ aufgefallen. Hatten wir das zuerst noch für Naturschutzthemen gehalten und hätten es zu gerne das eine oder andere Mal ignoriert, werden wir später aufgeklärt: Das hat auch mit den Sandmengen zu tun, die die Loire zum Atlantik transportiert. In der Loire bilden sich Sandbänke, die wie Treibsand auch instabil werden können und manchmal auf großer Breite abreißen können, böse Wirbel und Wellen erzeugen können. Nach einem Unglücksfall mit mehreren toten Schulkindern vor etwa 30 Jahren wurde das Badeverbot dann behördlich erlassen. Überzeugt uns, manche Verbotsschilder machen wohl doch Sinn.

Auf dem Campingplatz in Chaumont stehen heute drei Zelte mit Rad- und Motorradreisenden neben unserem und wir lernen Jonas Kassigkeit, zwei radelnde Spanier -Alvaro und Mirentzu- und einen Spanier -Alfonso- mit Motorrad kennen. Wir öffnen unseren Weinkeller, bestückt mit immerhin einer Flasche Muskat für die Runde und verbringen einen langen Abend zusammen.

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf's Foto kommen :)

Alvaro & Mirentzu; Frühaufsteher Jonas und Alfonso sind selbst schuld wenn sie nicht auf’s Foto kommen 🙂

Jonas werden wir auf unserer weiteren Etappe noch öfters treffen, er beeindruckt uns mit seiner lockeren Art und mit seiner Radreiseerfahrung. Trotz seinem zarten Alter von gerade mal 22 Jahren hat er schon einige tausend Kilometer in Europa abgeradelt und ist dabei auch viel alleine unterwegs. Wo wir bei wilden Übernachtungen schon zu zweit oft sehr unsicher sind muss er das ganz alleine meistern. Respekt!

Morgen wollen wir uns dann noch ein zweites Loireschloss, dieses Mal auch von innen, anschauen: Chenonceaux, das ein paar Kilometer abseits der Strecke liegt. Das Schloss wurde zuerst am Fluss Cher gebaut, später wurde dann die zugehörige Brücke elegant mit zwei Stockwerken überbaut. Ein wunderschönes Schloss mit großer Parkanlage.

Als wir hier auf dem Fahrradparkplatz einlaufen, dürfen wir uns für einen Moment richtig prominent fühlen als uns zwei junge Radreisende direkt mit „Hey, ihr müsst Tina und Udo sein“ ansprechen. Sind wir leider nicht, sie hatten nur am Vortag Michaela und Hubert getroffen, mit denen wir vor ein paar Tagen einen Camperabend verbracht hatten 🙂

Weiter mit „Loire-a-velo 3: Tours – St. Nazaire – Atlantik“

Zur Bildergalerie des Reisetages:

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Pagny – Chagny – Digoin – Nevers

Der Campingplatz -man sollte ihn wahrscheinlich eher Campingplätzchen nennen- liegt heute morgen noch schön im Schatten der hohen Bäume. Das ist auch gut so: Wir hatten in den letzten Tagen schon wirklich heißes Reisewetter, aber heute und morgen stehen die heißesten Tage des Jahres vor uns, der Wetterbericht kündigt uns 35°C an.

Unser Mitleid des Tages gehört auch deshalb schon nach ein paar Kilometern einem französischem Ehepaar, das hier auf der Straße läuft und einen üppig ausgebauten Kinderwagen schiebt.
Neugierig halten wir an: Schon häufig haben wir so ausgestattete Angler auf dem Weg zu ihrem Revier gesehen, aber an diesem Wagen hängen Reservereifen. Das riecht eher nach spannender Geschichte denn nach Anglerlatein.

 

Stellt sich dann auch so heraus. Die beiden sind erfahrene Wanderer und haben diesen Wagen schon durch so manche Ecken von Frankreich geschoben.
Aktuell sind sie auf unserer Strecke, dem Loire-Radweg unterwegs, ganz am Ende ihrer 800-Kilometer-Reiseplanung wollen sie ihren Wagen in Saint Nazaire parken.

Da wo auch wir auf den Atlantik treffen und auf den Eurovelo 1 nach Süden abbiegen wollen. Wir unterhalten uns über die Reisepläne und Erlebnisse, aber hier in der Sonne wird es uns Vieren bald zu heiß. Wir radeln, die beiden schieben weiter.

 

Nach wie vor folgen wir noch auf weiten Teilen der Strecke französischen Kanälen. An Schleusen wundern wir uns manchmal, wie die großen Schiffe hier so zentimetergenau reinpassen, aber auch den Skippern scheint die Mittagshitze heute nicht zu gefallen.

Insgesamt sind recht wenige Hausboote unterwegs, unsere Suche nach potentiellen Mitfahrgelegenheiten erledigt sich damit praktisch von selbst, an Schleusen auf Schiffe zu warten bietet sich absolut nicht an.

 

Die 2RadReise-Mittagspause fällt dann geschickt auf ein Seefreibad mit schönem Baumschatten. Interessanterweise sind wir hier allerdings komplett alleine und der Badesee ist mit „Baignade interdit“ -Baden verboten- komplett abgesperrt.
Bleibt zu klären, ob das die französische Art ist, die Verantwortung für das Ableben potentiell Ertrinkungswilliger auf selbige zu übertragen weil der Strand nicht überwacht ist? Oder dass gefährliche Tiere im See sind? Oder dass der See eben doch auch schon umgekippt ist und das Wasser nicht mehr badetauglich ist?

Bleibt ein Geheimnis der Gemeinde, allzu einladend ist der etwas vermüllte Badestrand eh nicht, wir fahren nach dem Mittagessen ungebadet weiter.

 

Dafür sehen wir nicht viel später eine Nutria beim Baden im Kanal, die sich von uns kaum stören lässt. Ole Isbjørn ist jedenfalls fasziniert von dem Tier und seinen orangefarbenen, erschreckend scharfen Zähnen, diese Tiere kennt er von Norwegen nicht.

 

Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir bei der französischen Stadt Digoin die Kanalbrücke, wo der Canal du Centre über die Loire führt und Schiffe auch mal über Brücken fahren dürfen.
Solche Stellen sind schon beeindruckend, diese Brücke wurde schon 1834 gebaut und wird immer noch genutzt und gebraucht.

Die Nacht verbringen wir dann auf dem Campingplatz in Digoin… umgeben von einem hohen Zaun. Entweder wollen die uns wegsperren oder uns vor irgendwas schützen, wieder ein ungelöstes Geheimnis auf unserer Strecke.

 

Am nächsten Morgen sitzen wir auf diesem Campingplatz und schauen uns vor dem Etappenstart die Landkarte genauer an: Wir wollen die Mittagshitze unbedingt mit einer Pause überbrücken und nicht ganztägig in der Sonnenhitze radeln. Das gelingt uns dann auch ganz gut, in Pierrefitte-sur-Loire können wir schon nach 18 Tageskilometern wieder in ein gespenstisch menschenleeres Freibad.

Udo Hintensitzers Französischlehrer hatten schon vor über 30 Jahren von der Urlaubszeit in Frankreich erzählt, wir kennen das auch aus früheren Frankreichurlauben. Im Juli und August fahren praktisch ALLE Franzosen in Urlaub, alle Strände und Urlaubsgebiete sind überfüllt. Macht aber nichts, im September löst sich diese Überfüllung schlagartig, weil alle Franzosen auch gleichzeitig heim fahren und die Urlaubsgebiete wieder freigeben.

So ist es auch hier am See, wir sind komplett alleine in der Mittagshitze, können uns den schönsten Baumschatten aussuchen und überlegen ausgiebig, ob wir uns von den hiesigen „baignade interdit“ Schildern abschrecken lassen.
Lassen wir nicht, wir gehen in der dreistündigen Mittagspause zweimal im erfrischenden -aber schon etwas erdig riechenden- See zum Baden bevor wir die letzten Kilometer nach Bourbon-Lancy auf einer früheren Bahntrasse radeln.

 

Heute abend gibt es wieder unser Lieblingsessen in Frankreich: Dickes Rumpsteak, angebraten in unserem Mini-Pfännchen. Dieses Abendessen macht uns so richtig Spaß. Zwar dauert es wieder fast zwei Stunden bis alle vier Steaks gebraten sind, dafür kann man neben so einer Bratorgie auch toll Rotwein schlürfen und ganz gemütlich in Gängen essen. Nur dass es zu jedem Gang dasselbe gibt: Pro Person ein halbes Rumpsteak mit Steaksoße und Brot.

Bei diesen Gelegenheiten spielt auch unser Holzkocher Solo Stove seine großen Stärken aus: Sein Brennstoff Holz ist für Camper unerschöpflich und es ist dem Kocher vollkommen egal, ob er 10 Minuten oder 2 Stunden lang heizen soll. Mit Gas würde man so etwas nie so ausgiebig kochen, da müsste man im Supermarkt zusätzlich zum Rumpsteak auch die Gasdosen auf Vorrat kaufen.

 

Unsere Weinflasche ist heute noch randvoll, und so fragen wir die radfahrenden Campingplatznachbarn -heute ein deutsches Paar aus dem Allgäu und zwei französische Alleinradler- ob sie noch mit uns auf ein Glas Wein zusammen sitzen wollen. Die beiden Einzelradler zeigen leicht autistische Züge und wollen lieber ihre Ruhe haben, mit dem Paar aus Sonthofen, Michaela und Hubert, entwickelt sich ein richtig toller Abend.

Wir reden über Nordkap-Radtouren (Hubert war vor zwei Jahren per Rad dort oben), über die Reiseziele, über Freizeiten und darüber, dass es Zeitpunkte im Leben gibt, in denen man sich neu orientieren möchte.
Wir haben es recht lustig, bis die Flasche sich zu Ende neigt und bis sich einer der französischen Zeltnachbarn kurz nach 10 Uhr in aller Freundlichkeit nach etwas mehr Nachtruhe erkundigt. Zumindest deuten wir sein schwer verständliches Gebrüll aus seinem Zelt als freundliche Bitte, die nur bedingt durch reduzierte soziale Kontaktaufnahmemöglichkeiten etwas rustikal bei uns ankam.

Jedenfalls trinken wir den letzten Tropfen Wein aus und gehen ins Zelt, belästigen wollen wir ja auch niemanden.

 

Die nächste Tagesetappe soll uns dann über 90 hügelige Kilometer nach Nevers führen, wo wir endlich wieder einmal einen echten Ruhetag einlegen wollen. Es soll nicht mehr ganz so heiß werden, sogar Wolken und etwas Regen ist für den Abend angesagt.

 

An diesem Tag lernen wir wieder ein anderes Stück Frankreich kennen: Die hügelige Landschaftsform erinnert an das Allgäu, allerdings sind die Wiesen nicht durch Elektrozäune sondern häufig durch kleine Mäuerchen oder Hecken begrenzt.
Es gibt wenig Landwirtschaft mit intensivem Mais- oder Getreideanbau, dafür werden die Wiesen für die berühmten Rinder genutzt. Milchvieh ist das nicht, von diesen Wiesen kommt unser leckeres Rumpsteak von gestern abend. Vielleicht sollten wir doch nochmal über das mit dem Vegetarier werden nachdenken.

Die Beschilderung des Eurovelo 6 ist auf diesem Streckenteil nicht ganz so toll, was darin gipfelt, dass wir an ein und derselben Stelle zweimal vorbeikommen… nur mit 10 Kilometern und 40 Minuten Unterschied. Während die Anwohner sich über das zweite Auftauchen unseres lustigen Gefährts wundern ärgern wir uns über 10 Kilometer Umwege. Dumm gelaufen… ähhh gefahren.

Pünktlich zur Mittagspause verabschiedet sich der hintere Schaltzug des Pino zum zweiten Mal und beschert uns Arbeitsteilung während die Wolkendecke schon allmählich dichter wird: Udo Hintensitzer darf sich beim Schaltzugtausch ölige Finger holen, Tina Vornesitzer deckt den Tisch an dem Flussrastplatz direkt an der Loire.

 

Wieder zur Dämmerung erreichen wir das Etappenziel Nevers, wo wir auf einem Campingplatz gegenüber der Altstadt Nevers bei jetzt ziemlich dunklen Wolken einchecken. Den Platz für unser Zelt suchen wir heute auch nach der Geländeform aus, der Himmel wird immer düsterer und wir wollen bei Regen ja nicht in der tiefsten Wanne des Geländes stehen.

Überhaupt wird das heute eine Punktlandung ersten Grades: Wir haben das Zelt aufgebaut, die ersten, vereinzelten Tropfen fallen. Udo Hintensitzer spannt das Zelt fertig ab, Tina Hintensitzer hängt das trockene Innenzelt ein, wir hören den ersten Donner. Jetzt nur noch die Taschen ins Vorzelt und die Schlafsäcke ins Innenzelt und ZACK: Exakt pünktlich mit dem Schließen des Zeltreissverschlusses zeigt uns das Wetter, wie so ein richtiges Gewitter mit Wolkenbruch abgeht.
Lachend über diesen Dusel packen wir unser Vesper heute im Innenzelt aus und wagen uns erst wieder beim Nachlassen des Regens für einen Spaziergang in die Stadt nach draußen.

Am Ruhetag in Nevers schauen wir uns die Altstadt und die Kathedrale ausgiebig an, schreiben ein/zwei Postkarten und eine Blogseite. Die Sonne traut sich schon wieder raus und macht Lust auf den nächsten Reisetag.

 

Weiter mit „Loire-à-velo 1: Nevers – Chateauneuf-sur-Loire“

Die Fotogalerie der Reiseetappe:

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

L’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny

Heute morgen sorgt nicht nur unser Holzkocher beim Kaffeekochen für Qualm auf dem Campingplatz, kurz danach bereiten sich die Mitglieder der Lanzfreunde Odenwald auf die Abfahrt vor.
Das Vorglühen des Zylinderkopfes per Heizbrenner geht noch relativ harmlos vor sich, das Anwerfen des Lanz- und Ursustraktors von Hand ist jedenfalls ein Schauspiel für sich.
Die Dieselwolke aus dem Auspuff, die jeder einzelnen Zündung folgt hat es schon in sich und wir finden hinterher den einen oder anderen Dieselrußkrümel auf unserer Zelthülle.

Weniger spektakulär ist eine Stunde später das Anrollen unseres Gespanns, zum Glück schaffen wir den Absprung heute etwas früher am Vormittag: Der Wetterbericht verspricht uns heute wieder über 30° im Schatten.

Der EV6 folgt in diesem Abschnitt abwechselnd dem Fluss Doubs und dem Canal Lateral du Doubs in weiten Schleifen.

Teilweise fahren wir auf der Nordseite (=Sonnenseite) des Flusses / Kanals, andere Strecken führen auf der angenehm schattigen Südseite.
Das sind die wirklich schönen Teile der heutigen Etappe, endlich kann man auch mal wieder ohne Sonnenbrille fahren.

 

Zum gleichen Zeitpunkt auf einem Ast einer der hohen Eichen verabschiedet sich Bruno Düsenflieger von seinen Enkeln (er hat sich nicht explizit vorgestellt, wir geben ihm einfach mal diesen Namen), seines Zeichens fliegende Ameise, zieht die Fliegerbrille auf und startet in seinen letzten Flug. Im Sturzflug donnert er auf uns ahnungslose Reiseradler zu, nimmt Udo Hintensitzer ins Visier und knallt mir mit Höchstgeschwindigkeit direkt ins linke Auge. Sonnenbrille im Schatten wäre doch gut gewesen.

Mannmannmann, tut das Ding weh! Ich kann zwar die Hälfte von Bruno Düsenflieger per Reflex-Augenwischen aus meinem Auge reiben, der Rest bleibt aber erst mal drin und brennt so höllisch, dass wir eine knappe Stunde Pause machen müssen und fast einen Liter unseres kostbaren Trinkwassers für das Ausspülen des Auges verbrauchen.
Dummes Ding, Bruno, hättest auch einfach auf unseren Scheinwerfer donnern können.

Um das Auge auf den weiteren Kilometern etwas zu schonen klebt Krankenschwester Tina Vornesitzer mir eine Augenkompresse auf das lädierte Auge und wir fahren mit etwas reduzierter Geschwindigkeit weiter.

Zum Glück guckt Tina mit und passt auf, ich wäre über den Ast am Rand der asphaltierten Strecke fast drübergefahren… Tina kreischt ein bisschen und wir halten kurz nach dem Ast an, der sich inzwischen als ganz schön große Natter -vermutlich eine große Ringelnatter- entpuppt hat.

Dummerweise sind wir halt wieder zu tüddelig, das Tier zu fotografieren bevor sie sich ins hohe Gras verkrümelt… ähhh verschlängelt.

 

Am Nachmittag führt uns der Radweg entlang dem hier schon recht breiten Doubs auf Besancon mit Blick auf die Zitadelle auf dem Berg zu. Der Doubs macht hier eine große Schleife durch Besancon, die Kanalbauer haben sich eine Abkürzung dazu einfallen lassen: Der Kanal hat einen Tunnel mitten unter der Stadt hindurch bekommen und als Radfahrer kann man wahlweise durch die Stadt radeln oder durch den etwa 500m langen Tunnel abkürzen. Wir wollen gerne noch ein Stückchen vorwärtskommen und nehmen deshalb die kürzere Variante durch den Tunnel. Es fühlt sich schon seltsam an, zu wissen dass die riesige Zitadelle während dieser Durchfahrt über unseren Köpfen steht.

Ein gutes Stück nach Besancon folgt dann bei Thoraise eine weitere Kanalabkürzung per Tunnel. Inklusive tollem Blick durch den Tunnel auf die andere Bergseite und die Schleusen auf der anderen Seite. Nur der Radweg hat in diesen Tunnel nicht mit reingepasst, wir müssen unser Lastenrad über den kurzen aber steilen Berg radeln.

 

Nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel heute:
Unsere Datenbank kennt einen Campingplatz in Osselle, die Karte zeigt dort ein Freibad direkt angeschlossen. Hochwillkommen bei der heutigen Hitze. Als wir dort ankommen entpuppt sich die Sache dann aber als privates Freibad am See mit angeschlossener Campingwiese.
Soweit gut, aber die Betreiberin erzählt uns am Eingang von „… douches froides …“ – es gibt nur KALTE DUSCHEN.

Es ist jetzt schon abend, vermutlich müssen wir da jetzt einfach durch. Der Platz ist auch wirklich richtig schön, der See lädt zum Baden ein und wir haben von unserem Zeltplatz einen schönen Blick über den See.
Man kümmert sich auch liebevoll um uns (die fast einzigen Camper an diesem Tag) und zeigt uns den Platz mit der schönsten Aussicht und nahe zu den Steckdosen.
Eine Französin, die in ihrer aktiven Arbeitszeit als Redakteurin gearbeitet hat fragt uns noch lange über unsere Reise aus und lobt den See und das Seewasser in den höchsten, frischen Tönen -verglichen zum „toten“ Wasser der Loire. Wir bleiben gerne einen extra Ruhetag auf diesem Platz, auch wenn die Duschen extrem erfrischend sind, baden ausgiebig und gönnen uns Abendessen mit Rotwein in der Freibadgaststätte.

Das frische Wasser im See und den Vergleich mit der Loire müssen wir wenige Tage später etwas relativieren: Die Loire sehen wir später mit tollem klarem Wasser mit vielen riesigen Fischen, deren Wasser kann so tot nicht sein. Dafür haben sich alle Vorder- und Hintensitzer dieses Blogs Zerkarienpusteln im See geholt… die sich noch ein paar Tage juckend in Erinnerung halten werden.

 

Beim Abendessen im Freibadrestaurant treffen wir auf Franzi und Josh, die gerade ihre Bachelorarbeit in Politik- und Islamwissenschaften bzw. in Politik und Pädagogik abgeliefert haben.
Daraus entwickelt sich eine sehr spannende Unterhaltung über Berufswünsche, soziales Engagement und über den Umgang mit Populismus. War sehr schön, mit euch zu reden, wir wünschen euch einen guten Berufsanfang wenn ihr wieder zurück seid!

Am Tag nach unserem Ruhetag in Osselle kommt schon recht früh Leben auf das Freibadgelände. Schwimmer mit Neoprenanzügen kommen zum trainieren, viele Sportler mit Rennrad und Sporttaschen laufen ein und fangen an, das Freibadgelände für ihren lokalen Triathlonwettbewerb vorzubereiten.
Einen Moment denken wir drüber nach, wie so ein Triathlon mit Pino auf der Radstrecke wohl aussehen würde, entscheiden uns aber dann doch, weiterzufahren.

Nach Osselle geht es wieder weitestgehend am Rhein-Rhone-Kanal entlang. Diese Strecken rollen immer sehr gut, da der Radweg immer das ebene Niveau des Kanals hält und nur alle paar Kilometer einen Höhensprung einer Schleuse aufweist… um danach wieder für Kilometer eben zu bleiben. Highlight des Morgens ist eine Ringelnatter, die quer über den Kanal schwimmt. Dummerweise WIEDER zu schnell für uns.
Versprochen: Wir liefern noch ein Schlangenfoto!

 

Auf diesem Kanal ist jetzt, Anfang September nicht sehr viel Verkehr. Pro Tag sind es fünf bis zehn Miethausboote, die mehr oder weniger Probleme beim Rangieren in den Schleusen haben.
Dazu kommen ein paar frühere Frachter, die liebevoll zu langen Hausbooten umgebaut worden sind und häufig ganz liebevoll mit Blumenkästen geschmückt sind.
Die liegen dann meist an Anlegestellen mit hübschen Restaurants und die Besitzer üben sich im französischen Savoir-Vivre. Wäre für einen Sommer bestimmt mal schön um die Beine richtig baumeln zu lassen, auf mehrere Jahre verteilt aber vielleicht doch langweilig, oder?

Auf so einen Wohnfrachter würde unser Pino eigentlich ganz gut passen und wir überlegen ernsthaft wie es wäre, uns bei so einem kanalfahrenden Pensionärspaar auf eine Tagesetappe einladen zu lassen. Würde eigentlich ganz gut zu 2RadReise passen.
Leider finden wir über die ganzen Tage kein einziges fahrendes Hausboot, das in unsere Richtung fährt und genügend Platz für ein Pino auf Deck gehabt hätte. Schade.
Das einzige Schiff, das infrage käme ist ein Holzfrachter, dessen Kapitän wir auch prompt ansprechen. Allerdings sehen wir den an einer Stelle, an der ein Aufladen des Pino wirklich nicht möglich ist. Wird leider nichts mit Schifffahrt.

 

Die Etappe endet an diesem Abend dann auf einem winzigen 0-Sterne-Campingplatz an der Saone bei Pagny. Die Betreiberin nimmt uns extrem freundlich in Empfang, bietet uns gleich eine kalte Flasche Wasser aus dem Kühlschrank plus zwei kalte Bier an und empfiehlt uns den Sonnenuntergang am Saone-Ufer.

Die zwei Flaschen Bier trinken wir dann auch dort am Ufer bevor wir müde ins Zelt kriechen. War ein langer, heißer Reisetag.

 

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Die Fotogalerie dieser Reisetage:

 

Neustart nach Westen: EV6 Mulhouse – l’Ile sur Doubs

Neustart nach Westen: EV6 Mulhouse – l’Ile sur Doubs

Kilometerstand 5533, Standort Neuenburg, direkt vor der deutsch-französischen Grenze. Udo Hintensitzers Eltern haben uns vom Bodensee bis hierher gefahren damit wir ein paar Radeltage einsparen -und gegen spätere Ruhetage in Frankreich oder Spanien eintauschen können.

Ein bisschen aufregend ist die Fahrt über die Rheinbrücke schon. Wir versuchen, mit diesem Sprung in unser fünftes Reiseland, Frankreich, auch unsere Alltagsgedanken abzuwerfen.
Die drei Tage zu Hause waren so voll mit alltäglichem, die Brötchengeber von Vorne- und Hintensitzern waren geistig so nah wie vor unserer 2RadReise, so dass es nicht ganz einfach fallen wird, wieder in den entspannten Modus einer Langzeitreise zurückzufallen.
Tina Vornesitzer macht noch Fotos von der Rheinüberquerung, danach müssen wir uns schon um die Navigation von Neuenburg zum Eurovelo 6 kümmern:

Unsere Reise durch Frankreich wird das Land zuerst von Ost nach West bis zum Atlantik durchqueren und dabei dem Eurovelo 6, später dem Loire-Radweg (Teil des EV6) bis nach Nantes folgen. Danach stehen gute 800 Kilometer entlang der Atlantikküste nach Süden auf dem Plan, wo wir dem ensprechenden Abschnitt des Eurovelo 1 bis zur spanischen Grenze folgen werden.

 

Der Weg zum Eurovelo 6 führt uns über die Landstraße D108 und nordet uns gleich auf den französischen Umgang mit Radfahrern auf gut befahrenen Straßen ein.

Unsere Radfahrerrechte lauten hier: Mach Dich schmal und rechne nicht damit, dass Autos außer zu blinken auch noch ausscheren könnten.
Nach nervenden 7 Kilometern auf dieser D dürfen wir dann endlich zum Rhein-Rhone-Kanal abbiegen, unserem Einstieg auf den französichen Eurovelo 6 und unserem Einstieg auf viele Kilometer entlang französischer Kanäle.

Die Tagesetappe ist dann auch relativ kurz, wenig später durchqueren wir Mulhouse entlang des Kanals und laufen auf dem Camping de l’Ill ein. Ein bisschen bedrohlich wirkt es schon: Der Campingplatz -wie so viele Großstadtcampingplätze- ist durch ein mächtiges Stahltor und Umzäunung geschützt. Wollen die uns daran hindern, nachts raus zu gehen oder wollen die nachts Niemanden mit bösen Absichten reinlassen? Vermutlich Zweiteres.

Der Campingplatz bietet einen Baguette-Service für seine Gäste an, stilrichtig frühstücken wir natürlich ein Baguette mit (Donautal-)honig und Pain-au-Chocolat, getunkt in unserem Milchkaffee. Außerdem versuchen wir hier noch, unser Zelt morgens TROCKEN in seinen Packsack zu bekommen und lassen uns deshalb Zeit mit dem Frühstück.
Was uns jetzt noch nicht ganz klar ist: Das nasse Zelt im Packsack wird ab jetzt unser ständiger Begleiter. Auch wenn wir tagsüber noch echte Sommerhitze genießen schlägt sich nachts der Tau innen und außen auf der Zelthaut nieder und will und will morgens nicht trocknen.

Das Zelt ist dann halbtrocken auf dem Anhänger, das Stahltor des Campingplatzes ist offen, Udo Hintensitzer brüllt das „Aufsitzen“-Kommando und es geht los in den zweiten Frankreichtag.
Es geht am „Canal du Rhone au Rhin“ entlang und schon nach ganz kurzer Zeit überwiegen grüne Wiesen und kleine Ortschaften, wir verlassen das Ballungsgebiet Mulhouse. Nachdem der Rhein-Rhone-Kanal auf den allerersten Metern noch wie ein riesiger Industriekanal gewirkt hatte ist er jetzt zum kleinen, pittoresken Kanälchen gewandelt, der sich seine wenigen Höhenmeter mittels vieler Schleusen erkämpft.

Zwischendurch sieht man vom Radweg aus gleichzeitig den Fluss Doubs und den Kanal, natürlich auf unterschiedlichem Höhenniveau. Gibt einem ein Gefühl dafür, welchen planerischen Aufwand die Kanalbauer in den letzten Jahrhunderten treiben mussten um die vielen Kanäle Frankreichs zu bauen.

In den nächsten Tagen sehen wir dann viele Vögel entlang der Flüsse, drei Arten schaffen es leicht, das Bild zu dominieren: Fischreiher, Eisvögel und Angler.

Am meisten sieht man natürlich die Fischreiher, die hier als Graureiher, Silberreiher oder Kuhreiher alle paar Kilometer stehen und auf unvorsichtige Fische in der Nähe ihrer Füße warten.

Dazu sehen wir wirklich Mengen von Eisvögeln an den Kanälen, leider immer nur in ihrer typischen Bewegung: pfeilschnell und flach über das Wasser rasend. Man erkennt sie immer an der strahlend blauen Farbe ihrer Flügel bevor sie durch die Bäume abhauen.
Leider sehen wir sie nicht ein einziges Mal sitzend und sind viel zu langsam um beim Vorbeifliegen zu fotografieren.

Naja, und dann noch die Angler. Wir können uns nicht so richtig vorstellen, wie die Fische aus dem teilweise doch sehr milchigen Wasser wohl schmecken könnten. Hochgerüstet, wie die Angler hier sind, müssen die Kanalfische trotzdem etwas Besonderes haben.
Manche Angler sitzen hier mit 4 und mehr Angeln gleichzeitig am Wasser, haben aufwändige Halterungen für ihre Angeln aufgebaut und scheinen mitsamt Zelten oft ganze Wochenenden am Wasser zu verbringen. So lange halten wir es nicht an einer Stelle aus, wir fahren weiter bis Ile sur Doubs zum Campingplatz.

Als wir auf diesem Platz aufschlagen ist schon eine Gruppe der Lanzfreunde Odenwald mit drei Traktoren und zwei Unimogs auf dem Platz. Sie kommen von ihrer Partnerstadt zurück und haben ähnliche Längen in den Tagesetappen wie wir. Nur, dass sie -zumindest teilweise- Ohrenschützer während der Fahrt tragen müssen, was uns am Kanal erspart bleibt.

Gerade mal einen Tag vorher hatten Hinten- und Vornesitzers eine Diskussion über diese Art der Fortbewegung. Udo Hintensitzer hat ein enormes Faible für halbantike Maschinen, die richtig Krach machen, noch richtig nach Schmieröl riechen, gerne mehr Hubraum als Geschwindigkeit haben dürfen und auf jeden Fall echte Handarbeit in der Bedienung benötigen dürfen.

Klar, heute haben wir noch genügend Kraft in den Beinen um das Tandem zu bewegen.
Aber falls wir mit 65+ nochmal eine Reise Nordkap-Gibraltar machen wollen plädiert Udo Hintensitzer für die Version antiker Traktor -Lanz oder Ursus- in Kombination mit einem Bauanhänger. Jedenfalls muss der Traktor per Lötlampe und Muskelkraft zu starten sein, darf nur einen Zylinder haben und man muss den Bumms der Zündung am Hintern spüren können.
Und dazu einen Bauwagen mit einem Holzofen zum Heizen und kuscheligem Schlaf-/Wohnraum-/Küche… mal schauen, vielleicht wird das dann zum 8RadReise Blog.

Nach dem Zeltaufbauen in Ile sur Doubs geht Udo Hintensitzer noch auf die Jagd. Ein Einweggrill sollte es sein, wir haben uns im Supermarkt Leckereien zum Grillen gekauft.
Zum Glück kann man das Pino auch alleine fahren, so kann Tina Vornesitzer sich in der Zwischenzeit um Innenzelt und Luftmatratzen kümmern.

Ernüchternd. Abends um viertel nach sieben hat der Bricomarche geschlossen, die Einzelhändler sowieso. Und Aldi Nord wie auch LIDL haben keine Einweg-Grills im Angebot. Einerseits finden wir das schade, auf der anderen Seite haben wir auf die Art wieder ein besonders entspanntes Abendessen mit unserem winzigen Grillpfännchen: Zwischen dem ersten fertiggegrillten Fleisch und dem letzten Würstchen liegen runde zwei Stunden und eine ganze Flasche Wein. Vermutlich sind wir spätestens bei der letzten Grillwurst im Modus „Langzeiturlaub“.

Weiter mit „l’Ile sur Doubs – Kanalradwege – Pagny“

Die Bildergallerie des Tages: